Chapter 1: Kapitel 1: Die Westen
Chapter Text
Bob schaute nervös aus dem Fenster seines Käfers. Peter ließ sich heute mal wieder etwas mehr Zeit. Justus würde das gar nicht gut finden. Wieder und wieder schielte er auf die schusssicheren Westen, die auf der Rückbank lagen. Ob die wohl wirklich nötig wurden? Es war zwar schon oft vorgekommen in vergangenen Fällen, dass Menschen sie mit Pistolen bedroht hatten oder auf sie schießen wollten. Aber so etwas war bis jetzt immer unverhofft passiert. Sie waren in irgendeine verrückte Geschichte geraten und plötzlich hatte irgendjemand eine Waffe gezückt. Dass sie nun wissentlich in so eine Möglichkeit hineinrennen sollten, lag Bob mehr als quer im Magen. Sonst war Peter immer der Schisser, aber dieses Mal hatte auch Bob gehörigen Respekt vor der Sache.
„Na, bereit?“ rief Peter ihm von der Haustür aus zu. Er schien eigentlich ganz guter Dinge zu sein.
„Sowas von überhaupt nicht“, entgegnete Bob ihm zerknirscht.
Mit einer lockeren Bewegung schwang Peter die hintere Autotür auf und warf seinen Rucksack auf die Westen. Er warf die Tür wieder zu und ließ sich genau so schwungvoll neben Bob in den Sitz fallen.
„Der Typ ist schon ein komischer Vogel, oder?“ sagte Peter lässig, während er sein Handy aus der Hosentasche kramte.
„Das kann man wohl sagen“, antwortete Bob. „Denkst du nicht, dass die Sache ein bisschen sehr heikel sein könnte?“
Peter sah ihn prüfend an. Er schien zu spüren, dass Bob sich tatsächlich ernsthafte Sorgen machte. „Ich hab mir gestern auch noch ein bisschen den Kopf zerbrochen“, gab er zu. „Aber umso mehr ich drüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass der Kerl einfach ein bisschen verrückt ist. Also ganz ehrlich: Wer macht denn sowas? Kommt der zu ner Gruppe Jugendlichen, die gerade erst die Schule beendet haben, bringt ihnen schusssichere Westen mit, redet irgendwas von Tigerauge und Verschwörung und obskuren geheimen Bruderschaften, die ihm an den Kragen wollen, und düst dann ohne zurückzuschauen davon. Das ist doch einfach nur schräg. Und er hat uns ja auch nur auf sein Anwesen eingeladen. Als ob der auf seinem eigenen Anwesen selbst immer mit schusssicherer Weste rumläuft.“
Nun musste Bob etwas schmunzeln. „Naja, wenn du es so ausdrückst, klingt es irgendwie tatsächlich gar nicht so beängstigend. Eher verwirrend. Aber ich fand schon, dass er sehr eindringlich verdeutlicht hat, dass wir diese Westen brauchen werden.“
„Ja, weil er verrückt ist und unter Verfolgungswahn leidet.“ Peter lachte etwas. „Ich weiß auch echt nicht, warum Justus diesen Fall unbedingt annehmen wollte. In zwei Wochen ziehen wir alle nach LA auf den College Campus. Ich weiß echt nicht, wie schlau es ist, hier jetzt noch Fälle in Rocky Beach anzunehmen, wenn wir sie eventuell gar nicht zu Ende führen können. Vor allem, wenn der Klient definitiv nicht alle Tassen im Schrank hat.“
Bob grinste. „Naja, du kennst doch Justus. Und…“, er machte eine dramatische Pause und zog witzelnd die Augenbrauen hoch, „wir übernehmen jeden Fall.“
Peter massierte sich die Stirn mit den Fingerspitzen und ließ einen gekünstelten Seufzer los. Bob wusste, dass von ihnen dreien Peter diesen Satz am meisten hasste. Aber dieses Mal gab ihm Bob durchaus recht. Diesen Fall hätten sie echt nicht übernehmen müssen. Er betrachtete Peter eindringlich. Er war froh, dass Peter dieses Mal keine Angst hatte. Genervtheit war definitiv besser als Angst. Wenn Peter ängstlich war, verspürte Bob immer ein inneres Bedürfnis, Peter Zusicherung zu geben, oder ihn zu umarmen, seine Hand zu nehmen oder sonst irgendwelche Dinge zu tun, die er sich definitiv nicht leisten konnte. Das war über die Jahre immer schwieriger geworden. Bis jetzt hatte er es aber gut verbergen können, fand er – auch wenn er sich fragte, wie lange er das können würde.
„Apropos Justus,“ riss Peter ihn aus den Gedanken. „Denkst du nicht, wir sollten langsam mal losfahren? Unser Erster sitzt bestimmt schon auf heißen Kohlen, denkst du nicht?“
„Zu Befehl, Zweiter“, spottete Bob und drehte den Schlüssel.
Chapter 2: Kapitel 2: Die Fahrt
Summary:
Wir lernen etwas mehr über den Fall und Bob ist ein bisschen sad.
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
„Da seid ihr ja endlich“, quengelte Justus als er die Westen und Peters Rucksack auf die Seite schob und sich auf den Rücksitz hievte.
„Tut mir leid, Erster. Unser Zweiter hat mal wieder drei Jahre gebraucht, um sich die Haare zu stylen“, witzelte Bob, während er den Wagen drehte und die Auffahrt des Schrottplatzes verließ.
„Haha“, gab Peter zurück.
„Naja, ganz unrecht hat Bob nicht“, scherzte nun auch Justus von der Rückbank. „Seit Kelly mit dir Schluss gemacht hat, ist deine Eitelkeit über die letzten Monate graduell gestiegen. Man könnte meinen, du seist auf der Pirsch.“
Peter verdrehte die Augen. „Sehr witzig, Erster. Und wen will ich bitte beeindrucken, wenn ich mal fragen darf? Alte Männer namens Mr Wedlington, die junge Erwachsene mit verrückten Verschwörungstheorien auf ihr Landanwesen locken?“
Bob musste unweigerlich schlucken. Natürlich war es für Peter keine Option, mit seinem Aussehen seine besten Freunde beeindrucken zu wollen. Oder spezifisch Bob. Von der Hoffnung hatte er sich eh schon lange verabschiedet. Er hatte sich damit abgefunden, dass er einfach schweigend vor sich hin leiden musste. Daran würde sich so bald nichts ändern.
Vielleicht würde er ja auf dem College jemanden kennen lernen, der ihn auf andere Gedanken brachte. Man konnte ja wenigstens hoffen.
Er ließ das Gewitzel seiner Freunde mit der Musik aus der Anlage verschwimmen und verlor sich in seinen Gedanken, während er sich vom Verkehr tragen ließ. Es war nicht viel los auf der Straße und es war dicht bewölkt. Zwar regnete es nicht, aber über den gesamten Himmel erstreckten sich dichte, dunkle Wolken. Für die Tageszeit und die Tatsache, dass sie in California waren, ein sehr ungewöhnliches Bild.
Vielleicht war das hier ihr allerletzter Fall, grübelte Bob vor sich hin. Wer weiß, wie es auf dem College werden würde. Man würde sich doch bestimmt über drei Nerds lustig machen, die da ankämen und sagten, sie führten ein nebenberufliches Detektivbüro, das aber grundsätzlich kein Geld verlange.
Wer weiß, ob sie sich nicht sogar ein bisschen aus den Augen verlieren würden. Sie hatten sich zwar alle für das gleiche Wohnheim beworben, aber wer weiß, in welchen Gebäuden sie untergebracht würden. Sie waren auch in ganz unterschiedlichen Studiengängen. Vielleicht hätten sie am Ende kaum etwas miteinander zu tun. Peter war sowieso schon immer wahnsinnig beliebt. Er würde sicherlich schnell andere Freunde finden. Und wenn Justus erstmal andere Menschen fände, die sich genauso fachmännisch auszudrücken wüssten wie er, würde er sich sicherlich auch schnell zurechtfinden unter seinen Kriminologen. Die wären ja sogar vielleicht besser geeignet für seine detektivischen Ambitionen.
Bob spürte, wie sich seine Stimmung verdunkelte. Es würde alles anders werden. Er freute sich zwar auch auf sein Journalismus-Studium, aber gleichzeitig machte es ihm Angst. Journalismus war kompetitiv. Man musste wirklich gut sein, um es zu etwas zu bringen. Er würde sich wirklich anstrengen müssen.
„Bob! Erde an Bob!“
Er sah Peter neben sich herumfuchteln und versuchte sich zu fangen.
„Sorry, hab geträumt“, murmelte er. „Was gibt’s denn?“
Der Erste ergriff das Wort: „Wir haben gerade gesagt, wir sollten noch einmal zusammenfassen, was wir wissen.“
„Ah“, sagte Bob, „ja, na klar.“
„Also: Wir haben es mit einem Herrn zu tun“, begann Justus, „ungefähr Mitte 50, der davon überzeugt ist, dass jemand hinter ihm her ist.“
„Nicht nur jemand“, warf Bob ein, „sondern gleich eine ganze Truppe.“
„Und ich möchte nach wie vor festhalten, dass ich den Kerl nicht für voll nehme“, verkündete Peter. „Allein wie er redet und sich dabei immer wieder wiederholt. Und was sollte das überhaupt mit diesem Tigerauge? Habt ihr das…“
„Darüber habe ich recherchiert“, unterbrach ihn Bob.
„Aha?“, rief Justus begeistert von der Rückbank. „Schieß los!“
Heimspiel, dachte Bob. Jetzt kam der Part, in dem er sich einfach immer noch am wohlsten fühlte: Recherche. Keine Gefühle, einfach nur Bücher und Zeitungen und Fakten und Geschichten und Gerüchte.
„Also“, begann er, „zuallererst könnte es wichtig sein zu wissen, dass es sich bei ‚Tigerauge‘ um die Bezeichnung einer Quarz-Varietät handelt.“
„Wie jetzt? Steine?“, fragte Peter verwundert.
„Naja, Quarz ist ein Mineral“, erklärte Bob. „Eine Varietät davon ist so gold-gelb gestreift und deshalb nennt man sie Tigerauge. Aber man kann Tigerauge wohl auch brennen, dann kann es rötlich werden oder fast violett. Aber bevor ihr euch zu sehr freut: Besonders wertvoll ist es nicht. Wir haben es in diesem Fall aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit irgendwelchen Kostbarkeiten zu tun.“
„Sehr gut, Bob“, lobte ihn Justus. „Das könnte uns ja durchaus ein bisschen Kontext geben. Mr Wedlington hat uns ja nicht besonders viel an Erklärung dargeboten, als er ständig von Tigerauge redete.“
„Richtig!“, sagte Bob. „Aber gleichzeitig weiß ich nicht, wie ich das in einen Zusammenhang bringen soll. Gerade wenn es nicht wertvoll ist, frage ich mich, warum deshalb jemand hinter ihm her sein sollte. Ich habe jedenfalls mal nachgeschaut, ob es Gerüchte oder Pressemitteilungen über irgendwelche Vereine oder Gruppierungen mit dem Namen Tigerauge gibt. Mr Wedlington hat ja ständig von irgendeiner geheimen Organisation oder so gesprochen.“
„Und?“, drängelte Justus. „Bist du fündig geworden?“
„Leider nein“, antwortete Bob. „Ich habe nichts dergleichen gefunden. Auch im Internet habe ich ausführlich gesucht. Es gab nichts. Ich habe allerdings einen Zeitungsartikel gefunden, in dem von einem Einbruch in einem Museum berichtet wurde, nach dem die Polizei ein Amulett aus gold-gelbem Tigerauge sichergestellt hat. Der Artikel war aus einem Lokalblatt von vor fünf Jahren und er war wahnsinnig kurz, denn es war kein besonders aufsehenerregender Einbruch. Es wurde nichts gestohlen.“
„Es wurde nichts gestohlen?“, fragte Peter ungläubig.
„Genau“, bestätigte Bob. „Es wurde nichts gestohlen, aber in einem der Räume lag ein Amulett aus Tigerauge.“
„Wie war der Einbruch denn überhaupt bemerkt worden?“, warf nun Justus ein.
„Ein Klofenster war aufgebrochen worden und musste ersetzt werden“, erklärte Bob. „Es gibt leider auch keine Kameraaufzeichnungen. Das Museum war nur sehr klein: ein Heimatmuseum, das nur ein bisschen die Geschichte der Kleinstadt erzählt hat. Mittlerweile gibt es das Museum gar nicht mehr, weil es zu wenige Besucher gab. Aber ratet mal, wo das Museum war.“
Es entstand eine Pause. „Naja, wenn du schon so fragst, Bob“, sagte Peter mit einem Grinsen, „nehme ich mal an, dass es ganz in der Nähe davon ist, wo wir heute hinfahren.“
Nun musste Bob auch grinsen. „Ganz genau, Peter. Es lag in Calabasas, nicht unweit entfernt vom Anwesen unseres mysteriösen Mr Wedlington. Das würde ich mal einen wilden Zufall nennen.“
„Oder eben ganz und gar kein Zufall…“, murmelte Justus gedankenverloren.
