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Summary:

Boerne runzelte die Stirn.

Da übte jemand „Alle Jahre wieder“. Auf der Blockflöte wie es schien. Es klang schrecklich falsch.

 

Im Hause Boerne und Thiel sind heute statt Oper oder Schlager oder Rockmusik die zarten Klänge einer Blockflöte zu vernehmen. Was es damit wohl auf sich haben mag?

Das 20. Türchen des Tatort- und Polizeiruf-Adventskalenders 2023.

Notes:

Mit äußerst heißer Nadel gestrickt (sie brennt praktisch schon), daher seht mir eventuell verbleibende Tippfehler u.ä. bitte nach. Und jetzt komme ich dann die nächsten Tage hoffentlich dazu, all eure wunderbaren Türchen zu lesen (ich glaube, über den 7. Dezember bin ich bisher nicht hinausgekommen :-p). Frohe Feiertage, ihr Lieben!

(See the end of the work for more notes.)

Work Text:

Boerne runzelte die Stirn.

Da übte jemand „Alle Jahre wieder“. Auf der Blockflöte wie es schien. Es klang schrecklich falsch.

Ob wohl irgendwelche Gören vor dem Fenster… aber nein, draußen war alles finster und ruhig. Es hatte geschneit in Münster, sodass im Licht der nahen Straßenlaternen klar zu erkennen war, dass auch nicht kürzlich jemand in seinem Garten gewesen war.

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Jetzt ging das schon wieder los!

„E, nicht a“, murmelte Boerne entnervt.

Es war ein langer Tag gewesen, mit einem tot aufgefundenen Landwirt aus dem Münsteraner Umland, dessen Todesursache auch nach der Autopsie hartnäckig unklar blieb, und er war schrecklich müde. Vermutlich deshalb dauerte es so lange, bis ihm klarwurde, was es zu bedeuten hatte, dass er die Musik (oder wie auch immer man das nun nennen wollte) immer noch hörte.

Es kommt von innerhalb des Hauses.

Wie in einem Horrorfilm.

Boerne musste über sich selber lachen. Wiederum mit etwas Verzögerung. Er war fertig mit der Welt für heute.

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Stille.

Dann,

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„Herrgott, e, nicht a!“ hatte er da gebrüllt, ehe er sich’s versah.

Stille.

Stille.

Und weiterhin Stille.

Diesmal hielt sie.

Das konnte nur eines bedeuten (und es hätte ihm längst klar sein sollen, aber die kognitive Dissonanz war einfach zu groß gewesen): das Blockflötengequäle musste aus Thiels Wohnung gekommen sein.

Vielleicht… vielleicht hatte Thiel eine Wette verloren und war nun dazu verdammt worden, die anstehende Präsidiums-Weihnachtsfeier mit diesem Folterinstrument zu beschallen. Das musste es sein.

Gut. Dann war es jetzt an der Zeit, ihn etwas damit aufzuziehen. Plötzlich war Boerne wieder wach.

Er schnappte sich die bereits hergerichtete Dose selbstgebackener Zimtsterne nach Boerneschem Familienrezept (er war schließlich kein Unmensch und außerdem würde Thiel so nicht behaupten können, er habe nur vorbeigeschaut, um ihn zu ärgern) und klingelte bei Thiel.

Es dauerte einen Moment, bis etwas zu hören war, dann aber näherten sich Schritte hinter der Wohnungstür und bevor sie sich überhaupt öffnete, war schon Thiels Gegrummel zu vernehmen.

„Was soll das’n jetzt, Boerne, ich hab‘ doch schon aufgehört, dass du aber auch immer gleich so empfindlich‘…“

Boerne lächelte. Früher hätte ihn das gestört, dass Thiel ihn als ‚empfindlich‘ bezeichnete, aber er wusste längst, dass da nichts dabei war.

Und er hatte seinen Kollegen/Nachbarn/Mitbewohner (Boerne unterschied auch hier längst nicht mehr so genau) die ganze Woche noch kaum gesehen, nicht mal ein gemeinsames Frühstück war drin gewesen. Gut, dass sie beide wussten, wie der Job des jeweils anderen da manchmal war.

Die Tür schwang auf.

Thiel starrte ihn an, als wäre er trotz allem noch überrascht, ihn zu sehen.

„Ich hab‘ Zimtsterne gemacht,“ sagte Boerne, anstatt der geplanten Stichelei über Katzenmusik. Dass ihn Thiel aber auch immer wieder so auf falschem Fuß erwischen musste. Da hatte er sich doch jetzt einfach von des anderen Gesichtsausdruck überrumpeln lassen.

Es waren aber wohl die richtigen Worte gewesen, denn Thiels kritischer Blick änderte sich schlagartig.

„Schön, dass du da bist,“ kam es leise, und so weich wie er dabei angeschaut wurde machte es Boerne rein gar nichts aus, dass ihm seine spitze Bemerkung flöten gegangen war.

Hm, flöten. Boerne lächelte über seinen eigenen Witz. Dass er dabei natürlich auch Thiel anlächelte, war ihm durchaus bewusst, und dass Thiel vermutlich dachte, er lächele nur ihn an… naja, das passte schon so.

