Chapter Text
- 1 -
Der Junge am See
Mit dem Rücken an einen großen Stein gelehnt saß er dort am See.
Das Zaubertrankbuch auf dem Schoß, Pergament und Feder neben sich. Die Novembersonne reichte nicht mehr aus um ihn zu wärmen, doch er zog es bei weitem vor mit eiskalten Fingern hier draußen seine Buchseiten umzublättern statt sich dem ständigen Tuscheln, Wispern und Starren seiner Mitschüler auszusetzen.
Seit er vor einigen Tagen über Mrs. Norris gestolpert war, hatte er keine ruhige Minute mehr im Schloss gehabt. Die stechenden Blicke seiner Mitschüler folgten ihm wohin er auch ging. Die Gerüchteküche kochte und er, obwohl er nicht alleine es gewesen war, der am Ort des Verbrechens aufgegriffen wurde, er war der Mittelpunkt all dieser Gerüchte.
Er hasste es berühmt zu sein.
So kam es, dass er hier saß, die Finger blau vor Kälte, den Umhang eng um sich geschlungen und versuchte sich auf den morgigen Test über Schrumpflösungen vorzubereiten. Wenigstens war es hier ruhig. Doch lange würde er hier nicht mehr bleiben können. Die Wintersonne senkte sich bereits auf die Baumwipfel des Verbotenen Waldes hinab und die Abendessenszeit rückte näher. Spätestens dort würden Ron und Hermine ihn vermissen und er legte keinen wert darauf, dass man auch noch einen Suchtrupp nach ihm losschickte.
Ein letztes Mal überflog er seine Zusammenschrift, packte dann seine Habseligkeiten zurück in seine Tasche und erhob sich mit steifen Gliedern.
Der Weg zum Portal war kürzer als es ihm im Augenblick lieb war und all zu bald fand er sich in der Eingangshalle wieder. Das raunende Brausen aus der großen Halle sagte ihm, dass bereits der größte Teil seiner Mitschüler beim Abendessen saß.
Er schloss die Augen, sammelte sich für das, was ihn erwartete.
Endlich atmete er tief durch, straffte die Schultern und betrat die Halle.
Niemand sah ihn hier draußen und niemand schien zu ahnen, dass etwas nicht stimmte.
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Severus Snape stieg die letzten Stufen der Kerkertreppe hinauf. Stunden hatte er damit verbracht Aufsätze seiner Drittklässler zu korrigieren. Entsprechend schlecht war seine Laune. Wie so viel Unverstand in so kleine Köpfen hineinpasste war ihm auch nach den vielen Jahren des Lehrens ein Rätsel. Er schwor sich, sollte in der kommenden Woche auf nur ein einziger Kessel in seinem Klassenzimmer schmelzen oder explodieren, würde er die ganze Klasse nachsitzen lassen bis Weihnachten. Er schmunzelte leicht bei dem Gedanken. Dann war er am oberen Ende der Treppe angekommen und blieb wie angewurzelt stehen.
Eine kleine Gestalt stand dort in der Eingangshalle, der Größe nach ein Erstklässler. Die Schultern gebeugt, den Kopf gesenkt.
Geduldig beobachtete Severus den Jungen. Er hatte es nicht eilig in die große Halle zu kommen und sein Interesse sich mit den Problemen eines Elfjährigen zu befassen war verschwindend gering.
Die Minuten vergingen.
Kein anderer Schüler erschien um den Jungen einzusammeln und leider auch keiner seiner Kollegen.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit sah er wie der Junge tief Luft holte, sich aufrichtete und hoch erhobenen Hauptes durch die Türen der Halle trat.
Im Kerzenschein erkannte er Potters Profil.
Er wartete eine weitere Minute ehe er ihm folgte.
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„Wo warst du?“, erklang Hermines Stimme schrill und anklagend, kaum dass er sich gesetzt hatte.
Harry zuckte nur mit den Schultern. „Hab' für Zaubertränke morgen gelernt.“
Die Antwort schien ihr zu genügen und schon bald hatte sie sichwieder in ein Gespräch mit Percy vertieft, den sie mit Fragen über den Koboldaufstand von 1577 löcherte.