Bob hatte es zwar ironisch gemeint – ihm war schon klar, dass das vermutlich kein Zufall sein würde – aber Justus war schon so in Gedanken vertieft, dass es keinen Zweck hatte, ihn darauf hinzuweisen.
„Also, dann lass mich das mal zusammenfassen“, sagte Peter. „Wir haben einen verrückten Mann, der mit schusssicheren Westen auf den Schrottplatz kommt, uns auf sein sogenanntes ‚Anwesen‘ einlädt, zu dem wir am kommenden Samstag kommen sollen, wenn wir den Fall annehmen. Dann faselt er unverständliches Zeug über Menschen mit Tigerauge, die hinter ihm her sind – die es aber tatsächlich geben könnte, weil sie eventuell vor fünf Jahren in ein kleines Heimatmuseum eingestiegen sind. Aber finden kann man sie trotzdem nirgendwo. Und da fahren wir jetzt hin und ziehen uns schusssichere Westen an und machen da was genau?“
„Ja, das frage ich mich allerdings auch“, stimmte Bob zu. „Zumal er ja scheinbar damit rechnet, dass jemand auf uns schießt.“
„Geduld, Kollegen“, sagte Justus beschwichtigend. „Vielleicht klärt sich das ja alles jetzt. Wir sind ja gleich da.“
Notes:
Über Kommentare und Kudos freue ich mich sehr :)
Chapter 3: Kapitel 3: Das Anwesen
Notes:
Ob ich es wohl jemals schaffe, dass alle meine Kapitel ungefähr die gleiche Länge haben? Ich denke nein...
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Kollegen, ich bin der Ansicht, dass wir hier unmöglich richtig sein können.“
Justus hatte Recht, fand Bob. Nach einem Anwesen sah das hier wirklich nicht aus. Sie waren vom Highway abgefahren und waren brav den Anweisungen von Google Maps gefolgt. Sie waren zweifellos da, wo der Punkt auf Peters Handy rot aufleuchtete.
Bob lehnte sich etwas herüber, zoomte weiter ins Bild und versuchte dabei zu ignorieren, wie er Peters Körperwärme spürte und seinen Geruch wahrnahm. Scheiß Gefühle! Doch das Zoomen änderte nichts. Sie waren an der richtigen Adresse.
„Naja“, sagte Peter zögerlich, ohne sich dabei auch nur ein Stück von Bob abzuwenden, „Mr Wedlington ist ja durchaus ein eigenartiger Zeitgenosse. Wenn er diese vermüllte Bruchbude als ein Anwesen bezeichnen möchte, dann finde ich das nicht gerade überraschend. Und dass alles mit dickem Stacheldrahtzaun eingepackt ist, passt meiner Meinung nach auch zu ihm.“
Bob lehnte sich zurück in Richtung seines eigenen Sitzplatzes und starrte durch die Frontscheibe. Es sah wirklich furchtbar aus. Das Haus war zwar tatsächlich nicht gerade klein, aber es war wirklich alles andere als ein Anwesen. Es war ein veraltetes Haus mit bröckelndem Putz und so viel Sperrmüll auf dem Vorhof, dass darin bestimmt ganze Waschbärfamilien hausten. Man sah das Haus auch generell nicht besonders gut, denn das ganze Gelände war großräumig abgesperrt. In der Straße standen noch ein paar wenige weitere Häuser, die ähnlich große Grundstücke hatten. Sie sahen zwar etwas sauberer aus, aber sie waren ähnlich alt wie das von Mr Wedlington. Aufgrund der großen Grundstücke waren die Häuser so weit voneinander entfernt, dass man kaum von einer Nachbarschaft sprechen konnte. Es war definitiv keine schöne Wohngegend.
„Nun gut!“ Justus schlug sich energetisch auf die Oberschenkel. „Dann lasst uns mal ein Klientengespräch führen.“
Peter wirkte nun nicht mehr so sicher, wie er es heute Morgen beim Einsteigen gewesen war. Bob wusste genau, was er dachte. Ihm war sicher flau im Magen. Zu gern hätte er ihm die Hand auf die Schulter gelegt. Oder auf den Oberschenkel. Er ließ es.
Stattdessen wandte er sich Justus zu.
„Denkst du wir sollten die Westen tatsächlich anziehen?“
„Na klar, Bob“, sagte Justus selbstbewusst. „Unser Klient hat sie uns ja extra für diesen Zweck gegeben. Ich hoffe nur, dass Peter seine perfekte Frisur nicht zerstört, wenn er sie sich über den Kopf zieht, das wäre ja wirklich tragisch.“
Peter verdrehte die Augen und Bob musste sofort ein bisschen grinsen. Peter war wirklich süß, wenn er so ein bisschen rot wurde.
Bob hätte Peters Gefühl eigentlich gern Recht gegeben und wäre wahnsinnig gern einfach wieder nach Hause gefahren. Irgendwie war das hier alles komisch. Dennoch zog er sich ohne Widerworte nun mit den anderen beiden die Westen an und stieg mit ihnen aus dem Auto.
Justus drückte die Klingel und sofort kam eine blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage: „Ja, wer ist da?“
„Hier sind die drei Fragezeichen, Sir“, antwortete Justus ruhig.
Die Tür surrte und die drei betraten das Grundstück.
Es sah aus der Nähe nochmal schlimmer aus als von draußen. Die Müllcontainer flossen über und der Geruch von vermodertem, feuchten Holz lag in der Luft.
„Mir gefällt das ganz und gar nicht, Kollegen“, sagte Peter zögerlich.
„Peter“, raunte Justus, „ich gebe zu, dass ich durchaus auch ein wenig verwundert bin, was die Umstände unseres Falls angeht. Dennoch haben wir diesen Fall angenommen und es ist nur fair, unserem Klienten zunächst Gehör zu schenken. Außerdem sehe ich weit und breit niemanden, der auf uns schießen könnte. Ich halte diese Situation zwar für merkwürdig, aber nicht für gefährlich.
Bevor sich Peter weiter beschweren konnte, wurde die Haustür aufgeworfen und Mr Wedlington winkte ihnen eifrig zu. „Kommt herein, kommt herein!“, sagte er gepresst. „Na los, bevor euch noch jemand sieht!“
Eilig leisteten die drei Mr Wedlingtons Aufruf folge und traten durch die Tür, die Mr Wedlington schnell hinter ihnen schloss. Bob schaute sich um und kam aus dem Staunen kaum heraus.
Hier war es ordentlich! Sie standen in einer recht großen Eingangshalle mit antiken Möbelstücken. Unter ihren Füßen lag ein Teppich, der Bobs Ansicht nach mehrere tausend Dollar kosten musste. Auf beiden Seiten des Raumes zogen sich geschwungene dunkle Holztreppen an der Wand hoch, die in der Mitte zu einer Galerie zusammenliefen. An den Wänden hingen wertvoll aussehende Ölbilder in verzierten Rahmen und von der Decke hing ein Kronenleuchter.
„Na, da staunt ihr nicht schlecht, was?“ Mr Wedlington grinste über das ganze Gesicht. Auch er sah ganz anders aus, als Bob ihn vom letzten Mal in Erinnerung hatte. Er trug ein Hemd, ein Tweed-Jackett und eine braune Anzughose. Zwar waren seine Haare und sein Bart immer noch genauso strubbelig, wie bei ihrem letzten Treffen, aber so sah Mr Wedlington eher aus wie ein zerstreuter Professor, als wie ein ungepflegter Verschwörungstheoretiker.
„Ich gebe zu, Mr Wedlington“, sagte Justus, „dass ich aufgrund des Aussehens Ihres Grundstückes auf ein ähnlich aussehendes Interieur Ihres Anwesens geschlossen hätte.“
„Jahaa!“, rief Mr Wedlington. „Das ist nämlich alles Maskerade! Maskerade, sage ich euch! Kommt mit, ich zeige euch den Rest des Hauses.“
Die drei Fragezeichen waren baff. Peter und Justus waren sichtlich verwirrt – das war für Bob nicht schwer zu erkennen – und auch Bob fühlte sich, als stünde er vor einem Puzzle, dass sich einfach nicht ineinander einsetzen ließ. Sprachlos und verwundert trotteten sie hinter Mr Wedlington her, der in seinem Redefluss kaum Luft zu holen schien.
„Also, seht her, Jungs. Hier unten ist meine Küche, das ist natürlich selbsterklärend, was man hier tut. Aber ich koche natürlich nicht besonders viel, ich bin wirklich schlecht darin, müsst ihr verstehen. Und alle Zimmer sind miteinander verbunden, wisst ihr? Ja, also hier durch“ – Er führte sie durch eine alte, wenn auch sehr edle Küche. Bob fiel auf, dass hier schon wieder ein riesiges Bücherregal stand. Im Eingangsbereich hatte auch schon eins gestanden. Dieser Kerl musste entweder sehr viel lesen oder er war ein Horder. – „Ja, hier durch – folgt mir, folgt mir – ist das Wohnzimmer. Und dann das nächste Zimmer ist ein Gästezimmer, falls ihr das mal brauchen solltet – das kann ja durchaus passieren – und dahinter ist ein Badezimmer. Kommt ich zeige euch alles.“
Mr Wedlington lief wirklich schnell und er schien noch schneller zu reden. Bob wusste immer noch nicht so recht, was er sagen sollte. Es war auch zweifelhaft, ob er überhaupt dazwischenkommen würde, wenn er es versuchen würde. Das machte doch alles keinen Sinn. Er schaute herüber zu Peter, der ihm seinen verwirrten Blick eins zu eins spiegelte. Justus hingegen sah etwas gesammelter aus. Er schien sich sorgfältig umzusehen, betrachtete die Einzelheiten jedes Zimmers eingehend und trottete weiter brav hinter Mr Wedlington hinterher, während dieser in einem konstanten Redefluss seine skurrile Haustour gab. Sie waren gerade dabei, aus dem stilvoll eingerichteten Gästezimmer zurück in den Eingangsbereich zu gehen, als Justus die Chance ergriff, zu sprechen: „Mr Wedlington, ich hoffe, Sie erachten meine Frage nicht als unhöflich oder ungeduldig – das läge mir fern zu beabsichtigen – aber ich muss gestehen, dass ich nicht recht weiß, warum wir überhaupt hier sind. Vielleicht könnten Sie uns dahingehend etwas aufklären.“
Der Mann stockte etwas und schien kurz nachzudenken, dann fing er sich wieder. „Ach ja! Natürlich, Junge, du hast ja völlig recht.“ Er fasste sich mit beiden Händen in seine strubbeligen, angegrauten Haare und schaute dann zwischen den Jungs hin und her. „Also, ich werde nun eure Zeit nicht weiter verschwenden. Ihr habt ja völlig recht. Kommt mit mir nach oben, da ist meine Kommandozentrale. Da wird vielleicht alles etwas klarer. Es ist ja auch verwirrend, ich gebe es gern zu. Aber es wird euch alles klar werden. Ja, schlussendlich ist alles ganz einfach. Aber dann auch nicht. Naja, ihr werdet sehen. Folgt mir!“ Schwungvoll nahm er die ersten paar Stufen und bedeutete ihnen mit einer Geste, ihm hinterherzukommen. „Also hier oben ist als allererstes meine Bibliothek“, sabbelte Mr Wedlington weiter, während er die knarrenden Stufen nach oben sprang, „und dahinter habe ich alles gesammelt, was ich bisher weiß. Dokumente, Beobachtungen, Daten, Fotos, ihr werdet begeistert sein.“ Sie folgten ihm durch einen wirklich beeindruckend riesigen Raum, der mit Büchern nur so vollgestopft war. Alle Wände hatten eingebaute Bücherregale und in der Mitte standen auch noch einige Reihen mit Deckenhohen Bücherschränken. Am Ende des Raumes befand sich eine weitere große Holztür. Mr Wedlington warf sie mit einer schwungvollen Bewegung auf. „Viola! Hier ist mein ganzer Stolz.“
Justus, Peter und Bob traten über die Schwelle betrachteten den Raum, der vor ihnen lag. Zum ersten Mal seit der letzten Viertelstunde schwieg Mr Wedlington. Die Kommandozentrale sah genauso aus, wie man sich eine Kommandozentrale vorstellen würde, dachte Bob. Die eine Wand zu seiner linken, an der keine Fenster waren, war eine große Pinnwand – vollgehängt mit Bildern, Zeitungsschnipseln, Zetteln, Notizen und roten Fäden. Die Wand, die in ihrem Rücken lag, hing voll mit einigen Monitoren, auf denen Kameraaufzeichnungen liefen, die Bob nicht zuordnen konnte. Vor den beiden Fensterwänden standen mehrere Tische mit Kisten, Akten, Büchern, Zettelstapeln und zwei PCs. Durch die Fenster sah man einige Satellitenschüsseln und Spionagezubehör wie man es aus Filmen kannte. Es war viel – viel zu verarbeiten und viel zu sehen. Und doch, auch wenn es hier recht unordentlich aussah, schien das Ganze doch einiges an System zu haben.
