Chapter 1: Im Ermittlungsrausch
Summary:
Adam beschäftigt ihr momentaner Fall sehr. Leo? Nicht so.
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
„Leo, also jetzt hör mal, wir müssen da wirklich ran an die Kontenklärung.“
„Hmh.“
„Du musst mit dem Staatsanwalt telefonieren und dem den Sachverhalt nochmal schildern. Tremann muss doch verstehen, worum es da geht, das muss doch in sein Erbsenhirn rein. Mann, wie ist der denn zur Justiz gekommen, ich denke, die nehmen nur Leute mit Bestabschluss. Kann der nur auswendig lernen oder wie? Das gibt’s doch nicht, lehnt die scheiß Kontenklärung ab, weil er keine Veranlassung sieht. Blödsinn ist das. Wirklich, richtiger Blödsinn.“
„Adam.“
„Und dass er nicht checkt, dass wir die Fingerabdrücke von Müller-Begenheim haben. Auf der Tatwaffe. Mann! Da müsste der doch schon längst auf dem Schoß des Richters sitzen und um einen Durchsuchungsbeschluss betteln. Ich wette mit dir, dass er zu feige ist, weil Kowalczyk ihn das letzte Mal wegen Unfähigkeit eine verbale Abreibung verpasst hat. Ich wette!“
„Adam…“
„Und wir und unser Fall leiden darunter! Wir kommen nicht voran, weil der werte Herr Staatsanwalt Befindlichkeiten hat und sich wie die Prinzessin auf der Justizerbse aufführt! So ein Idiot.“
„Adam!“
„Was?!“
Leo seufzte tief und lehnte sich entspannt zurück. Er legte seinen linken Arm auf die kühle Keramik seitlich von ihm und legte sein Kinn auf die Handfläche. Gedankenverloren starrte er auf Adams blonden Schopf, der sich bis gerade eben noch aufgeregt hin und her bewegt hatte und nun zu einem seitlichen Stillstand gekommen war.
„Sollen wir das jetzt machen?“, fragte Leo mit latenter Herausforderung in der Stimme, gewürzt mit einer guten Portion an ironischem Humor. Adam grollte, sein schlacksiger Oberkörper vorne übergebeugt. Ebenso unwirsch schnippte er einen der Schaumberge weg, die während seines Monologes in der Badewanne in Wallung geraten waren und hin und wieder damit gedroht hatten, ihren Badezimmerboden zu fluten. Sie beruhigten sich, nun, da Adam auch wieder ruhiger wurde und Leo kam nicht umhin, ihm mit Zärtlichkeit über den nackten Rücken zu streichen, der sich schändlicherweise aus seiner Umarmung entfernt hatte.
Eigentlich lagen sie bei Kerzenschein in der Badewanne.
Eigentlich waren sie am Beginn eines romantischen Abends.
Eigentlich genoss Leo den anderen Mann auf seinem Schoß, dessen Gewicht auf seinen Oberschenkeln, dessen Nähe an seinem nackten Körper, umspielt von angenehm heißen Badewasser samt Schaum.
Uneigentlich hatte Adam seine dollen fünf Ermittlerminuten, in denen er sich leidenschaftlich über Dinge aufregte, die sich mit Sicherheit einfach morgen früh lösen ließen, die ihm aber keine Ruhe ließen.
Leo zog ihn stumm zu sich in die Arme, hauchte einen Kuss auf Adams wunderschöne, blonde Haare. Adam seufzte und schmiegte sich in seine Umarmung.
„Hast ja recht“, brummelte er und küsste Leos erreichbaren Unterarm. Als das anscheinend nicht reichte, bohrte er seine Zähne sacht in Leos Muskulatur dort. Liebesbisse, nannte Adam sie. Leo wiederum hegte die Vermutung, dass es versuchte Knutschflecke waren.
„Morgen. Lass uns heute über etwas Anderes sprechen“, raunte er und Adam brummte höchst zufrieden, als Leo sie so eng aneinanderpresste, dass bestimmt noch nicht einmal ein Schaumberg zwischen sie passte.
~~**~~
Notes:
Selbstverständlich ist diese Szene dem Tatort Berlin entliehen.
Chapter 2: Das Dienstsiegel
Summary:
Die Notwendigkeit dienstlicher Veränderungen erschließt sich Adam nicht. Er protestiert entsprechend.
Chapter Text
„Aufgrund des Bürokratieabbaus wird der Dienstsiegelgebrauch auf ein Minimum reduziert“, äffte Adam den Wortlaut des Erlasses nach und versah seinen gerade geschriebenen Post-It daraufhin mit einem fetten, blauen, Dienstsiegelabdruck.
So wie die Tageszeitung vor ihm. So wie Esthers Ermittlungsvermerk davor. Ihre IT-Sicherheitsbelehrung davor.
Ein großer Bullshit war das, was da als Erlass vom Innenministerium runtergekommen war. Wuhu, ein Referat, das sich ausschließlich mit dem Bürokratieabbau im Ressort beschäftigte, hochdotierte Juristen und Sachbearbeiter, die sich Gedanken um so eine Scheiße machten.
Adam donnerte ihr Dienstsiegel, das sie im Zuge des Erlasses abgeben mussten, auf das Stempelkissen und siegelte gleich auch noch ihre Tischplatte. Ups.
Waren ja alles Urkunden. Und die zu siegeln, war zuviel Bürokratie. Am Arsch.
Leo kam zu ihm und beugte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm. „Wenn du fertig bist, Eigentum unseres Dienstherrn zu beschädigen, kannst du mir gleich auch noch die Funkzellenabfrage geben“, sagte er in seinem strengen Teamleiterton und Adam presste ihm das Dienstsiegel erst einmal mitten auf die Stirn dafür.
Leo blinzelte. Adam auch, dann grinste er. Wunderschön, so ein gesiegelter Leo. Wunderschön wütend, aber auch das war okay. Das machte Leos Augen heller und Adam mochte es, wenn er Leo ärgern konnte.
Nicht, dass er ihm das sagen würde, aber eine Seite in Adam war schon irgendwie in der Pubertät stecken geblieben und wollte nun nachholen, was er damals nicht gedurft hatte. Weil er zuviel Angst vor seinem Vater gehabt hatte und weil Leo zuviel positive Bestärkung gebraucht hatte.
Nun aber. Dienstsiegel.
„Adam!“
Adam blinzelte unschuldig. „Ja, Leo?“
„Ohne Scheiß, Adam.“
Dafür würde er nicht seine Hand ins Feuer legen. „Hübsch siehst du aus“, grinste er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Wunderschön mit Adler und Schrift drumherum, die Ziffer des Siegels ganz unten. Die Augen intensiv strahlend vor Wut und vor Fassungslosigkeit. Ja, er liebte es, Leo so aus der Reserve locken zu können. Er liebte auch Leo, aber das hatte er ihm noch nicht gesagt. Lieber ärgerte er ihn wie ein pubertierender Teenager.
Bevor Adam sich eine aussagekräftige Antwort überlegen konnte, ging die Tür auf und er fuhr herum. Anstelle von Pia und Esther waren da… Sellmann, ihre Dienststellenleiterin, die Landespolizeipräsidentin, ihr Arbeitsschützer Kninke, die Betriebsärztin, deren Namen sich Adam noch nie merken konnte und ihr zuständiger Liegenschaftsmanager Yadav, der eigentlich ganz cool war und ihnen im letzten Sommer einen Ventilator unter der Hand hatte zukommen lassen.
„Und hier haben wir nun…“, begann die untersetzte Mittfünfzigern mit der Ausstrahlung einer Abrissbirne, vor der sie alle Angst hatten, und stockte in ihrem gewichtigen Satz, dass sie sich in den Räumlichkeiten der Mordkommission befanden. Das mochte auch oder ausschließlich - sicher war Adam sich da nicht - an Leo liegen, der sich ihr ebenfalls zugewendet hatte, den Stempelabdruck wie ein Fadenkreuz auf der Stirn. Oder an Adam, der das Dienstsiegel immer noch in der Hand hielt. Quasi die Tatwaffe und schuldig wie die Nacht noch dazu.
„…die Mordkommission“, vollendete er und Sellmanns Blick spießte ihn nahtlos und vor allen Dingen gnadenlos auf.
„Hölzer, Schürk und ihr Dienstsiegel“, grollte sie und kam auf ihn zu. Adam erhob sich um wenigstens den Anschein von Professionalität zu erwecken. Und ein bisschen Respekt zu zeigen. Sie hatte das verdient in seinen Augen.
Die Kopflänge Unterschied zu ihnen beiden zwang sie dazu, zu ihm hochzusehen. Sellmann hatte damit kein Problem, das wusste Adam, er kannte ihre eiserne Bissigkeit aus eigener Erfahrung.
„Und das meine Herren, ist der Grund, warum Ihnen die Dienstsiegel weggenommen werden“, sagte sie und rupfte Adam das hölzerne Spielzeug aus der Hand. Das er nach zwei unwürdigen Runden des Hin- und Herringens auch freigab.
Schmollend.
~~**~~
Chapter 3: Das Bananen-Gurken-Dilemma
Summary:
Adam isst gesund. Leo leidet.
Chapter Text
Leo hat sich schon oftmals ausgemalt, woran er wohl sterben würde.
Das an sich hat nichts mit einer negativen Einstellung zu tun oder einer Todessehnsucht, sondern eher damit, dass er versucht, seinen noch bisher ungegangenen Lebensweg weiter zu spinnen. Dabei gibt es viele logische Todesarten, die ihm einfallen: ein Autounfall, ein Schusswechsel, ein Unfall im Haus, eine unentdeckte, körperliche Ursache. Alles logisch und beinahe schon bieder, teilweise auch berufsbedingt.
Dann ist da die unlogische Variante, die zugegebenermaßen erst vor ein paar Wochen neu hinzugekommen ist und für die er, das muss Leo leider zugeben, selbst verantwortlich ist. Er und sein Gesundheitswahn in Verbindung mit seiner Bereitschaft, diesen über Adam auszuschütten.
Du ernährst dich ungesund, hat er gesagt, als Adam wieder eine seiner Fertignudelpackungen geknabbert hat. Du brauchst Vitamine. Du brauchst Nährstoffe. Obst, Gemüse. Adam hat es abgetan, zunächst, dann jedoch ist er mit immer mehr Obst und Gemüse zur Arbeit gekommen, auf den Trichter gekommen, dass ihm Bio-Gurken und Bananen am besten schmecken. Bio-Gurken deswegen, weil er sie so mit Schale essen kann und die so gut schmeckt.
An sich, kein Problem. An sich, genau das, was Leo für ihn will. Aber.
Das Aber beginnt immer dann, wenn Adam konzentriert arbeiten muss. Er arbeitet oft konzentriert, eigentlich immer dann, wenn er Schriftkram erledigt. Er ist absolut fokussiert, blendet alles aus. Nebenher Essen geht aber trotzdem und da kommen vormittags die Gurken ins Spiel und nachmittags die Bananen. Nicht jeden Tag, aber immer in der Reihenfolge, schließlich ist Adam ein Gewohnheitstier und braucht feste Riten.
So auch gerade jetzt. Es ist wieder einer dieser Tage, an denen Leo leidet wie ein Hund und eigentlich gar nicht in Adams Richtung schauen möchte. Er kann aber nicht anders, als den blonden Mann anzustarren, wie dieser an seinem Ermittlungsvermerk herumdoktert und währenddessen die ganze halbe Gurke in seinen Mund steckt und zwar bis zum Anschlag. Nachdenklich nuckeln seine Lippen an der dunkelgrünen, leicht bitteren Schale und Adam zieht sie beim nächsten Absatz ein Stück heraus, leckt mit seiner Zunge über die Außenschale des Gemüses, das er in seinen langen Fingern hält.
Adam liebt es, mit seinen Lippen ein rundes O um die Hälfte der Gurke zu bilden und sie dann Stück für Stück abzuknabbern.
Sie wie jeder andere Mensch zu schneiden, davon hält er nichts. Kleine, mundgerechte Stücke? Nicht für Adam, der hat‘s lieber groß und dick und lang und treibt Leos Herz, das bei diesem Anblick ein paar Schläge schneller pumpt, in luftige Höhen. Glücklicherweise ist es bisher nur sein Herz gewesen und Leo kann sich gerade noch so beherrschen, dass es nicht auch noch seine Hose ist, die zu eng wird bei diesem Anblick.
Das ist aber nur der Vormittag.
Wenn Leo die Bananen schon sieht, sieht er zu, dass er am Nachmittag Termine hat oder dass er fluchtartig das Büro verlässt, sobald Adam eine der grün-gelben Früchte in die Hand nimmt. Adam mag sie nämlich nicht zu weich, sondern noch etwas bissfest und eher unsüß. Da hat er noch etwas im Mund und etwas zum Kauen. Hat Adam gesagt und Leo seinen ersten, innerlichen Tod beschert, der ihn sich wie ein pubertierender Teenager hat fühlen lassen.
Vieles an Adam lässt Leo sich so fühlen, einschließlich der Tatsache, dass er es tunlichst vermeidet, Adam zu sagen, wie attraktiv er ihn findet. Eigentlich alles an ihm. Die Lippen allem voran.
Es ist exakt 15:00 Uhr, als Leo mit einem Zeugen telefoniert und nicht von seinem Platz wegkann, während Adam zu einer Banane greift und sie schält. Erst ein Viertel Schale, dann das zweite Viertel, das dritte, genüsslich das Vierte. Adam sieht noch nicht einmal hin, während er das tut, hochkonzentriert auf den Bildschirm und die schematische Darstellung ihrer Zeitlinie des aktuellen Falls.
Der Zeuge spricht mit Leo, aber er kann sich nicht wirklich auf das Gespräch konzentrieren, geschweige denn auf die Informationen. Adam knabbert an der oberen Spitze der Banane und lässt seine Zunge probeweise um das gelbe Fruchtfleisch kreisen, wie um seinen Biss von gerade wieder gut zu machen. Dann kommt eine lange Zeit nichts, weil er konzentriert liest und nachvollzieht und Leo so den Freiraum gibt, dem Monolog des auskunftswilligen Mittfünfzigers zu folgen, der ihm ein Ohr abkaut, weil endlich mal jemand zuhört.
Die Ruhe ist jedoch trügerisch, stellt Leo fest, als Adam anscheinend den Durchbruch hat, zufrieden grunzt und beschließt, dass es an der Zeit ist, die Banane schnellstmöglich zu essen. Abbeißen kommt für ihn nicht in Frage, nein. Dafür reckt er seinen Hals in grader Linie nach oben und schiebt sich die Banane vollständig in den Rachen, als wäre es das Normalste von der Welt.
Leo starrt, das Hintergrundblubbern des Mannes vergessen. Seine Gedanken sind wenig hilfreich, so neutral er sie auch halten möchte. Adam ist ein Arbeitskollege und Freund, der isst. Er isst. Kein Grund, daran zu denken, dass er Adam seinen Schwanz ganz tief in den Rachen stecken könnte und es so ziemlich das Geilste wäre, was ihm in den letzten Monaten passiert wäre.
Wirklich nicht. Leo wünscht sich, er wäre nicht so unprofessionell.
Dabei ist es nicht so, dass Leo unbefriedigt oder abstinent lebt. Er geht regelmäßig weg, wälzt sich voller Elan und Freude mit Männern durch sein Bett. Seine längste Beziehung zu Febin hat vier Jahre gehalten und ist nur in die Brüche gegangen, weil dieser in den Oman zurückgekehrt ist und sie beide sich einig gewesen sind, dass eine Fernbeziehung für sie nichts ist. Leo ist sexuell ausgelastet und angenehm befriedigt.
Wären da nicht Adams Gurken und Bananen, wären da nicht Adams Lippen und die vollkommene Unwissenheit des blonden Folterers drei Meter von ihm entfernt.
Leo stöhnt unbewusst auf und der Mann am anderen Ende stockt in seinem Monolog.
„Herr Hölzer?“, fragt er irritiert und Leo reißt seine Augen auf. Ihm wird heiß und sein Herz beginnt panisch zu schlagen. Hat er gerade einen Zeugen angestöhnt? Ja, hat er! Wegen einer Scheiß Banane.
„Entschuldigung, ich habe mir das Knie gestoßen“, sagt Leo das Erste, was ihm einfällt und ein amüsiertes Schnauben in seinem Rücken teilt ihm mit, dass zumindest Esther ihm seine Ausrede nicht glaubt.
Leo wirft ihr einen dunklen Blick über die Schulter zu, den sie mit einem vielsagenden Grinsen pariert. Adam selbst ist…vollkommen unbeeindruckt damit beschäftigt, die Banane zu verzehren.
„Vielen Dank für Ihre Koorperation, Herr Cattaneo“, durchbricht Leo den wieder beginnenden Redeschwall des Mannes und räuspert sich. „Ich werde die Informationen sortieren und mich dann bei Ihnen melden.“
„Natürlich Herr Hölzer.“ Cattaneo klingt zurecht misstrauisch und Leo ist erleichtert, als er auflegen und den Raum verlassen kann. Raus aus ihrem Büro, rein in die Teeküche ihrer Etage, dem ungefähr unsexiesten Ort, den er sich vorstellen kann. Drei Türen sind zwischen ihm und Adam und er kann immer nur noch an die Banane denken, die in Adams gestrecktem Hals verschwunden ist.
Ein Schatten in seinem Augenwinkel lässt Leo herumfahren und Esther steht dort, lehnt lässig gegen den Türrahmen.
„Irgendwann musst du’s ihm sagen.“
Leo weiß sehr gut, was das ist, aber er will es sich verbal nicht eingestehen. „Keine Ahnung, was du meinst.“
Esther schnaubt und die Kette an ihrem Hals bewegt sich mit dem Muskelspiel in ihrem Hals. Es ist einfacher, dorthin zu starren als in ihre aufmerksamen, braunen Augen, die viel zu viel wissen.
„Und ob du das weißt“, enttarnt sie mit einer knappen Handbewegung seine Lüge.
Leo blinzelt, wagt den Blick ins Gesicht und bereut ihn sofort.
„Glaubst du, man würde nicht sehen, dass du ihm am Liebsten dein eigenes Gurken- und Bananenäquivalent zwischen die Lippen schieben würdest?“, formuliert sie bissig, was seit geraumer Zeit in seinen Gedanken tobt und Leo verzieht das Gesicht vor den inneren Schmerzen, die er fühlt. Seit Wochen schon. Eigentlich seit er Adam das erste Mal nach ihrer Rückkehr gesehen hat. Aus dem attraktiven Jungen war ein attraktiver Mann geworden, Wunderschön und begehrenswert.
„Stimmt nicht“, lügt er und Esther rollt mit den Augen.
„Klar, Pinocchio. Sieh zu, dass du’s ihm sagst oder ich mach‘s.“
Natürlich muss Adam in dem Moment den Kopf in die Tür stehen, bequem über Esthers kleinere Gestalt. In seiner Hand hält er die Bananenschale, die er anscheinend im Biomüll entsorgen möchte. „Was wem sagen?“, fragt er verwirrt und Leo starrt ihn mit großen Augen an. Esther starrt Leo an, abwartend und mit erhobener Augenbraue. Adam starrt Leo an, ratlos, über was sie gerade gesprochen haben.
„Besprechung, morgen früh“, rettet sich Leos Selbsterhaltungstrieb in das Harmloseste, was er finden kann. Es ist zu offensichtlich und Esther dreht sich laut lachend um, schubst Adam spielerisch aus dem Weg, als er ihr keinen Platz macht. Die hellen, blauen Augen fragen ihn um Rat und Leo winkt schwach ab.
„Schon okay. Alles gut.“
Nein, schreien seine Gedanken. Nein, das ist es nicht, du schamloser Lügner!
~~**~~
Adam denkt angewidert an seinen Vorrat an Bananen und Gurken, der nicht kleiner werden möchte, egal, wieviel er davon isst. Weil Leo es ihm mit einem vielsagenden Augenbrauenwackeln gesagt hat. Mehr Gemüse, mehr Obst. Gurken und Bananen. Adam ist nicht dumm und auch nicht von gestern. Er weiß, was diese Anspielung bedeutet und hat entsprechende Vorkehrungen getroffen um Leos Wunsch zu erfüllen.
