Chapter Text
Alles trommelte – Herz, Atem, selbst die Lunge stand in Flammen.
Schnelle Schritte. So schnell war ich lange nicht mehr gerannt.
Die Tränen versiegten im Lauf, die Augen blieben feucht. Keine Zeit stehenzubleiben.
Die tiefe Stimme meines Ziehvaters hallte noch in den Ohren. "Du bist kein Monster, Ellyon. Aber bleiben kannst du nicht. Flieh – und lebe. Das bist du dir selbst schuldig. "
Wie konnte es passieren? Noch Stunden zuvor war es gut gewesen. Mein 18. Geburtstag.
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16. Dezember. Draußen in Kirigakure schneite es wie jedes Jahr, während das muckelige Kerzenlicht von Harus Taverne flackerte. Ich feierte meinen 18. Geburtstag, mit den wichtigsten Personen: mein Ziehvater Kaizu und Ziehmutter Natsuki und Sato – Schmiedelehrer und Kaizus engster Freund.
Langsam klangen die Feierlichkeiten aus, das Essen wurde verputzt, die Kerzen ausgepustet, während mir beim Vorbeugen fast eine sand-blonde Ponysträhne ins Auge rutschte. Ich freute mich immens darüber, dass heute die Taverne mal zu war. Ich durfte mehr ich selbst sein. In die strahlenden
Gesichter meiner Familie blickend, war ich auch ohne Verwandtschaft sicher, dass ich es hier guthatte. Natsuki lachte mit, doch ihre Finger zupften ständig am Schürzen-Saum. Nervös? Wieso? Sie hatte sonst das ruhigste Chakra im ganzen Land.
Zuerst trat mein Ziehvater vor. Verlegen fuhr dieser sich über die frisch rasierte Kopfhaut, sein roter Vollbart, frisch gestutzt, glänzte. Das von Gischt und Salz gezeichnete Gesicht war für seine Verhältnisse weich, als er das Geschenk mit einer ungewöhnlichen Zärtlichkeit übergab. Passend zur
bestandenen Schmiedeprüfung schenkte er mir meine eigene Lederschürze. Die Innenseite war mit einem rauen Hirschleder gefüttert – Kaizus Geheimtechnik gegen Funken, den er sonst nur für sich behielt.
Sato war schon etwas in die Jahre gekommen, gut erkennbar durch sein nunmehr graues als dunkelbraunes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar. Er reichte mir sogar zwei Geschenke. Da klopfte mein Herz doch etwas schneller.
Ich packte die von ihm persönlich angefertigten Chakra-Klingen aus, wobei mir die Kinnlade herunterfiel. Sato kommentierte es nur mit einem verschmitzten Zwinkern. Kaizu starrte auch auf die Klingen, sagte jedoch nichts.
Passend dazu hatte er auch Lederholster für den Gürtel angefertigt, damit ich diese auch an mir tragen könnte.
Freudig federnd zog ich die Schürze und auch die Holster an dem Gurt an und beobachtete im Augenwinkel, wie Natsuki zu mir trat. Sie schenkte mir einen selbst gestrickten Schal. Wie wir beide wussten, fror ich nicht im Schnee und in der Kälte, aber der dunkelblaue Schal roch nach Natsukis
berühmtem Wintereintopf, extra fruchtig, und Feuerholz – wie Natsukis Umarmungen. Mein Gesicht vergrub sich für einen Moment darin, bevor ich ihn mir mit einem Lächeln umwickelte.
Jedoch hielt Natsuki noch etwas in ihren Händen. Dazu ein leichtes Zucken in ihren warmen Augen. Es war ein Brief. Verwirrt blinzelte ich sie an. Dann nahm ich den Brief entgegen. Er vibrierte – mein Chakra reagierte sofort. Natsukis Stimme schwang etwas zu zart für meinen Geschmack:
„Diesen Brief hat mir deine Mutter gegeben, als sie dich an mich abgab, meine Liebe.“
Meine Hände bebten etwas von der Resonanz des Briefes. Fremd, aber irgendwie vertraut, war diese Kälte. Zitternd öffnete ich diesen und las:
Tochter,
Wenn du diesen Brief erhältst, wirst du erwachsen sein. Vielleicht bist du bereits eine stolze, starke Kunoichi. Vielleicht aber auch eine eingeschüchterte Frau. Doch in deinen Adern pulsiert Stärke.
eins sei sicher … Du bist eine Yuki! Eine Trägerin mit dem Hyōton …
Ich hielt inne.
Das Kekkei Genkai?
Die Kälte?