„Vielleicht ist es ganz gut“, riss Mr Wedlington sie aus ihren Gedanken, „wenn ihr euch ein bisschen Zeit nehmt, alles anzuschauen.“ Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Natürlich ist das viel zu viel für einen Tag, aber ihr könnt euch ja mal einen groben Überblick machen und ich hole euch was zu trinken. Was denkt ihr? Limo?“
Justus schien der Einzige zu sein, der sich in der Lage fühlte, zu antworten: „Eine gute Idee, Mr Wedlington, vielen Dank.“
Damit drehte sich ihr Klient auf der Stelle um und ließ sie mit seiner Kommandozentrale allein.
„Was um alles in der Welt geht hier ab?“ raunte Peter, sobald Mr Wedlingtons Schritte weit genug weg waren. So verwirrt und fassungslos hatte Bob ihn selten gesehen. „Dafür, dass wir heute Morgen noch gar nichts wussten, ist das ja hier mal der absolute Overkill.“
Bob wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. Recherchen waren eigentlich sein Metier, aber bei dieser Fülle an Material wusste er überhaupt nicht, wo er anfangen sollte.
Peter wandte sich ihm zu und legte ihm die Hand sanft auf die Schulter. „Ist alles okay, Bob?“
„Ja, schon“, antwortete er zögerlich. „Das ist nur alles etwas viel. Wie sollen wir uns das jemals alles anschauen?“
„Naja, Kollegen“, warf Justus ein, „jetzt werdet mal nicht mutlos. Wir teilen uns auf! Ich schaue mir die Pinnwand an. Bob, du beginnst mit den Tischen. Peter versucht zunächst herauszufinden, welche Orte Mr Wedlington zu filmen scheint. Peters und meine Aufgabe ist ja eher kleiner, deshalb werden wir dir beide helfen, sobald wir uns einen groben Überblick verschafft haben. Bis dahin hast du, Bob, vielleicht schon ein System in den ganzen Akten und Stapeln entdeckt, sodass du uns auf eine sinnvolle Art und Weise in deine Recherchen einbinden kannst.“
„Na gut, dann los.“
Bob ging auf seinen Rechercheberg zu und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Es gab 5 Tische, die zu einem großen L zusammengestellt waren. Auf den linken zwei Tischen, die die kurze Seite des Ls bildeten, standen es ein paar Kisten. Auf der einen stand groß „Tony“. Eine andere hieß „Tigerauge“ und eine paar Weitere hießen „Observation 1“, „Observation 2“ und „Observation 3“. Auf der Ecke des Ls waren mehrere Stapel an Notizheften. Bob blätterte einige kurz durch. Größtenteils waren sie gefüllt mit Zeitmarken, als hätte Mr Wedlington verschiedene Personen observiert und ihre gesamten Tagesabläufe minutiös aufgeschrieben. Dazwischen schienen aber auch einfach Schlagwörter und unzusammenhängende Gedankengänge notiert worden zu sein. Manche Seiten fehlten ganz, waren zum Teil herausgerissen, zusammengeklebt oder durchgekritzelt. Bob schaute sich auch noch die Kisten unter den Tischen an. Es mussten bestimmt 30 sein. Er öffnete eine probeweise. Sie war voll mit losen Notizzetteln, ähnlich wie sie sich auch neben den PCs häuften. Wenn ihr Fall darin bestand, sich durch alle Informationen zu schaufeln, die in diesem Raum waren, würden sie Wochen brauchen ihn zu lösen.
Es war bereits dunkel als die drei Fragezeichen sich erschöpft in die Sitze von Bobs Käfer fallen ließen. Sie hatten für den Rückweg aus dem Haus wieder die Westen anziehen müssen, die sie in Mr Wedlingtons Kommandozentrale irgendwann ausgezogen hatten. Mr Wedlington hatte darauf bestanden, sie nicht ohne angezogene Westen aus dem Haus zu lassen. Das alles kam Bob eigenartig vor. Er fühlte sich, als hätte er den ganzen Tag nichts geschafft, obwohl er stundenlang gearbeitet, gelesen und recherchiert hatte. Wortlos drehte er den Schüssel seines Käfers im Schloss und fuhr Richtung Rocky Beach. Peter nickte noch in Calabasas neben ihm ein und auch Justus gab keinen Laut von sich. Die beiden schienen genauso erschlagen zu sein, wie er selbst. Erst als Bob am Gebrauchtwarencenter Jonas Halt machte, meldete sich Justus mit einem erstickten Gähnen zu Wort:
„Kollegen, lasst uns doch morgen um 11 eine Lagebesprechung in der Zentrale machen. Dann können wir ja unser weiteres Vorgehen besprechen.“
Bob nickte still. Peter gab nur ein schläfriges Brummen von sich. Ob er Justus‘ Anweisung wirklich registriert hatte, war fraglich. Bob drehte den Wagen und ließ den Schrottplatz hinter sich.
„Weißt du Bob“, sagte Peter leise, als Bob schließlich vor dessen Haus zum Stehen kam, „ich glaube, das hier ist der erste Fall, bei dem ich tatsächlich glaube, dass wir ihn unmöglich lösen können.“
„Hm“, stimmte Bob ihm zu, „ich weiß halt auch einfach echt nicht, wie viel von dem Ganzen, das Mr Wedlington so erzählt, tatsächlich passiert ist und was davon nur in seinem Kopf stattfindet. Ich werde aus ihm nicht schlau.“
„Ich auch nicht“, gab Peter zu. „Aber das werde ich auch heute nicht mehr lösen können. Ich bin viel zu müde.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich dachte, wir verbringen diese zwei Wochen damit, unsere Sachen zu packen, nochmal richtig das Leben in Rocky Beach zu genießen und einfach miteinander abzuhängen. Stattdessen rennen wir jetzt so einem Kerl hinterher, der bestimmt nicht mehr alle seine Sinne beisammen hat.“
„Naja, einiges ist an der Sache ja schon seltsam. Ich glaube, irgendwas ist an seinem Gerede schon dran. Aber dass er sich da endlos reingesteigert hat über die letzten Jahre, ist definitiv nicht zu bezweifeln.“
„Kann sein. Du hast ja recht. Ich glaube ich bin einfach ein bisschen wehmütig.“
Bob drehte seinen Kopf zur Seite und schaute Peter direkt in die Augen. Er sah in nur dunkel – die Straßenlaternen spendeten gerade genug Licht, dass er seine Umrisse gut erkennen konnte. „Was macht dich wehmütig?“
„Naja alles“, sagte Peter. „Dass wir wegziehen. Und dass ich nicht weiß, wie viel ich euch noch sehen kann. Ich will einfach die Zeit hier genießen, bevor sich alles verändert.“
Bob musste unweigerlich etwas lachen. „Ich dachte, ich wäre der Einzige, dem es so geht. Ich habe echt ein bisschen Angst, dass ihr am College andere Leute kennenlernt und mich vergesst.“ Das hatte er so noch nie jemandem gegenüber ausgesprochen.
Peters Gesichtszüge veränderten sich. Sein Blick wurde weicher. „Bob.“ Seine Stimme klang so viel fürsorglicher als den ganzen Tag über heute. „Ich kann dir versprechen, dass ich niemals auch nur auf die Idee kommen würde, dich zu vergessen. Ich glaube nicht, dass das geht. Solange du weiterhin in meinem Leben bleiben willst, bleibe ich auch in deinem. Klar, wir werden nicht mehr in Rocky Beach sein. Aber so schnell wirst du mich nicht los!“
Bob musste schlucken. Die liebevollen Worte und Peters eindringlicher Blick waren in diesem Moment kaum auszuhalten. „Danke, Peter.“
„Immer!“, sagte dieser.
Sie schauten sich immer noch an. Man hätte den Moment mit einem Messer schneiden können, so dicht lag die Spannung in der Luft, fand Bob. Vielleicht bildete er sich das aber auch nur ein. Wahrscheinlich hatte Peter Mitleid mit ihm, nachdem er ihm so einfach seine Ängste offengelegt hatte. Wie beendete man so einen Moment? War es ein Moment? Oder war es einfach eine Konversation am Ende eines anstrengenden Tages?
Letztlich unterbrach Peter die Stille, indem er sich dem Rucksack bei seinen Füßen zuwandte und in der gleichen Bewegung die Autotür in die dunkle Nacht öffnete. „Naja, Bobbele, zumindest für die Zeit dieses komplett skurrilen Falls wirst du weder Justus noch mich los. Und selbst wenn wir die Zeit nicht zu hundert Prozent für uns auskosten können, verbringen wir sie zumindest miteinander, nicht wahr?“
Bob schmunzelte gepresst. „Da hast du wohl recht.“
„Dann morgen in alter Frische?“ Er hatte wohl Justus vorhin doch zugehört gehabt.
„Morgen in alter Frische“, gab Bob zurück.
„Und Bob?“
„Ja?“
„Mach dich nicht verrückt! Das wird alles. Du bist ja nicht allein.“
Mit den Worten hob Peter seine Hand zu Bob herüber, zerstrubbelte seine Haare und stieg dann schwungvoll aus dem Auto. Als Bob seine Gedanken wieder gesammelt hatte, war Peter schon durch die Haustür verschwunden.
Notes:
Kommentare machen mich wie immer sehr happy :)
Chapter 4: Kapitel 4: Das Frühstück im Bett
Notes:
Ich will mal diese Notes nutzen, um mich für die super lieben Kommentare unter den letzten Kapiteln zu bedanken. Das hat mir mega viel bedeutet und mir Motivation gegeben weiterzuschreiben. Dieses Kapitel hier war zwar schon eine Weile fertig, aber seht es mal als Dankeschön für die ganze Liebe, die ihr meiner Fic geschenkt habt. Dieses Mal ist es ein ziemlich reines Bob-und-Peter-Kapitel mit ordentlich Fluff, ein bisschen Angst und sehr viel Pining :D Viel Spaß <3
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob war noch im Halbschlaf als er hörte, wie es an der Tür klingelte. Er nahm kurz seine Brille vom Nachttisch und setzte sie auf. Sein Wecker stand auf kurz nach neun. Zum Glück waren seine Eltern da, sonst hätte er in Boxershorts und Schlafshirt die Tür aufmachen müssen. Er legte die Brille wieder weg, machte die Augen wieder zu, zog sich die Decke über den Kopf und drehte sich im Bett um.
Allerdings hörte er nun, wie jemand die Treppe hinauflief und dann leise an seine Zimmertür klopfte. Wer kam ihn denn um solch eine Zeit besuchen?
„Hmpf“, machte er und drehte sich wieder in Richtung Tür. Er blinzelte durch seine müden Augenlider und beobachtete, wie sich Peter zaghaft durch den Türspalt schob – eine Bäckertüte in der einen Hand und zwei Coffee to go in der anderen. Letzteres erkannte er erst, als er sich erneut seine Brille aufgesetzt hatte.
Irgendwann hatte sich das eingespielt bei den drei Fragezeichen, dass sie nun alle Kaffee tranken. Bob konnte gar nicht festmachen, wann es geschehen war – irgendwann während der Finals in der High School vielleicht, oder über den Verlauf mehrerer komplizierter Fälle in den letzten paar Monaten. Seit über einem halben Jahr waren sie nun alle volljährig und zuletzt hatten auch seine Eltern anerkennen müssen, dass es mittlerweile zum Frühstück etwas mehr Kaffee geben musste.
Bobs Herz schlug sofort etwas schneller, als er Peter da so stehen sah – Peter, mit seinem Zahnpastalächeln und den Sommersprossen, die er beim Surfen gesammelt hatte, und seinen mal wieder perfekt gestylten Haaren, die gekonnt so aussahen, als wäre er einfach spontan so aus dem Bett aufgestanden, auch wenn Bob genau wusste, dass sie ihn mindestens eine Viertelstunde gekostet haben mussten.
Und trotz dieser ganzen Gefühle, die er mit ihm verband, war das, was er letztlich herausbrachte, lediglich ein müdes „Was machst du denn hier?“
Sehr eloquent, Bob, wirklich.