Doch Leos Reaktion darauf steht aus, bis heute und er stöhnt nur, wenn er sich das Knie stößt, aber nicht, wenn Adam sich die Scheißbanane bis zum Scheißanschlag in seinen Scheißrachen schiebt, unter Aufbringung aller seiner über die Jahre erlernten Fähigkeiten des Schluckens. Kein normaler Mensch würde jemals so Gurken oder Bananen essen. Ganz davon ab, dass Adam runde Früchte sehr viel lieber mag.
„Vielleicht sagst du es ihm einfach?“, schlägt Pia hilfreich wie ein Kropf vor und hebt ihren Humpen Radler an die Lippen. Adam selbst bleibt bei Wasser, wie immer. Alkohol nimmt er nicht zu sich, für alles Andere ist es ihm zu warm.
„Nein“, grollt Adam und verschränkt die Arme, starrt an ihr vorbei auf das in der Sonne glitzernde Wasser des Sees. „Er hat den Vorschlag gemacht. Also muss er auch damit um die Ecke kommen.“
„Adam…“
„Ne.“
Pia seufzte. „Wart ihr früher auch schon so gut im Kommunizieren?“, fragt sie hoch ironisch und Adam entwirrt seine Arme, legt die Hände betont lässig auf seine Jeans. Um mehr Abstand zu gewinnen, lehnt er sich auch noch in seinem Stuhl zurück.
„Das geht dich gar nichts an“, faucht er und sie nickt beflissentlich, sortiert in aller Ruhe ihren Pferdeschwanz neu. Ein bisschen neidisch ist Adam ja schon auf diese braven, geordneten Haare. Seine eigenen sind viel zu puffig um sie nicht mit Gel zähmen zu müssen.
„Dann iss eben weiter deine Gurken und Bananen und träume davon, dass es eigentlich Leo ist, den du dir zwischen die Lippen schiebst.“
Viele unterschätzen Pia. Adam weiß das, hat er schließlich auch. Aber hinter der lieben Fassade verbirgt sich ein garstiges, manchmal verdorbenes Weib, das durchaus auch deutlich sagt, was sie denkt. Zusätzlich dazu beobachtet sie mit scharfem Verstand, was um sie herum passiert. Adam schätzt ihre dienstlichen Beobachtungen.
Aber nur die. Auf Leo und ihn bezogen sind sie…lästig.
„Ich denke, es wird nicht auf Ablehnung stoßen“, resümiert sie und hebt vielsagend die Augenbraue.
Adam schluckt trocken und dieses Mal ist es kein Stück Banane oder Gurke, sondern seine eigene, bisherige Feigheit.
~~**~~
Chapter 4: Wund- und Heilsalbe
Summary:
Holster auf bloßer Haut scheuern. Leo, der Fuchs, ist vorbereitet.
Notes:
Spoiler für die Kälte der Erde und für alle diejenigen, die die Holsterbilder noch nicht gesehen haben.
Chapter Text
Als Inspiration für dieses Snippet dienten diese beiden Herren:
„
~~**~~
"Leo, echt jetzt?“
„Ja, Adam, echt jetzt.“
„Das muss doch nicht sein.“
„Und ob.“
„Ich kann das auch selbst, bin schon groß und so.“
„Klar kannst du und bist du. Aber ich will. Und jetzt hör auf zu schmollen.“
„Ich höre auf zu schmollen, wenn du aufhörst, stur zu sein.“
„Pattsituation, hm?“
Leo starrte Adam mit seiner besagten Sturheit in die blauen Augen. Er kannte das schon, Adam auch, also ihre Blickduelle, deren Ausgang man in den meisten Fällen nicht vorhersehen konnte. Schließlich war auch Adam stur, auf seine ganz eigene Art und Weise. Insbesondere darin, wenn es darum ging, sich versorgen zu lassen.
Kopfschmerzen? Machte er lieber mit sich selbst aus. Magen-Darm-Infekt inklusive Umfallen im Badezimmer? Am Besten lautlos, damit Leo davon nicht gestört wurde. Nackenschmerzen? War nur was für andere, man selber lief lieber tagelang mit einem schiefen Hals herum.
Mittlerweile war Leos Lunte für solche verborgenen Gebrechen sehr kurz und er fackelte nicht lange. So konfrontierte er Adam auch noch am gleichen Abend mit den roten, aufgescheuerten Stellen an beiden Armen, die er nur zu gut gesehen hatte, die Tube Bepanthen-Salbe schon griffbereit im Anschlag und offen in seiner Hand.
Adam starrte zurück, die Arme verschränkt und sorgsam darauf bedacht, sich nicht in die Achseln zu fassen. Leo wusste schon, warum und er hob bedeutungsschwanger die Augenbrauen, sah von der linken zur rechten Achsel. Er kam sich vor wie ein Zahnarzt, der Adam drei Backenzähne ohne Betäubung ziehen sollte, so sehr, wie sich sein Partner immer wieder sträubte, sich helfen zu lassen. Wobei sonstige Berührungen überhaupt kein Problem waren. Tantramassage? Adam liebte sie. Kopfkraulen? Der Mann war Butter in Leos Händen. Aber wehe, es kam ein körperliches Gebrechen hinzu. Wehe.
Leo gewann ihr Starrduell und lächelte sanft. Großzügig verteilte er die weiße Creme auf seinen Fingern und tupfte sie mit größter Vorsicht auf die entzündeten Stellen. In sachten, kreisenden Bewegungen verrieb er die Wund- und Heilsalbe am linken Arm und sah Adam dabei in die ihn genauestens beobachtenden Augen. Es tat ihm gut, das sah Leo und er freute sich, dass er Adam etwas Gutes tun konnte. Jedes Mal wieder. Er genoss ihre körperliche Nähe, die vertraute Intimität, die in diesen Berührungen steckte. Wenn er daran dachte, dass nur er es war, den Adam so nahe an sich heranließ, um ihn zu versorgen, dann kribbelte es in Leos Magengegend. Nahtlos wanderte das Kribbeln weiter, als er sich bewusst wurde, was es noch bedeutete. Adam hatte sich für ihn entschieden und Leo sich für Adam. Er wollte niemand anderen und er wusste, dass auch Adam nur Augen für ihn hatte.
So wie jetzt, als er keine Sekunde lang aus den blauen Raubtieraugen gelassen wurde und Adams Ausdruck von stur zu begehrend wechselte. So nah, wie sie sich waren, konnte Leo Adams aufkommende Erregung durch die leichte Jogginghose hinweg auch nur zu deutlich spüren. Er würde lügen, wenn seine eigene Lust sich nicht ebenfalls manifestieren würde, insbesondere bei dem Gedanken daran, wie heiß Adam in seinem schulterfreien T-Shirt und dem Holster ausgesehen hatte. Es war dumm, die Kombination zu tragen, das wusste Leo, aber das hatte nichts damit zu tun, was es mit ihm anstellte, berufliche Professionalität hin oder her.
Leo wechselte zur anderen Seite und die sah noch schlimmer aus. Rechts war Adams führende Hand und entsprechend viel hatte er sie natürlich auch bewegt. Daher ließ er es sich auch nicht nehmen, erst einmal über die geschundene Haut zu pusten, bevor er ein weiteres Mal großzügiger Salbenspender war und seine Finger über Adams weiche Haut tanzten.
„Jetzt dürfte es besser heilen“, murmelte Leo zufrieden und lächelte durch die letzten Reste des Schmollens hindurch, das nun durch glückselige Erleichterung abgelöst wurde. Allerdings…noch nicht ganz, stellte er fest, als es mit Schwung wieder zurückkam und Adam auf seine Achseln deutete, die vollkommen unversehrt waren.
„Wieso hast du eigentlich nichts? Dein hautenges Ripptanktop plus dein enges Holster hätten doch auch schon längst scheuern müssen“, beschwerte Adam sich – zurecht, befand Leo und nickte.
„Hätten, ja“, stimmte er zu und Adam machte eine ungeduldige Handbewegung.
„Babypuder“, plauderte Leo sein Geheimnis aus und stieß auf Misstrauen und Unglauben.
„Babypuder? Du verarschst mich, Leo. Du und Babypuder? Wann und wo hast du dir das bitte draufgetan? Wie kommst du überhaupt darauf?“
„War ein Tipp von Rainer und heute Morgen, bevor wir das Haus verlassen haben. Ich nehme das Teure, das hält entsprechend, wenn es mal wieder was heißer wird in Saarbrücken.“
Adam blinzelte, Leo lächelte. Er griff hinter sich in ihren Spiegelschrank und holte zielsicher die blaue, hohe Plastikflasche heraus, wackelte mit ihr, als würde er Werbung machen wollen.
„Du Arsch mit Ohren. Hättest mich durchaus mal einweihen können.“
„Konnte ich ahnen, dass du dich so schnell ausziehst, Mr. Ich trage nur T-Shirts, Rollkrägen und Hoodies?“
Adam grollte. „Werde dich gleich daran erinnern.“
Leo ließ sich durchaus angetan in Richtung Schlafzimmer mitziehen und sich für seine grobe Fehleinschätzung eines Besseren belehren.
~~**~~
Chapter 5: § 253 StGB
Summary:
Die Tasche, das Geld und ganz viele Hörnchen.
Notes:
Das hier gabs in leicht abgewandelter Form schonmal auf Tumblr. Ich habe es hier mit dazu genommen, weil es ganz gut in die Reihe passt.
Anlass war ein Bericht für das Saarländische Fernsehen, in dem Szenen des neuen Teils zu sehen sind. Achtung, jetzt folgen Spoiler.
Adam hat da eine verdächtige Tasche bei sich, in der das Geld zu sein scheint. Meine Gedanken dazu....hier.
Chapter Text
„Hmm.”
Baumann und Heinrich warfen einen prüfenden Blick in die geöffnete Tasche, die zwischen ihnen lag, schwarz-rot und notgedrungen ausgeliehen von Leo. Von Adam aber an einen Tatort mitgebracht. Theoretisch wussten sie alle, dass er das Geld aus den Überfällen der Dreckssau hatte. Natürlich wussten sie es, nachdem seine Mutter ausgerechnet Leo gerufen hatte um von dem Überfall zu erzählen. Weil sie sich Sorgen um ihren Sohn machte, der gut und gerne auf sich alleine aufpassen konnte. In Adams Augen. In den Augen seiner Mutter und in Leos Augen sah das natürlich anders aus.
Sie wussten es, seitdem Adam die Tasche mit sich genommen hatte, damit niemand anderes sie finden und bekommen würde.
Damit seine Mutter in Sicherheit war.
Sie wussten es theoretisch, aber während sie hier auf Hennys Abschluss der SpuSi warteten, hatte Adam die Tasche geparkt und war nicht schnell genug gewesen um zu verhindern, dass Langfinger-Pia den Reißverschluss öffnete.
„Das sind viele Hörnchen”, pfiff Esther anerkennend zwischen ihren Zähnen hindurch und Adam starrte ihr vernichtend in den Nacken.
„Bis an unser Lebensende und darüber hinaus”, fiel Pia mit ein und nahm ein Bündel Geld heraus. Sie fuhr mit den Fingern durch die Scheine und nickte beeindruckt. „Jeden Tag drei Hörnchen vom Edelbäcker. Plus Kaffee.”
„Pack das Geld wieder rein”, grollte Adam. „Das geb‘ ich zurück.”
Beide Frauen lachten dreckig und Esther warf ihm einen zynischen Blick über die Schulter zu.
„Klar. So wie du es direkt nach dem Ausgraben zurückgegeben hast?”, fragte sie bissig und Adam schnappte wütend nach Luft. Sein Blick fuhr zu Leo, der sie alle mit verdächtigem Missfallen maß.
„Das sind Beweismittel, kein Spielgeld. Die hätten sofort übergeben werden sollen”, kam er auf das Stichwort genau zum Punkt. Nicht zum ersten Mal. Nicht zum letzten, wie Adam befürchtete. Was hatte er sich in den letzten zwei Tagen an ständigen Standpauken anhören dürfen und so langsam beschlich ihn der Verdacht, dass seine Kopfschmerzen nicht von dem Schlag auf den Schädel, sondern von Leo kamen, der keine Gelegenheit ungenutzt ließ, um ihm eben jenen zu waschen. Unvernünftig war er gewesen. Unkommunikativ. Verschwiegen. Stur. Dumm. All das hatte er sich anhören dürfen, gerne auch in Wiederholungsschleife und so langsam konnte Adam Leos Sermon mitsprechen.
Der verfluchte, Recht habende Mistbock.
„Meinst du, es fällt auf, wenn etwas fehlt?”, entdeckte Pia ihre kriminelle Seite und Adam starrte auf sie hinunter.
Esther schob sich die Hände in die Taschen ihrer weiten Hose. „Wir könnten es Schürk in die Schuhe schieben. Glaubt ihm sowieso keiner, dass er das Geld solange ganz behalten hat, ohne klebrige Finger zu bekommen.“
Adam grollte lautstark und knirschte vor Zorn mit den Zähnen. „Baumann, ich schwör‘ dir! Und wenn ich wegen dir Ärger bekomme, Heinrich…”
Die unschuldig anmutende Kriminalhauptkommissarin mit den blonden Haaren und den großen Augen grinste in der Art von Menschen, die er einmal zu oft getriezt hatte. „Dann fang schonmal an, dein A12-Gehalt zu sparen. Hörnchen oder Geldärger.”
Adam knirschte mit den Zähnen „Das ist Erpressung, Miststück”, versuchte er sich an das Strafgesetzbuch zu erinnern. Mit Erfolg.
Die Ohren, auf die das stieß, waren allerdings sehr taub.
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Chapter 6: A wie Adam
Summary:
Adam hasst seinen Namen. Aus Leos Mund? Nicht so sehr.
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Eigentlich hasste Adam seinen Namen.
Der erste Mensch, zwei kurze Silben. Erdling, abgeleitet von adamah, rote Erde. Eigentlich kein Name, sondern ein Begriff für Mensch, im gläubigen Sinn. Der von der roten Erde genommene Mensch.
Adam, ein Name, der ihn sein Leben lang begleitet hatte und für den es keine Kurzform gab.
Die Aussprache seines Namens war grundsätzlich kein gutes Thema für Adam.
Der Ton seiner Mutter war zögernd, wann immer sie ihn bei seinem Namen nannte. Ein langgezogenes A, unsicher am Ende, das Fragezeigen deutlich hörbar. Sie wusste schon in seinen Kinderjahren nicht wohin mit ihrem schlechten Gewissen. Vermutlich auf den Boden von einer der unzähligen Weinflaschen, die sie in ihrem Leben getrunken hatte, vermutete Adam.
Er hasste die Art, wie sie seinen Namen aussprach, abwartend, als würde er ihr sagen müssen, was sie falsch gemacht hatte und wie sie es richtig machen konnte. Als wenn es seine Aufgabe wäre. Die Verantwortung, die sie ihm damit schon als Kind aufgeladen hatte, schreckte ihn heute noch ab und umso unerträglicher war jedes Treffen mit ihr.
Die Dreckssau hatte seinen Namen immer mit Hass ausgesprochen. Er hatte seinen Namen schleppend gezischt, enttäuscht, angewidert und voller Ekel. Er hatte ihn gebrüllt und ihn mit Schlägen unterlegt, als hätte er ein Besitzrecht an dem Namen und dem Jungen, der sich seit seiner Kindheit am Liebsten namenlos gemacht hätte. Das tote Arschloch war der Grund, warum Adam seinen Namen wirklich hasste.
Während seiner Reise durch die Welt hatte Adam sich andere Namen gegeben. In Sri Lanka war er Tobias gewesen, in Mexiko Vincent, in Oman John. Er war Elias gewesen, Sören, Phil, Michael.
Erst in Deutschland war er wieder zu Adam zurückgekehrt und hatte sich zurück in Saarbrücken auf die Adams von Baumann und Heinrich eingestellt, die dann doch nicht gekommen waren. Schürk war er bei ihnen und das war nur schlimmer, denn dieser Name gehörte unumstößlich der toten Dreckssau. Bei Baumann mehr als bei Heinrich, aber vielleicht lag das auch daran, dass er ihre Vornamen bislang fast nie in den Mund genommen hatte.
Letzten Donnerstag hatte er es bei Heinrich versucht und sie hatte ihn so überrascht angestarrt, dass es ihm durchaus unangenehm gewesen war. So als ob er eine Dimension oder Grenze durchbrochen hätte. Adam wusste noch nicht, was er daraus machen sollte und hatte sie bisher noch nicht wieder mit ihrem Vor- oder Nachnamen angesprochen.
Was auch irgendwie komisch war.
Leo war da anders. Am Anfang hatte das gleiche Zögern wie das seiner Mutter sein Anfangs-A in die Länge gezogen, die gleiche Frage am Ende. Leo war sich unsicher gewesen, warum Adam ihn gerettet hatte. Warum er ihn vor Detlef beschützte. Es dauerte drei Wochen, dann verschwand der fragende Ton in der sanften Stimme und machte Platz für ein lächelndes Adam. Oder ein besorgtes, ein stirnrunzelndes, ein begeistertes Adam.
Sie alle einte, dass Leo an das Anfangs-A in seiner Stimme noch ein paar Hs und As anhängte. Er zog die erste Silbe in die Länge, hauchte ihn mit seiner Zunge am Gaumen. Zuerst mit seiner wunderbar weichen, jugendlichen Stimme, dann mit dem weitaus tieferen, dunkleren Timbre des erwachsenen Polizisten. Selbst wenn Leo wütend auf ihn war, war da eine Weichheit in seiner Stimme, die einzigartig war und Adam nach und nach davon überzeugte, seinen Namen doch nicht ganz so sehr zu verabscheuen. Im Gegenteil. Er sammelte Leos Adams, kategorisierte sie und speicherte sie in seinen Erinnerungen.
Leo, der Teamleiter, bediente sich öfter eines strengen Adams und je nachdem, wie groß der Mist war, den er gerade baute, auch eines unnachgiebigen Adams.
Leo, der Privatmensch, war immer für ein nachdenkliches Adam zu haben, das tatsächlich auch noch die zweite Silbe in die Länge zog, und das immer eine Überlegung nach sich zog, die Adam selbst zum Nachdenken brachte. Es läutete viele, lange, spätnächtliche Gespräche ein, die sie beide mit tiefen Augenringen und gähnenden Mündern in den morgendlichen Dienst geschickt hatten.
Leo, der Beziehungsmensch, bediente sich des liebvollen Adams, des ironischen Adams oder des humorvollen Adams.
Leo, der Liebhaber, presste das Adam wimmernd hervor, wenn er unter Adam lag, die Beine um Adam geschlungen, oder vor ihm kniete, sein Atem schnell und fliehend, seine Wangen gerötet und die ordentlichen Haare chaotisch durcheinander. Zugegeben, das waren die Momente, in denen Adam nicht ganz genau zuhörte, da seine eigene Lust wie ein gewaltiger Sturm in ihm tobte und ihm das strukturierte Denken erschwerte. Trotzdem liebte er sie und versuchte sich im Nachhinein daran zu erinnern. Mit wechselndem Erfolg, der insbesondere dann ausblieb, wenn Leos Schwanz sich ganz tief in ihm befand und vor Lust bunte Sterne vor Adams Augen tanzten. Das Grollen seines Namens vibrierte dann zusammen mit seinem Verlangen nach Leo durch jede Faser seines Körpers und machte ihn schier verrückt.
Manchmal kam es Adam vor, als sei sein Name und damit seine Persönlichkeit durch die Dreckssau in tausend Teile zerschlagen worden. Mit Leos Hilfe und seiner eigenen Sturheit kittete Adam das und jedes einzelne Adam war dabei der Kraftkleber, der alles unwiederbringlich kittete und zusammenfügte.
Trotzdem stellte er sich zu Leos Unbill bei Starbucks weiterhin mit Justin-Manfred vor.