Er wandte sich Ron zu, und wandte sich dann schnell wieder ab. Rons Tischmanieren ließen schon immer etwas zu wünschen übrig und Harry fühlte sich bereits unwohl genug ohne, dass er seinem Freund zusah wie er sich bergeweise Kartoffelbrei in den Mund stopfte.
Er selbst begnügte sich mit einem hellen Brötchen und schenkte sich einen Becher Kürbissaft ein. Er versuchte das Tuscheln um ihn herum auszublenden.
Immer wieder schnappte er Bruchstücke von Unterhaltungen vom Tisch der Rawenclaws hinter sich auf. Und zu oft hörte er dabei seinen Namen.
Still trank er seinen Saft, nahm sein Brötchen und verließ ohne ein Wort den Tisch. Er war sich nicht sicher ob Ron oder Hermine gemerkt hatten, dass er gegangen war.
Doch einer anderen Person im Raum entging sein Verschwinden nicht.
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Die kurze Szene in der Eingangshalle ließ Severus nicht los.
Immer wieder wanderte sein Blick hinüber zum Tisch der Gryffindors.
Beim Hereinkommen hatte Potter einige Worte mit Granger gewechselt, doch nun saß er seit fast fünf Minuten dort ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben und spielte mit dem Brötchen auf seinem Teller.
Ein trockenes Brötchen zum Abendessen! Kein Wunder, dass er den Jungen für einen Erstklässler gehalten hatte. Er würde den Jungen im Auge behalten.
Vielleicht sollte er mit Minerva sprechen oder vielleicht besser gleich mit Madam Pomfrey?
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In der Eingangshalle hielt er erneut inne.
Er wollte einfach nur seine Ruhe haben.
Die Bibliothek war um diese Zeit bereits geschlossen. Kurz überlegte er hinunter zu Hagrid zu laufen, doch dann fiel ihm ein, dass dieser ja noch beim Essen saß.
Kurzentschlossen wandte er seine Schritte zu Kerkertreppe. Da unten würde ihm wohl niemand so schnell begegnen.
Er folgte den verschlungenen Gängen ohne wirkliches Ziel, einfach nur froh den Stimmen seiner Mitschüler entkommen zu sein, genoss er die Stille.
Eine angelehnte Tür an einer Biegung erweckte seine Aufmerksamkeit. Vorsichtig lugte er hindurch. Im Licht seines Zauberstabs zeigte sich ein altes Klassenzimmer. Die Tische und Bänke von einer dicken Staubschicht überzogen, hatte hier schon seit Jahren kein Schüler mehr einer Unterrichtseinheit gelauscht.
Harry überlegte kurz, dann schob er sich durch die Tür und trat an einen der Tische. Im Kerker war es zwar nicht gerade warm, doch wärmer als draußen am See. Mit einem schnellen Putzzauber, den Hermine ihm gezeigt hatte befreite er einen der Tische und den zugehörigen Stuhl von seiner Patina aus Staub und Schmutz, ehe er sich niederließ und seine Zaubertrankunterlagen hervor kramte.
Er kam gut mit dem Lernen voran. Und schaffte es sogar seinen Aufsatz für Professor Binns, an dem er seit Tagen herum kritzelte, endlich fertig zu schreiben.
Kurz vor der Sperrstunde packte er schließlich seine Sachen zurück in die Tasche und machte sich zurück auf den Weg nach oben.
Wenn er sich von Hermine zeigen ließe, wie man so ein Glas mit blauen Flammen erzeugte, würde es sich hier unten auch im Winter gut aushalten lassen.
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Einige Wochen waren vergangen.
Immer wieder hatte Severus den Jungen beobachtet. Was er gesehen hatte gefiel ihm nicht. Der Junge aß kaum etwas bei den gemeinsamen Mahlzeiten, hatte zunehmend Ringe unter den Augen und sah insgesamt nicht ganz gesund aus.
Immer wieder verschwand er stundenlang spurlos und selbst seine Freunde Granger und Weasley schienen keine Ahnung zu haben wohin, wenn er ihre Gespräche, die er aufschnappte, richtig interpretierte. Weasley hatte sogar angedeutet, dass es schon auffällig sei, dass Harry gerade jetzt so oft verschwand, wo die Kammer geöffnet worden war und alle ihn für den Erben Slytherins hielten. Granger hatte ihm nur entnervt auf den Oberarm geboxt.
Wie Potter es mit den beiden ausgehielt war ihm schleierhaft.