Peter schaute auf seine Füße. Wenn Bob es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass er fast ein bisschen verlegen aussah. „Naja, du hast gestern so traurig gewirkt und da wollte ich mal vorbeischauen, damit ich dich noch mal ein bisschen außerhalb von unserem Fall sehe und sichergehe, dass alles bei dir in Ordnung ist.“ Ein bisschen unschlüssig griff er sich in die Haare und brachte sie genau in die Position, in die sie vorher auch schon gewesen waren. Eine gekonnte Gewohnheit die Peter mit seiner aktuellen Surferboy-Frisur perfektioniert hatte. „Ich hab‘ wohl nicht darüber nachgedacht, dass du vielleicht noch schlafen könntest. Aber willst du vielleicht trotzdem Frühstück? So als Entschuldigung fürs Wecken?“
Bob musste unweigerlich grinsen – auch wenn es sicherlich ein sehr verschlafenes Grinsen war. Er würde Peter wahrscheinlich nicht einmal sauer sein können, wenn er ihn mitten in der Nacht aufweckte. „Na dann zeig mal her, Zweiter. Hast du wenigstens Croissants am Start?“
Peter grinste zurück. „Na klar, was denkst du denn? Ich kenn‘ doch meinen Bob!“
Meinen Bob. Bob fragte sich, ob er diesen Ausdruck jemals so aus Peters Mund gehört hatte. Das so zu hören, löste Schmetterlinge in seinem Bauch aus. Schmetterlinge, die da definitiv nicht hingehörten. Sich falsche Hoffnungen zu machen, würde ihm auf lange Sicht nur weh tun. Am besten, er unterdrückte sie schon, sobald sie nur aufkamen.
„Na los, rutsch mal rüber“, sagte Peter nun ungeduldig und stupste Bob sanft in die Seite.
Bob gehorchte und ließ Peter auf seinem Bett Platz nehmen. So groß war sein Bett nicht, deshalb saßen sie nun Schulter an Schulter an der Rückenlehne, während Peter begann, in der Tüte zu wühlen. Seine Mutter würde die Krümel auf der Bettdecke sicher nicht toll finden, aber das war jetzt egal.
„Gib mir erstmal den Kaffee, Peterchen“, entschied Bob. „Sonst kann ich nicht denken.“
„Du sollst ja auch noch nicht denken. Du sollst mir vor allem sagen, wie es dir geht.“
„Ach, keine Ahnung!“, sagte Bob mit einem Seufzer. „Ich glaub, ich hab‘ mich da die Tage jetzt einfach ein bisschen reingesteigert. Ich weiß ja eigentlich, dass ich mich auf euch verlassen kann. Aber ich glaube, ich habe einfach ein bisschen Angst vor dem Großen und Unbekannten. Ich weiß ja, dass ihr auch da sein werdet und mich sicher nicht im Stich lasst. Wir kennen und ja schon ewig. Aber es war jetzt so lange alles genau gleich. Wir gehen zur Schule, wir lösen Fälle und wir sind einfach ein unschlagbares Team zu dritt. Das fühlt sich an, als wären es Jahrzehnte gewesen statt die wenigen Jahre, die es tatsächlich waren. Mein Kopf kann sich nicht so recht damit abfinden, dass sich jetzt alles verändern wird.“
Eigentlich war es ein wenig albern, dachte Bob. Los Angeles war nun wirklich nicht weit weg und sie würden ja alle drei an die gleiche Uni gehen. Einiges würde doch immer noch gleich bleiben.
„Hm, macht Sinn“, antwortete Peter nun. Scheinbar verstand er die Gedanken von Bob trotzdem. Auch wenn es eigentlich albern war. „Ich finde das auch alles ziemlich aufregend. Aber doch auch irgendwie positiv, oder? Wir leben nicht mehr bei unseren Eltern, müssen nicht mehr für alles um Erlaubnis fragen und können so lang, wie wir wollen an irgendwelchen Fällen knobeln.“
Bob lachte auf. „Ja, das stimmt. Und ich freu mich auch auf das Studium. Das wird sicher total spannend.“
„Richtig! Du hast immer davon geträumt, Journalist zu werden“, gab Peter zurück. „Und vielleicht lernst du ja auch neue Leute kennen. Vielleicht kannst du sogar endlich mal wieder ein bisschen daten, das hast du ja jetzt eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gemacht.“
Bob verzog das Gesicht. „Ja, vielleicht.“
Mal wieder einer der vielen Beweise, dass Peter wirklich gar nichts ahnte. Bob hatte tatsächlich seit fast zwei Jahren kein einziges Mädchen mehr gedatet. Nicht weil er keine Angebote gehabt hätte – Justus wies ihn ja ständig darauf hin, wie beliebt er bei den Mädchen war – sondern weil er irgendwann gemerkt hatte, dass es mit Mädchen generell einfach nichts werden würde. Nach dieser Erkenntnis hatte er tatsächlich später kurz mal einen Freund gehabt. Das hatte aber auch nur so lange gehalten, bis der bemerkte, dass Bob eigentlich in Peter verliebt war. Es hatte ganze zwei Wochen gehalten. Seinen Kollegen hatte er davon natürlich nichts erzählt.
Vielleicht war es gar nicht so schlecht, mal von zu Hause wegzuziehen und ein bisschen eigenständiger zu werden. Vielleicht würde er auch so über Peter hinwegkommen: ein bisschen in die queere Szene kommen, sich langsam aber sicher outen, ein paar Kerle kennenlernen und sich vielleicht mit etwas Glück irgendwann doch in jemand anderes verlieben.
Jetzt gerade schien Bob das alles jedoch völlig unmöglich. Jetzt gerade, wie er hier saß, mit Peter und ihrem gemeinsamen Frühstück im Bett, lag das alles in einer völlig utopischen und unerreichbaren Traumwelt. Und wie sollte jemals irgendjemand Peter, der einfach so mal mit Frühstück vorbeigekommen war, um zu schauen, wie es ihm ging, das Wasser reichen können?
Entgegen aller Vernunft, die er aufzubringen versuchte, legte Bob seinen Kopf auf Peters Schulter ab. Er konnte einfach nicht anders. Er musste ihm näher sein.
Einerseits bereute er seine Entscheidung sofort. Andererseits fühlte er sich bei ihm einfach so geborgen. Der Unterschied in ihrer Körpergröße machte diese Position einfach perfekt. Sein Kopf passte genau dahin, wo Peters Schulter endete.
Zu allem Überfluss legte ihm nun Peter seinen Arm um die Schulter. Es fügte sich einfach perfekt, wie sie da saßen. Als würde es genau so gehören. Jede einzelne Körperzelle, die mit Peter in Berührung war, kribbelte und wollte mehr.
Am liebsten hätte Bob das Frühstück vom Bett geschoben, um seinen ganzen Körper in Peters Umarmung zu vergraben. Aber das würde einfach zu weit gehen. Damit würde er sich sofort verraten. Er musste sich hier und jetzt mit dem zufrieden geben, was er hatte.
Was er hatte, war ein sehr guter Freund, der für ihn da war.
Mehr nicht.
Notes:
Sagt mir gern, was ihr denkt, in den Kommentaren <3
Chapter 5: Kapitel 5: Die erste Lagebesprechung
Summary:
Eine Menge Recherche und ein paar vielsagende Blickwechsel.
Notes:
So, jetzt komme ich endlich dazu, dieses Kapitel mal hochzuladen. Diesmal wieder mit ein bisschen mehr Handlung über den Fall. Ich hoffe die ganzen Namen verschrecken euch nicht, die werden noch aussortiert und ihr müsst sie euch nicht alle merken. :) Viel Spaß!
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Kollegen, da seid ihr ja endlich!“, rief Justus ungeduldig, als Bob und Peter um 11:07 Uhr gemeinsam die Zentrale betraten.
„Sieben Minuten, Justus, sieben Minuten! Das ist echt nicht viel“, antwortete Peter mit einem Augenrollen. „Außerdem haben wir Sonntag. Und Bob hat ewig gebraucht, um sein Outfit des Tages zu wählen.“
„Hey!“, sagte Bob und warf Peter einen miesepetrigen Blick zu.
„Doch, doch, ganz ehrlich. Ihr wart doch diejenigen, die mich gestern wegen meiner Haare getriezt haben. Aber ich hab‘ mir das heute genau angeschaut: Bob braucht mindestens genauso lang, sich die Kontaktlinsen reinzumachen und dann nochmal doppelt so lang, um sich für das richtige Outfit zu entscheiden.“
Justus schaute zwischen den beiden hin und her und zog die Augenbrauen hoch. Ihm schien eine Frage auf der Zunge zu liegen, die er dann aber doch nicht fragte.
Bob hätte gern nochmal betont, dass seine Lieblingshose in der Wäsche war und dass er normalerweise schneller war, aber sicherlich hätte das nur noch zu weiteren Kommentaren geführt. Vielleicht wäre es besser, sich jetzt einfach wieder dem Fall zuzuwenden. Vor allem wollte er ungern Justus erklären müssen, warum Peter dabei war, als er sich heute Morgen angezogen hatte. Er wollte definitiv nicht noch einmal seine Zukunftssorgen exerzieren. Entschlossen setzte er seinen Rucksack ab und platzierte ihn vorsichtig auf dem Boden.
„Also Kollegen, ich habe gestern, nachdem ich euch nach Hause gebracht habe, noch mit der Erlaubnis meines Vaters einen großen Industriedrucker bei der LA Post benutzen dürfen und habe uns die Fotos, die ich von der großen Pinnwand gemacht habe, ausgedruckt. Das ist jetzt zwar nur schwarz-weiß und nicht ganz so riesig – sonst hätte ich Geld bezahlen müssen – aber ich denke, man kann alles lesen.“
„Sehr gut, Bob“, lobte Justus. „Zeig mal her!“
Bob zog die große Papprolle aus seinem Rucksack und holte mehrere große Zettel heraus. „Wir müssen die natürlich noch zusammenkleben, dazu bin ich noch nicht gekommen.“
Gemeinsam legten die drei die Ausdrucke aneinander und machten sich mit Tesafilm ans Werk. Es dauerte nicht besonders lang, bis sie eine der Wände ihrer Zentrale zu einer verkleinerten Version von Mr Wedlingtons Verschwörungswand zusammengepuzzelt hatten. Schließlich standen sie alle gemeinsam vor ihrem Werk und lasen sich die wichtigsten Stichpunkte noch einmal durch.
Justus schien schon wieder sehr in Gedanken vertieft zu sein. „Was wir auf jeden Fall brauchen, ob der Fülle an Informationen, die an uns herangetragen wurden, ist ein gut ausgeklügelter Plan“, murmelte er vor sich hin.
„Justus, es ist 11 Uhr vormittags. Du redest mir viel zu geschwollen für diese Uhrzeit“ antwortete Bob ihm lachend. „Aber du hast Recht. Wenn wir da jemals durchsteigen wollen, müssen wir da sehr systematisch dran gehen. Das denke ich auch.“
„Okay, aber ganz ehrlich: Vertrauen wir Mr Wedlington überhaupt?“, schob Peter nun ein. „Ich habe das Gefühl, vieles von dem, was er so glaubt, stimmt überhaupt nicht.“
„Zweifelsohne!“, antwortete ihm Justus. „Wir können nichts für bahre Münze nehmen. Wir müssen wahrlich alles, was uns Mr Wedlington an Informationen zuführt auf die Goldwaage legen. Aber uns ist ja sicherlich klar, dass an der Tigerauge-Sache doch irgendetwas dran sein muss, oder?“
„Ja, schon“, gab Peter zu. „Also das mit dem Tigerauge ist tatsächlich irgendwie verdächtig. Aber zum Beispiel das mit das mit dieser Tony, das muss doch ein Hirngespinst sein. Und locker die Hälfte seiner Verdächtigen sind doch bestimmt komplett unbeteiligt, oder?“
„Ja, die Vermutung habe ich auch“, stimme Justus ihm nachdenklich zu. „Mr Wedlington hat sehr viel Zeit damit verbracht, Menschen zu beschatten, die er für verdächtig hält. Einige davon scheinen mir auf den ersten Blick einigermaßen unbeteiligt zu sein. Aber wir können uns unmöglich sicher sein, bis wir es selbst verifiziert haben. Wir müssen in den nächsten Tagen zunächst allen Spuren nachgehen und sehen, wohin sie führen. Auch über Tony müssen wir Recherchen anstellen. Möglicherweise hat sie nichts damit zu tun, aber möglicherweise halt eben doch.“
„Und wie sollen wir das machen?“, jammerte Peter. „Die Frau ist seit fast 20 Jahren wie vom Erdboden verschluckt. Wenn er sie mit seiner ganzen Spionageausrüstung nicht gefunden hat, dann finden wir sie doch erst recht nicht!“
Peter hatte nicht ganz unrecht, fand Bob. Mr Wedlington hatte ihnen gestern noch ausführlich von Tony erzählt. Sie war seine Freundin gewesen, bevor sie vor 20 Jahren spurlos verschwunden war. So, wie es schien, war das Ganze von vornherein keine besonders stabile Beziehung gewesen – weshalb die Polizei damals auch davon ausgegangen war, dass Tony von selbst abgehauen war und nicht gefunden werden wollte. Mr Wedlington hatte zugegeben, dass er damals recht viel getrunken habe und oft wütend und unberechenbar geworden sei. Dennoch hatten er und Tony aber auch über gemeinsame Kinder nachgedacht und sich überlegt, dass sie ihren ersten Sohn Levi nennen wollten. Mr Wedlington hielt es selbst auch nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass Tony tatsächlich abgehauen war. Dennoch war er grundsätzlich eigentlich davon überzeugt, dass man sie entführt oder umgebracht hatte.