~~**~~
Notes:
Irgendwie hatte ich bei der Idee im Hinterkopf, dass es im Fandom schon einmal so eine Geschichte gab... ich habe sie allerdings nicht wiedergefunden. Sollte da jemand klüger sein als ich, würde ich euch bitten, sie kurz zu verlinken, damit ich gucken kann, ob es unerwünschte Überschneidungen gibt, die ich dann selbstverständlich ändern würde.
Chapter 7: Capri-Sonne
Summary:
Adam liebt Capri-Sonne. Leo auch. Wegen der Strohhalme.
Notes:
Herr Sträßer ist Schuld. Wie ich bereits auf tumblr geschrieben habe, ist das jetzt Canon für mich. Fertig aus. :D
Chapter Text
Hier die Vorlage für diesen Teil:
Adam liebte Capri-Sonne. In allen erdenklichen Geschmacksrichtungen.
Er liebte sie, seit Leo ihm damals im Baumhaus die erste Capri-Sonne mitgebracht hatte. Er liebte das ungesunde, künstlich süße Zeug, das behauptete, ein Durstlöscher zu sein. Leo war da anderer Meinung, aber er hatte Adam damals wie heute nicht den Spaß an dem Zeug verdorben. Adam liebte es, alle Sorten, nur mit den kohlesäurehaltigen konnte er sich nicht anfreunden. Im Gegenteil, sie wurden mit Missachtung und Verachtung gestraft.
Und so gab es in ihrem Büro einen ganzen Vorrat an Capri-Sonne oder wie es mittlerweile hieß, Capri-Sun. Klang moderner, hipper, auch wenn die Grundsorten gleichgeblieben waren. Auch vom Geschmack her, wie Adam betonte, während er die Packungen mit Strohhalm oder mit Drehverschluss, klein oder groß schlürfte, während er an seinem Rechner saß, in Gedanken an dem Strohhalm nuckelnd und seine Wangen so wunderbar nachdenklich aushöhlend.
Leo war neidisch auf dem Bildschirm, der die Frontansicht dessen bekam, was ihm meist nur von der Seite präsentiert wurde. Was er nur als Geräusch hörte. Ein eindeutiges Adam-Geräusch, knisterndes Schlürfen, Brummen, nachdenklich Schnauben, wieder Schlürfen. Das bedeutete meistens, dass Adam Erfolg gehabt hatte mit seinen Überlegungen und seinen Konklusionen.
Das freute Leo für Adam, allerdings wünschte er sich, dass Adam auch an anderen Strohhalmen nuckelte, also im übertragenen Sinn. Also kein wirklicher Strohhalm, sondern schon etwas gehaltvolleres, Größeres…an seinem Gott verdammten Schwanz halt!
Leo musste in letzter Zeit desöfteren über sich selbst die Augen rollen, dass er noch nicht einmal in der Lage war, die erregte Wahrheit auszusprechen, wo sie ihm doch so viele seiner Träume versüßte. Adam, auf seinen Knien, vor ihm, die Wangen ausgehöhlt, die Lippen geöffnet. Adam mit ihm auf dem Bett liegend, der gleiche Anblick. Adam…Hauptsache kein Capri-Sonnestrohhalm zwischen seinen Lippen.
Das wäre schön.
Wirklich Erfolg hatte Leo nicht gehabt, das Thema anzusprechen, was maßgeblich daran lag, dass er sich davor scheute, den ersten Schritt zu machen. Er wusste, dass Adam schwul war, wie er auch. Er wusste, wie Adam ihn von Zeit zu Zeit ansah, nachdenklich, dann mit einem weniger nachdenklichen, sondern eher jägerhaften Blick. Eigentlich immer dann, wenn er glaubte, dass Leo nicht hinsah.
So auch heute, jetzt gerade, in diesem Moment und Leos Nackenhaare prickelten vor Adams Aufmerksamkeit. Er drehte sich um und maß den nun vollkommen unschuldig dreinblickenden, blonden Mann, der genau das als Zweites perfekt gemeistert hatte.
Dünner Strohhalm im Mund, Capri-Sonne in der Hand, weite, blaue Augen voller Unschuld, die ihm niemand abnahm. Leo am Wenigsten.
Leos Augen huschten zu dem blauen Monstrum in Adams Hand. „Was ist das?“, fragte er und Adam löste seine Lippen von dem weißen Stück rundem, länglichen Plastik.
„Das hier ist Pia der Pomeranian“, stellte er ihm das Trinkpäckchen mit Namen vor und Leo runzelte die Stirn.
„Pia?“, hakte er ungläubig nach und Adam nickte.
„Heißt so.“
Wie gut, dass Pia und Esther schon in den wohlverdienten Feierabend gegangen waren. „Hmmh. Klar. Und wonach schmeckt sie dieses Mal, die Pia-Sonne?“
Adam grinste und es war eines seiner spielerischen Grinsen. Leo hob vielsagend die Augenbrauen. Mit Sicherheit würde er gleich Opfer eines schlechten Scherzes werden. Das spürte er. Sein Instinkt sagte es ihm.
„Komm her und find’s raus“, lockte ihn nur eine Sekunde später sein Jugendfreund in die Falle, in die Leo schon ein paar Mal getappt war und Dinge probiert hatte, die zweifelhaftesten Geschmackes waren. Er hatte es bisher immer bereut, aber er ließ es auch immer wieder zu.
Wahnsinn war das. Immer das Gleiche zu tun mit der Erwartung, ein anderes Ergebnis zu erhalten, aber was war Leo denn schon, wenn nicht ein bisschen wahnsinnig, um sein Herz an jemanden wie Adam Schürk verloren zu haben?
Er kam vorsichtig näher und streckte seine Hand nach der blauen Pomeranian-Pia aus. Kritisch runzelte er die Stirn und sah Adam in die Augen, der sein Handgelenk umfasste und ihn nun samt Capri-Sonne zu sich zog.
„Das ist meins“, sagte er mit kaum verhohlener, dunkler Drohung und Leo wusste, dass er in wieder in irgendeine Falle getappt war. Er wusste es! Wie damals!
„Aber das hier ist deins“, erklärte Adam ihm tadelnd und seine Lippen trafen sacht auf Leos und zeigten ihm den Geschmack des süßen, fruchtigen, künstlichen Getränks aus erster Hand.
Gar nicht so schlecht, befand Leo überrascht mit wild klopfendem Herzen. Also die Darreichungsform.
~~**~~
Chapter 8: Immer ein Teil mehr
Summary:
Leo kauft mehr, als er sollte. Adam ist eifersüchtig.
Notes:
Na so ganz ohne entlasse ich euch nicht, bevor es in die Sommerpause geht. ;) Hier was Kleines und Kurzes. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind absolut zufällig und nicht beabsichtigt. :DDD
Viel Spaß beim Lesen! ;)
Chapter Text
„Leo…?“
Schändlich wurde Adam missachtet, auch nach dem dritten Mal, in dem er nun Leos Namen ausgesprochen hatte. Aber nein, er erhielt immer noch keine Reaktion und schon gar keine Aufmerksamkeit. Beides war Mangelware gerade und Adam wusste, dass sein Gefühl der Zurücksetzung wirklich nicht begründet war.
Trotzdem.
Dass Leo vor diesem Ding sitzen und alles andere in der Welt – ihn – ausblenden würde, damit hatte Adam nun wirklich nicht gerechnet und dabei konnte er bei Leo mit einigem rechnen. Insbesondere, wenn sein Partner einkaufen ging und sich selbst etwas mitbrachte. Das tat Leo immer und, wie er ihm mal erklärt hatte, lag das daran, dass er sich früher immer ein Teil hatte aussuchen dürfen, wenn er als kleiner Junge mit seinen Eltern einkaufen gegangen war. Seitdem er groß genug war und das Geld dazu hatte, hatte er diese Tradition wieder aufleben lassen und brachte nun jedes einzelne Mal eine Kleinigkeit in ihre Wohnung mit.
Komische neue Dinge zum Essen – Adam war ein Gewohnheitstier und entsprechend misstrauisch -, Dekogegenstände – Staubfänger, wie Adam sie nannte – oder schlicht und ergreifend Dinge, die sie nicht hatten, von denen sie auch nicht gewusst hatten, dass sie sie brauchten und die dann plötzlich da waren. Selbstbewässernde Blumentöpfe zum Beispiel, die mit einer App verbunden waren, die wiederum den Wasserstand monierte, wenn er zu niedrig war. Es waren nur zwei, mehr Blumen hatte Leo nicht und denen ging’s auch nicht ganz so prall, aber es waren zwei zuviel. Gießen reichte, wenn man Adam fragte.
Tat Mann aber nicht.
Also, unsinniges Zeug bisher, aber nicht so unsinnig wie das, was Leo heute mitgebracht hatte und was brummend und surrend ihr Wohnzimmer zu einer Todesfalle machte. Dafür, dass er ein sehr guter Ermittler war, war Leo manchmal doch recht…unweitsichtig, was seine Handlungen anging und Adam seufzte. Er drehte sich um und ging in die Küche um ihren Bodenlappen zu holen, der mit Sicherheit in Gebrauch kommen würde. Wenn Leo denn endlich mal fertig werden würde mit Starren und Ignorieren und…
Ach egal.
Adam seufzte zum zweiten Mal und beobachtete, wie das ratternde grüne Ding, das verdächtig wie ein Vibrator klang, Seifenblasen aus seinem Maul kotzte. Hoch hinein in ihr Wohnzimmer, schöne, kleine fiese Dinger, die ihren Boden in der schieren Masse so rutschig machen würden, dass Adam froh war, keine Lebensversicherung abgeschlossen zu haben die seinem hinterhältigen Mörder zugutekommen würde.
Leo saß währenddessen verzückt wie eine Statue vor der Schildkröte und konnte sich von dem Anblick der fliegenden Seifenblasen gar nicht loslösen,
Es gab nur wenige Momente, in denen Adam Leo so kindlich erfreut sah und immer wieder übertönten sie mit einer Welle an bauchkribbelnder Liebe alles andere: Adams Bedürfnis, den Boden zu putzen, sein Bedürfnis, sich über Leos Sammlertrieb zu beschweren, oder auch sein Bedürfnis, darauf hinzuweisen, dass ihre Wohnung zu klein wurde.
Adam liebte die verschiedenen Facetten in Leo. Jede einzelne. Manche jedoch mehr als andere.
Dass Leo sich nahtlos durch eine Schildkrötenseifenblasenmaschine in seine Kindheit zurück katapultierte, das liebte er schon verdammt sehr. Auch wenn er ignoriert wurde. Aber zum Glück gab es dagegen ja seine Hände, seine Finger und Leos Kopfhaut. Und wie er Erfolg damit hatte, als Leo sich bereitwillig in seine Hände und an ihn schmiegte, die Augen vor Wonne geschlossen.
Siegessicher grinste Adam der Schildkröte entgegen und streckte seine Zunge raus.
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Das Ding, was Leo anstarrt? Das hier:
Chapter 9: Eine Umarmung (später)
Summary:
Adam und Umarmungen. Eine Liebe.
Notes:
So, aller guten Dinge sind drei und damit ist es auch gut für heute.
Hierbei handelt es sich um eine Antwort auf den Septemberprompt von Spatortprompts.
Viel Spaß euch beim Lesen! :)
Chapter Text
Adam lebt für Leos Umarmungen.
Für diese ihn verschluckenden, ihn nie loslassenden, ihn ankernden Momente, die öfter durch ihn initiiert werden als durch Leo. Es bietet sich auch nicht immer die Gelegenheit und meist sind es schlimme Momente, die wirklich enge und emotionale Umarmungen hervorrufen.
Als Leo seinen Vater mit einem Spaten niedergeschlagen hat. Als Adam sich innerlich von Leo verabschiedet hat, nur um am gleichen Tag in die Welt aufzubrechen und erst fünfzehn Jahre später zurück zu kehren. Als er Leo nach fünfzehn Jahren wiedersieht. Als Leo sich mit ihm am Weiher trifft. Als er ihn aus dem Gefängnis abholt.
Hochemotionale Momente, die gleichzeitig schön und schrecklich für Adam sind. Er wünscht sich, dass es von nun an nur schöne Momente gibt, die Umarmungen rechtfertigen, doch den Gefallen tut ihm das Schicksal nicht.
Leo berührt ihn, ja. An der Schulter, am Oberarm, am Schulterblatt, manchmal am Oberschenkel, wenn er ihn unter dem Tisch anstößt, aber sonst nicht und das frustriert Adam. Er würde Leo gerne einfach mal so umarmen, seine Nase in dessen Halsbeuge vergraben, sich von seinem Geruch einhüllen lassen. Eine Umarmung mit Leo ist wie einen uralten Baum zu umarmen. Erdend, versichernd, urtümlich. Er würde sich gerne ohne Kleidung umarmen und dann andere Dinge mit Leo tun, aber das steht auf einem anderen Blatt. In einem anderen Buch. Das in einer anderen Bibliothek in einem anderen Land steht. Je nachdem, wieviel Mist Adam auch baut, zu guter Letzt auch noch auf einem anderen Kontinent.
Wunderbar.
Es Leo zu sagen, dazu kann er sich nicht durchringen, weil er das Wenige, was er hat, nicht verlieren will. Also darbt und darbt und darbt Adam und sucht nach Gelegenheiten, die viel zu selten kommen. Dass seine Umarmung zu Leos Geburtstag peinlich lang dauert, ist Adam egal. Auch die Blicke von Heinrich und Baumann sind es. Hauptsache, Leo lächelt ihn glücklich an. Hauptsache, Adam zehrt noch den ganzen Tag vom Ganzkörperkontakt.
Ist es da unwahrscheinlich, dass Adam Leo fragt, ob er ihn zu seiner laut Hausarzt notwendigen Magenspiegelung begleiten kann? Nein. Er darf nach dem Propophol nicht Auto fahren, weil er dann nicht zurechnungsfähig und tauglich für den Straßenverkehr ist. Mit den Öffis zurück zu fahren ist doof. Zumindest ist Adam der Meinung.
Leo sagt ja und begleitet ihn in die Praxis. Adam hat einen Bärenhunger, hat er doch seit dem Vortag um sechs Uhr abends nichts mehr gegessen. Es ist notwendig, damit sie mit ihrer kleinen Schlauchkamera, die sie ihm in den Rachen schieben, hineingucken können.
Soweit so egal.
Adam bekommt davon nicht viel mit außer dem Spray, was seinen Mund betäubt und dem tollen Beißstück, das ihm zwischen die Lippen geschoben wird. Die Nadel mit dem Propophol bombt ihn so wunderbar in den Schlaf, wie er noch nie eingeschlafen ist und das nächste, was er mitbekommt, als er aufwacht, ist die Stimme der Arzthelferin, die ihn in die Welt der Wachen zurückholt.
Entspannt lässt Adam sich aufrichten und sitzt schwankend auf der Liege. Er sieht Leo, der mit sorgenvoll gerunzeltem Gesicht unweit von ihm im Raum steht
„Wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen, können Sie aufstehen und in den Aufwachraum gehen. Dort haben wir auch noch eine Liege, auf der Sie sich ausruhen können. Ihr Freund wird sie begleiten.“
Leo war sein Freund, aber nicht sein Freund, doch das sagt Adam der jungen Frau nicht, auch wenn die Worte unter der Oberfläche blubbern. Lieber richtet er sich an Leo, kaum, dass dieser ihn firm unter die Arme greift und ihn mit sich zieht.
Adam lässt das zu, denkt aber im Aufwachraum nicht daran, Leo loszulassen und schließt ihn in seine langen Arme.
„Umarmungszeit!“
Dass er das auch irgendwie laut genuschelt hat, wird Adam in dem Moment bewusst, in dem Leo überrascht grunzt. „Ein entzückender Laut“, beschließt Adam und auch das kommt laut aus seinem Mund. Nun ja, was soll’s? Wenn er schon einmal dabei ist, dann kann’s eigentlich auch weitergehen.
„Eine Umarmung, Leo. Eine. Nein, eigentlich mehrere, weißt du? Du umarmst so schön und ich will eigentlich mehr und öfter, aber du machst das so selten und ich auch. Das gefällt mir nicht, Leo. Ich will dich öfter umarmen, denn du bist wie so ein alter, knorriger Baum mit einem dicken Stamm und einer starken Rinde, der aber wunderbar nach Jahrhunderten riecht. Aber das passiert nicht so oft. Ich will, dass es öfter passiert, Leo.“
Adam ist nicht fertig mit Brabbeln, aber er macht trotzdem eine Pause um Leo ins Gesicht sehen zu können, der ihn viel zu amüsiert, viel zu lächelnd mustert.
„Du möchtest öfter umarmt werden?“, hakt Leo nach und Adam grollt von seiner bequemen Position an Leos Nacken aus. Das Propophol ist noch nicht ganz aus seinem System und macht ihn immer noch schläfrig, seinen Kopf wie Watte. Tolles Zeug, daran könnte er sich gewöhnen.
„Immer.“
„Von mir?“
„Nur von dir.“
„Ach Adam.“
„Echt, Leo. Nur von dir. Du bist mein Umarmungsmensch. Also nicht nur.“
„Nicht nur?“
„Na ich würde schon gerne auch mit dir schlafen.“
Dass Adam das wirklich und unumstößlich sagt, teilt ihm Leo auch drei Stunden später noch mit und lässt ihn nicht fliehen. Auf den Balkon um Zigaretten zu rauchen, die Adam wirklich dringend bräuchte gerade. Oder ein Bier, wenn er denn trinken würde, was er nicht tut. Nein, Leo behält ihn bei sich, stellt ihn, fordert Antworten.
Sie reden darüber. Über die Umarmungen und über den Sex, den Leo genauso gerne möchte wie Adam auch. Sie tun es und während Adam Leos Rücken in die Matratze seines perfekt weichen Bettes presst und sich Adam in Leo wie zuhause fühlt, hält er den Mann, den er schon etwas länger liebt, so eng an sich wie noch nie zuvor.
Der Befund seines Arztes ist natürlich negativ und Adam hält den Termin im Nachhinein für Geldmacherei, aber beschweren möchte er sich auch nicht wirklich darüber. Schließlich hat das Narkosemittel dabei geholfen, seine Zunge zu lockern und das führt zu wirklich wunderbaren Dingen.
~~~~~~
Ende.
Chapter 10: Ein Mann, der meine Seele satt macht
Summary:
Adam und der Hunger. Eine ewige Geschichte?
Chapter Text
Für Adam war Essen immer ein Thema.
Als Kind und Jugendlicher hatte er nur dann genug bekommen, wenn sein Vater nicht dagewesen war oder wenn er bei Leos Eltern zu Besuch war. Dann hatte es sogar Nachschläge gegeben, nicht nur abgewogene Portionen. Essen, soviel wie er wollte.
Nachdem er mit dem Bargeldvorrat des Arschlochs aus Saarbrücken geflohen war, hinaus in die Welt, hatte es eine Zeit von Hunger gegeben, die teilweise noch schlimmer als das war, was die Dreckssau ihm angetan hatte. So notwendig wie sein Weggang von Leo gewesen war, von all dem hier, von der Toxizität, die er in Leos Welt gebracht hatte, so wenig hatte er durchdacht, dass sein Geld schneller aufgebraucht sein würde als gedacht und dass er danach neues brauchte um Essen zu kaufen und zu leben.
Bis er verstanden hatte, wie er in welchem Land am Besten nach Arbeit fragte, wie er arbeitete, wie er damit eine Unterkunft und Essen erhielt, vergingen Wochen des Hungers.
Als er es verstand, als er sich etwas ansparte und schlussendlich genug hatte um weiterreisen zu können, entdeckte Adam die Länder, die er bereiste, zuerst durch die Speisen, dann durch die Infrastruktur und schlussendlich durch die Kultur. Von Menschen hielt er sich, wann immer es ging, fern.
Das Böse, was er in Deutschland gesehen hatte, gab es auch in Nepal, Sri Lanka, Island, in Afghanistan, Oman, Panama.
Essen brachte Menschen aber auch zusammen. Es brachte unheimliche Gastfreundschaft mit sich, Abende voller Geschichten, Gesänge und Tänzen. Während er gegen den psychosomatischen Hunger seines Körpers anaß, fragte Adam sich, was Leo wohl dazu sagen würde, ob es ihm schmecken würde. Er fragte sich, ob Leo Freude an den Landschaften hätte, an den Menschen und ihren Kulturen.