Heute beim Mittagessen sah der Junge besonders mitgenommen aus. Erst vor wenigen Stunden war er im Kerker über den versteinerten Körper eines seiner Mitschüler gestolpert.
Was hatte er dort unten auch zu suchen gehabt?
Severus dachte nicht daran, dass der Junge selbst die Ursache für die Angriffe war. Allein die Idee war vollkommen lächerlich. Jeder mit etwas Verstand konnte sehen wie sehr er unter den Gerüchten litt.
Severus hatte ihn immer für arrogant gehalten. Für jemanden, der es liebte im Mittelpunkt zu stehen. Ganz der Vater. Doch inzwischen hatte er seine Meinung revidieren müssen.
Seit die ganze Schule wusste, das er Parsel sprach hatte Potter sich nur noch mehr von allen zurückgezogen. Nein, der Erbe Slytherins, falls es den den überhaupt gab, würde sich wesentlich unauffälliger verhalten. Er wäre nicht so ungeschickt seine Begabung vor der versammelten Schülerschaft preiszugeben.
Seine Schlangen waren nicht umsonst für ihre Verschlagenheit bekannt.
Potter schob seinen Teller von sich und stand auf. Er hatte sein Essen nicht einmal angerührt.
Jetzt reichte es.
Um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen verließ Severus die Halle über eine Seitentür und durch einen schmalen Gang eilte zu Eingangshalle.
Er sah gerade noch Potters Umhang im Durchgang zur Kerkertreppe verschwinden.
Auf leisen Sohlen glitt er dem Jungen hinterher.
Er war sich sicher, dass niemand sich so gut hier unten auskannte wie er selbst und konnte sich nicht vorstellen, was der Junge hier unten wollte. Die Räumlichkeiten der Hufflepuffs, die Küche und auch die Räume seiner Schlangen lagen in einem ganz anderen Teil des Kerkers.
Mit einer gewissen Verblüffung beobachtete er, wie Potter in einem alten Klassenraum verschwand. Was machte er da nur?
Die Baumschlangenhaut fiel ihm wieder ein, die ihm vor kurzem entwendet worden war. Vielleicht braute er dort drinnen heimlich Vielsafttrank. Direkt vor seiner Nase.
Idiot.
Er wartete. Er würde den Jungen in flagranti erwischen und dann würde Dumbledore erkennen, dass der Junge eben doch kein Heiliger war.
Mit einem Krachen warf er die Tür auf und blickte sich um.
Er hatte Kessel erwartet, Zutaten, vielleicht Granger oder Weasley.
Was er nicht erwartet hatte war Potter, zusammen gekauert auf einem Stuhl, an einem der Tische sitzend, einen riesigen Wälzer über Zaubereigeschichte vor sich.
Der Junge zuckte so heftig zusammen, dass er fast vom Stuhl gefallen wäre.
„Was machen Sie hier?“ Severus Stimme klang weniger bedrohlich, als er es beabsichtigt hatte, so verblüfft war er. Potter zuckte dennoch ein weiteres mal zusammen und deutete auf das dicke Buch vor sich ohne die geweiteten Augen von ihm zu nehmen.
„Worte Potter. Oder haben Sie vergessen wie man die menschliche Sprache erzeugt.“
Der Junge sackte noch ein bisschen weiter in sich zusammen.
„Ich … habe nur … gelernt“, flüsterte er so leise, dass Severus ihn kaum hören konnte.
Er trat näher an den Jungen heran.
„Gelernt? Hier unten? Ist die Bibliothek oder der Gemeinschaftsraum nicht gut genug für den berühmten Harry Potter?“ Er konnte einfach nicht anders.
Zu seinem Verdruss zuckte der Junge nur mit den Achseln, den Blick zum Boden gesenkt, die Augen verdächtig feucht.
„Eloquent wie immer, wie ich sehe“, murmelte Severus, doch sein Gestichel hatte etwas an Biss verloren. Er machte einen weiteren Schritt nach vorn und stand nun direkt vor dem Jungen. Sein Blick fiel auf ein kleines Einmachglas am Boden. Blaue Flammen züngelten darin und strahlten eine angenehme Wärme aus. Er beugte sich hinunter und hob es hoch. Das Glas war warm, doch nicht warm genug um ihn zu verbrennen. Er hob eine Augenbraue. „Beachtliche Arbeit.“
Der Junge hob den Kopf. „Nicht meine“, flüsterte er. Immerhin war er ehrlich. Typisch Gryffindor.