Außerdem hatte sie immer ein Amulett aus Tigerauge getragen. Dabei hatte sich Mr Wedlington zuerst nicht viel gedacht, aber ein Jahr nach Tonys Verschwinden fand er das Amulett beim Umgraben seines Gartens und das brachte das Fass zum Überlaufen. Ihm waren schon vorher manche Dinge komisch vorgekommen, doch ab dem Zeitpunkt hatte er angefangen, selbst Untersuchungen anzustellen.
„Eine Sache fuchst mich aber an der ganzen Geschichte“, sagte Bob nun. „Mr Wedlington hat zwar beteuert, dass er Tony gegenüber nie Gewalt angewendet hat, aber was ist, wenn er lügt? Oder vielleicht kann er sich einfach nicht mehr daran erinnern, was er im Suff alles gemacht hat. Was ist, wenn Tony abgehauen ist, um sich zu schützen? Vielleicht ist sie in irgendein Frauenhaus gegangen und wollte um alles in der Welt verhindern, dass Mr Wedlington sie findet. Dann würden wir sie doch in Gefahr bringen, wenn wir nach ihr suchen.“
Justus kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Hm“, murmelte er nachdenklich, „vielleicht hast du da tatsächlich einen guten Punkt angesprochen – auch wenn ich zunächst einmal nicht vermute, dass wir es hier mit einem Fall von häuslicher Gewalt zu tun haben. Mr Wedlington scheint mir zwar etwas sprunghaft und auch ein wenig verrückt zu sein, aber er wirkt auf mich überhaupt nicht gewalttätig. Allerdings sollten wir das im Hinterkopf behalten. So ein Eindruck kann einen ja durchaus täuschen. Sollten wir tatsächlich Tony finden, oder ihr auf die Spur kommen, sollten wir sicherstellen, dass wir zuerst mit ihr reden, bevor wir Mr Wedlington auf sie aufmerksam machen. Wer weiß, was für Gründe sie hatte, spurlos zu verschwinden.“
„Okay, aber ihr redet jetzt schon, als wäre diese Tony tatsächlich quietschfidel und von selbst gegangen“, sagte Peter jetzt mit einem etwas ängstlichen Unterton. „Was ist denn, wenn sie tatsächlich von diesen Tigerauge-Leuten umgebracht oder entführt wurde? Ist das nicht alles eine Nummer zu groß für uns?“
„Wenn es denn tatsächlich um eine derart langwierige Entführung oder Mord ginge, dann wäre das wirklich außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs, da gebe ich dir Recht, Zweiter. Wir hatten ja schon manchmal mit Entführungen zu tun, aber eine 20-jährige Gefangenschaft wäre durchaus etwas zu hoch gepokert für unser kleines Detektivbüro“, sagte Justus. „Aber ich glaube nicht, dass es das ist. Überleg doch mal! Die Polizei hat es ja überhaupt nicht für notwendig gehalten, irgendwie zu ermitteln. Klar kann die Polizei auch mal Fehler machen, aber so eindeutig, wie die das eingestuft haben, würde ich jetzt erstmal auf deren Urteil vertrauen wollen und nicht auf die schlimmsten Vorstellungen von Mr Wedlington.“
„Vielleicht wäre es sinnvoll, Inspektor Cotta nach dem Fall zu fragen. Der könnte doch mal bei den örtlichen Kollegen für uns nachhaken“, warf Bob ein.
„Ausgezeichnete Idee!“, lobte Justus. „Das kommt auf jeden Fall weit nach oben auf unsere Prioritätenliste. Dann können wir vielleicht besser einschätzen, mit was wir es hier zu tun haben. Einen Mord oder eine Entführung sollten wir möglichst schnell ausschließen, bevor wir uns in Gefahr bringen. Da gebe ich dir dieses Mal ausnahmsweise Recht, Peter.“
„Mensch“, lachte Bob, „das sollten wir uns rot in den Kalender schreiben, denkst du nicht, Peter? Der Tag, an dem unser Erster auf die Warnungen unseres Zweiten hört. Wahrlich historisch!“
Justus und Peter lachten. Aber Peter sah immer noch nicht so ganz zufrieden aus. „Eine Sache wurmt mich aber immer noch“, sagte Peter zögerlich. „Das mit den Westen: Rechnen wir tatsächlich damit, dass jemand auf uns schießt?“
Bob merkte Peter seine Angst deutlich an. Er schien echt besorgt zu sein. In Bob machte sich ein Bedürfnis breit, ihm Zusicherung und Schutz zu geben – wie immer, wenn es dem Zweiten so ging. „Ich muss ganz ehrlich sagen, Peter, dass ich es für nicht so dramatisch halte“, pflichtete er ihm bei. „Es gibt zwar unter Mr Wedlingtons Verdächtigen einige, die regelmäßig eine Waffe bei sich haben, aber das ist hier in den Staaten ja normal. Viele Leute haben Waffen. Mr Wedlington hat ja selbst gesagt, dass auf ihn noch nie geschossen wurde. Er denkt nur, dass es irgendwann passieren könnte, weil er denkt, dass diese ganzen Leute ihn auf dem Kieker haben. Aber vielleicht wissen diese Leute ja nicht mal, wer er überhaupt ist.“
„Ich stimme dir zu, Bob“, sagte Justus. „Dennoch finde ich, dass wir es mit einer recht hohen Dichte von Verdächtigen zu tun haben, die open-carry-Waffen tragen. Ich würde bei Observationen und bei Besuchen bei Mr Wedlington tatsächlich weiterhin die Westen tragen. Nachher hat er doch Recht und wir waren zu leichtsinnig.“
„Mir gefällt das alles überhaupt nicht“, quengelte Peter.
„Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, Peter. Es wird schon niemand auf uns schießen.“
Bob hoffte wirklich, dass Justus damit Recht behielt. Dieser Fall war so unberechenbar. Auf nichts konnte man sich bisher verlassen. Es gab einen riesigen Berg an Infos, aber alle davon stammten von einem Beobachter, der in seiner Zuverlässigkeit höchst fragwürdig war. Dass Peter von all dem verunsichert war, konnte Bob sehr gut verstehen.
„Na gut“, sagte Peter nun leise. „Aber wenn wir Leute observieren, die eine Waffe haben, will ich möglichst weit weg von denen bleiben, oder ihr macht das ohne mich und ich mach dann einfach mehr Recherche oder so.“
„Das ist ohnehin eine nicht so schlechte Idee“, murmelte Justus vor sich hin. Dann sprach er etwas entschiedener: „Ja, so machen wir es. Also, dieses Mal ist der Rechercheteil der Detektivarbeit ja eh am größten. Dann kannst du, Peter, Bob etwas mehr zur Hand gehen, und ich gehe vielleicht ab und zu mal alleine auf Außeneinsätze.“
„Na, das ist doch aber auch blöd“, warf Bob ein. „Gerade wenn es gefährlich ist, solltest du nicht allein sein.“
„Naja“, antwortete Justus, „wir können ja per Handy in Kontakt bleiben und das Telefonat nebenbei laufen lassen. Und ich sage euch immer, wo ich bin, damit ihr mir zur Not helfen könnt.“
„Wie viele Leute betrifft das denn überhaupt?“, fragte Bob. „Wer hat denn alles eine Waffe?“
Justus nahm einen gelben Textmarker zur Hand und suchte mit seinem Blick die gebastelte Verschwörungswand ab. „Also hier“ – er kreiste ein Foto eines Mannes ein – „ist Tonys Bruder Rick. Der besitzt wohl Waffen zu Hause, trägt sie aber nicht mit sich herum, wenn ich das richtig verstanden habe.“
„Ja, so habe ich das auch verstanden“, bestätigte Bob. „Dann gibt es außerdem diesen Kerl namens Fred Gilberts, diesen recht alten Mann mit dem Schnauzer. Der hat immer eine Pistole dabei, weil er so ein Hilfssheriff ist.“
Justus markerte nun auch ihn auf dem Papier an.
„Dieser Fred hat doch auch eine Frau, die auch immer auf den Fotos mit Waffen posiert, oder?“, sagte Peter.
„Ja, genau, Kaitlyn“, sagte Bob. „Die sieht echt ein bisschen verrückt aus, finde ich. So als würde sie an Wochenenden mit ihren Waffen in ihr eigenes Waldgrundstück fahren und da rumballern.“
„Macht sie vermutlich auch“, sagte Peter nüchtern. „Aber das geht mir bei vielen von denen so. Die Familienangehörigen von diesem Fred sind doch alle so Rednecks, oder? Und dann gibt es noch diese Annalise, die angeblich früher mit Tony befreundet war und die anderen aus der Truppe. Davon haben auch welche Waffen.“
„Ja, Annalise trägt eine und zwei andere Frauen im Alter von Tony auch. Silvia und Delia“, bestätigte Justus. „Aber die anderen Leute aus der Clique haben keine. Also Kevin hat keine und Cal und Sally auch nicht.“
„Dieser Professor an der Uni und der Journalist sind aber auch ungefährlich“, warf Bob ein.
„Zumindest scheint es erstmal so“, sagt Peter. „Mr Wedlington wird schon auch irgendwelche Gründe haben, dass er die alle so lang observiert hat.“
„Ja, ich bin mir sicher, dass ich den Grund auch weiß. Das hat er gemacht, damit wir ganz viel zu tun haben und bloß nicht ans Umziehen denken“, witzelte Bob.
„Ganz ehrlich, mir ist schon ganz schwindelig von diesen ganzen Namen“, stimmte Peter ihm zu. „Wie soll man sich das denn alles merken?“
„Wir müssen das langsam angehen, Kollegen“, sagte Justus. „Wir müssen über die nächsten Tage das ganze Material sichten, das uns Mr Wedlington ja zum Glück auf einer externen Festplatte zur Verfügung gestellt hat. Das wird eine Weile dauern und wir sollten das am besten alle drei machen, damit wir uns die Leute aufteilen können. Wir müssen herausfinden, wer von den ganzen Leuten tatsächlich interessant für den Fall ist und wer nicht. Davor haben wir allerdings noch ein paar Prioritäten: Ich werde mich bei Cotta erkundigen, was der über Tonys Fall herausfinden kann. Du, Bob, musst herausfinden, was genau in dem Museum damals ausgestellt wurde. Wir müssen erfahren, was die Person, die dort eingebrochen ist, gesucht haben könnte. Und du, Peter, erstellst uns eine Übersicht, wo die Tigerauge-Amulette und der Name „Tigerauge“ tatsächlich aufgetaucht sind in den letzten Jahren. Der Einbruch war ja nicht die einzige Begebenheit.“
Klingt nach einem Kinderspiel, dachte Bob. Wenn es weiter nichts ist. Er überlegte, ob sie jemals einen so aufwändigen Fall gehabt hatten. Die meisten ihrer Aufträge waren immer spätestens in ein paar Tagen abgefrühstückt gewesen. Dass sie an einem so großen Unternehmen saßen, hatte schon fast etwas Erwachsenes. Ein Fall, in dem man sich erst einmal einlesen musste, der einen für längere Zeit begleitete, war etwas, das Bob immer mit älteren, erfahrenen Detektiven in Verbindung gebracht hatte. Aber jetzt war das ihr Fall. Sie waren die erwachsenen Detektive.
Während Bob auf dem Boden seinen Laptop öffnete, um das Museum in Calabasas zu recherchieren, schaute er hoch zu Peter, der sich am PC platziert hatte und die Daten der Festplatte auf den Rechner übertrug. Peter war immer derjenige gewesen, der mit Technik am wenigsten anfangen konnte. Die Grundlagen hatte er aber dann doch irgendwann gelernt. An der Uni würde er sicher sonst völlig aufgeschmissen sein. Dennoch sah Bob ihm an, dass er sehr konzentriert bei dieser einfachen Aufgabe war. Seine Zunge schaute ein bisschen zwischen den Lippen hindurch und seine Augenbrauen waren zusammengezogen. Es war irgendwie süß, wie er sich so anstrengte.
Bob bemerkte, wie Justus ihn von der Seite anstarrte. Der Erste hatte seinen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen auf ihn gerichtet. Es war wieder so, als würde er eigentlich gern eine Frage stellen. Bob merkte, dass er etwas errötete, als wäre er bei etwas verbotenem erwischt worden. Mit einem Schulterzucken versuchte er, Justus möglichst unbeteiligt zu vermitteln, dass es nichts zu sehen gab. Gab es ja auch nicht. Er sollte er sich vielleicht einfach seiner Recherche zuwenden – es gab schließlich genug zu tun.
Notes:
Schreibt mir Kommentare, let me know what you thiiiiink <3
Chapter 6: Kapitel 6: Der Schwimmausflug
Summary:
Aufregende Dinge.
Chapter Text
Als Bob am Dienstagmorgen aus dem Auto stieg und sich mit Frühstück bewaffnet auf den Weg zur Zentrale machte, knallte die Sonne schon gewaltig auf seinen Hinterkopf. Sie steckten jetzt bereits seit über einer Woche tief in den Recherchen und langsam konnten sie ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Bald würden sie mit allem Material durch sein.