Irgendwann hörte er auf, es sich zu fragen und irgendwann verschwand Leo aus seinen Gedanken. Er wurde ersetzt durch Menschen, die Adam begehrte. Männer, Frauen, Menschen ohne eine Festlegung. Er probierte sich und andere aus, er fühlte tief in sich hinein und doch war da immer wieder das Gefühl des Hungers.
Selbst mit Thomas war es da, den er zwei Jahre lang in sein Leben ließ, der aber nie wirklich ganz sein Herz erreichte. Mit Mascha, der Leidenschaftlichen, der er noch nicht einmal von seinen Eltern erzählte.
Adams Drang zu essen blieb, auch als er mit dem Flugzeug in Berlin Tegel landete und beschloss in der lauten, dreckigen, unfreundlichen Hauptstadt zu bleiben. Es war so sehr ein Anti-Saarbrücken, dass nichts hieran ihn an seine Vergangenheit erinnerte.
Bis zu dem einen Abend im Herbst, in dem seine Studiencrew sich zum Grillen traf. Sabine hatte ihren aus Bexbach mitgebrachten Schwenker aufgebaut und Adam starrte wie betäubt in das Feuer, seine Kolleginnen und Kollegen lärmend in einem namenlosen Berliner Innenhof um sich herum. Leos Eltern hatten auch immer geschwenkt und es war köstlich gewesen. Adam hatte sogar mehr als ein Stück Fleisch und viel Salat essen dürfen. Leos Mutter hatte extra für ihn noch etwas Kartoffelsalat nachgemacht, während Leos leuchtende, grüne Augen ihn angesehen hatten, als wäre er die Welt.
Es war der Moment, in dem Adam verstand, was der unstillbare Hunger in ihm war und dass er nicht körperlich war. Sein Hunger war seelisch, er richtete sich auf etwas, was er damals, an dem Tag gefühlt hatte.
Familiären Zusammenhalt, Gemütlichkeit, Geborgenheit, Zufriedenheit. Dieser Hunger war ewig in ihm gewesen, seit Jahrzehnten, vielleicht schon seit er alt genug war, denken zu können.
Den körperlichen Hunger zu befriedigen, war einfach für Adam. Hier einen Döner, da eine Currywurst. Kottu Roti, Qabuli Palau, Polpo, Sahlab… er aß, worauf er Lust hatte. Der geistige Hunger jedoch blieb und so begann er nach Leo zu suchen, in dem sicheren Wissen, dass das, was damals seine Seele satt gemacht hatte, heute nicht mehr für ihn zur Verfügung stehen würde.
Nicht nach zwölf Jahren.
Adam suchte in sozialen Netzwerken und über ihre Polizeidatenbank nach Leo. Er fand ihn und stellte fest, dass er, wie Adam auch, Polizist geworden war. Ausgerechnet Leo, der Menschenfreund. Leo, der Sanfte. Leo, der sich nicht wehren wollte, um Menschen nicht wehzutun. Die Bilder, die Leo zeigten, zeigten einen erwachsenen, ernsten Mann, der wenig mit dem Teenager von damals zu tun hatte.
Leo war einer der stillen Nutzer in den sozialen Medien und so erfuhr Adam nichts über ihn. Ihm blieb nur das spröde blau ihrer Datenbank, die ihm mitteilte, dass Leo befördert wurde, dass er im Morddezernat arbeitete. Das Versetzungsgesuch seines Kollegen kam überraschend und Adam – ausgehungert, gierig – meldete sich.
Er kehrte zurück nach Saarbrücken und da war er, der Mann aus den Bildern, aus der Datenbank. Schöner als Adam es sich vorgestellt hatte. Nicht so wütend, wie Adam sich ihn vorgestellt hatte. Vergebung in einen Mann gepresst, so unverständlich wie es Balsam war. Seine Umarmung nährte Adam, ebenso wie jedes Lächeln und gemeinsame Einschlafen in der Dienststelle.
Leo war da, in seinem Leben, und Adam erlangte eine Zufriedenheit, die er die letzten Jahre über nicht empfunden hatte. Alleine durch Leos Anwesenheit, durch seine Blicke, sein Lächeln, seine Worte, die er an ihn richtete, fütterte er Adam und Stück für Stück wurde der Hunger von Adams Seele genommen.
Obwohl oder trotzdem die Dreckssau erwachte und Adam alles tat, um Leo daraus zu halten.
Er scheiterte, mit allem, was er tat und das, was dazu gedacht war, Leo in Sicherheit zu wiegen, brachte einen Schatten in Leos Augen, wann immer er Adam ansah. Es brachte Adam an den Rand des Todes und ins Gefängnis.
Und es brachte ihn nach seiner Entlassung aus Lerchesflur in Leos enge Umarmung, die ihn ganz vereinnahmen wollte. Es brachte ihn an einen schmutzigen Tisch im Burger King, mit gebrochenen und schmerzenden Fingern, ihm gegenüber Leo, der strahlte, als wäre etwas Wunderbares passiert. Aber war es das nicht auch? Er war frei, der König war tot und lang lebte der neue König. Nicht, dass Adam einer werden wollte. Er würde das Erbe seines Vaters nicht antreten, wenngleich er ahnte, wo er das Geld finden konnte.
Adam schob sich einhändig die kalten Pommes zwischen seine Lippen, ließ ungelenk den Burger folgen, von dem er die Hälfte auf dem Weg verlor. Leo half ihm und ihre Finger berührten sich dabei. Es war kein Zufall, wie Adam erkannte und er griff nach Leos Hand. Stumm verwob er die Finger mit Leos, Burgersauce warm und klebrig zwischen ihnen, und sah ihm in die Augen. Leo schaute zurück, das gleiche Wissen in seinen Augen und eine so unglaubliche Ruhe, dass es Adam von Kopf bis Fuß durchdrang.
„Du machst meine Seele satt“, murmelte Adam und Leo durchlief ein Schaudern, das sogar seine Finger erreichte. Ihm versagten die Worte, doch seine grünen Augen teilten Adam unumstößlich seine Antwort mit.
Ebenso wie seine Lippen, die Adams Fingerknöchel mit einem sachten Kuss bedeckten.
~~~~~
Ende.
Chapter 11: Im Winterschlaf
Summary:
Adam braucht Hilfe und kommt zu Leo. Dieser ist verwirrt und auch ein bisschen wütend.
Notes:
Einen wunderbaren Mittwochmittag euch!
Hier nun der neue Teil, dieses Mal etwas "fantastischer" als die vorherigen, aber lest selbst. ;) Viel Spaß euch dabei und wie immer: vielen Dank für euer Interesse! :3
Chapter Text
„Ist offen!“, brüllte Leo quer durch das Haus, als es an der Tür klingelte. Er warf von seiner Position in der Küche aus einen Blick in Richtung Eingang und sah dort Esther und Pia stehen, die ihm nun fröhlich zuwinkten.
„Tag der offenen Tür oder wie?“, fragte Esther und Leo schnaubte.
„Wohl eher Tag des Müllrausbringens. Aber wo du grad dabei bist, kannst du gerne die Tür schließen.“
Esther rollte mit den Augen und scheuchte Pia in den Flur. Bibbernd befreite sie selbst ihre Schuhe vom Februar-Schneeschlamm, der als braune Masse ein unwillkommenes Gastgeschenk bot.
„Ihr wisst ja, wo ihr eure Mäntel hinhängen könnt“, deutete er auf die neugekaufte Garderobe und Pia nickte.
„Hübsches Ding. Wird Adam freuen, wenn er aufwacht!“, bestätigte sie Leos Geschmack und er zuckte mit den Schultern.
„Er hat es sich schon ewig ausgesucht, wollte es aber nie, weil es ihm zu teuer war, also habe ich gedacht, dass ich die Zeit nutze um dieses Monstrum zu kaufen und aufzubauen.“
„Kluger Mann.“
„Mann tut, was Mann kann.“
Esther lachte und lugte neugierig in die Küche. „Apropos. Wo ist er denn?“
„Immer noch im Kühlschrank.“
„So lange?“
„Ja, er schläft noch. Aber ich denke, dass er bald aufwachen wird. Zumindest zuckt er schon.“
Zufrieden brummte Esther und deutete auf den hohen Kühlschrank schräg hinter Leo. „Darf ich gucken?“
„Mach, aber sei vorsichtig, falls er doch schon wach ist.“
„Schnappi schnappt wieder, ja?“
Leo rollte über Pias Kommentar die Augen und trat beiseite. Die Beiden drängten sich an ihm vorbei und öffneten vorsichtig die Tür des bis auf eine große Plastikschale leeren Kühlschranks, auf der in bunten Lettern ADAM stand. In ihr lag friedlich sein Partner, immer noch schlafend, wie Leo mit einem Blick über Pias Schulter feststellte.
Nicht, dass es viel Änderung seit heute Morgen gegeben hätte, aber man wusste ja nie.
„Schon beinahe süß, wie er da schläft, oder?“, fragte Pia und Esther nickte mit dieser eigenartigen Zufriedenheit, die sie immer hatte, wenn es um Adam mit Panzer ging.
„Fehlt nur noch, dass Schnappi schnarcht“, sagte sie und Leo rollte mit den Augen.
„Er ist eine Schnappschildkröte, die schnarchen nicht. Außerdem heißt er nicht so.“ Auch wenn Esther es sich mitnichten nehmen ließ, Adam so zu nennen, seitdem sie wusste, was er war. Sie war da beratungsresistent.
„Das weißt du gar nicht, wenn du den Kühlschrank zu hast.“
„Apropos zu. Schließ die Tür mal wieder“, sagte Leo und Adam zuckte mit den reptilienartigen, krallenbewehrten Vorderläufen, als hätte er ihn gehört.
Mit einem letzten Winken zur schlafenden Schildkröte hin schloss Esther leise die Tür und Leo sah wie so häufig, dass sie mit Adam, der Schnappschildkröte mehr Umsehen hatte als mit Adam, dem Menschen.
„Kommt ihr, ich habe uns schon Waffeln gebacken?“, erläuterte er den heimeligen Duft nach Gebackenem in Adams und seinem Haus und gehorsam folgten die beiden Ermittlerinnen ihm. Zumindest beschönigte Leo das rabiate aus dem Weg drängen seiner Person durch die beiden Frauen so.
~~**~~
Zwei Jahre zuvor
Leo schoss irritiert aus seinem Halbdämmern hoch, als seine Türklingel durch die bisher angenehme Stille der Nacht schrillte und sein Herz abrupt schmerzhaft schnell schlagen ließ. Wer auch immer da gerade am anderen Ende der Akkustikanlage stand, hatte es eilig oder wollte ihn ganz sicher nicht schlafen lassen – was von beidem es war, konnte Leo noch nicht so ganz genau definieren. Ein großer Teil von ihm wollte die Person einfach ignorieren. Der Polizist in ihm natürlich nicht.
Manchmal hasste Leo den Polizisten in sich, dieses getreue, pflichtbewusste, neugierige Stück Hirn. So auch jetzt, als er die Tür seines Hauses aufriss und sich Adam gegenübersah, der leichenblass und mit panisch geweiteten Augen an seiner Eingangstür lehnte. Als er ihn sah, stöhnte er gepeinigt auf.
„Leo…bitte…ich brauch Hilfe…Leo…bitte…“
Als wäre der Anblick nicht genug gewesen, zerriss der flehende Ton in Adams Stimme Leos Herz in Sekundenbruchteilen.
„Leo, lass mich bitte rein. Bitte.“
Instinktiv trat er zur Seite, musste nicht nachfragen, warum und wieso. Wenn Adam Hilfe brauchte, wer war er, dass er sie ihm versagte?
Ungelenk stolperte Adam an ihm vorbei und Leo schloss die Tür hinter ihm.
„Adam, was? Was ist mit dir?“, fragte er und griff zu dessen Jeansjacke, legte beruhigend die Hand auf seinen Arm und in der gleichen Sekunde klappte Adam zusammen.
Nein…Adams Kleidung fiel in sich zusammen, einfach so, ohne Vorwarnung, nur mit einem seltsamen Plopplaut. Von jetzt auf gleich war da kein Adam mehr und Leo blinzelte, die Hand noch in Adams Jeansjacke, die nun leblos ohne Inhalt an ihm hing. Ohne Mensch, der vorher in ihr gesteckt hatte. Hier war nichts mehr, nur Luft. Kein Adam mehr, dafür aber seine hellblaue Jeans und seine verwaschene Jeansjacke.
Was zum Teufel…?
Eine Bewegung in seinem Augenwinkel ließ Leo hochschrecken und er sah ruckartig nach unten, in den Klamottenberg, der gerade noch sein Partner gewesen war und sich nun wie in einem schlechten Fantasyfilm in Luft aufgelöst hatte.
Aus ihm heraus kroch…
Leo blinzelte.
War das eine Schildkröte? Wohl kaum, denn das Ding sah aus wie ein prähistorisches Reptil mit Panzer. Mit Klauen und Schuppen wie ein Alligator. Was in aller Welt war dieses fauchende, hässliche, missgelaunt dreinblickende Ding und wieso war es bei Adam gewesen, als dieser…
Leo kam ein fürchterlich unsinniger Gedanke. Schlechter Fantasyfilm, hielt er sich vor Augen. Vielleicht träumte er auch. Ganz sicher tat er das. Oder? Das war absurd. Und ging man in absurden Träumen nicht darauf ein, was geschah?
„Adam…?“, fragte er zögernd und starrte auf das Ding herab, das nun mit kleinen, braunen Knopfaugen feindselig zu ihm hinaufstarrte. Wenn es überhaupt feindselig war und nicht einfach so aussah wie ein Urzeitmonster. Das war doch…das konnte doch nicht…niemals. Er war auf der Couch eingeschlafen. Ganz sicher.
„Adam?“, versuchte er es nochmal und wieder kam der beschuppte, braune Reptilienkopf nach oben und die kleinen, griesgrämigen Augen starrten ihm ins Gesicht. Klein und schildkrötenartig. Niemals. Er war doch nicht in irgendeiner billigen Fantasyshow, das hier war kein Fantasybuch mit Werwesen als Helden.
Oder?
Das Ding kam auf ihn zu und Leo beugte sich hinunter, hielt ihm vorsichtig die Hand hin, wie er es bei Caros Hund immer tat, damit dieser schnuppern konnte.
Im Gegensatz zu Oskar war das Vieh vor ihm aber keinesfalls so friedlich und biss Leo ohne zu Zögern in den Unterarm.
„Verdammter Mist!“ Leo fluchte laut und zog abrupt seinen Arm zurück, musste das Vieh zu seinen Füßen dabei fast abschütteln, damit es sich nicht in seinem Arm verbiss. Der Schmerz machte ihm jedoch eines ganz klar und deutlich…er träumte nicht. Im Traum empfand man sowas doch nicht. Und man blutete auch nicht, denn was auch immer es war, es hatte so scharfe Zähne, dass es Leos Haut durchbissen hatte.
„Was bist du für eine Mistkröte?“, zischte Leo und das Ding biss ihn gleich noch einmal – dieses Mal in den großen Zeh.
Da war der Schmerz in seinem Unterarm gar nichts gegen und Leo wich mit nun blutendem Unterarm und Zeh zurück, weg von dem Reptil, Fabelwesen, was auch immer. Bissiges Mistviech. Das Tier verfolgte ihn jedoch und entwickelte dabei eine Geschwindigkeit, die Leo ganz und gar nicht gefiel. Überhaupt nicht, zumal dieser schuppige Kiefer sich auf und zuklappte, als wolle er noch einmal zubeißen.
Leo wusste sich nicht anders zu helfen, als sich auf seinen Esszimmertisch zu retten und die Beine an sich zu ziehen, außerhalb der Reichweite des…Etwas…das nun am Fuße seines Tisches auf ihn lauerte, die Knopfaugen missmutig auf ihn gerichtet.
Ebenso missmutig starrte Leo zurück und hielt sich seinen blutigen Zeh.
„Lass mich bloß in Ruhe“, grollte er, während er die Wunde inspizierte und feststellte, dass sie nicht tief war, aber höllisch wehtat. Ebenso wie die auf seinem Unterarm. Und sein Handy lag natürlich im Schlafzimmer, wo auch sonst? Um also die Feuerwehr oder den Tierschutz zu rufen, müsste er an diesem Vieh vorbei und wie es aussah, würde das ihn eher zerfleischen, als ihn zu seinem Handy kommen zu lassen.
Aber war dieses Ding wirklich Adam? Eine andere Erklärung hatte Leo gerade nicht und das, wo er schon sehr viel Krudes mit Adam erlebt hatte. Sehr viel Unerklärliches. Das konnte doch nicht möglich sein, oder?
Was war Adam dann? Eine Werschildkröte? Bitte. Leo schnaubte.
Nur dass eine halbe Stunde später eben jenes hässliche, fauchende Schildkrötending sich in eben jenen attraktiven, nackten Mann zurückverwandelte, der seinen Kleidungsberg im Flur zu Leos Wohnung gelassen hatte.
Leo starrte, der Mund offen, seine Wunden vergessen. Er starrte auf das Wesen, das erst seinen Panzer verlor, dann seine Schuppen. Auf das Wesen, das größer und größer wurde, bis es menschliche Beine und Arme hatte und einen nur zu menschlichen Hintern. Ohne Panzer. Dafür aber keinen kleinen Stummelschwanz mehr.
Bei allem, was ihm lieb und teuer war.
Adam, oder das Wesen, was Adam war, schauderte und sah schließlich hoch zu ihm, die blauen Augen nicht mehr panisch, sondern groß und bittend. Er zitterte erneut und Leo wagte einen Versuch, sich seinem langjährigen Freund zu nähern.
„Bist du das…?“, fragte er zögerlich und schob seine Beine von seinem Esstisch. Langsam kam er auf Adam zu, der ihn misstrauisch dabei beobachtete.
„Willst du nicht hochkommen?“, fragte Leo den auf allen Vieren knienden Mann und streckte ihm seine Hand entgegen…eine normale Handlung in einer nicht normalen Situation.
Nur um ein drittes Mal gebissen zu werden, dieses Mal zwar mit einer Reihe weißer, menschlicher Zähne, aber genauso schmerzhaft.
„Aua!“ Fluchend zog Leo seine Hand zurück. „Verdammt nochmal, ADAM!“
„Sorry, Gewohnheit“, nuschelte der Schildkrötenmann rau und setzte sich auf, in all seiner nackten Pracht, die Leo die Röte aufs Gesicht getrieben hätte, wäre er nicht so sauer gewesen. Wenigstens hatte der Schildkrötenmann den Anstand, schuldbewusst auszusehen.
Wenigstens das.
~~**~~
„Wirklich, das war keine Absicht“, wiederholte Adam, während er Leos Arm in seinen Händen hielt und mit dem Tupfer behutsam die Wunde am Unterarm desinfizierte. Nachdem er aufgestanden war und sich zumindest seine Jeans wieder angezogen hatte. Nachdem er Leos Verbandskasten geholt hatte und sich reumütig vor ihm hinhockte um seine Wunden zu versorgen.
Leo ließ ihn, beobachtete jedoch argwöhnisch, ob Adam sich nicht noch einmal verwandeln würde.
„Erklär‘s mir“, forderte Leo und rechnete beinahe nicht mit einer Antwort. Adam war nicht gut darin, Dinge zu erklären, schon gar nicht ihm gegenüber. Er verschwand für fünfzehn Jahre. Erklärung? Fehlanzeige. Er kam wieder, Erklärung? Er sei durch die Welt getingelt und zwischenzeitlich Polizist geworden. Punkt. Sein Vater wachte auf. Erklärung? Zwei Monate später.
„Was du gesehen hast, ist meine tierische Form. Ich verwandle mich in regelmäßigen Abständen in Schnappi. Meistens kann ich es steuern…wenn ich allerdings zu lange in meinen Menschenkörper bleibe, dann passiert es, ohne dass ich es will – so wie gerade. Und ich konnte nicht im Hotelzimmer bleiben…sie hätten mich mit Sicherheit eingefangen und in eine Tierschutzstation gebracht.“ Adam schauderte und Leo konnte sich nicht einmal in Ansätzen vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten das verbunden sein musste.