„Miss Grangers?“ Der Junge nickte. Dann hustete er in seine Ellenbeuge.
Es war ein tiefes, bellendes Husten.
Severus seufzte innerlich. Das hatte man davon, wenn man Schüler beim Vielsafttrankbrauen erwischen wollte.
„Pack deine Sachen zusammen!“
Er wartete an der Tür bis der Junge mit seiner Tasche bei ihm war und bedeutete ihm voraus zugehen.
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Harry spürte einen Zug am Umhang, als er in den Gang zu Snapes Büro einbiegen wollte.
„Nicht da lang Potter.“
Verwirrt drehte er sich um. „Wohin sonst?“ So sehr er sich auch anstrengte, seine Stimme war noch immer nur ein Flüstern. Snape vor ihm seufzte genervt auf.
„Potter, wohin gehen Kinder wenn sie krank sind?“
Harry öffnete den Mund und schloss ihn rasch wieder. Fast hätte er "in den Schrank gesagt", konnte sich aber gerade noch bremsen. Sein Kopf fühlte sich an als wäre er mit Watte verstopft und es fiel ihm zunehmend schwer sich zu konzentrieren. Er schloss die Augen und betete zu Gott oder Merlin, dass er nichts Dummes sagen würde.
Er hasste es krank zu sein. Es machte ihn angreifbar, verletzlich.
Er riss die Augen auf als er eine Hand an seinem Rücken spürte und stolperte zur Seite.
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Der Junge stand vor ihm doch statt zu antworten schloss er kurz die Augen. Er war wohl mehr durch den Wind, als Severus gedacht hatte. Er hob die rechte Hand um den Jungen vorsichtig in Richtung Kerkertreppe zu lotsen.
Kaum hatte er den Jungen berührt machte dieser einen Satz zur Seite. Dabei geriet er in gefährliche Schräglage und Severus war froh über die guten Reflexe, die das jahrelange Unterrichten von Teenagern im Umgang mit gefährlichen Substanzen mit sich brachte, als er den Jungen am Oberarm zu fassen bekam ehe er sich den Schädel auf dem Kerkerboden spalten konnte.
Madam Pomfrey hätte Severus dafür wahrscheinlich bei lebendigem Leib gehäutet.
Er lockerte den Griff ein wenig, als der Junge wieder halbwegs sicher stand, ließ ihn jedoch nicht los während er ihn die steile Treppe hinauf führte. Er wählte einen Geheimgang hinter einem Wandteppich zu seiner linken - Potter wollte gewiss genau so wenig mit ihm zusammen gesehen werden, wie er mit ihm – und zog ihn weiter mit sich hinauf in Richtung Krankenflügel.
Erst hatte er überlegt den Jungen bei Minerva abzuliefern, doch jetzt wollte er ihn lieber selbst hinauf bringen.
Irgendetwas war hier faul. Er hatte ein Gespür für so etwas.
Der Krankenflügel war leer.
Er steuerte Potter auf eines der Betten zu und wartete bis der Junge sicher darauf Platz genommen hatte, ehe er zur Bürotür schritt.
Er klopfte an den Rahmen der geöffneten Tür um sich bemerkbar zu machen.
„Poppy?“
Die Heilerin blickte von einer Akte auf ihrem Schreibtisch auf. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Guten Abend Severus. Brauchst du was?“
„Ich nicht, aber Potter.“ Er nickte mit den Kopf in Richtung des Krankensaals.
Poppy schielte über seine Schulter. „Was hat er nun schon wieder angestellt? Quidditch? Ich hoffe er hat dieses mal noch alle seine Knochen. Ich schwöre dir Severus, ich werfe Lockhart vom nächsten Turm, wenn er sich wieder in meine Arbeit eingemischt hat.“
„Ich würde dir sofort ein Alibi verschaffen.“ Er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Aber leider muss ich bis zu dem schönen Tag, da ich Lockhart endlich los bin wohl doch noch etwas warten. Wenn du mich fragst hat Potter eine banale Angina.“
„Oh.“ Severus wusste nicht wie die Heilerin es fertig brachte enttäuscht und zugleich besorgt zu klingen.