Das Wetter war die ganze Zeit über fantastisch gewesen. Bob war sich sicher, dass Peter viel lieber mit Jeffrey beim Surfen gewesen wäre, als mit ihm in der stickigen Zentrale zu sitzen und Notizen zu lesen. Aber er hatte sich nie beschwert. Jeden Morgen, war er mit einem Grinsen im Gesicht in der Zentrale erschienen und hatte mit Bob Seiten um Seiten eingescannte Notizhefte und Zeitungsschnipsel durchwühlt.
Bob öffnete die Tür zur Zentrale und wurde von einer Welle stickiger Luft empfangen.
„Mensch, Peter, hier kann man ja kaum atmen!“
Peter antwortete ihm nicht. Er saß vor dem PC, hatte Kopfhörer auf und schien sehr vertieft zu sein. Bob ging vorsichtig auf ihn zu – in der Hoffnung, ihn nicht aufzuschrecken – und legte ihm die Hand auf die Schulter. Peter zuckte nur kurz ein wenig zusammen und wusste die Hand dann aber offenbar schnell zuzuordnen, denn er nahm die Kopfhörer ab und lehnte seinen Kopf nach hinten – gegen Bobs Bauch – und schaute müde lächelnd zu ihm hoch.
„Sag mal, hast du die Nacht hier verbracht?“, fragte Bob und fuhr sanft mit seinen Fingern durch Peters rotbraune Haare. Er hatte sich einfach nicht zurückhalten können.
Peter schien die zärtliche Geste allerdings weder zu verwundern noch zu stören. Er schloss kurz die Augen und gähnte laut. „Ja, ich hab ein paar Sachen gefunden und da wollte ich nicht aufhören. Ich hab auch ein paar Stunden geschlafen, aber jetzt ist Justus gerade dabei, Tonys Bruder Rick zu beschatten. Dafür wollte ich zumindest wach und bereit sein.“
„Um die Uhrzeit?“ Bob riss sich von Peters Nähe los und öffnete mit einer schnellen Handbewegung ein Fenster. Dann ließ er sich unsanft auf die kleine Couch fallen. Es war nicht einmal neun Uhr. Warum war Just jetzt schon dabei, jemanden zu beschatten?
„Ja, gestern Abend haben wir ein paar Lücken in Ricks Observations-Logs gefunden“, erklärte Peter. „Manchmal braucht er einfach Stunden, um von der Arbeit nach Hause zu kommen und umgekehrt. Aber der Weg dauert eigentlich maximal eine halbe Stunde. Bei viel Verkehr vielleicht etwas mehr, aber mehrere Stunden kann er wirklich unmöglich brauchen. Mr Wedlington hat scheinbar auch manchmal versucht, ihn unauffällig zu verfolgen, aber er hat sich immer abhängen lassen. Also entweder, Rick ist wahnsinnig gut im Nicht-beschattet-Werden oder Mr Wedlington ist ‘ne absolute Niete im Beschatten.“
„Naja, dieser Rick hat doch bestimmt auch ein Privatleben, oder?“, konterte Bob. „Vielleicht macht er Sport oder besucht Freunde.“
„Ja, oder es ist irgendetwas ganz Ungewöhnliches, wie ein Häkelklub oder ein Schachverein“, antwortete Peter grinsend. „Allerdings gibt es auch ein paar Logs, in denen er tatsächlich im Boxclub war oder zu Freunden gefahren ist, die Mr Wedlington auf der Liste mit seinem Umfeld vermerkt hat. Trotzdem sind da diese Lücken. Vielleicht ist es nichts, aber vielleicht eben doch.“
„Und Just will das jetzt überprüfen?“
„Ja genau. Er ist heute Morgen um halb sechs hier los. Er hat eben schon einmal angerufen, meinte aber, dass Rick bis jetzt noch nicht das Haus verlassen hat. Immer, wenn Rick bisher auf dem Weg verschwunden ist, ist er auch etwas früher aus dem Haus gegangen. Wenn er bis jetzt nicht los ist, dann denke ich mal, dass heute nichts Auffälliges passieren wird.“
Peter streckte sich ausführlich in alle Richtungen und Bob musste unweigerlich auf die Stelle an dessen Körper schauen, an dem sich sein T-Shirt anhob und den Blick auf seinen sportlich geformten Bauch freimachte. Bob spürte, wie es ihm langsam zusetzte, dass er Peter momentan beinahe ganztägig um sich herum hatte. Es fiel ihm immer schwerer, sich abzugrenzen und sich nicht einzubilden, dass es doch immer so sein könnte – dass sie einfach in jeder freien Minute Zeit miteinander verbächten. Er erwischte sich immer wieder dabei, wie er davon träumte, sie würden ihre zukünftigen, erwachsenen Leben führen, mit eigenen Jobs und Interessen, aber am Ende des Tages würde der Andere einfach immer zu Hause auf ihn warten und am nächsten Tag neben ihm aufwachen.
‚Im College brauche ich dringend etwas Abstand‘, dachte sich Bob nun zum wiederholten Male. ‚Irgendwann werde ich über ihn hinwegkommen.‘
„Wir haben uns da an der Sache seit gestern Abend irgendwie festgebissen“, fuhr Peter nun unbehelligt fort. Scheinbar hatte er Bobs Abschweifen überhaupt nicht bemerkt. „Gestern Abend wollten wir ja eigentlich auch direkt gehen, als du nach Hause gegangen bist. Aber dann sind wir über die ersten paar Lücken in Ricks Observationen gestolpert. Und dann haben wir noch mehr davon gefunden. Deshalb wollte Just auch gleich heute los und ihn beobachten. Ich hab dann gestern Abend noch angefangen, nach Lücken bei anderen Verdächtigen zu suchen und bin auch fündig geworden. Diese Delia aus der früheren Freundesgruppe von Tony hat auch genau die gleichen Lücken wie Rick. Und ich bin mir sicher, dass wir noch mehr finden werden. Wir wissen ja jetzt, wonach wir suchen. Es sieht wirklich genau gleich aus. Sie fahren zu Hause los und kommen Stunden später auf der Arbeit an, ohne dass es Mr Wedlington gelungen ist, ihnen zu folgen. Oder eben andersherum. Sie fahren von der Arbeit los und kommen erst Stunden später zu Hause an. Das ist doch verrückt, oder?“
„Das ist tatsächlich erstaunlich!“, antwortete Bob.
„Ja, da staunst du nicht schlecht, Bobbele, was?“ Peter grinste ihn mit funkelnden Augen an.
„Solide Recherchearbeit!“, lobte ihn Bob. „Dann will ich da mal so schnell es geht einsteigen. Soll ich bei den anderen Leuten aus der Freundesgruppe weitermachen? Wie hießen die nochmal alle?“
„Ehm“ – Peter schaute suchend zu ihrer Verschwörungswand hoch. – „Da gibt es Cal und Sally, dann gibt es einen Kevin und dann noch drei Frauen: Silvia, Annalise und Delia.“
„In Ordnung. An dieser Delia sitzt du dran, richtig?“
„Ja, genau!“, bestätigte Peter. „Ich sollte aber bald durch sein. Du kannst dir aussuchen, bei wem du anfangen willst.“
„Gut“, sagte Bob, „dann beginne ich bei diesem Kevin.“
„Aber erst“, – Peter erhob sich aus dem Schreibtischstuhl und setzte sich im Schneidersitz auf das Sofa auf dem Bob saß. – „essen wir! Wenn mein wahnsinnig umsichtiger Lieblings-Recherchen-und-Archiv-Detektiv mir schon so großzügig das Frühstück ans Bett bringt, muss es doch auch anständig genossen werden.“
Wieder lächelte Peter ihn so funkelnd an, dass Bob spürte, wie er ein bisschen rot wurde.
„Beim Kaufen dieses Frühstücks wusste dein Lieblings-Recherchen-und-Archiv-Detektiv ja noch gar nicht, dass sein Lieblings-Zweiter-Detektiv die Nacht in der Zentrale verbracht hat“, gab er mit einem seinerseits verschmitzten Lächeln zurück. „Aber mir gefällt das ganz gut, dass wir uns in letzter Zeit damit abzuwechseln scheinen, uns Essen ans Bett zu liefern wie so ein Ehepärchen in den Flitterwochen. Ist auf jeden Fall sehr romantisch.“
„Könnte ich mich auf jeden Fall dran gewöhnen“, feixte Peter und hielt dabei Bobs Blick so lange, dass Bob bemerkte, wie es ihm ganz warm wurde. War es hier drin schon die ganze Zeit so warm gewesen? Bob sollte wirklich aufhören, mit Peter zu flirten, wenn er dann so unvorbereitet darauf war, dass Peter das als Anlass nutzen würde, scherzhaft zurückzuflirten. Oder war es Peter, der angefangen hatte? In seiner Überforderung war es Bob nun bei aller Liebe nicht mehr möglich, die Situation noch einmal zu rekonstruieren. Vielleicht sollte er sich einfach auf das Frühstück und die bevorstehende Recherche konzentrieren.
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Bob war irgendwann auf dem Boden gelandet. Nachdem er über Stunden jede mögliche Sitzposition auf dem Sofa ausgesessen hatte, hatte er sich irgendwann mit dem Bauch auf den Boden gelegt und hatte dort weiter auf den Laptop geschaut. Peter saß noch immer auf dem Schreibtischstuhl, saß aber ein bisschen schief auf dem einen Bein, während das andere locker herunterbaumelte und gelegentlich mit Bobs Füßen spielte. Bob fragte sich, ob es wohl Absicht war, dass er ihn immer wieder berührte. Vermutlich merkte Peter es gar nicht. Bob hingegen durchzuckte jede einzelne Berührung den ganzen Körper. Jedes Mal musste er von neuem seine Konzentration wiedergewinnen.
Sie waren mittlerweile die ganze alte Freundesgruppe von Tony durchgegangen. Die Suche nach Observationslücken war bei Sally und Cal, sowie bei Kevin, erfolglos geblieben. Annalise und Silvia hatten allerdings die gleichen Lücken, die sie zuvor auch bei Rick und Delia gefunden hatten. Wenn sie bei allen vieren – Rick, Delia, Silvia und Annalise – herausfinden wollten, wohin sie zu diesen Zeiten gingen, würde das viele Tage Observationsarbeit mit sich bringen.
Spätestens jetzt war es also entschieden: Sie würden den Fall mit ans College nehmen. Sofern sie nicht in den nächsten paar Tagen durch Zufall die richtige Person zur richtigen Zeit observierten, würde sich das Ganze hier noch eine Weile hinziehen. Sie wussten ja nicht einmal, bei wem sie anfangen sollten.
Bob steckte gerade in den Observationslogs von Fred Gilbert, dem alten Mann mit dem Schnauzer, der ziemlich in der Mitte der Verschwörungswand dick eingekreist war, als ihn Schritte vor der Zentrale aus den Gedanken rissen. Prompt wurde die Tür schwungvoll aufgeworfen und ein aufgewühlt aussehender Justus stand tropfnass auf der Schwelle.
„Kollegen, ihr glaubt nicht, was mir eben passiert ist!“, rief er ein wenig zu laut für den kleinen Raum.
Peter und Bob schauten ihn entsetzt an. „Justus, du bist ja ganz nass!“, raunte Peter besorgt.
„Das ist jetzt egal, Kollegen“, antwortete Justus. „Es ist eh warm, ich werde mich sicherlich nicht erkälten. Dafür muss ich euch zu dringend von den Geschehnissen berichten.“
Bob und Peter schauten nur wortlos zu ihm hoch. Ihn zu unterbrechen war eh sinnlos.
„Also“, setzte der erste Detektiv nun wieder an, „ich habe mich ja vor Ricks Haus positioniert, wie besprochen.“ – Während er weitersprach, nahm er sich eine Mülltüte aus dem Regal und breitete sie auf dem Sofa aus, um sich dann erschöpft auf ihr fallen zu lassen. Eigentlich eine schlaue Idee, aber seinen Rücken lehnte er trotzdem gegen die ungeschützte Sofalehne, die nun ohne Zweifel das Wasser nur so aufsaugte. – „Er ist ewig nicht aus dem Haus gegangen. Deshalb dachte ich schon, dass er heute sicherlich direkt zur Arbeit fahren würde und ich sicherlich nichts Spannendes zu sehen bekommen würde. Aber als er dann um halb 10 das Haus verließ, bin ich ihm dennoch gefolgt.“
Er machte eine dramatische Pause. Peter schien das nicht zu gefallen. „Ja, und? Was ist dann passiert, Just? Spuck es schon aus.“
„Geduld, Zweiter!“, antwortete ihm Justus in seiner gewohnten Ich-spanne-alle-auf-die-Folter-Art. „Dazu komme ich ja jetzt. Ich bin ihm also nachgefahren und es hat nicht lange gedauert, bis wir irgendwann tief im Wald waren. Das war definitiv nicht der Weg zu seiner Arbeit, denn er arbeitet ja schließlich in Los Angeles. Irgendwann ist er dann rechts ran gefahren. Ich habe mein Auto ein paar hundert Meter entfernt geparkt, in der Hoffnung, dass er mich nicht sieht, und bin dann zu Fuß zwischen den Bäumen in seine Richtung, um zu schauen, wohin er geht. Aber ich habe ihn nicht gefunden. Ich war mir so sicher, dass er aus seinem Auto ausgestiegen war, aber ich habe weit und breit niemanden gesehen.“
„Sag mal, Just“, unterbrach Bob ihn nun, „wolltest du und nicht eigentlich per Telefon auf dem Laufenden halten? Der Kerl hat doch eine Waffe! Warum hast du nichts gesagt?“
„Kein Empfang, Kollegen! Wir waren mitten im Wald“, antwortete der Erste ihm beiläufig, so als sei das alles überhaupt kein Problem gewesen. „Wie dem auch sei, auf einmal stand Rick tatsächlich mit gezückter Waffe hinter mir.“
„Bitte was?“, entfuhr es Peter mit entsetzter Stimme.