Sie hatten in der letzten Zeit abends unter der Woche und auch am Wochenende lange an einem Fall gearbeitet. Leo hatte Adam täglich gesehen und sie hatten die meiste Zeit im Büro geschlafen, für Tage. Sicherlich hatte Leo die Unruhe bei Adam gespürt und seine Erschöpfung gesehen. Leo hatte das Adams grundsätzlichem Bewegungsdrang zugeschrieben, aber im Leben nicht dem hier.
Kritisch runzelte Leo die Stirn. „Wie ist es überhaupt möglich, dass du dich verwandelst? Das gibt es doch nur in Filmen und Büchern?“, fing er für sich beim Anfang an und Adam schnaubte.
„Um das herauszufinden bin ich mit 18 Jahren weggegangen. Nachdem ich das erste Mal zu Boris wurde. So heißt er…also Schnappi. Nach meinem Onkel, der nicht so scheiße war wie die Dreckssau.“ Scheu sah er zur Seite und Leo fühlte sich an Adams Geständnis erinnert, dass sein Vater wieder aufgewacht war. An die Angst, an die Unterordnung, die er in dem Moment auf Adams Gesicht gesehen hatte.
Damals wie heute verursachte es Leo Unbehagen, ließ es ihn sich doch wie ein Aggressor fühlen.
Das war also der eigentliche Grund für sein Fortgehen. Leo wurde schummrig von der Bedeutung, die Adams Worte für ihn hatte.
„Was hast du herausgefunden?“, fragte er, sich in sein Polizisten-Ich zurückziehend und Adam zuckte mit den Schultern.
„Nur, dass es Menschen wie mich gibt. Dass wir es steuern können, wenn wir achtsam mit uns umgehen. Dass es verschiedene Tiere gibt und dass es nicht an irgendwelchen Mondschnickschnack gebunden ist. Gewisse Eigenschaften der Tiere bleiben zwingend, andere kann man in Ansätzen steuern. In meinem Fall ist es der Winterschlaf. Den muss ich halten.“
Der…Winterschlaf. Leo blinzelte und nutzte Adams Wundversorgung seiner Bisswunden, um das Wissen für sich zu vereinnahmen und zu verarbeiten. Tiermenschen und Adam war einer von ihnen. Er war gegangen um herauszufinden, was mit ihm los war. Das war jenseits von allem, was Leo jemals für seine Welt gehalten hatte. Und dennoch hatte er keinen Anlass dazu, es Adam nicht zu glauben.
Die körperlichen Beweise dafür ließen sich nicht von der Hand weisen. Und dem Unterarm. Und dem großen Zeh.
Stumm sah Leo zu, wie Adam sich um eben jenen kümmerte und ihn sanft verband.
„Warum hast du mich gebissen?“, fragte Leo nach und Adam räusperte sich verlegen.
„Manchmal erkenne ich meine Umgebung nicht und dann sind größere Wesen eine automatische Bedrohung. Manchmal…ist es aus anderen Gründen.“ Bedeutungsschwanger starrte er auf den Biss menschlicher Zähne auf Leos Hand, seinen Augen ausweichend.
Leo fragte sich, warum Adam ausgerechnet zu ihm gekommen war. Er fragte sich, wie es nun weitergehen würde. Er fragte sich, ob das, was Adam hatte, ansteckend war und er sich nun auch in eine Schnappschildkröte verwandeln würde. Wunderbar, seine Familie würde begeistert sein.
Er stellte Adam all diese Fragen und jede Frage, die in den vergangen, fünfzehn Jahren unbeantwortet geblieben war. Sie sprachen den ganzen Abend, die ganze Nacht und mit den Strahlen der aufgehenden Sonne beantwortete Adam Leos drängendste Frage mit einem sachten Kuss auf seine Lippen.
~~**~~
Leo lernte in der kommenden Zeit viel über Adam. Und Schnappschildkröten.
Er lernte, dass diese urzeitlichen Tiere mit ihrem Kiefer spielerisch leicht Besenstiele durchbeißen konnte und war insgeheim froh darüber, dass Adam nur die Oberfläche seiner Haut angekratzt hatte.
Er lernte, dass sie gefährliche und aggressive Einzelgänger waren und verkniff sich klugerweise einen entsprechenden Kommentar in Adams Richtung. Sie waren dämmerungsaktive Jäger, die man im Erwachsenenstadium mit Futtermäusen und Küken füttern sollte. Adams Vorliebe für gekochte Eier erklärte sich damit zumindest in Ansätzen und Leo wunderte sich nicht mehr über die vier Packungen hart gekochter Eier in ihrem dienstlichen Kühlschrank.
Er lernte, dass man sie bloß nicht an den krallenbewehrten Vorderpfoten halten sollte und auch nicht unter ihrem Bauch, sondern von sich weggestreckt an den Hinterläufen. Das war insofern praktisch, als dass er einen wütenden Adam – oder Boris - ohne Gefahr für sich selbst durch die Gegend tragen konnte. Was er auch tat und wobei er sich das Lächeln nicht verkneifen konnte. Es sah schon putzig aus, wie Adams schuppige Vorderläufe strampelten. Aber auch das verschwieg er.
Er lernte ebenso, dass die Tiere sich im Wasser am Wohlsten fühlten, im Teich mit der Möglichkeit, viel zu graben. Das Wasser musste jedoch eine entsprechende Qualität haben und den Schnappschildkröten eine Möglichkeit zum Sonnen bieten. Leo war froh um den kleinen Teich in seinem Garten, an dem Adam wohnte, wenn er in seiner tierischen Form war. Er war froh, dass sein Garten überhaupt so groß war, dass Adam hin- und herwandern konnte – auch etwas, das Schnappschildkröten gerne taten. Wenn sie sich nicht gerade faul in der Sonne wärmten.
Er lernte, dass sie auch Winterschlaf hielten. Im Kühlschrank mit ausreichend Platz.
Er lernte, dass Adam all das in seiner Schnappschildkrötenform brauchte. Und dass Adam ihn schon sein Leben lang geliebt hatte.
Was sich unter anderem in Liebesbissen äußerte, Überbleibseln seines tierischen Doppellebens.
~~**~~
„Was auch immer du uns zeigen willst, es muss hochdramatisch sein“, schnaubte Esther und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Sie musterte Adam von oben bis unten, der nervös neben Leo stand und dessen unsteter Blick von ihr zu Pia zu Leo huschte. Seit heute Morgen war er flatterig und seine Nerven lagen blank. Kein Wunder, bei dem, was er vorhatte.
Sie hatten häufiger darüber gesprochen, dass Adam seine Besonderheit nicht ewig vor Pia und Esther würde verheimlichen können. Insbesondere jetzt, da es auf den Winter zuging und Adams Abwesenheit nicht ohne Weiteres erklärt werden konnte, mussten sie Tacheles reden und wenn er es ehrlich eingestand, war Leo genauso nervös wie Adam auch. Er hoffte, dass Pia und Esther verständnisvoll waren, dass sie nicht Zeter und Mordio schrien oder schlimmer noch: zur Presse gingen.
Adam und er hatten lange darüber gesprochen und beschlossen, dass heute ein guter Tag dafür sein würde, dass er ihren Kolleginnen seine andere Gestalt zeigte.
„Soll ich?“, fragte Adam und Leo nickte. Eigentlich müsste das Adam selbst wissen, selbst entscheiden und Leo würde jede dieser Entscheidungen unterstützen. Uneigentlich war Leo Adams Anker, das schon immer gewesen und diese Rolle erfüllte er gerne. Jetzt insbesondere.
Das leise Plöpp war mittlerweile wohlvertraut und Leo hatte mit Adam besprochen, dass er den Fallout seiner Verwandlung abfangen würde. Esthers und Pias Fragen beantworten, während Adam in seiner tierischen Gestalt war und erst einmal genug Kraft sammeln musste um sich zurück zu verwandeln.
Doch zunächst waren da keine Fragen. Da waren nur große Augen und bleiche Gesichter. Da waren zwei Frauen, die nicht begreifen konnten, was gerade geschehen war und wie Leo auch massive Probleme damit hatten, dass ihre bisher bekannte Realität auf den Kopf gestellt wurde.
„Hölzerchen…?“, fand Esther ihre Sprache als Erste wieder und starrte auf Adam, der unter seinen Sachen hervorgekrochen kam.
„Sei vorsichtig, er beißt“, sagte Leo lakonisch und griff nach Adam, als dieser wütenden Kurs auf Pia nahm. „Wir haben darüber gesprochen“, murmelte er der wütend zappelnden Schnappschildkröte zu, die mitnichten ein Einsehen hatte.
„Hölzerchen…?“, fragte Esther, dieses Mal dringlicher im Ton. „Erklärung bitte.“
Dass nichts an ihren Worten eine Bitte war, hörte Leo nur zu deutlich.
„Das hier ist Adam in seiner tierischen Form. Er verwandelt sich dann, wenn es sein muss, in eine Schnappschildkröte.“
„Was für ein hässliches Vieh“, murmelte Esther mit bleichem Gesicht und Leo räusperte sich.
„Es ist nicht ansteckend, was er hat und es betrifft nur ihn. Solange er sich entspannt in seine Form verwandeln kann, ist das Doppelleben kein Problem.“
„Und das weißt du woher?“, fragte Pia, die das Stadium des Schocks bereits mit einem Bein verlassen hatte und nun ihre Neugier übernehmen ließ.
„Er wohnt bei mir. Im Haus und im Gartenteich.“
Pia blinzelte. „Im Gartenteich“, echote sie langsam und starrte Adam auf das schnappende Maul.
„Und wie heißt er? Schnappi?“, grollte Esther und zog ihren Finger weg, mit dem sie Adam gerade hatte reizen wollen.
„Nein, er heißt Adam“, grollte Leo zurück, Boris außen vorlassend. Adam bezeichnete sich selbst zwar auch als Schnappi, aber nur dann, wenn er wirklich wütend auf sich selbst und seine tierische Form war. Wenn er abfällig über sich sprach. Der Schutzinstinkt, den Leo hatte, verbot es ihm, das unkommentiert zu lassen. Adam war trotz seiner Bissigkeit in seiner jetzigen Gestalt ein kleines Lebewesen, das leicht sterben konnte. Auch wenn er bis jetzt alles überstanden hatte, hielt sich Leo immer wieder vor Augen, wenn Adam, der als Schnappschildkröte natürlich keine Uhrzeiten kannte, mal nicht pünktlich da war.
Esther brummte – keineswegs aus Zustimmung.
„Und wir träumen nicht?“, fragte sie nach. Leo schüttelte den Kopf.
„Das ist wie in einem Fantasyroman“, stimmte Pia mit ein.
„Glitzert er?“
Leo wusste, worauf sie anspielte und grollte. „Hör auf mit deinem Vampirscheiß! Und ihr solltet euch besser auf den Tisch setzen.“ Zögernd folgten die beiden Ermittlerinnen seinem Vorschlag und vorsichtig setzte er Adam wieder ab. Wie schon bei ihm vor Monaten war Adam in den ersten Minuten damit beschäftigt, potenzielle Feinde zu verfolgen, bis anscheinend auch sein tierisches Ich begriff, dass er hier in Sicherheit war und er sich zu einem Punkt bewegte, von dem aus er sie alle Drei missmutig anstarren konnte.
„Ähnlich sehen die Beiden sich ja schon“, merkte Esther an, während die Tür aufging und ihr Dienststellenleiter in ihr Büro trat. Adam fuhr herum, ebenso wie Leo, Pia und Esther auch und unter dem entsetzten Aufkeuchen des Mittfünfzigers verwandelte sich Adam wieder in seine menschliche Gestalt, nackt, wie die Evolution ihn geschaffen hatte. Mit dem Hintern zu ihnen und dem Gesicht zu Zänker, den er nun angrollte.
„Herr Hölzer…?“, fragte Zänker und Leo versuchte sich an einem verbindlichen Lächeln. Heraus kam ein Zähneknirschen mit nervösem Augenlidzucken.
~~**~~
Zänker war, wie Pia und Esther auch, nach einem Schreckenstag dazu in der Lage, das erlangte Wissen zu verarbeiten und für sich zu behalten.
Er ging auch noch einen Schritt weiter, als Adam ihm mit hochrotem Kopf seine Bedürfnisse darlegte. Sie bekamen die Erlaubnis, ein Terrarium in ihr Büro zu stellen, voll ausgestattet für Adam, falls seine menschliche Gestalt zuviel wurde. Zänker sicherte zu, Adam in seiner Winterschlafphase zu unterstützen, indem er ihm Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Dienstbezüge gewährte. Sie schufen Adam eine Umgebung, in der er sich wohlfühlen und fallen lassen konnte.
Was er auch tat. In tierischer wie in menschlicher Form, auch wenn Leo es gar nicht gut hieß, dass Esther Schnappschildkröten-Adam das Apportieren ihres Kugelschreibers beibrachte und Menschenform-Adam gnadenlos damit aufzog.
~~~~~~~
Ende.
Chapter 12: Im Warmen
Summary:
Es ist kalt, aber Adam geht es gut. Glaubt er zumindest. Alle anderen sehen das nicht so.
Chapter Text
Adam fror nicht, Adam hatte Stil.
Also seinen Stil, ob das der allgemeine Modekritiker Stil nennen würde, war ihm scheißegal. Jeanshose, Jeansjacke, Sneaker. Im Sommer weiße T-Shirts – bis auf die wenigen ausgeblichenen grünen, die er aus Berlin mitgebracht hatte – im Herbst schwarze Shirts, öfter mal den grauen Hoodie dazu, im Winter schwarze Rollkragenpullover. Funktional, passend, ihn nicht in seiner Bewegungsfreiheit einschränkend.
Natürlich war es im Winter kalt, aber dem wurde er schon Herr. Die Dreckssau hatte ihn auf Schlimmeres trainiert und so konnte er die stirnrunzelnden Gesichter seines Teams nicht wirklich nachvollziehen, wenn er in Jeansjacke, Sneaker und schwarzem Rolli am schneebedeckten Tatort auflief. Klar waren seine Füße, Hände und seine Nase kalt und er zitterte, aber das gehörte zum Winter eben dazu, da war ja nichts bei. Außerdem hatte er nicht so viele Muskeln wie sein Teamleiter, der nie zu frieren schien. Schade eigentlich.
Außerdem ging es hier um einen Tatort und nicht um sein körperliches Wohlbefinden.
Dass sein Teamleiter – und seine Jugend- und Erwachsenenliebe, aller Voraussicht nach unerwidert – Leo sie danach alle zum Kaffee und Kakao ins Café um die Ecke des Tatorts einlud, war da vollkommen unnötig in Adams Augen. Schließlich konnten sie gut und gerne ins Präsidium zurückfahren und mit ihrem noch ungelösten Fall weitermachen.
Fast hätte Adam deswegen auch nur ein Wasser bestellt. Eigentlich hatte er es fest vorgehabt, doch dann hatte Heinrich ihm mit einem ihrer Venusfliegenfallenlächeln einen großen Kakao mit Zimtsahne bestellt.
Beim nächsten Mal würde Adam das nicht annehmen. Schwor er sich und trank das süße, ihn aufwärmende Getränk.
~~**~~
Zweifelnd sah Adam hoch. Also nicht ganz weit hoch, schließlich stand Esther vor ihm. Nicht, dass er ihr das ins Gesicht sagen würde, aber wenn sie einmal zuviel Recht gehabt hatte an einem Tag, ergötzte er sich an Kleinigkeiten, die sie nicht ganz so perfekt machten.
„Was ist das?“, fragte er und musterte die gefütterte Jeansjacke, die sie hochhielt.
„Willst du die?“, fragte sie. „Mein Bruder hat sie sich gekauft und sie ist ihm zu groß. Da dachte ich, dass sie dir perfekt passen würde.“
„Leck mich doch“, grollte Adam. Baumann hatte einen Bruder? Seit wann das denn? So genau wusste Adam das gar nicht, fiel ihm auf. Anscheinend schon. Aber eigentlich hatte Leo doch was von Einzelkind gesagt. Hm.
„Nein danke. Also, willst du?“
Die Jeansjacke hatte den gleichen Ton wie seine Jetzige, war aber von innen gefüttert. Irgendetwas Weiches, anscheinend Warmes.
„Warum sollte ich?“
„Gibt’s halt gratis. Sonst würde er sie wegschmeißen.“
Adam hasste es, Kleidung wegzuschmeißen und an der Jacke war wirklich nichts dran. Mit grimmigen Gesicht stand er auf und griff nach dem Stoff. Fühlte sich gut an. Widerwillig zog er sich die Jacke über und stellte fest, dass Baumann tatsächlich Recht gehabt hatte. Sie passte wie angegossen und war auch noch warm.
„Sieht nicht anders als vorher“, merkte Baumann an.
„Ich nehm‘ sie.“
„Gut.“
Bevor Adam sich überlegen konnte, wie das Wort danke ausgesprochen wurde, hatte Baumann sich umgedreht und das Büro verlassen. Datenschutzschulung, erinnerte Adam sich.
~~**~~
„Adam…“
„Echt nicht, Frau Hölzer. Ich brauch das nicht.“
„Adam.“
„Das ist zuviel, wirklich.“
„Adam.“
„Frau Hölzer…“
Wie immer, wenn Adam mit Leos Mutter Kontakt hatte und sie ihm etwas schenkte – und es nicht zurücknahm, auch wenn er ihr sagte, dass das nicht notwendig war – kam er nicht umhin, sich ihrem eisernen, sanften Willen zu beugen. Dieses Mal, mitten im Dezember, hatte sie ihm nach dem Umräumen ihrer Winterpflanzen ein geschnürtes, blaues Stoffpaket gegeben. Eine Mütze, ein Schal und Handschuhe, wie sich herausstellte. Sehr weich, sehr angenehm, einfach schön. Warum schenkte sie so etwas nicht ihrem Sohn, sondern ihm? Das war doch absurd. Schließlich half der ja auch mit und stand mit hochroten, hübschen Wangen neben ihm.
„Wann soll ich das denn anziehen?“
„Wenn wir rausgehen“, half Leo, der Verräter, seiner Mutter dabei, auch das Geschenk dauerhaft bei Adam zu positionieren. Dankbar nahm Frau Hölzer das auf.
„Zieh doch mal, an, Adam.“
Fünfunddreißig und er wurde immer noch von Leos Mutter gnadenlos geduzt, während er sie noch viel gnadenloser siezte. Er war eben schüchtern…was sollte er sagen.
Adam tat wie ihm geheißen und die Wolle legte sich weich und kuschelig um seinen Kopf, seinen Hals und seine Hände.
Das war warm und überraschend angenehm. Ungewohnt, aber nicht tragisch. Außerdem lächelte Leo so hübsch, als er ihn in seiner dicken Jacke und dem ganzen anderen Rest ansah.
~~**~~
„Ey, Leo, ich brauch die nicht!“
„Du frierst aber.“
„Na klar, deine Heizung ist schließlich auch ausgefallen!“
„Ja, aber das heißt nicht, dass du frieren musst.“
„Das geht schon.“
„Na komm.“
„Nee jetzt.“
„Doch jetzt.“
Das hatte Adam davon, wenn er sich eine Woche vor Weihnachten mit Leo zum Filme schauen traf und Leos Heizung ausgefallen war. Es war arschkalt in dessen Wohnung und Leo, der Planer, hatte sich natürlich mit Decken bewaffnet. Zwei, übereinander. Zwei Große, um genau zu sein. Riesige, dicke Monstren voller Wärme, dazu selbstgebackene Kekse und Kerzen.
Leo, der Weihnachtskitschromantiker.
Und er war in die Falle dieses Romantikers getappt. Nicht, dass Adam etwas dagegen gehabt hätte. Aber nach allem, was er in der letzten Zeit an wärmenden Dingen erhalten hatte, war das hier schon die Krönung des Ganzen. Leo wollte, dass er zu ihm kam und dass sie sich gemeinsam unter Leos Decke wärmten, während sie einen Film sahen. Irgendein independent Roadmovie, das Leo sich ausgesucht hatte und das vielversprechend klang.
