Work Text:
Gähnend räkelte sich Ivo im Bett. Es war Sonntag, der Tag, an dem er sich immer noch ein paar Minuten länger gönnte, einfach mal im Bett liegenzubleiben. Es war warm, weich, und das Schönste? Hier war keiner, der ihn störte. Mit einem tiefen Seufzer rollte er sich hinüber, um sich an Franz zu kuscheln. Auch dafür kam ihm der Sonntag immer recht, sie hatten unter der Woche einfach nicht die Zeit, lange im Bett zu bleiben und die Gegenwart des anderen zu genießen. Dabei lag Ivo wirklich gerne in den Armen seines Mannes, und war sich außerdem sicher, dass es Franz genauso ging. Suchend ließ er die Hand über die Matratze gleiten, sicher, jeden Moment auf warme Haut zu treffen. Doch das Bett neben ihm war leer und kühl.
Ivo setzte sich auf, rieb sich die Augen und beschloss, Franz zu suchen. Er schlüpfte aus dem Bett, zog sich seinen Morgenmantel über und ging durch das stille Haus. Schon bald hörte er leises Klingen von Metall und gedämpftes Murmeln aus der Küche. Er trat in den Türrahmen und blieb stehen. Dort, am Esstisch, saß Franz vor einem auseinandergebauten Plattenspieler, vertieft in seine Arbeit. Ivo betrachtete ihn einen Moment lang vom Türrahmen aus, ein liebevolles Lächeln auf den Lippen.
Eine Erinnerung zog ihn in die 90er Jahre zurück, als er Franz spontan besucht hatte und ihn genauso vorgefunden hatte: vertieft in die Reparatur eines Plattenspielers. Damals hatte er ihn ebenfalls vom Türrahmen aus beobachtet und schließlich gefragt, was er da tue.
"Na, eigentlich geht es hier ja um die richtige Erdung, sonst brummt des. Also so, wie er es jetzt tut, und des soll so natürlich nicht. Und da dacht ich mir, wenn ich schon dabei bin, kann ich auch gleich den alten DIN-Stecker umbauen auf Cinch, wegen der Anlage, und dann…"
Ivo erinnerte sich daran, dass er damals wohl minutenlang nichts anderes getan hatte, als zu nicken. Plattenspieler, Tonsysteme und Kabel waren einfach nicht seine Welt. Er liebte das Funkeln in Franz' Augen, wenn er davon sprach, verstand aber herzlich wenig davon. Noch mehr liebte er es, Franz' geschickten Fingern dabei zuzusehen, wie sie feine Kabel hielten, prüfend über die Mechanik glitten oder sich um den Griff des Schraubendrehers wanden, um kleine Schrauben zu lösen.
Franz hatte damals belustigt den Kopf geschüttelt. "Hast mir überhaupt zugehört?"
"Freilich!" Hatte Ivo geantwortet.
Eine hochgezogene Augenbraue hatte ihm signalisiert, dass Franz ihm ganz und gar nicht glaubte.
"So?" Hatte Franz nachgehakt.
"Irgendwas mit der Erdung stimmt nicht."
"Und weiter?"
"Und deshalb musst du neue Kabel dranmachen."
"Stecker."
"Genau."
Franz hatte leise gelacht, den Kopf erneut geschüttelt und das Werkzeug beiseite gelegt. "Ach, Ivo", hatte er gesagt und seine Augen hatten vor Belustigung gefunkelt. "Du bist einfach unverbesserlich."
Bevor Ivo etwas hatte erwidern können, hatte Franz sanft nach seiner Hand gegriffen und ihn zu sich gezogen. Ivo hatte Franz' warme Hand an seiner gespürt, und ein angenehmes Kribbeln war durch seinen Körper gelaufen. Mit einem geschickten Ruck hatte Franz ihn näher gezogen, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt gewesen waren.
"Du hast wirklich keine Ahnung, oder?", hatte Franz gemurmelt, seine Stimme nun sanft und liebevoll.
Ivo hatte mit den Schultern gezuckt und schelmisch gelächelt. "Na ja, ich hab dir trotzdem gerne zugehört. Und ich mochte es, dich so konzentriert zu sehen."
Franz hatte wieder gelacht, dieses Mal herzlicher, und hatte Ivo in einen sanften Kuss gezogen. Ihre Lippen hatten sich getroffen, und Ivo hatte die Augen geschlossen, hatte die Vertrautheit und die Wärme genossen, die von Franz ausgegangen waren. Der Kuss war sanft und voller Zuneigung gewesen, eine stille Bestätigung ihrer tiefen Verbindung.
Als sie sich schließlich voneinander gelöst hatten, hatten sie sich in die Augen gesehen und gelächelt. "Weißt du", hatte Franz leise gesagt, "es ist eigentlich egal, ob du verstehst, was ich tue. Was zählt, ist, dass du da bist."
Zurück in der Gegenwart beobachtete Ivo Franz bei seiner Arbeit. Er konnte nicht genau erkennen, was Franz da mit den Kabeln tat, aber er war wie damals schon fasziniert von dem konzentrierten Ausdruck in seinem Gesicht und von Franz' großen Händen, die vollkommen ruhig und präzise arbeiteten. Ein kurzer Anflug von Angst durchfuhr ihn, als Franz nach einem Teppichmesser griff und an den Kabeln herum schabte. Doch Franz' Geschicklichkeit beruhigte ihn schnell wieder.
Als ein Stecker nicht aus der Buchse wollte, und Franz sich den Griff des Lötkolbens quer in den Mund steckte, um seine Hände freizuhaben, musste Ivo über den komischen Gesichtsausdruck, den das bei Franz erzeugte, lachen. Irritiert blickte Franz auf. Er machte eine vage Handbewegung in Richtung des Kolbens und Franz erwiderte das Lachen, so gut es mit dem Griff im Mund ging.
Ivo trat näher, stellte sich hinter Franz und strich ihm sanft durch die Haare, als wäre es eine zärtliche Liebkosung. Franz, in seine Arbeit vertieft, nahm den Lötkolben aus dem Mund und konzentrierte sich weiterhin auf die feinen Drähte und Kabel des Plattenspielers. Für einen Augenblick verweilte Ivo still, kostete die schlichte Freude aus, die ihn durchdrang, wenn er mal in den Genuss kam, einfach in Franz' Nähe zu sein, ohne dabei irgendwelchen Erwartungen gerecht werden zu müssen.
"Wie wär's, wenn ich Frühstück mache?"
Franz legte den Kopf in den Nacken, um einen Kuss von Ivo zu erhaschen, und lächelte.
"Das klingt gut. Ich mach das hier nur noch schnell fertig, versprochen."
Mit einem zufriedenen Seufzer beugte sich Ivo vor und drückte einen sanften Kuss auf Franz' Lippen.
"Nimm dir die Zeit, die du brauchst", sagte er leise, bevor er in die Küche ging, um das Frühstück vorzubereiten. Der Sonntag hatte gerade erst begonnen, und er versprach, ein schöner Tag zu werden, voller kleiner Momente der Zweisamkeit und des Glücks.