„Ich weiß, ich weiß“, sagte Justus. „Damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Ich hatte zwar meine Weste unter meinem T-Shirt an, aber die hätte mir auch nicht geholfen – er hat mir nämlich den Revolver an den Kopf gehalten.“
„Und dann?“, sagte Peter leise.
„Dann wollte er wissen, wer ich bin und was ich von ihm will, und meinte, er kann es nicht leiden, verfolgt zu werden. Ich kann mir nicht erklären, wie er mich überhaupt bemerkt hat. Ich war wahnsinnig vorsichtig.“
„Scheinbar nicht vorsichtig genug“, sagte Peter. „Hast du dich ihm irgendwie erklärt?“
„Mitnichten“, antwortete Justus. „Ich denke, wenn er herausgefunden hätte, dass ich Detektiv bin, hätte das nur zu noch mehr Missmut geführt. Ich habe mich also dumm gestellt und gesagt, mein Name sei Eric Miller und ich wollte im Wald lediglich meine Blase erleichtern.“
„Eric Miller? Das hat er dir natürlich nicht geglaubt, oder?“ hakte Bob nach.
„Nein, natürlich nicht“, sagte Justus. „Er hat mich dann mit seiner Waffe gezwungen zu dem See zu gehen, der hinter den Bäumen war und ist mit mir auf den langen Steg gegangen. Dort hat er dann gesagt, ich soll ins Wasser springen. Als ich nicht sofort gesprungen bin, hat er seine Waffe einmal neben meinem Kopf abgefeuert und gesagt, das sei ein Warnschuss gewesen. Daraufhin habe ich dann seinem Befehl folge geleistet und bin ins Wasser gesprungen. Bis ich mich mit meiner schweren Weste mal wieder zurück ans Ufer gekämpft hatte, war Rick schon lange über alle Berge.“
„Das – das ist ja…“, stammelte Peter. „Just, das war quasi eine Morddrohung.“
„Ach Quatsch, Peter“, sagte Justus. „Er wollte mich nur loswerden. Während ich den ganzen Steg entlang zurück ans Seeufer schwimmen musste, hatte er genug Zeit, sich in aller Seelenruhe aus dem Staub zu machen.“
„Das gefällt mir alles überhaupt nicht“, beharrte Peter. „Hast du wenigstens Inspektor Cotta Bescheid gesagt? Wir sollten diesen Fall doch an die Polizei abgeben.“
„Mensch, Peter“, sagte Justus nun beleidigt, „wenn ich Anzeige gegen ihn erstatten würde, würde er doch herausfinden, wer ich bin. Das würde unsere Lage nicht gerade verbessern. Ich bin der Ansicht, wir sollten das für uns behalten. Wir können uns ja erstmal eine Weile von Rick fernhalten und nur so über ihn recherchieren, dass er es nicht mitbekommt. Währenddessen machen wir bei anderen Leuten weiter. Habt ihr bei anderen Personen auch noch Lücken in den Observationen gefunden, wie Peter und ich es gestern Abend vermutet haben?“
„Ja, haben wir tatsächlich“, antwortete Bob ihm. Peter sah immer noch zu erschüttert aus. Er hatte seine Sorgen definitiv noch nicht überwunden. „Bei Delia habt ihr ja gestern auch schon welche gefunden. Heute haben Peter und ich noch welche bei Annalise und Silvia gefunden. Aber bei ein paar Leuten gab es nichts dergleichen. Aber wir haben noch lange nicht alle durch.“
„Gut, dann wissen wir ja, bei welchen Leuten wir weitermachen können“, sagte Justus erfreut. „Dann werde ich mich jetzt mal unter die Dusche stellen. Bis gleich, Kollegen!“
Damit stand der erste Detektiv schwungvoll von seiner Plastiktüte auf und verschwand aus der Zentrale. Zurück blieb nur ein Fleck auf der Sofalehne, eine nasse Plastiktüte, ein sehr verunsicherter Peter und ein verdutzter Bob.
Peter und Bob schwiegen eine Weile und ließen die Ereignisse auf sich wirken. Nach vielleicht einer Minute oder vielleicht zehn – Bob wusste wirklich nicht, ob die Zeit langsam oder schnell verging – war es Peter der die Stille durchbrach:
„Ich verstehe wirklich nicht, wie Just so entspannt weitermachen kann, nachdem er gerade mit einer Waffe bedroht wurde und mit einer schweren schusssicheren Weste durch einen See schwimmen musste. Das kann doch unmöglich sein Ernst sein.“
Bob wusste nicht so ganz, was er antworten sollte. Peter hatte schon recht: Das ganze war wirklich etwas heikel.
„Ich stimme dir zu: Dieser Fall ist nicht gerade ungefährlich“, pflichtete er ihm bei. „Aber Just hat ja auch gesagt, dass er Rick nun erstmal nicht mehr observieren wird. Das ist doch schonmal etwas.“
„Ich weiß ja nicht“, antwortete ihm Peter. „Gerade wenn wir jetzt wieder anfangen, mehr zu observieren und weniger zu recherchieren, bin ich mir nicht sicher, ob ich von den anderen Verdächtigen nicht ähnliche Reaktionen zu erwarten habe.“
„Davon würde ich jetzt erstmal nicht ausgehen“, lenkte Bob ein. Vielleicht würde er es ja schaffen, Peter irgendwie wieder ein bisschen zu beruhigen. „Die Aktion eben war ja schon ziemlich radikal. Ich denke nicht, dass die Leute alle so drauf sind. Alles, was ich bis jetzt über Delia, Silvia und Annalise gelesen habe, zum Beispiel, war total harmlos. Ich habe den Eindruck, dass sogar Mr Wedlington bei denen der Ansicht war, dass sie ganz nett sind. Er schreibt sehr positiv über sie in seinen Notizen, oder?“
„Hm, kann sein“, sagte Peter leise.
„Außerdem bist du ja nicht allein. Wir können ja darauf achten, dass du nie jemanden allein observieren musst. Ich kann ja auch mal meinen Rechercheposten verlassen und dir zur Seite stehen, nachdem du jetzt über eine Woche lang mein Recherchehelferlein warst, oder?“
Das schien Peter tatsächlich ein bisschen zu beruhigen, denn auf seinem Gesicht zeichnete sich ein mildes Lächeln ab.
„Ich bring dir auch Kaffee und Gebäck mit, wenn ich mit dir observiere“, fügte Bob noch hinzu. „Das verspreche ich dir ganz fest.“
„Na gut, überredet“, sagte Peter nun leise und grinste ein wenig in sich hinein. „Aber wenn das nächste Mal sowas passiert, gehen wir zu Inspektor Cotta, okay?“
„Okay“, sagte Bob, „das verspreche ich dir auch.“
Und schon wieder meinte Bob, in Peters Augen so ein Funkeln zu sehen. Es war wie ein kleines, magisches Blitzen, das tief in seinem Inneren ein Gefühl von Aufregung auslöste. Es kribbelte von seinem Bauch bis hoch in seine Wangen – bei denen er sich sicher war, dass sie schon wieder rot waren.
Notes:
Schreibt mir gerne Kommentare und sagt mir, was ihr denkt :)
Chapter 7: Kapitel 7: Die Liste
Summary:
Irgendwo zwischen deep und awkward...
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Bob und Peter saßen schon seit drei Stunden vor Annalise Blumenthals Bürogebäude und es passierte absolut gar nichts. Sie hatten schon ihren ganzen Proviant aufgefuttert und starrten nun abwechselnd auf die große grüne Ausgangstür des Gebäudes und Annalises Auto, das sauber geparkt zwischen ein paar Bäumen am Straßenrand stand.
Es war schon sechs Uhr abends – sie schien also heute lang zu arbeiten. Justus war ihr heute Morgen bereits auf dem Hinweg zur Arbeit gefolgt: Sie war schon um kurz nach sieben hier angekommen.
„Sollte ich später so viel Zeit im Büro verbringen, dann hast die die offizielle Erlaubnis, mir eine reinzuhauen“, sinnierte Peter. „Wenn diese Annalise das immer so macht, dann halte ich echt nicht viel von ihrer Work-Life-Balance.“
Bob grinste. „Also den Observationslogs von Mr Wedlington zufolge macht sie das tatsächlich sehr oft so. Aber ich denke nicht, dass es dazu kommt, dass ich dich schlagen muss, Zweiter. Ich kann mir dich überhaupt nicht mit einem Bürojob vorstellen. Da würdest du doch wahnsinnig werden.“
„Ich muss mich halt viel bewegen“, sagte Peter.
„Außerdem will ich dich gar nicht schlagen“, fügte Bob hinzu. „Was hätte ich denn davon?“
„Weiß ich ja nicht, auf was du so stehst“, feixte Peter.
Bob musterte Peter mit einem skeptischen Blick. „Grundsätzlich will ich hier jetzt keine Vorlieben verurteilen, aber Schlagen gehört jetzt nicht unbedingt auf meine Liste von Dingen, die ich ausprobieren will.“
„Du führst ne Liste?“, gab Peter verschmitzt zurück.
Bob lachte. Irgendwie kam man bei Observationen immer auf die verrücktesten Themen. Natürlich war es auch heute nicht anders. Wenn man so lange irgendwo saß und nicht wegkonnte, führte das immer dazu, dass das Gehirn auf die spannendsten Exkurse kam.
„Es ist eine hypothetische Liste“, antwortete Bob ihm. „Ich schreibe grundsätzlich eigentlich gern Listen, aber so eine habe ich jetzt noch nicht angefangen.“
„Schade, mich hätte interessiert, was draufsteht“, gab Peter leise mit einem Schmunzeln zurück und war plötzlich sehr interessiert daran, mit den Fingern die Armaturen von Bobs Käfer zu entstauben.
‚Wenn du wüsstest‘, dachte Bob. Er war zwar nicht der Ansicht, dass er besonders ausgefallene Vorlieben hatte, aber Peter würde sicherlich sehr überrascht sein, dass nichts auf seiner hypothetischen Liste mit Frauen zu tun hatte.
„Aber vermutlich hast du eh schon viel ausprobiert, oder?“, sagte Peter jetzt.
„Wie kommst du darauf?“, antwortete Bob und spürte dabei, wie seine Ohren heiß wurden. Es war in der Vergangenheit noch nicht oft vorgekommen, dass er sich mit seinen Detektivkollegen über Sex unterhalten hatte. Irgendwie war das selten ein Thema, mit dem sie sich aufhielten.
„Naja“, sagte Peter – und hätte Bob es nicht besser gewusst, hätte er gedacht, er hätte dabei etwas nervös geklungen – „ich hatte ja immer nur Kelly. Sie ist die einzige Freundin, die ich je hatte. Es war immer alles sehr konventionell – so ein typisches Mädchen-trifft-Junge-Ding: Jock trifft Cheerleader, sie daten, sie knutschen in der Schulcafeteria.“ – Er machte eine kurze Denkpause. – „Du hattest halt schon ein paar mehr Mädels. Da könnte ich mir vorstellen, dass du mehr Erfahrung gesammelt hast, auf die du zurückgreifen kannst. Wenn ich jetzt eine neue Sache starten würde, wüsste ich gar nicht, ob ich das überhaupt alles gut kann. Nur weil Kelly es okay fand, heißt es ja nicht, dass andere Menschen das auch gut finden würden.“
Bob musste ein wenig in sich hinein lachen. Er hatte echt nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Peter solche Unsicherheiten haben würde.
„Also, Peter, zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass ich so viel Erfahrung nun auch nicht habe“, erklärte Bob besänftigend. „Von den Mädels, mit denen ich in der Vergangenheit ausgegangen bin, habe ich nur mit sehr wenigen geschlafen.“
Genaugenommen hatte es nur zwei gegeben und es war beide Male eine Katastrophe gewesen. Aber das würde er Peter natürlich jetzt nicht so auftischen. Jungs hatte es ein paar mehr gegeben als Mädchen, aber auch das behielt Bob für sich.