Es war so vertraut …
Meine Augen wanderten zu Kaizu. Sein Geschimpfe, als ich anfing, Dinge einzufrieren. Oder als ich mir die Jacke im Winter auszog, weil es immer zu warm war. Immer wurde ich von meinen Zieheltern gemaßregelt, wenn es nicht in die ‚Kiri Öffentlichkeit‘ passte.
Die ganze Zeit wurde ich für mein Blut Erbe verantwortlich gemacht?
Geplant war, dass du mein Erbe sicherst, denn der 4. Mizukage Yagura lässt alle Träger mit Kekkei Genkai jagen. Dieser Jinchūriki hält sich für allmächtig.
Ich zuckte zusammen. Hetzjagd? Menschen mit meinem Blut werden gejagt?
Der kalte Schweiß trat mir an die Stirn. Jedoch zog mich jedes Wort weiter mit in die Tiefe.
Zugegeben, ich erwarte nicht viel von dir. Du warst weich, als ich dich geboren habe – du schriest nach Liebe. Aber es gibt nichts Schlimmeres als Wärme und Weichheit.
Ich bereue es, den gelben Blitz aus Konohagakure als Spender ausgesucht zu haben. Es war zu einfach. Er war verletzt und zu leichtgläubig. Im Austausch für seine Heilung, bekam ich dich. Aber seine Zartheit schien auch in dich geflossen zu sein.
Das Papier spannte sich unter meinen bebenden Fingern. Meine Sicht verschwamm dabei.
Mein Vater sollte DER GELBE BLITZ gewesen sein? Das Herz begann zu rasen. Was hatte das alles zu bedeuten?
Nun gut. Für den Wiederaufbau des Clans sollte es ja reichen. Mach mir keine Schande. Du stammst von einer wahren Kämpferin ab.
Kazumi Yuki
Mein Körper gehorchte mir nicht. Gefühlt starrte ich ewig auf das Papier. Alt, aber dennoch reißfest. Und die Chakra-Signatur war erfüllt mit Eis. Meine Augenlider flatterten, um die Buchstaben wieder zu erkennen. Die heißen Tränen rannen an meinen Wangen entlang
und verloren sich am Kinn. Alles um mich herum wurde kalt.
Nein.
Kälte war für mich ein fremdes Konzept. Jetzt aber verstand ich es. Das erste Mal. Die ironisch heißen Nadeln auf der Haut. Die Gänsehaut.
Das Zittern.
Noch immer war ich in meiner Stase. Dann spürte ich eine große Hand auf meinem Arm.
„Ellyon“, begann Kaizu. „Atme ein und zähl’ von 10 runter.“
Blinzelnd schaute ich auf Kaizus große, kräftige Hand. Schließlich bemerkte ich die Eiskristalle, die sich über meinem Arm ausgebreitet hatten. Langsam sah ich zu ihm hoch – er wirkte vorsichtig.
Die anderen? Sie schauten schuldbewusst.
Sie alle wussten es!
Nein. Nein! NEIN!
Meine Atmung wurde schneller und flacher. Hatte sich Kaizu nun schützend vor Natsuki gestellt?
Er vertraute mir wohl nicht mehr.
Verletzt entwand ich mich aus seinem Griff, einen Schritt, stolperte zurück.
„Ich will dir helfen“, sagte er ruhig.
Sollte ich IHM noch glauben? Dem Mann, dessen Emotionen nur zu erraten galten?
Ich konnte seine Augen im schwachen Licht nicht sehen. Und selbst Satos Bewegungen – wie sollte ich nun ihm noch vertrauen?
Reflexartig knüllte ich das Papier in meiner Hand.
Ich muss raus!
Die Luft sog ich schnell ein – hielt sie – und rannte los.
Der Brustkorb war wie zugeschnürt; taube Finger – etwas drängte sich nach außen. Und dieses etwas, diese Angst, wollte aus mir brechen. Es stach. Dennoch wehrte ich mich. Einmal fühlte ich sowas Ähnliches. Damals war ich wütend gewesen.
Ich wurde von den anderen Kindern weggezogen.
Aber das Herz pochte, die Haut brannte mehr. Und dann …
Hörte dieses Brennen auf …
Ich starrte in den grau-schwarzen Himmel, der Schnee fiel mir ins Gesicht. Eine Flocke verfehlte nur knapp mein Auge. Ich war stehengeblieben.
Binnen der nächsten Herzschläge glitt mein Blick nach vorne. Eislanzen zierten meine Umgebung – von mir weg. Doch es knackte, als sie wieder auflösten. Dann erst nahm ich die Schichtarbeiter und Trunkenbolde um mich herum wahr.