Adam grollte noch pro forma und schob sich dann näher. Noch näher, als Leo die Decke immer noch aufhielt und noch näher, als es immer noch nicht wärmespendend genug war. Sie berührten sich ein wenig, als Leo die Decke wie das Blatt einer fleischfressenden Pflanze zufallen ließ und Adam sowohl mit seiner Körperwärme als auch mit seinem Geruch einfing.
Beides war schön, nur kam Adam jetzt nicht mehr an die Kekse heran. Nun gut, einen Tod musste man sterben. Das tat er auch ziemlich zielsicher, als Leo seinen Kopf auf Adams Schulter legte und Adams Herz ein paar Takte aussetzte.
Und als er – so wie früher – seinen Kopf auf Leos bettete, dann war das doch sicherlich in Ordnung.
„Sag mal, Baumann hat keinen Bruder, oder?“, fragte er nach einer Weile.
Leo brummte. „Nein, sie ist Einzelkind.“
Adam grollte innerlich. Idiotin.
~~~~~~
Ende.
Chapter 13: Schusswaffengebrauch
Summary:
Adam ist unvernünftig, Leo besorgt. Und somit ruft das Krankenhaus.
Chapter Text
Wer hätte es gedacht: Polizeiwaffen sind geladen und haben keine Sicherung. Deswegen gibt es für sie spezielle Holster, damit sich eben kein Schuss lösen kann.
Was es nicht gibt, ist das:
Hier hat Doubledenimcrew einen wunderbaren Screenshot dazu gemacht!
And so it begins:
~~**~~
„Die Dienstvorschrift zum Tragen von Schusswaffen im Dienst besagt ganz eindeutig, dass sie im Holster bei sich zu führen sind, Adam. Das Holster muss entsprechend gesichert sein, damit sich keine Kugel lösen kann. Das, was du getan hast, war nicht nur vorschriftenwidrig, sondern auch fahrlässig und gefährlich, für andere, aber auch ganz besonders für dich. Das ist inakzeptabel und als Teamleiter kann ich dir das ni-“
„Boah Leo, du Streber, halt die Fresse“, grollt Adam in Leos Monolog hinein und befindet, dass jemand, der den Schaden hat, nicht für die Belehrungen zu sorgen hat. Und die Belehrungen bekommt er seit ihrer erfolgreichen Verhaftung des Mörders von Lieselotte Meyer-Strunzmann, kurz Liesl. Der Mörder ist ihr Gärtner und wenn Adam nicht der Arsch brennen würde, würde er immer noch darüber lachen, dass es so klassisch dumm ist.
Die Liesl ist…war…eine reiche Frau und hat ihr Testament auf den einzigen Mann in ihrem Leben umgestellt, der es mit ihr ausgehalten hat: Thomas Eckhagen, Gärtner aus Leidenschaft und chronisch klamm. Um sein erhofftes Erbe vorzuziehen, hat er versucht, sie mit einem natürlichen Tod umzubringen.
Nicht mit Pia, die mit ihren Gartenpflanzenkenntnissen ihnen allen einen Ermittlungserfolg beschert hat.
Adam auch irgendwie, als er nach der erfolgreichen Verfolgungsjagd Eckhagen gestellt, seine Waffe zwischen Gürtel und Haut über seinem Hintern eingeklemmt und dem Mann die Handschellen angelegt hat.
Es zumindest versucht hat, denn Eckhagen hat entdeckt, dass er sich auch wehren kann, Adam hat ihm gezeigt, dass das unnütz ist und bei dem entstandenen Handgemenge hat sich ein Schuss gelöst.
Jetzt hat Adams beste Jeans ein Loch am Hintern, er eine Streifschussverletzung am Arsch und ordentlich Schmerzen. Sein Teamleiter – Mr. gnadenlos Leo Hölzer – nutzt seitdem er ihn ins Krankenhaus begleitet hat die Gelegenheit für Monologe über unverantwortliches Verhalten im Dienst, das mit Sicherheit in Berlin so durchgehen würde, hier in Saarbrücken aber nicht. Unter ihm als Teamleiter schon gar nicht. Und der Schusswaffengebrauch. Was für ein Papierkram das nun wieder wäre. Und die Waffenrevision, die ihnen nun auch noch auf die Füße treten würden. Und sowieso und überhaupt.
Kurzum: Es riecht durchdringend nach Krankenhaus um ihn herum, Adam ist bis auf die Krankenhauskluft nackt, ihm tut der Hintern weh, er ist genervt und auch ein bisschen bedröhnt von den Schmerzmitteln. Ein geklebter Arsch samt Übernachtung im Krankenhaus, dazu das strikte Verbot, sich die nächsten Tage übermäßig zu bewegen.
Ja, es hätte schlimmer kommen können – ist es aber nicht.
„Adam! Das ist ernst, du…“
Die aufgehende Tür bringt Leo von seinem Monolog ab und Adam war noch nie so froh, die olle Baumann zu sehen, die mit einem breiten Grinsen auf seinen Arsch starrt. Hinter ihr kommt Pia hinein und die ist die Einzige, die so etwas wie Mitgefühl zeigt.
„Geht’s dir gut?“, fragt sie sanft und Adam grollt.
„Geht. Könnte schlechter sein.“
„Aber auch besser?“
Adam nickt mit zusammengebissenen Zähnen, während er sich auf die Seite dreht. Er muss hier nicht auf dem Bauch liegen, während die zweieinhalb Hyänen auf seinen krankendeckenbedeckten Arsch starren. Das will er nur von einem und der sieht seinen Hintern mit Sicherheit nur als Beweisstück in einem Fall von dienstlicher Idiotie und Unvorsicht. Da kann Adam sich richtig glücklich schätzen, dass das corpus delicti noch nicht eingetütet und konserviert ist.
„Können wir was für dich tun?“
„Ja, ihr könnt mich in Ruhe lassen“, knurrt Adam charmant wie immer. Er braucht grad keine Vorwürfe und keinen Spott. Eigentlich braucht er nur jemanden, der Händchen hält, aber er wird den Teufel tun und das zugeben.
Den. Teufel.
Sie trollen sich, die Ollen und er bleibt alleine zurück im Klinikum. Einzelzimmer, wenigstens das hat er bekommen und gibt sich nun dem kargen Fernsehangebot hin. Sein Handy ist auf der Dienststelle und sonst gibt’s hier nichts.
Die Krankenschwestern meiden ihn auch nach der ersten Runde anstänkern und umso überraschter ist Adam, als dann doch die Tür aufgeht. Noch viel erstaunter ist er allerdings, als es nicht Schwester Rabiata eins und zwei sind, die ihn bettfertig machen möchten, sondern Leo, der sich außerhalb der Besuchszeiten ins Krankenhaus gemogelt hat.
„Besuch um diese Uhrzeit ist verboten“, murmelt Adam etwas angesäuert und die grünen Augen sind nachdenklich bis entschuldigend auf ihn gerichtet.
„Ich habe dir dein Handy gebracht, damit du keine Langeweile hast“, sagt er leise, als befürchte er jederzeit, dass eine der Schwestern hereinkommt und ihn rausscheucht.
„Ich hab‘ auch so keine Langweile, das Fernsehprogramm ist hervorragend“, motzt Adam und Leo wirft einen Blick auf den abgeschalteten Fernseher.
Natürlich war es grauenvoll. Aber trotzdem.
Leo reicht ihm sein Handy und Adam fischt danach. Jetzt wäre der Moment gekommen, dass Leo geht, doch er verharrt weiterhin an Ort und Stelle, unsicher mit sich und seinen Händen, die unablässig über die Chino streichen. Leo und seine verfluchten, arschbetonenden Hosen.
„Geht’s dir gut?“, fragt er schließlich und Adam brummt.
„Geht so. Tut weh wie Scheiße.“
„Das hätte auch in die Hose gehen können.“
Adam rollt mit seinen Augen. „Nicht schon wieder, Leo. Und ja, es IST in die Hose gegangen. Wortwörtlich. Und fast nur dahin.“
„Du hättest ernsthaft verletzt werden können.“
„Ist aber nicht so.“
„Du hättest sterben können.“
Adam blinzelt, das eigentlich bequeme Laken unter ihm plötzlich unangenehm schubbernd. Leo sorgt sich, erkennt er mit einem Geistesblitz. Leo hat Angst um ihn. Komische Art, das zu zeigen, insbesondere heute Nachmittag, aber anscheinend…die stürmisch gerunzelte Stirn sagt Adam alles, was er wissen muss. Die gepeinigt zusammengezogenen Augenbrauen tun es.
„Ich lebe aber noch. Und mir tut nur der Hintern weh. Eigentlich tut er mir mehr weh, wenn ich so richtig geilen Sex habe und der Typ ihn mir bis zum Anschlag reinschiebt.“ Wer ist Adam, dass er nicht oversharing betreibt, damit Leo endlich mal eifersüchtig wird?
Ein erfolgloser Provokant, das ist er und Leo sagt gar nichts dazu, guckt nur unerfreut.
„Ach man, Leo, das war ein Scherz“, korrigiert Adam sich nach ein paar Sekunden unglücklichen Schweigens und auch das ist nicht gut. Adam seufzt.
„Willst du gucken um dich zu überzeugen, dass alles gut ist?“, bietet er an und auch das ist nicht das Wahre. Wieder schweigen sie und Adam springt schließlich über seinen Schatten.
„Ich könnte jemanden zum Kuscheln brauchen nach diesem Erlebnis“, geht er forsch an die Sache heran, während Leo noch zögerlich und unsicher da steht. „Und ich weiß, das habe ich nicht verdient, weil schlimmster Mitarbeiter der Welt und so, aber du hast als Teamleiter doch auch eine Fürsorgepflicht und das Bett ist groß genug für uns beide.“ Das ist schon nicht mehr forsch, das ist verzweifelt. Aber es wirkt.
Leo macht einen Schritt nach vorne, besinnt sich dann, tut ihn wieder zurück. Ernsthaft? Adam rutscht auf dem Bett nach hinten, lässt ihm Platz.
„Oder du setzt dich einfach nur hin“, bietet er die Zwischenlösung an und kritisch beäugt Leo das Bett.
„Du brauchst das zum Ausruhen“, bestimmt er und Adam nickt.
„Ich kann das auch so. Auf deiner Couch quetschen wir uns auch immer.“
Das tun sie, soviel ist wahr. Keusches Couchquetschen, Adams liebste Disziplin – nicht. Ihm würden da tausend andere Dinge einfallen, die er lieber mit Leo auf der Couch tun würde, aber dieser behält im braven Teamleiteranstand die Kleidung an.
Eigentlich ist es unbequem, aber Adam wird den Teufel tun und was sagen, insbesondere jetzt, als Leo sich tatsächlich zu ihm auf das Bett setzt, seine Schuhe mit Bedacht abstreifend. Langsam wendet er sich ihm zu und Adam rutscht wieder näher, bettet frech seinen Arm über Leos Oberschenkel.
„So bleiben, das hilft.“
„Versprich mir, dass du beim nächsten Mal aufpasst“, murmelt Leo zögerlich, aber streng und Adam nickt mit der Wange an Leos Hose schubbernd.
„Versprochen.“
Leo ist noch verhalten darin, ihm zu glauben, aber er entspannt sich graduell. Und mit ihm auch Adam. Sie machen sogar den Fernseher an und schauen etwas auf Arte, das Adam nach anfänglichen Startschwierigkeiten dann doch interessiert.
Sein menschliches Kissen rutsch irgendwann runter und schläft ein, wacht auch nicht wieder auf, als die Tür aufgeht. Schwester Rabiata zwei, die es anscheinend genauso streng mit den Regeln nimmt wie Leo. Mit entschlossen verkniffenem Ausdruck kommt sie zu ihnen und Adam fängt ihren Arm ab, mit dem sie an Leos Schulter rütteln möchte.
Warnend hält er ihn fest.
„Wenn Sie mir die Tour mit ihm hier versauen, versaue ich Ihnen die Nachtschicht, was halten Sie davon?“, fragt er zuckersüß mit noch süßerem Lächeln. Sie öffnet die schmalen Fräulein Rottenmeier-Lippen, nur um sie dann wieder zu schließen und sich die Brille zurecht zu rücken.
„Besuchszeit ist vorbei.“
„Er ist Familie“, zischt Adam.
„Ach?“
„Ja.“
„Was, Zwillingsbruder oder wie?“
„Ehemann. Und jetzt Abmarsch, ich kann das alles alleine.“ Ist gelogen, aber er will Leo in Ruhe für sich haben, der so vertrauensvoll an ihm lehnt.
Schwester Rabiata zwei glaubt ihm kein Wort, doch Adam gewinnt das stumme Blickduell. Er bekommt keine zweite Dosis an Schmerzmitteln, aber das ist okay.
Leo dreht sich zu ihm und legt selbst im Schlaf behutsam einen Arm um ihn. Das ist fast so gut wie Schmerzmittel.
~~~~~
Ende.
Chapter 14: Tierischer Streit
Notes:
Die nachfolgende Kurzgeschichte habe ich schon einmal auf Tumblr gepostet, finde aber, sie passt auch ganz gut in diese Sammlung. Sie gehört zu einer größeren Werwolf-AU-Geschichte, die ich gerade mal hier, mal da schreibe.
Viel Spaß beim Lesen euch!
Chapter Text
„Ich bin wieder zurück!“, rief Leo in die Stille der Wohnung hinein und stellte seine vollbeladenen Einkaufstaschen in den Flur um sich die Schuhe auszuziehen. Es war nass draußen und die Bauarbeiten vor seiner Wohnung brachten Schlamm mit sich, den er nicht im Haus haben wollte. Weil er keine Lust hatte, unnötig zu putzen und weil der Modder stank. Der Fluch des Wesendaseins, wenn man so wollte. Leo mochte sich gar nicht daran erinnern, wie schwer es gewesen war, eine Wohnung zu finden, bei der sein feiner Geruchssinn nicht Amok lief.
Umso passender war es, dass Adam nun hier war und die Wohnung latent nach ihm roch. Es war ein guter Geruch nach Eisen und Erde, mit etwas Schwefel unterlegt. Manchmal kam der Sommertag durch, aber da würde Leo den Teufel tun und das Adam so sagen.
Bevor er einkaufen gegangen war, hatten sie Revierstreitigkeiten gehabt. Zwei Wölfe auf einem Haufen, in einer Wohnung, das war manchmal nicht gut. Das führte zu Schulterremplern, zu menschlichem Gegrolle.
Das tierische Grollen überließ Leo beinahe ausschließlich Adam. Er selbst verwandelte sich in seiner Wohnung nur in Ausnahmefällen in den Wolf. Eigentlich fast gar nicht. Adam hingegen war oft in seiner tierischen Gestalt zu finden. Eigentlich immer dann, wenn er keine Lust hatte zu reden. Oder wenn ihn etwas belastete und er sich trotz der Zeit, die er bei Roland gezwungen war in Wolfsgestalt zu verbringen, in die wohlbekannte, tierische Form flüchtete. Es brach Leo jedes Mal das Herz und es machte ihn froh, dass Roland tot war. So konnte er Adam nicht mehr wehtun, der sich in solchen Momenten immer erst dann wieder verwandelte, wenn er im Reinen mit sich selbst war.
Leo nahm die Taschen auf und ging in die Küche. Im Türrahmen blieb er stehen und seufzte tief.
Da war ein viel zu großer Wolf auf seinem viel zu kleinen Küchentisch. Ihm abgewandt lag Adam, halb unten hängend mit den Hinterläufen und dem Schwanz, seinen Kopf auf die Vorderpfoten gebettet. Er hatte die Augen geschlossen und ignorierte Leo rundheraus, denn das der aufmerksame Wolf ihn nicht gehört hatte, hielt Leo für ausgeschlossen.
Sie hatten also Streit. Nein…Leo hatte Streit, denn mit einem Wolf ließ es sich schwer streiten, da dieser schwerlich antworten konnte.
Dabei war der Grund denkbar banal und auch leicht lösbar. Sie hatten um die Reinigungshäufigkeit des Badezimmers gestritten. Adam war es zu wenig, Leo sah es nicht ein, zweimal die Woche zu putzen. Denkbar dumm also, aber eine Revierstreitigkeit.
„Ach komm schon“, grimmte Leo und der Wolf vor ihm zuckte lediglich mit dem Schwanz. Sonst reagierte er nicht. „Jetzt verwandle dich schon zurück, du Eumel.“
Beleidigungen halfen immer, hatte Leo über die letzten Monate festgestellt. Die konnte Adam nicht einfach unkommentiert stehen lassen, da musste er gegenhalten.
Für gewöhnlich. Aber anscheinend war das Reinigungsthema ein ernsteres. Zumindest ernster, als Leo es angenommen hatte.
Leo ging zum Kühlschrank um zumindest schonmal das Fleisch sicher zu verstauen, was er für sie beide eingekauft hatte. Unwirsch stopfte er es in den Kühlschrank und besann sich rechtzeitig genug, dass sie darum auch einen Streit gehabt hatten und er seitdem brav und ordentlich Fleisch und Gemüse trennte und nicht alles auf einen Haufen warf wie bisher.
„Bist du etwa immer noch sauer, dass ich nicht deiner Meinung bin?“, fragte Leo mit dem Rücken zu Adam und erhielt immer noch keine valide Antwort. Also eigentlich keine, außer einem leisen Schnaufen.
„Was ist denn dein Problem mit einmal wöchentlich?“
Nichts.
„Adam.“
Nichts.
Leo drehte sich um und grollte. Nicht ganz so imposant wie in seiner wölfischen Form, aber immerhin noch tief genug, dass Adams linkes Ohr sich halb aufstellte. Er drückte seinen Finger in Adams linke Flanke und der Wolf hob stumm die Lefzen. Also doch nicht so schlafend wie vorgegeben.
Leo piekste nochmal und da kam sogar ein leises, kurzes Grollen.
„Komm schon, Adam. Red mit mir“, lockte Leo und strich über das dichte Fell der rechten Flanke. Adam heulte knapp und versuchte sich auf dem viel zu kleinen Tisch zu arrangieren, was nur dazu führte, dass er beinahe herunterfiel von seiner mit Sicherheit unbequemen Unterlage. Lächelnd kam Leo um ihn herum.
„Komm schon, Flohzirkus, sag was“, neckte er und Adam entkam eine Mischung aus tiefem Grollen und empörten Heulen. Er zeigte Leo seine imposanten Zähne und Leo erwiderte diese Geste mit seinen menschlichen Gegenstücken. Nur kurz musterte Adam ihn und das auch nur aus dem Augenwinkel heraus. Vollkommen unbeeindruckt von Leos Beitrag zu ihrem Schlagabtausch.
Wie gut, dass Leo sich nicht so einfach abspeisen ließ und seine Angst vor Wölfen eher gering war. Todesmutig küsste er den Mann seines Herzens auf den massiven Schädel.
„Komm schon, sprich mit mir. Und nein“, hob Leo den Zeigefinger, als Adam wieder ansetzte zu heulen. „…mit Worten. Wir finden eine Lösung, die nicht heißt, dass du weiterhin den Küchentisch als adäquate Ablage für deinen hübschen, aber haarenden Körper nutzt. Komm schon, lass uns einen Kompromiss wagen.“
Leo sagte das oft in letzter Zeit und es war schwierig für sie beide. Wölfe schlossen keine Kompromisse, Menschen schon. Dominanz und Unterordnung lebten sie beide nicht, also mussten sie Wege finden, miteinander klar zu kommen.
Besser das, als ohne Adam zu leben, befand Leo jeden Tag wieder aufs Neue. Er liebte den Mann und den Wolf so sehr, dass er es nicht recht in Worte fassen konnte. Nach fünfzehn Jahren Trennung hatte er auch nicht vor, etwas Anderes zu fühlen oder zu denken.
„Außerdem kann ich so gar keinen Versöhnungssex mit dir haben und würde es mir sonst selbst in der Dusche besorgen. Auch irgendwie schade, oder?“
Adam maulte lautstark, anscheinend hin- und hergerissen zwischen weiterhin beleidigt sein und die eindeutigen, offensichtlichen Vorzüge des Kompromisses genießen. Auf Leo, in Leo, wie es ihm beliebte. So sehr Adam da auch manchmal nach der Kontrolle gierte, so gerne gab Leo sie ab.