Gemeinsam schritten sie zu dem Bett des Jungen. Potter saß noch immer genauso da, wie Severus ihn zurückgelassen hatte. Die Hände im Schoß, die Schultern gesenkt, den Blick geradeaus ins Nichts gerichtet.
„Ich gehe davon aus, dass Madam Pomfrey keinen Ärger mit Ihnen hat Potter. Wir unterhalten uns später noch darüber, was Sie in diesem Klassenraum zu suchen hatten.“
Der Junge reagierte nicht. Auch gut. Er würde früh genug noch seine Antworten bekommen.
„Mr. Potter, ich hatte gehofft. Sie so bald nicht mehr hier zu sehen. Ich hole schnell ein, zwei Sachen, dann bin ich bei Ihnen“, flötete die Heilerin hinter ihnen. Severus wollte sich gerade abwenden - in Poppys Büro gab es immer Tee und er könnte eine Tasse davon gut vertragen – als ihm das Zucken im rechten Bein des Jungen auffiel. Ganz leicht nur, war es unter dem weiten Umhang der Schuluniform kaum zu sehen.
„Poppy.“ Die Hexe war verschwunden.
Er beugte sich vor und musterte den Jungen genauer. Auch an seinem Kiefer zuckte ein Muskel.„Potter.“ Er bewegte eine Hand vor den Augen des Kindes. Potter starrte weiter ins Leere. Das Zucken in seinem Bein nahm zu. Scheiße.
Mit einem beherzten Griff fasste er den Jungen unter den Beinen und legte ihn auf das Bett.
Etwas hilflos sah er zu, wie das Zucken weiter zunahm.
„Poppy! Der Junge krampft.“
Im Nachhinein war es beachtlich, wie schnell die doch recht dralle Frau sich bewegen konnte. Kaum hatte Severus seinen Satz beendet, da schob sie ihn schon beiseite. Mit geübten Handgriffen untersuchte sie den Jungen, während sie ihn immer wieder mit dem Zauberstab antippte. Schließlich richtete sie sich auf. „Accio Akonvulso.“ Eine kleine Phiole gefüllt mit einer hellgrünen Flüssigkeit schoss von einem hohen Regal in ihre offene Hand. Gespannt sah Severus zu, wie sie den Verschluss abnahm und mit einer kleinen Pipette zwei Tropfen des Gebräus in jedes Nasenloch des Jungen träufelte. Noch ehe sie das Gefäß wieder verschlossen hatte, hatte das Zucken des Jungen aufgehört. Ganz still lag er da. Nur seine Augen blinzelten träge.
Die Heilerin untersuchte ihn erneut. Dann hob sie erneut den Zauberstab und zwei weitere Flaschen schwebten auf sie zu. Severus erkannte Pepper-Up und einen Fieber-Senker, schließlich hatte er selbst sie gebraut.
In der kurzen Zeit, bis Poppy mit dem Jungen fertig war, hatte dieser die Augen bereits geschlossen und schien tief und fest zu schlafen.
„Was in Merlins Namen war das denn?“, fragte Severus zwölfeinhalb Minuten später, als er endlich seine Tasse Tee in Poppys Büro bekam.
Die Heilerin zuckte mit den Achseln. „Noch kann ich das nicht sagen. Für einen klassischen Fieberkrampf ist Potter definitiv zu alt. Doch in der Untersuchung konnte ich nichts finden, was auf eine sonstige Ursache hinweisen würde. Ich werde an seine Verwandten schreiben. Sie können mir seine bisherigen Krankenunterlagen schicken. Vielleicht wissen wir dann mehr. Vielleicht war es eine einmalige Sache.“
Sie musste Severus skeptischen Blick bemerkt haben, denn sie fuhr ungefragt fort: „So was kann bei jedem vorkommen. Stress, Schlafmangel, ein Infekt.“
„Davon hat Potter aktuell denke ich jeweils genug“, meinte Severus ausnahmsweise ohne den sonst sarkastische Unterton.
Er schwieg kurz, dachte nach.
„Weißt du Poppy“, sagte er schließlich langsam, „Petunia Dursley und ich haben uns denke ich schon zu lange nicht mehr getroffen. Ich glaube es ist an der Zeit, dass ich unsere Bekanntschaft erneuere.“