Es war stiller als sonst in den späten Stunden Kirigakures.
Eine Stimme zerschnitt die Stille. „Eine vom Yuki-Clan“.
Wirres Durcheinander. Ich konnte mich gerade wieder bewegen, als ich hastige, zielgerichtete Schritte zu mir eilen hörte.
War ich eine Gefahr? In meinem Kopf drehte sich alles.
Wie antrainiert, machte ich einen Satz nach vorne.
Rechtzeitig.
Die ersten Kunai konnte ich ausweichen und rannte.
Ninja.
Sie griffen mich an! Instinktiv machte ich mich in Richtung des Meeres auf. Ich schlug Haken, um kein leichtes Ziel abzugeben. Was sollte ich sonst tun?
Ich spürte noch immer den nun zerknitterten Zettel in meiner Hand.
Konohagakure! Es schoss mir durch den Kopf.
Ich beschleunigte.
Ich drückte mich noch rechtzeitig nach links in eine Gasse. Die Senbon verfehlten mich gerade so.
Dann Fingerzeichen – Schaf. Mit Chakra unter meinen Schuhsohlen rannte ich die Wand hoch, so brachte es mir mein Vater Kaizu bei.
Er war ein strenger Lehrer gewesen, jedoch trugen seine Arbeit Früchte.
Etwas legte sich um mich, ein kühler Schleier, welcher schützte. Nun halfen mir aber auch Kaizus Lehren mehr als je zuvor.
Auf den Dächern rannte ich, da sie mich noch auf den Boden suchten. Hier konnte ich kurz durchatmen. Ein Großteil des Dorfes war dunkel, der Schnee auf den Dächern war meist noch unberührt von Patrouillen gewesen.
Dann wurde ich jedoch entdeckt.
Überraschend, wie scharf meine Sinne gerade schienen. Satos Überraschungsangriffe mussten dabei geholfen haben. Ich duckte mich weg, sprang auch mal seitwärts. Impulsiv änderte ich wieder meine Richtung. Wasser schnellte an mir vorbei
und verfehlte mich wie auch weitere Kunai und Senbon. Dann glitt ich wieder zwischen die Häuserreihen. Das Meer war nicht mehr weit.
Etwas Dunkles kroch mir in den Nacken. Mein Körper reagierte stark, da sich nun die Luft änderte. Es waren Blicke mit Tötungsabsicht auf mich. Der Nebel wurde dichter, geradezu unnatürlich.
Ich konnte das Chakra im Nebel schmecken.
Eine mir bekannte Stimme schwallte zu mir herüber. „Verdammt.“ Kaizu war bei mir.
Er war mir auch gefolgt.
Ein kurzer Blick nach hinten sah ich noch, wie er hinter der Nebelwand verschwand. Ich sprang aufs Wasser. Ich durfte nicht stehen bleiben. Um mich herum waren Schritte. Sie schienen mich zu umkreisen. Mein Hals tat schon vom Hecheln weh.
Mein Schritt beschleunigte sich.
Ich war schutzlos und sehen konnte ich nichts. Verfluchter Nebel.
Ruckartig fiel ich nach vorne. Mein Fuß wurde vom Wasser verschluckt. Und dann schossen aus dem Nebel gierig schlängelnde Wassertentakel. Sie griffen mich am Hals und fesselten meine Arme.
Nach Atem ringend raste mein Herz, die Kälte drückte erneut von innen gegen meine Haut. Ich spürte, wie die Tränen über meine Wangen liefen. Es prickelte unter der Haut, Gänsehaut – kläglich japsend. Ich will noch nicht sterben! Meine Sicht war schon
eh benebelt, aber der gräuliche Schleier wurde schwarz. Kurz dachte ich, es wäre vorbei.
Als ich mich wiederfand, kniete ich. Frei von den Wasserfesseln. Unter mir – Eis.
Um mich herumblickend fand ich– Eis.
Der Nebel verlor an Dichte – und mir blieb die Luft im Halse stecken. Zwei ANBU waren wohl auf mich zugestürmt. Nun waren sie leblos. Das Eis hatte die ANBU aufgespießt.
Nein – mein Eis…
Das Blut bahnte sich seinen Weg, bevor es einfror …
Mein Herz blieb stehen. Ich hatte das getan? Nein, sie waren hineingerannt, weil sie mich angriffen.
Ich blinzelte. Hinter mir hörte ich ein unheilvolles Knacken. Nicht wie beim Eis, kurz schoss mir ein Bild von Kaizu in den Kopf, wie er einen Vogel auseinandersnahm. Langsam drehte ich den Kopf. Kaizu hatte einen der ANBU in seiner Pranke.