Und heute war so ein Tag, gab Leo mit einem schief gelegten Kopf und damit entblößten Hals zu erkennen.
Das interessierte Funkeln in den wölfischen Augen und die sich verändernde Spannung in der Luft zeigten ihm, wie sehr Adam das zu schätzen wusste.
~~**~~
Chapter 15: Samstagsgemütlichkeit
Summary:
Adam und der liebste Tag seiner Woche: der Samstag
Notes:
Hallo zusammen!
Auch wenn es heute Sonntag ist, hier eine Hommage an den mitunter schönsten Tag der Woche, den Samstag und an die beiden den Samstag genießenden Herren, Adam und Leo. Viel Spaß euch beim Lesen!
Chapter Text
Mit einem Seufzen drehte sich Adam auf den Bauch und öffnete probeweise ein Auge, als er das Rauschen des Regens an der Scheibe hörte. Ne. Das war noch nichts. Das war kein guter Grund um aufzustehen und das warme Bett mit der warmen Decke zu verlassen. Oder den Mann, der in aller Seelenruhe neben ihm schlief.
Im Gegenteil, lieber zog er die Decke noch etwas höher, weiter über die Schultern und lauschte dem dicken, fetten Platschen der herbstlichen Regentropfen auf der Fensterbank, die das Rauschen des Wassers an der Scheibe untermalten.
Aber es war gut so, denn die Samstagmorgen waren dazu da, genossen zu werden.
Das war nicht immer so gewesen und Adam erlaubte sich den seltenen Blick in seine Vergangenheit. Früher, unter dem Regime der Dreckssau hatte er auch samstags um sechs Uhr aufstehen müssen, damit das Training um sieben beginnen konnte. Sieben bis zehn Quälerei, Schulung zum perfekten Soldaten. Kindesmisshandlung nannte man das. Dann von vierzehn bis achtzehn Uhr Krafttraining. Wie oft hatte Adam seinen Körper danach nicht mehr gespürt oder sich nicht rühren können vor Schmerzen? Wie oft hatte er die Freitagnächte im Schrank verbracht?
Zu oft, als dass er nun noch geschlossene Schränke ertrug. Entsprechend dankbar war er da immer noch für ihre offene Kleiderstangenregalkombination, die absolute keine Ähnlichkeit mit dem alten Schrank aus dem Bunker hatte.
Nachdem die Dreckssau endlich ins Koma gefallen war und Adam jeden Tag darum gehofft hatte, dass der Alte krepierte, waren seine Samstage von ähnlicher Schlaflosigkeit geprägt gewesen. Er hatte zwar mit dem Fußballverein trainiert und Spiele gespielt, aber war nicht mehr gezwungen gewesen, etwas gegen seinen Willen machen zu müssen. Leo war vermehrt und verstärkt in sein Leben gekommen und sie hatten ihre Zeit gemeinsam miteinander verbracht.
Adam hatte gelernt, dass man auch am Seeufer liegenbleiben konnte, anstelle Runden schwimmen zu müssen. Er hatte gelernt, was es hieß, unterm Blätterdach in der Sonne zu liegen, die Augen geschlossen, nichtstuend.
Auf seiner Reise durch die Welt hatten Samstage keine Rolle für ihn gespielt. Sie waren Tage wie alle anderen auch gewesen, ein Kreislauf zwischen Tag und Nacht, nichts Besonderes mehr.
Mit seiner Rückkehr nach Deutschland und der sich anschließenden Polizeiausbildung in Berlin waren Samstage geprägt von Fußballspielen, Großdemos und Verschiffungen durch die Bundesrepublik gewesen. Nichts zum Ausruhen, nichts Entspanntes, ein Tag wie jeder andere in der Woche. Das hatte sich in Saarbrücken so fortgesetzt. Ausschlafen bis acht, danach kurz was frühstücken. Danach…einfach nichts Wirkliches. Wochenende halt. Muttern helfen, vielleicht mit dem Team treffen, sonst eher weniger was.
Das hatte sich erst geändert, als Leo und er den kalten Sprung ins Wasser gewagt hatten. Als sie beschlossen hatten, dass das, was sie langjährige Freundschaft nannten, den gängigen Kriterien nicht mehr entsprach. So wurde aus Freundschaft Freundschaft plus und der schamlosen, sexuellen Bestechung seines Teamleiters regelmäßige Treffen. Aus diesen wurde der Auszug aus dem Bunker hinein in eine gemeinsame Wohnung am Rand von Saarbrücken. Altbau, hohe Decke, helle, lichtdurchflutete Räume samt grummeligem alten Opa oben drüber.
Das bist du in dreißig Jahren, hatte Leo gescherzt und Adam hatte ebenso vehement verneint. Insgeheim konnte er Manfred aber gut verstehen und dessen Blick auf die Welt.
Jetzt waren seine Samstage anders.
Angefangen damit, dass Adam länger schlief und sich auch noch einmal umdrehte, wenn er Lust dazu hatte. Oder dass er das schlafende Murmeltier eines Teamleiters beobachtete, während der sein Kissen vollsabberte und im Schlaf inkohärente Sätze von sich gab, die meist etwas mit ihren aktuellen Fällen zu tun hatten.
Der Streber.
Wenn er sich dann doch dazu entschied, aufzustehen, würde er Frühstück machen und Brötchen holen. Oder Leo tat das, wenn er wach war. Adam hatte gelernt, dass dekorative Lampen bei entsprechend kühlen Außenverhältnissen und regnerischen Tagen etwas war, das Leo wie eine Motte anmachte und sich in ihrem Lichtschein suhlte.
Aus seinen pragmatischen Viertelstundenfrühstücken wurden lange, ausgedehnte Morgende, mit Obstsalat, Müsli, Hörnchen, selbstgemachten Brotaufstrichen. Aus seinem Instantkaffee wurde der Milchkaffee aus dem Vollautomaten. Aus sinnlos dahin getrödelten Samstagvormittagen wurden sinnlos schön dahingetrödelte Samstag Vormittage. Während Leo seinen anscheinend angeborenen Masochismus dazu nutzte, um im Anschluss den Wocheneinkauf zu erledigen, blieb Adam im Wintergarten oder auf der Terrasse und las einen seiner Vampirromane, die er sich aus Second Hand Läden zusammenklaubte.
Generell hatte Adam festgestellt, dass mit der Ruhe, die ihn genauso durchdrang wie das Sonnenlicht an hellen Tagen, Lust am Lesen kam. Dass Leo ihm dafür einen eigenen Sessel für ihren Wintergarten geschenkt hatte, in dem Adam versinken konnte, das stand auf einem anderen Blatt.
Manchmal gingen sie nachmittags wandern oder Adam begleitete Leo zum Kampfsportraining der LKA-Leute oder sie trafen sich mit Leos Familie oder Pia und Esther. Alles in allem waren die Samstage Ruhe- und Entspannungstage in einem Maße, wie es Adam vorher noch nicht gekannt hatte und jeder einzelne tat ihm gut.
Gut, nicht jeder. Als Leo mit Grippe flachgelegen hatte, hatte er das Einkaufen übernommen und wäre beinahe zum Mörder geworden. Der war doof gewesen. Aber ansonsten?
Ansonsten waren Adams Samstage erfüllt von winterliche Ruhe und Gemütlichkeit vor ihrem brennenden Kamin, von frühlingshaften Versuchen, sich auf die Terrasse zu setzen und festzustellen, dass es doch noch zu kalt war, von sommerlichen Kraftakten, die quietschende Markise in klassischem 70er-Jahre-rot-gelb-Design rauszufahren um sich vor der sengenden Sonne zu schützen, von herbstlichen Gartenumgrabaktionen und von weihnachtlichen Lichterdekorationen zum Bestaunen.
Es war himmelschreiend häuslich und doch verspürte Adam im Gegensatz zu seiner Flucht von vor zwanzig Jahren keinen Drang davor zu fliehen. Es war gleich und doch verschieden, es war ein Zuhause und ein Nest, das Leo und er sich geschaffen hatten.
Für sich. Für die Menschen, die sie schon lange hatten sein sollen. Für die Verbindung, die sie heiß und innig teilten.
Neben ihm regte sich die andere Hälfte ihrer Verbindung und Adam lächelte voller Liebe für Leo. Er hauchte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze, als dieser wach genug war um zu erkennen, dass er sich nicht auf einem Boot im saarländischen Ozean befand, mit dem er zu ihrem aktuellen Tatort schipperte.
„Guten Morgen, du fleißiger Ermittler“, grinste Adam und Leo stöhnte auf. Er rollte sich auf den Rücken und legte einen Arm über die Augen.
„Hab‘ ich im Schlaf gesprochen?“
„Du hast ganze vier Fälle gelöst, möchte man deinen Ausführungen glauben.“
„Und, KDD schon draußen zum Verhaften?“
„Keine Ahnung, ich habe beschlossen, alle Verdächtigen laufen zu lassen.“
„Gemeiner Schuft.“
„Immer.“
Leo brummte und rollte sich auf Adam zu. Den gerade noch seine Augen bedeckenden Arm schlang er um Adams Oberkörper und schmiegte sich an ihn.
„Du bist so schön warm“, murmelte er und Adam konnte dem nur beipflichten. Wenn er eines war, dann ein mobiles Bettheizkraftwerk.
Verwegen pustete er auf Leos Ohrläppchen. „Was hältst du davon, wenn ich dir das Aufwachen etwas versüße, hm?“, fragte er und ein Schaudern durchlief seinen Partner, Freund, seine bessere Hälfte und grundsätzlich den Mann, den er liebte.
„Oh“, erwiderte Leo eloquent.
„Ohh“, seufzte er, als Adam seinen Worten Taten folgen ließ.
~~**~~
Chapter 16: Angefüttert
Summary:
Adam snackt und Leo beobachtet. Dabei bleibt es aber nicht.
Notes:
Guten Abend zusammen,
hier nun ein neuer Teil des Gemischtwarenladens...ganz fluffig und sanft. Ohne großes Drama (na gut, so ein bisschen 😉). Anscheinend war das Wochenende mit all den schönen Momenten sehr förderlich für die Muse. Viel Spaß euch beim Lesen und ja, ich habe schamlos geklaut. Ihr wisst schon, wovon. 🌻
Chapter Text
Wieviel Leo eigentlich nicht über Adam weiß, wird ihm deutlich, als Adam nach fünfzehn Jahren nach Saarbrücken zurückkehrt.
Klar hat er keine Ahnung, wie sehr anderthalb Jahrzehnte seinen Jugendfreund geprägt haben, aber nach und nach kommen Gewohnheiten ans Licht, die Leo vorher nicht bekannt gewesen sind.
So zum Beispiel, dass Adam isst. Klar muss er essen, schließlich ist er kein Vampir, auch wenn der jugendliche Adam das immer gerne gewesen wäre. Unsterblichkeit, unbändige Stärke, am oberen Ende der Nahrungskette – das sind Dinge gewesen, nach denen sich Adam gesehnt hatte, bevor er gegangen ist.
Leo weiß, dass Adam essen muss, aber die Häufigkeit, mit der er ungesunde Sachen isst, ist auffällig.
Egal, wo sie sind, snackt Adam. Pistazien, Trockennudeln, Gummibärchen, M&Ms...kleine Sachen, große Sachen, immer ein bisschen, aber nie ganz auf. Gerade soviel, dass er etwas probieren kann, aber nie soviel, dass er sich den Bauch vollschlägt. Das tut er nur bei ihren abendlichen Teamtreffen oder mit ungesunden Dingen oder an Orten, bei denen es besser wäre, nichts zu essen.
In Remy Pontiers Küche zum Beispiel.
Dass die Nudeln aus der Pfanne trotz lauwarmer Temperatur nicht mehr ganz so gut gewesen sind, bekommt Leo mit, als Adam auf dem Etagenklo ihrer Dienststelle verschwindet und erstmal nicht mehr wiederkommt. Als er dann zurückkehrt, ist er bleich um die Nase und verschwindet ein paar Minuten später wieder. Das Ganze geht ein paar Mal so, bevor Adam sich erschöpft mit einem „Jetzt ist alles raus.“ zurücklehnt.
Das sind ein paar Informationen zuviel und Leo kann sich denken, was passiert ist.
„Vielleicht beim nächsten Mal nur von vertrauenswürdigen Quellen?“, fragt er leise und Adam zeigt ihm unerfreut den Mittelfinger. Leo hebt die Augenbrauen und kommt nicht umhin festzustellen, wie schön Adams Finger im Laufe der Jahre geworden sind.
Leo sitzt das aus, also den Mittelfinger und die Attraktivität dessen, und bringt Adam nach Hause, der sich mehr zum Hauseingang des Bunkers schleppt als dass er geht.
Seufzend beobachtet Leo seinen vormals besten Freund dabei und fährt den Wagen schlussendlich rückwärts die Einfahrt hinunter.
Es ist nicht einzige Mal, dass Adam sich den Magen verdirbt. Dass er dadurch mit dem Snacken aufhört, ist jedoch Utopie und so sieht Leo zu, wie Adam alles zu sich nimmt, was essbar ist. Als er sich ein Blatt ihres Bürofikus zwischen die Lippen schiebt und es in Gedanken versunken kaut, hat Leo aber den Kaffee auf.
Und damit meint er nicht nur den physischen vor sich, der schon seit einer halben Stunde leer ist.
Am darauffolgenden Morgen schmiert Leo Brote für zwei und packt auch noch etwas Obst hinzu. Mehr, als er selbst essen würde.
Er bringt alles mit zur Dienststelle und stellt die Tupperdose mit Brot auf die Mitte ihrer beiden Schreibtische. Er winkt ab, als Adam ihn stirnrunzelnd fragt, ob er das nicht selbst essen will. Verneint, als Adam dreimal hineinbeißt und ihm das Brot dann wieder anbietet.
Es bleibt eine Stunde lang liegen, dann isst Adam es gedankenversunken, während er an seiner Internetrecherche sitzt. Leo tauscht die nun leere Tupperbox gegen die volle mit kleingeschnittenem Obst aus und beobachtet, wie es über den Tag verteilt immer weniger wird.
Adam fällt es noch nicht einmal auf, was er isst und so nimmt Leo das als positives Zeichen, mit seinem Anfütterversuch weiter zu machen.
Er macht es nun regelmäßig, variiert mit den geschmierten Broten, packt irgendwann noch Salat, Tomate und Gurke dazu. Ein geschnittenes Ei auf den Käse. Ein bisschen Kräuterfrischkäse unten drunter.
Irgendwann fängt Leo damit an, für zwei zu kochen. Er findet heraus, dass Adam Nudeln gerne mag und ebenso, dass es nur in getrockneter Form so ist. Gekocht mag er Reis und Kartoffeln um Längen lieber, also macht Leo sich daran, alles Mögliche mit Reis und Kartoffeln zu kochen. Große Portionen, die er auf der Dienststelle halbiert, wenn sie vier sich mittags nichts vom Imbiss holen oder wenn sie Befragungen durchführen und Leo versucht, gesunde Imbisse zu finden.
Ein Paradoxon, aber irgendwie schafft er es.
Und irgendwie werden aus zwei Mahlzeiten drei, denn Leo sorgt auch noch für den abendlichen Salat in arbeitsintensiven Zeiten. Oder die Suppe. Oder das Baguette. Oder alles, was seine Kochbücher an nahrhaften Dingen hergeben.
Und Adam? Adam isst die gesunden Snacks wie selbstverständlich und lässt den Fikus Fikus sein. Die vollwertigen Mahlzeiten machen ihn misstrauisch und er fragt immer nach, ob das auch wirklich okay ist.
Leo sagt mit Sicherheit ein paar dutzende Male, dass es das ist, bevor Adam aufhört zu fragen und zugreift. Er sieht Leo nur jetzt immer so komisch an, wenn dieser das Essen auf den Tisch stellt. Oder wenn sich ihre Finger beim Snacken fast berühren.
Oder sie wie jetzt in der lauen Herbstsonne mittags Schulter an Schulter auf der Dachterasse sitzen. Leo hat Nudeln selbstgemacht und irgendwie sind sie viel zu lang geworden. Die, die Leo grad im Mund hat, ist mit Sicherheit einen halben Meter lang und Leo hat sich über seine Schüssel gebeugt, um sie irgendwie anständig essen zu können ohne wie das letzte Spaghettimonster zu wirken.
Adam hat seine eigene Schüssel mit Reiscurry, deswegen wundert es Leo auch ein bisschen, dass sich Adam jetzt das andere Ende seiner Nudel greift. Er sieht hoch, das andere Ende in seinem Mund und seine Augen weiten sich, als sich Adam das lose Ende in den Mund steckt.
Stück für Stück zieht er es zwischen die Lippen und macht kleine Schlürfgeräusche dabei, die Leo wie erstarrt zusehen lassen, während er notgedrungen sein Ende weiterisst, damit es nicht noch weicher wird. Oder abreißt.
„Aber du magst doch gar keine Nudeln“, nuschelt Leo und die Fältchen um Adams blaue Augen werden ein bisschen schelmisch, aber definitiv herausfordernd. Auf seinem Gesicht liegt etwas, das Leo schwer beschreiben kann, aber etwas, das seinen Magen kribbeln lässt.
„Hmmh“, brummt Adam und isst ungerührt weiter und weiter und Leo wird sich bewusst, dass sie sich bald so nahe sein werden, dass…
Adam hält inne, bevor sie sich zu nahe sind. Die Zeit gefriert zwischen ihnen, schlägt die Sekunden so zäh wie Honig von einem Löffel fließt. Er sieht Leo an und Leo kann nicht anders als zurück zu starren, mit einer labbrigen, selbstgemachten Nudel zwischen den Lippen und dem Wissen, dass sie hier anscheinend vor einer Frage stehen, deren Antwort just über ihnen schwebt.
Leo schlurpt ein Stück Nudel und Adam tut es ihm gleich. Er macht es wieder und erneut spiegelt Adam ihn.
Sie wiederholen das, bis sie nur noch ein paar Zentimeter trennen und dann ist da kein Platz mehr. Keine Nudel, die zwischen ihnen ist und sie verbindet.
Anstelle dessen sind da Lippen, die so weich sind, dass Leo es schaudert. Vorsichtig, beinahe keusch und doch mit jeder Sekunde mutiger, als Leo sich nicht weigert oder sich zurückzieht oder zu erkennen gibt, dass er es nicht will.
Eben weil er es will, weil Adams Lippen ihn elektrisieren und die Bedeutung, die das Ganze hier hat, weit darüber hinaus geht, dass sie sich Essen teilen und er Adams unregelmäßigen Snacks regelmäßige Mahlzeiten gegenübergestellt hat.
Sacht löst sich Adam schlussendlich von ihm. „Du hast mich eben angefüttert“, zuckt er mit den Schultern und grinst verlegen.
Leo blinzelt, gefangen in dem Grinsen und Adams Nähe. Dann übernimmt Instinkt und wild umfasst er sein Gesicht, zieht ihn wortlos zu sich, spürt Adams Lippen.
Die nach Reis und Curry und Liebe schmecken.
~~~~
Ende.
Chapter 17: Der Ohrring
Summary:
Adam entdeckt seine Vorliebe für Ohrring. Leo entdeckt seine Vorliebe für Adams Ohrring. Beide entdecken gewisse Vorlieben füreinander.
Notes:
Guten Abend zusammen!
Bekanntlich soll man Hass ja Liebe gegensetzen und genau das tue ich hier. Das ist das (nahezu therapeutische) Gegenhalten zu den schlechten Nachrichten am heutigen Tag und brannte mir auf der Seele, geschrieben zu werden. Vorbild ist DER Ohrring in DEM Bild.
Tags für diesen Teil: friends to lovers, getting together (sort of), romance, fluff, pre-relationship
Chapter Text
Hier die Vorlage:
Wer den Link zum Pulli haben möchte, sagt einfach Bescheid. Ich habe für die Geschichte recherchiert, wie er aussieht und...ja, Prada halt. 😉
~~**~~
Adams höchste Form der Midlifecrisis ist ein Ohrloch, das er sich stechen lässt.