„Na, lässt du mich dann irgendwann noch rein, Frank?“

Seit sie sich vor ein paar Monaten aufs Duzen geeinigt hatten (irgendwie stillschweigend, Thiel hatte damit angefangen und Boerne sofort mitgemacht, etwas ungläubig vielleicht, nach all den Jahren, aber keineswegs unzufrieden mit dieser Entwicklung), seitdem also nutzte Boerne Thiels Vornamen bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Er hatte es im Grunde immer schon albern gefunden, wenn Männer sich beim Nachnamen ansprachen. Dass Thiel in seinem Kopf immer noch „Thiel“ war, nun, das stand auf einem anderen Blatt.

Thiel war stillschweigend zur Seite getreten und ihm dann ins Wohnzimmer gefolgt.

Die Dose Zimtsterne platzierte Boerne auf dem ausnahmsweise freigeräumten Wohnzimmertisch, direkt neben… direkt neben der Blockflöte.

Nun konnte er es doch nicht lassen.

„War das dein Versuch, mich anzulocken, wie der Rattenfänger aus diesem nordischen Nest?“

Thiels Gesichtsausdruck verfinsterte sich abrupt.

„Ich wollte nur schauen, ob ich das noch kann!“ sagte er richtiggehend trotzig.

„Na offensichtlich nicht.“

Hm, das war ihm jetzt so rausgerutscht. Thiel aber… Thiel antwortete nicht.

Das war merkwürdig. Ein lautstarkes, völlig entnervtes „Boerne!“ hätte hier mindestens hingehört.

Oder zumindest noch eine Richtigstellung, dass Hameln keineswegs zum Norden zu zählen war – Boerne war sehr bewusst, dass die Stadt breitengradtechnisch praktisch gleich angesiedelt war wie Münster, aber er hatte diese Aussage ja auch nicht aus Erwägungen der geografischen Akkuratesse getroffen. Wie dem auch sei, jedenfalls war Thiels Schweigen verstörend.

„Ist alles in Ordnung? Frank?“

„Ich… ich weiß es nicht.“

Frank schaute ihn nicht an, aber dass er so etwas sagte, das war auch noch sehr neu.

Boerne nahm ihn impulsiv in den Arm. Thiel ließ es geschehen. Und legte seinen Kopf auf Boernes Brust ab. Oh.

„Harte Woche, nech“, murmelte Boerne. Und es war erst Mittwoch.

„Das kannst du laut sagen.“

Ein paar Sekunden standen sie so, still. Zwei die sich aneinander festhalten.

Dann musste Boerne das Schweigen natürlich wieder durchbrechen.

„Wo um alles in der Welt hast du denn jetzt diese Blockflöte her? Sag nicht die kommt aus den Asservaten.“

Das entlockte Thiel zwar kein Lachen aber zumindest ein fast schon amüsiertes Schnauben.

„Auf so ‘ne Idee kannst auch nur du kommen. Nee, ich hab‘ sie Mirko geklaut.“

„Also, wirklich, Thielchen, das können Sie doch nicht machen“, murmelte Boerne und Thiel… Thiel kicherte so sehr, dass es sie beide schüttelte.

Das konnte der nämlich, kichern. Boerne war immer noch frustriert, dass er das erst jetzt vor kurzem herausgefunden hatte. Bisher war es auch nur seine – natürlich perfekt täuschend echte – Imitation der Frau Staatsanwalt, die selbiges Kichern zu Tage brachte, aber Boerne hatte es sich längst zur Aufgabe gemacht, weitere Auslöser zu identifizieren. Und wenn er sich etwas zur Aufgabe machte, dann wurde da auch was draus, egal wie lange es dauern mochte, weil es eben Thiel war und die Dinge bei Thiel manchmal etwas länger brauchten. Insbesondere wenn Emotionen mit ins Spiel kamen.

„Wirklich, ich hab‘ dem ganzen Präsidium ‘nen Dienst erwiesen. Mirko übt für irgend so’n alternatives Weihnachtskonzert, das war so langsam nicht mehr auszuhalten.“

„Aber, aber“, murmelte Boerne Thiel direkt ins Ohr, und die gespielte Entrüstung konnte sein Lächeln nicht ganz verbergen, „Herr Kriminalhauptkommissar, das ist doch Diebstahl.“

Er hoffte auf ein weiteres Lachen, aber Thiel seufzte nur.

„Er kriegt das Ding ja morgen wieder.“

„Das rechtfertigt natürlich alles.“

Es war absolut kein Vorwurf aus dieser Aussage herauszuhören. Boerne hätte genauso gut „Na dann ist ja gut“ sagen können. Thiel hörte so etwas auch so, inzwischen.

„Hm,“ brummte er dann auch nur und begann, sich aus der Umarmung zu lösen.

„Noch ein bisschen,“ flüsterte Boerne da, bevor er sich zurückhalten konnte.

Aber Thiel gab auch gleich nach.

„Hmja, noch ein bisschen.“

 

Und so standen sie da.

Zwei, die sich aneinander festhielten.

 

 

Fin

Notes:

Kudos und Kommentare sind wie immer der beste Dank <3