Das Genick wirkte unnatürlich locker. Ich konnte Kaizus Gesicht nicht sehen. Er ließ den ANBU ins Wasser gleiten.
Seine Stimme war rau und sein Blick, den ich nun erkannte ... Vernichtend.
„Du bist kein Monster, Ellyon. Aber bleiben kannst du nicht. Flieh – und lebe. Das bist du dir selbst schuldig. "
Ich spürte es – keinen Hass, keinen Groll. Ich war nur nicht mehr erwünscht. Nicht hier. Nicht so. Er wollte Natsuki und sich beschützen. Es tat weh. Aber mir war nun bewusst, dass ich eine Bürde für ihn war. Und er nur Natsuki wirklich geliebt hatte.
Während ich ihn ansah, malte sich in meinem Kopf schon aus, wie sie ihn anschreien würde. Sie liebte mich. Aber ich wusste, dass ich sie in Gefahr brächte.
Das Hyōton, na ja, ich … musste woanders hin. Unsicher richtete ich mich auf.
Kein Monster, hm? Ich starrte auf die Toten, wo das Eis bereits wieder in sich zusammenfiel.
Bevor ich mich rühren konnte, zuckte es in der Hand meines Ziehvaters. Instinktiv griff ich danach, was er mir zuwarf. Es war ein Trinkschlauch. Ein väterlicher Abschied, auf seine Weise. Dann sah ich nochmal den breiten Rücken und den nackten
Hinterkopf meines Vaters, als dieser im Nebel verschwand.
Ich atmete durch. Ich hatte keine Zeit zu weinen – keinen Platz für Trauer.
So eilte ich los. Ein Ziel vor Augen.
Konohagakure!
Wenn ich da auch Wurzeln hatte, müsste ich dort erblühen können?
Diese Flucht.
Meine Familie zurückzulassen und ins Unbekannte zu eilen. Mein Magen zog sich zusammen.
Aber auch … Neugierde. Ich konnte atmen. Das erste Mal hatte ich keine prüfenden Blicke mehr auf mir.
Warum auch immer, war genau das nötig, um mich zu beflügeln.
Die nächste Zeit, wie lang es auch war, ging es nur ums Überleben. Ich sammelte Essen und Überreste aus Mülleimern, brachte mir das Fischen bei und probierte einige Beeren im Wald. Ein paar Grundlagen kannte ich. Aber vieles galt es auszuprobieren.
Zudem ‚lieh‘ ich mir einen Mantel aus. Zumindest wollte ich diesen zurückgeben.
Meinen Körper spürte ich kaum, schleppte mich Stück für Stück voran. Jeden Tag fragte ich mich: Schaffe ich es heute noch weiter?
Wie fremdgesteuert reiste ich dann mit einem Transportschiff ans Festland. Der Brief, der alles in meinem Leben kippte, verließ nie meine Hand. Denn ich hoffte, dass das meine Möglichkeit war, in Konoha Fuß zu fassen.
Wie lange war ich dabei unterwegs? Konnte ich gar nicht sagen.
Langsam wurde es wärmer. So viel nahm ich wahr. Aber die Wärme berührte mich nicht. Einsamkeit suchte mich nachts heim. Ich vermisste Kaizus Brummen. Natsukis Gesumme beim Kochen. Es gab Nächte, an denen ich mich beim Weinen im Schlaf verlor.
Aber es gab niemanden, der mich zurechtwies.
Endlich fand ich einen Außenposten mit Stirnbändern, die eine Art Blatt trugen. Sie kümmerten sich nicht sonderlich um mich, auch wenn sie mich angewidert ansahen. Meine Beine trugen mich kaum noch. Aber mein Ziel war greifbar. Ich war bereits in Hi no Kuni.
Ein Lichtblick, der mich vorantrieb.
Nur noch wenige …
An jenem Morgen lag Nebel über allem. Der Mantel war eng um mich geschlungen. Die gesplitterten Fingernägel ignorierte ich. Das Tor von Konoha. Groß. Einladend.
Da war ich nun …
In Konohagakure.
Endlich!
Nicht nur ihr Eis war ihr Begleiter.
Und das im Winter. Kalt.
Unnachgiebig.
~~~
Die Stille drückte.
Alles wirkte irreal.
Nur das Knirschen
des zu durchschreiten Schnees
erreichte ihre Ohren.
~~~
Der Körper schmerzt.
Dennoch ist er taub.
Ohne die Möglichkeit zurückzukehren.
Der Körper erzittert, denn da ist ein Pfad.