Eigentlich will er sich nur mit neuen Winterpullovern für die kalte Jahreszeit eindecken, dieses Mal etwas früher als im letzten Jahr. Genaugenommen auch, weil er wirklich Lust dazu hat. Uneigentlich bummelt er gerade hinter einem Vater mit seinem kleinen Sohn hinterher, die Hand in Hand durch die Stadt schlendern. Typische Yuppie-Familie, würde Adam schätzen, wenn er sich den Kleidungsstil und die gepflegten Frisuren so anschaut. Ikea-Zielgruppe, klassisches Familienbild, der Sohnemann hat Blau zu tragen – was er tatsächlich auch tut.
„Papa, kann ich auch Ohrringe tragen wie die Mama?“, fragt der Kleine, der vielleicht fünf Jahre alt ist. Adam schnaubt innerlich. Als wenn.
„Aber klar kannst du das. Jeder darf Ohrringe tragen. Allerdings hat die Mama sich dafür Löcher in die Ohren stechen lassen. Das tut ein paar Sekunden lang weh, dann ist es aber wieder weg und okay.“
Überrascht hebt Adam seine Augenbrauen, während der Kleine nachdenklich brummt. Das ist nicht unbedingt das, was er Samstagsmorgens in der Innenstadt erwartet hätte, muss Adam zugeben. Vielmehr hat er mit einer „Nein, Ohrringe sind nur etwas für Mädchen“-Antwort gerechnet. Na sowas.
Adam beschließt seine eigenen Schubladen ein bisschen auszuräumen, in die er Leute steckt und muss daran denken, dass er seine Mama und schon gar nicht die Dreckssau nie so etwas gefragt hat.
Warum auch, wenn die Antwort schon klar ist und mit Schlägen bestätigt wird?
„Darf ich jetzt?“
„Wollen wir die Mama damit überraschen?“, fragt der Vater und der Junge nickt begeistert. Sie biegen daraufhin in das nächste Juwelier-Geschäft ab und Adam lassen die eigenen Gedanken an Ohrringe nicht los.
Er schlendert durch die Läden und sackt insgesamt fünf Winterpullover ein, setzt sich danach für einen kurzen Tee in das am Meisten von ihm frequentierte Café – Lieblingscafé wäre übertrieben, außerdem würde das bedeuten, dass er sich häuslich niederlässt, was ein Gedanke ist, der ihn immer noch erschreckt – und läuft dann zurück zur Haltestation seines Busses. Dabei kommt er an dem Juwelier vorbei und bleibt stehen.
Wie wäre es denn mit einem Ohrloch für ihn selbst? Warum eigentlich nicht? In seiner Kindheit durfte er nicht. Im Ausland hat er eher dafür gesorgt, dass sein Körper mit Tattoos verschönert worden ist. Aber jetzt, mit Mitte 30, wäre das doch ein guter Ausdruck seines Rebellentums gegen die verstorbene Dreckssau und etwas, das er noch nie gehabt hat.
Schneller, als er sich aktiv dafür entscheiden kann, steht Adam in dem Laden und lässt sich von der durchgestylten Frau Ende 50 mit den knallroten Lippen ein Ohrloch stechen. Links. Der Vater hatte Recht, es tut gehörig weh und Adam stellt fest, dass er in manchen Dingen eine wirkliche Weichflöte ist. Bei kalten Temperaturen zum Beispiel oder eben, wie er jetzt auch erkennt, beim Stechen von Ohrlöchern. Es pocht und wummert und resolut hält die Verkäuferin ihn davon ab, sein frisch durchgestochenes und mit einem silbernen Stecker versehenes Ohr zu betasten.
„Nicht anfassen und in den ersten zwei Wochen nur mit dem Desinfektionsmittel reinigen und schön den Stecker bewegen“, sagt sie streng und Adam sieht von dem niedrigen Sitzhocker zu ihr hoch. Irgendwie schon wie ein kleiner, gescholtener Junge.
„Schon klar“, brummt er und bezahlt trotzdem seltsam stolz die zehn Euro dafür.
Midlife-Crisis hat er sich immer schlimmer vorgestellt.
~~**~~
Es dauert noch nicht einmal zehn Sekunden, da hat Leo nach seiner montäglichen Ankunft in der Dienststelle Adams Stecker bemerkt. Noch bevor das klassische „Guten Morgen“ kommt, verirren sich seine Augen das erste Mal zu Adams Ohr. Er hält eine Sekunde zu lang inne um unauffällig zu sein, bevor er sich an Pia und Baumann wendet und mit seinem „Guten Morgen!“ die Woche einläutet.
Pia winkt und Baumann brummt über ihren Kaffee hinweg. Adam lehnt sich in seinem Stuhl zurück und mustert seinen Teameiter, der nach seinem Alleingang, dem anschließenden Anschiss und der sich anschließenden Ruhe wieder zu seinem alten, nachdenklichen Ich zurückgekehrt ist. Leo und er sind immer noch nicht auf einem rein grünen Pfad, aber sie nähern sich an. Aktuell treffen sie sich unregelmäßig mit Pia und Baumann, aber auch alleine. Gehen Minigolf spielen, ins Kino, in Bars, Kunstausstellungen. Baumanns Vorschlag, in die Sauna zu gehen, hat Adam dankend abgelehnt. Alleine der Gedanke daran, Leo nackt zu sehen und zu wissen, wie der Mann unter den grünen Shirts und den Chinohosen aussieht…
Nein, er könnte sich schönere Orte vorstellen, Leo zu gestehen, dass er ihn schon gerne in seinem Bett hätte. Ohne Beteiligung von Kolleginnen, die er nicht zwangsweise dabei haben möchte.
Egal.
Sie arbeiten zusammen, unternehmen was miteinander und Adam ist sehr daran gelegen, dass sie wieder gut miteinander auskommen. Aber so sehr er sich deswegen auch darüber freut, dass Leo ihm besondere Aufmerksamkeit schenkt, so sehr nervt ihn kurz vor Dienstschluss der x-te Blick in seine Nähe, den er mittlerweile aus dem Augenwinkel spürt. Natürlich sagt Leo nichts, sondern mustert ihn nur, aber alleine das…
„Alles in Ordnung, Leo?“, fragt Adam, ohne von dem Ordner hochzusehen, den er gerade nach Hinweisen auf den Mord an Darius Kowalski durchsucht.
„Ja klar“, kommt es zu gepresst und zu schnell um unauffällig zu sein und Adam lächelt, hebt nun doch den Blick.
„Dann ist ja gut“, sagt er vielsagend und zwinkert in die aufkommende Röte auf den Wangen seines Teamleiters, der heute dann doch früher als geplant nach Hause geht.
~~**~~
„Hier, für dich, mein Junge.“
Adam hält die kleine, dunkelblaue Schachtel fast so vorsichtig wie eine Bombe in seinen Händen. Seine Mutter hat sie ihm just im Moment zuvor gereicht und es ist ein unerwartetes Geschenk.
„Danke, Mama…“, erwidert er entsprechend vorsichtig und klappt den Deckel nach oben. Ein einzelner Ohrring glitzert ihm entgegen, die Facetten des Steins brechen das Licht und es schimmert so schön, als wäre er ein reiner Diamant.
Seine Mutter strahlt und Adam weiß nicht ganz, was er daraus machen soll. Geschenke sind auch zu seinem Geburtstag etwas, mit dem er schlecht umgehen kann, aber außerhalb besonderer Anlässe… mit aller Macht unterdrückt er sein Misstrauen. Will sie ihm etwas sagen? Hat sie noch etwas getan, was sie wieder gut machen möchte?
„Ich habe gesehen, dass du neuerdings einen Ohrstecker hast. Und du mochtest doch früher immer so gerne die glitzernden Glasfiguren in den Schaufenstern.“
Die Erinnerung daran kommt zurück, kaum, dass seine Mutter die Worte ausgesprochen hat. Es ist nicht oft vorgekommen, dass sie zusammen durch die Stadt geschlendert sind, meist nur, wenn Adam neue Kleidung gebraucht hat, aber wenn, dann ist er immer für ein paar Minuten vor den Schaufenstern mit bunten, glitzernden Glasfiguren stehen geblieben und seine Mama hat ihn staunen lassen.
Die kleine, blaue Schachtel ist aus einem dieser Läden.
„Danke, Mama“, sagt er schlicht und lächelt kurz. Es ist immer noch nicht ganz gut zwischen ihnen, obwohl sie zusammenleben. Bislang hat er sich noch nicht dazu durchringen können, sie von sich aus zu umarmen, aber ein Lächeln ist drin. Oder zwei.
Er nimmt seinen Stecker aus dem Ohr und platziert anstelle dessen den Glitzernden hinein. Im Spiegel muss er sich nicht betrachten, wenn er sich das zufriedene, glückliche Lächeln seiner Mutter ansieht.
Er macht es trotzdem und steht länger als geplant vor dem Badezimmerspiegel. Die Halogenstrahler in der Decke beleuchten das geschliffene Glas und brechen den Lichteinfall in alle Richtungen. Es sieht wunderschön aus. Es steht ihm.
Leo guckt am nächsten Tag nicht so lang am Stück, dafür aber doppelt so häufig wie an dem Montag von vor fünf Wochen.
Adam beschleicht so langsam ein Verdacht, aber für eine endgültige Überführung des Schuldigen braucht er noch weitere Beweise. Auch wenn er sich sehr auf den Schuldspruch freut und auch ein bisschen aufgeregt ist.
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Baumann hat vorgeschlagen, dass sie ins Programmkino gehen, in irgendeinen Film über einen Mann, der Krieg in seinem Inneren hat und der es sich mit seinem Boss verscherzt, weil er die Liebe zu einer Frau entdeckt. Es klingt wirr und nicht nach etwas, das sich Baumann jemals anschauen würde, aber Adam hat nichts vor und irgendwie Bock auf Kino. Und darauf, seine neueste Errungenschaft auszuführen.
Er liebt den Stecker, den ihm seine Mutter geschenkt hat, heiß und innig. Doch gestern hat er durch Zufall etwas entdeckt, das er für besondere Anlässe tragen möchte. So wie heute.
Mit dem abgeschlossenen Kampf gegen die Dreckssau hat sich Adam sukzessive erlaubt, auch seine Kleidung anzupassen. Er ist weggekommen von dem reinen Pragmatismus und hingegangen zu einem Stil, den er nicht genau benennen mag. Vielleicht oversized Strickchic, zumindest stand das in dem Heft, das ihm beim Friseur in die Hände gefallen ist und dessen Prämisse er für gut gefunden hat.
Jeanshose, grober Strickrolli in dunkelblau und dazu ein baumelnder Silberhängeohrring, der bei jeder Bewegung vertraut gegen seine Kinnpartie streicht.
Er sieht gut aus, befindet Adam mit einer neuen Zufriedenheit mit sich selbst. Ihm ist warm und das dunkle Blau steht ihm. Der Ohrring gibt dem Ganzen einen besonderen Anstrich.
Sie treffen sich am Kino und Leo ist schon da, wartet im Vorraum des Kinos. Er sitzt auf einem der schwarzen Ledersofas und schaut von seinem Handy hoch, als Adam auf ihn zukommt, seinen warmen Wintermantel unter dem Arm. Leo lächelt und das Lächeln friert ein, als er anscheinend mit seiner von-Kopf-bis-Fuß-Musterung fertig ist. Dafür starrt er Adam mit offenem Mund an, ein selten komischer Anblick auf dem schönen Gesicht seines Teamleiters.
„Hi“, grüßt Adam mit einem leichten Grinsen, als er sich zu ihm auf den schwarzen Lederkubus fallen lässt.
Leo schluckt sichtbar und starrt ihm so betont in die Augen, dass Adam sich fragt, ob es irgendetwas an seinem Pullover schief ist, ob er ein Loch hat oder ob er noch Essensreste irgendwo in seinem Bart hängen. Im pink-blauen Licht des Raumes wirkt er beinahe unwirklich, zumindest erkennt Adam das mit einem kurzen Blick in den gegenüberliegenden Spiegel.
„Alles gut?“, hakt er deswegen besorgt nach und Leo brummt zustimmend.
„Ja. Bei dir?“
„Alles super.“
„Du hast einen neuen Pulli.“
Adam nickt. „Ist bequem und warm.“
Dass er nicht nur das ist, sondern anscheinend auch noch andere Dinge, kann er sehr gut in Leos Gesicht ablesen. Bevor dieser jedoch dazu kommt, auch noch den Hängeohrring anzusprechen, kommen Pia und Baumann, lassen sich zu ihnen auf die gar nicht mal so bequemen Hocker fallen.
Pia ist weitaus weniger zurückhaltend als Leo und pfeift anerkennend, als sie ihn mustert. „Schick, Adam. Sehr schick. Steht dir gut“, lobt sie, während Esther mit den Augen rollt.
„Hipster“, schiebt diese hinterher und Adam grinst. Nur Leo, der bleibt stumm, dafür sind seine Augen wie auf Adams Gesicht festgeheftet.
~~**~~
„Oh Gott.“
„Oh ja.“
„Das war…“
„…ein Drogenrausch.“
Etwas durchgeschüttelt und verloren sitzen Leo und er in der Bar neben dem Kino und halten sich an ihren Getränken fest. In solchen Momenten wünscht sich Adam, dass er wie andere auch Alkohol trinken würde, aber damit fängt er gar nicht an. Was Alkohol anrichten kann, hat er bereits bei der Dreckssau gesehen und das braucht er nicht auch noch in seinen Adern. Also ist es ein alkoholfreier Mojjito, während Leo sich an seiner alkoholischen Variante festhält. Er ist ein bisschen blass ums Näschen und Adam geht es nicht anders. Pia und Esther haben sich schon nach Hause verabschiedet, Pia hat den Film nicht gut verkraftet.
Adam kann es ihr nicht verdenken. Der Film war…übel. Stroboskop auf Zelluloid gepresst, ungeschönt, brutal ehrlich und ohne Tabus, was Sex, Drogen und Gewalt angeht. Ein Fiebertraum, der in Adam noch nachhallt und von dem er wünscht, dass er nun weniger Kenntnis darüber hätte, wie man eine Frau oral befriedigt, während sie Zähne putzt.
Nicht, dass Adam prüde wäre, das ist es nicht. Aber Männer sieht er doch lieber stöhnen als Frauen.
Aber gut. Herrjeh. Hilfe.
Leo nimmt ein wenig durchgeschüttelt einen großen Schluck seines Cocktails.
„Das war besonders“, murmelt er und Adam kann ihm nur beipflichten. Leo fährt sich über das Gesicht und stützt seine Arme anschließend auf dem Tisch ab. Die runde Holzfläche ist klein und auch wenn sie sich dadurch sehr nah sind, gehen ihre Worte beinahe im Rauschen der anderen Gespräche der geschäftigen Bar unter.
Leos Augen verfangen sich wieder an Adams Ohrring und dieses Mal testet Adam sein Glück. Er fährt sich durch die mal nicht gegelten Strähnen und legt den Kopf schief. Das ist schon kein Köder mehr, den er auswirft, sondern ein ganzer Honigtopf, in dem Wissen, dass vor ihm ein Bär sitzt.
„Gefällt er dir?“, fragt Adam und lässt seine Stimme warm und vertraut werden. Leo schluckt erneut, öffnet seine Lippen und Adam hat den Verdacht, dass er sich herausreden möchte. Er schließt sie wieder, unternimmt einen weiteren Versuch und nickt dann.
„Er sieht toll aus.“
„Steht er mir?“
Gewagte Frage, weiß Adam. Er führt sie mutig auf dünnes Eis und weg von ihrem Teamleiter-Mitarbeiter-Konstrukt, das ihnen ohnehin keiner glaubt.
Leos Augen sind groß und im dunklen Licht der Bar meint Adam, wieder Röte auf seinen Wangen zu erkennen. Faszinierend und betörend, das.
„Ja“, presst Leo schließlich hervor, als wäre es ein Geheimnis und Adam lächelt sein kleines, zufriedenes Lächeln. Er leckt sich über die Lippen und das lenkt den ihm gegenübersitzenden Mann von seinem Ohrring ab. Ach? „Und der Pullover auch.“
Oha.
„Er ist weich und kuschelig“, preist Adam seine Vorzüge und Leos Augen huschen seinen Oberköper rauf und runter.
„So sieht er auch aus.“
Unfassbar, dass sie hier über seinen Pullover sprechen und nicht über die prickelnde Spannung, die gerade zwischen ihnen beiden hin und her zischt und die ihren Ursprung vermutlich tatsächlich in diesem unseligen Film hat.
Adams Hand liegt entspannt auf dem Tisch und kriecht nun über das vernarbte Holz zu Leos Hand an seinem Glas. Kurz bevor er Leo mit seinen Fingerkuppen berühren kann, hält er inne.
„Leo?“
„Adam?“
„Ich habe auch eine weiche und kuschelige Decke zuhause.“
Es ist jetzt nicht der beste Anmachspruch, den Adam jemals jemanden gegenüber gebracht hat, aber es ist einer. Definitiv. Ein Anfang, wenn auch etwas holprig und direkt. Eine Offerte, die Leo ausschlagen kann, wenn er möchte. Die Möglichkeit besteht, das weiß Adam, insbesondere, nachdem Leo vor Monaten so wütend auf ihn gewesen ist und nachdem Adam sich erst einmal beweisen musste.
„Hast du?“ Leos Stimme ist ein wenig zittrig, fast wie unsicher. Aber eines ist sie nicht: ablehnend. Das schafft Hoffnung in Adam.
„Adam…“
„Leo?“
Gequält schließt Leo seine Augen und reißt sie zwei Sekunden später wieder auf. Er fährt sich erneut durch die Haare und hat keine Ahnung, wie sehr Adam sich wünscht, selbiges zu tun und Leos Haare nicht nur im angezogenen Zustand durcheinander zu bringen.
„Ichwilldich“, presst Leo so schnell hervor, dass die Worte ineinander übergehen. „Nicht nur deine Decke. Alles von dir.“
Alles von ihm… Deutlicher braucht’s Adam nun wirklich nicht. Ansonsten würde er seiner Besoldungsgruppe und seiner Amtsbezeichnung als Ermittler nicht gerecht werden. Dennoch braucht es eine Prise Todesmut, mit der Adam seine Finger auf Leos legt, sie verbindet und verwebt.
„Geht mir genauso, Leo. Ich will dich schon was länger“, krächzt er, Selbstsicherheit und Aufregung miteinander konkurrierend.
Selbstironisch wackelt er mit dem Kopf und Hoffnung leuchtet in Leos Augen, macht sie noch schöner, als sie es ohnehin sind. Er lächelt und das Glück in Adams Magen, das seinen ganzen Körper kribbeln lässt, blubbert erleichtert vor sich hin.
~~**~~
Drei Stunden später liegen sie tatsächlich unter Adams kuscheliger Decke. Er hat einen Schenkel entspannt zwischen Leos nackte Beine geschoben und Leo streicht Adam bewundernd durch die Haare und - natürlich - über den Ohrring. Sie liegen einander zugewandt, entspannt und gesättigt von der körperlichen Lust, die sie vorher geteilt haben. Eins in ihrer Ehrlichkeit. Eins in ihrer Zweisamkeit und einer anscheinend seit Jahren überfälligen Annäherung, die sie wie Teenager hat unbeholfen und überhastet übereinander herfallen lassen.
Liebe ist so ein wuchtiges, gewichtiges Wort, und deswegen vermeidet Adam es auch auszusprechen. Aber denken kann er es sich schon und sagen wird er es auch irgendwann. Wenn sich der schnelle Rausch der Gemeinsamkeit und Lust gelegt hat und er klar denken kann. Wenn sie sich morgen in die Augen sehen und sich dazu entschließen, dass das hier ein Ding ist.
Dass sie es tun werden, sieht Adam sehr deutlich auf dem Gesicht des Beschuldigten vor sich, der, wie er auch, schuldig wie die Nacht ist.
Die sie voller Zärtlichkeit zum Tag machen.
~~~~~
Ende.

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