„Und auch wenn ich mit mehr Menschen im Bett war als du, heißt das noch lange nicht, dass ich besser darin bin“, fuhr er fort. „Ich muss ja jedes Mal neu gucken, was mein Gegenüber mag und was nicht. Man kann nie eine Person als eine Schablone für die nächste nehmen.“
Bob fragte sich, ob es Peter nicht langsam auffiel, wie zwanghaft er versuchte, sich genderneutral auszudrücken. Aber Peter ließ sich nichts anmerken. Er schien viel zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt.
„Aber macht das dann nicht One-Night-Stands total mies?“, wollte Peter jetzt wissen. „Dann fängt man ja jedes Mal bei null an.“
„Ja, schon“, bestätigte Bob leise. „Also für mich zumindest. Obwohl… Es ist ne Mischung. Es ist schon ziemlich aufregend, wenn sich sowas entwickelt, und das kann das Ganze schon irgendwie schön und besonders machen. Aber ich finde es persönlich schon irgendwie angenehmer, wenn man so ein bisschen eine Routine miteinander hat und weiß, was die andere Person mag und was nicht. Aber so wahnsinnig lang hat ja bei mir in der Vergangenheit auch nichts gehalten – von daher denke ich, dass ich da vermutlich auch einiges verpasst habe, was du mir voraus hast.“
„Hm“, machte Peter leise.
Bob wusste auch nicht, was er darauf sagen sollte. Er hatte das Gefühl, gleichzeitig alles und nichts gesagt zu haben.
Ein paar Sekunden lang schwiegen sie. Dann durchbrach Peter erneut die Stille.
„Meinst du, es gibt nen bestimmten Grund, dass du nie was Längeres mit den Mädels wolltest?“
„Ehm“, sagte Bob. Sein Gehirn war leer. Alles in ihm schaltete auf Alarm. Er hätte vielleicht nicht einmal seinen eigenen Namen gewusst.
Suchend schaute er sich um.
In dem Moment lief seine Rettung über den Parkplatz.
„Da ist Annalise!“ Jetzt hatte er fast ein bisschen zu freudig geklungen.
Annalise war gerade aus dem Gebäude gelaufen. Sie sah wirklich genauso aus wie auf den Bildern, die Mr Wedlington ihnen bereitgestellt hatte. Ihre langen schwarzen Haare hatte sie in einem französischen Zopf zusammengebunden und ihr Outfit entsprach dem perfekten business-casual-Look. Sie hatte ein Headset auf und schien mit irgendjemandem zu telefonieren.
„Selbst auf dem Weg von der Arbeit nach Hause scheint sie immer noch weiterzuarbeiten“, bemerkte Peter. „So viel zu Work-Life-Balance.“
Bob war froh, dass Peter direkt auf den Themawechsel angesprungen war. Er wusste noch immer nicht, was er auf seine letzte Frage hätte antworten sollen, ohne sich zu outen.
„Vielleicht telefoniert sie auch mit einer Freundin oder einem Freund oder ihren Eltern oder so“, kommentierte Bob.
Annalise war jetzt dabei, ihre Arbeitstasche im Auto zu verstauen und setzte sich dann mit schnellem Geschick in den Fahrersitz. Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihr Auto auch schon aus der Parklücke manövriert und war auf die große Hauptstraße abgebogen. Bob hatte seinerseits den Käfer angelassen und nahm mit Abstand die Verfolgung auf.
„Sie fährt auf jeden Fall in Richtung ihres Hauses“, sagte Peter konzentriert. „Der Weg ist nicht lang, oder?“
„Wenn sie direkt fährt, nur 10 Minuten“, antwortete Bob.
„Dann sollten wir das auf jeden Fall schaffen, an ihr dranzubleiben“, sagte Peter. „Nur blöd, dass Just den Peilsender hat.“
„Naja, ergibt ja auch Sinn. Mr Wedlington hat bei Delia extra vermerkt, dass sie eine rasante Fahrerin ist. Er braucht den Sender sicherlich mehr als wir.“
„Sie biegt auf jeden Fall immer so ab, wie es die Route zu ihr nach Hause vorgibt. Ich denke, wir werden heute nichts Spannendes mehr sehen.“
„Wenn ich so lange arbeiten würde“, antwortete Bob, „müsste ich mich danach auch erstmal auf meine Couch legen.“
„Ich müsste danach erstmal laufen gehen“, sagte Peter.
„Ich weiß.“
Bob konzentrierte sich auf den Verkehr, aber aus dem Augenwinkel sah er, wie Peter ein bisschen schmunzelte. Sie kannten sich einfach zu gut. Manche Sachen musste man gar nicht mehr sagen – sie waren einfach klar.
Für eine Weile schwiegen beide, bis Peter schließlich leise die Gedanken aussprach, die ihn noch immer zu beschäftigen schienen: „Bob, ich wollte dich übrigens eben nicht in die Ecke drängen.“
„Was meinst du?“, gab Bob zurück. Eigentlich hatte er schon eine Ahnung, was Peter meinte.
„Naja, das mit deinen Freundinnen. Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass das was Schlechtes ist, wie dein Datingleben in der Vergangenheit war. Wenn da noch nicht die Richtige dabei war, ist es doch umso besser, dass du sie nicht ewig hingehalten hast.“
„Hm“, machte Bob wieder. Er machte sich oft Vorwürfe, dass er überhaupt mit den ganzen Mädchen ausgegangen war, wenn er eigentlich schon eine Weile gewusst hatte, dass das nichts werden würde.
„Ich glaub, das war bei mir und Kelly am Ende das Hauptproblem“, fuhr der zweite Detektiv fort. „Eigentlich wussten wir beide, dass das nicht so ganz passte, aber wir wollten es uns nicht eingestehen. Dann waren wir am Ende viel länger zusammen, als es nötig gewesen wäre.“
Es war tatsächlich etwas mühselig gewesen am Ende, erinnerte Bob sich. Es hatte immer wieder Streit gegeben und Peter hatte in der Zentrale gesessen und apathisch die Wand angestarrt. Meistens war niemand von den beiden überhaupt schuld gewesen – sie hatten einfach sehr unterschiedliche Leben geführt und hatten Schwierigkeiten gehabt, einander zu verstehen.
„Aber eine so lange Beziehung will man ja auch nicht einfach so schnell aufgeben, denke ich mir“, pflichtete Bob ihm bei. „Ich kann verstehen, dass ihr euch sicher sein wolltet, dass es wirklich nicht geht.“
„Kann sein“, sagte Peter leise.
Annalise war gerade in die Auffahrt vor ihrem Haus gefahren. Sie war schnell ausgestiegen und innerhalb weniger Momente hinter der Seitentür verschwunden. Bob hielt den Käfer in sicherer Entfernung zum Haus an und zog die Handbremse.
Jetzt war es wieder sehr still zwischen ihnen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören.
„Denkst du, du wirst auf dem College wieder anfangen zu daten?“, fragte Peter jetzt. Er flüsterte fast.
Bob dachte darüber nach, wie er sich fest vorgenommen hatte, mit dem Dating wieder anzufangen. Irgendwie musste er dringend über Peter hinwegkommen und das würde er nur schaffen, wenn er sich auf andere Männer einließ.
„Ja, ich denke schon“, antwortete er ihm. „Und du?“
Dass er vorhatte, Männer zu daten und keine Frauen, würde er ihm auch irgendwann sagen müssen. Aber nicht mehr heute.
Peter zögerte einen Moment. „Ja, vielleicht. Keine Ahnung.“
„Das klingt ja nicht sonderlich überzeugt.“
„Hm.“
„Was hielte dich denn davon ab?“, hakte Bob vorsichtig nach.
„Keine Ahnung“, antwortete Peter und schaute auf seine Hände. Er wirkte irgendwie ein bisschen verloren und unsicher.
„Guck mal, ich glaube nicht, dass eine mehrjährige Beziehung von den Mädels im College als zu wenig Erfahrung verbucht werden würde“, versuchte Bob ihn zu ermutigen. „Da würde ich mir wirklich keine Sorgen drüber machen.“
„Kann sein“, sagte Peter.
„Das kann nicht nur sein – das ist so“, sagte Bob und versuchte, sich zum Lächeln zu zwingen. „Du bist ein Keeper, das ist was Positives.“
Peter schmunzelte etwas gequält.
„Das wird!“, schob Bob hinterher. „Du wirst schon sehen.“
Notes:
I'm sorry, ich hoffe, es hat nicht zu sehr weh getan... Schicke euch Liebe!
Chapter 8: Kapitel 8: Die Zimmerverteilung
Summary:
Aufregende Dinge passieren :)
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Es wurde schon dunkel als Bob nach mehreren Stunden Recherche aus seinem Zimmerfenster schaute. Zwei Eichhörnchen, die sich durch die Äste des Kastanienbaums vor seinem Fenster jagten, hatten seinen Blick nach draußen gelenkt. Erst jetzt fiel Bob auf, wie lange er dort gesessen haben musste und dass er dringend mal eine Pause machen sollte.
Er beobachtete die Eichhörnchen noch bis sie schließlich nach unten verschwanden und nicht mehr zurückkamen.
Die Kastanie fing schon an, gelb zu werden. Der Herbst war viel schneller gekommen als in den letzten Jahren. Sicher der Klimawandel, dachte Bob.
Sein nächster Gedanke war, dass er diesen Baum in nächster Zeit nicht mehr oft sehen würde. Morgen ging es endlich los an die UCLA. Gleich nach dem Frühstück würden sie losfahren.
Justus war heute schon aufgebrochen und hatte sie wissen lassen, dass er sein Zimmer bereits komplett eingeräumt hatte. Er hatte auch schon Bilder geschickt und von seinem Mitbewohner berichtet. Die Bilder hatten dazu geführt, dass Bob sich vorhin spontan entschieden hatte, seinen eigenen Schreibtisch mit in das eigentlich möblierte Zimmer zu nehmen. Er war dem gleichen Wohnheim zugewiesen worden wie Justus und auch Peter, und Bob brauchte einfach mehr Platz als das, was der kleine Minischreibtisch des ersten Detektivs hergab – vor allem wenn sich dieser mühselige Recherchefall noch weiter in die Länge ziehen würde. Bis eben hatte er noch daran gesessen, die Aufschriebe von Mr Wedlington durchzugehen. Es fehlte nun nicht mehr viel, dann hatten sie alles zumindest einmal gelesen. Vielleicht würde er noch zwei oder drei Stunden brauchen – vielleicht etwas weniger, wenn Peter ihm half. Sein chaotischer Recherchetisch bestand jetzt allerdings nur noch aus seiner Schreibtischplatte, die er mit zwei Umzugskisten stützte. Die anderen Kisten und Koffer standen verstreut in seinem Zimmer herum. Es war alles fertig. Bloß die Recherche, an der er gerade saß, musste noch eingepackt werden.
„Na? Ein letzter nostalgischer Blick aus dem Zimmerfenster in Rocky Beach?“, ertönte es hinter ihm.
„Peter!“, entfuhr es Bob. „Ich hab‘ dich gar nicht kommen sehen.“
„Konntest du auch nicht“, antwortete dieser mit einem Schulterzucken. „Das Auto ist schon vollgepackt und das Rad ist auch schon im Wagen eingebaut. Deshalb bin ich eben zu Fuß gekommen.“
Das erklärte, warum Bob hatte ihn nicht gesehen hatte, obwohl er am Fenster gestanden hatte. Vermutlich war er von der anderen Seite des Hauses über die Terrasse reingekommen. Zu Fuß war dieser Weg praktischer. Als Kinder hatten sie ihn viel häufiger benutzt.
„Ich hab‘ uns Donuts mitgebracht!“, sagte Peter nun freudig. „Ich dachte, wir brauchen noch mal ein bisschen Motivation für die letzten paar Meter.“
„Oh ja, eine Kaffeepause kann ich echt gut gebrauchen. Mein Kopf raucht schon“, antwortete Bob ihm freudig.
Peter schob ein paar Akten zur Seite und platzierte die Donutbox auf der Tischplatte. „Na dann lass uns mal Kaffee machen.“
Es dauerte nicht lang, bis sie mit Kaffeetassen und den Donuts auf Bobs Bett saßen – der einzigen übrigen freien Fläche seines Zimmers. Sie saßen sich im Schneidersitz gegenüber und genossen ihre kurze freie Zeit.
„Ich bin ja ein bisschen verwundert“, sagte Peter, „dass Justus seine Detektivkünste noch nicht verwendet hat, um herauszufinden, welche Zimmer wir beide abgekriegt haben. Ich hätte ihm eigentlich zugetraut, dass er direkt auf Erkundungen geht.“
„Stimmt eigentlich“, stimmte Bob ihm zu. „Vielleicht ist er schon auf irgendeiner Collegeparty gelandet und lässt es sich gut gehen.“
„Das klingt so gar nicht nach unserem Ersten“, lachte Peter. „Außerdem wollte er ja heute noch diese Silvia beschatten, oder?“
„Ja, so meine ich das auch verstanden zu haben“, sagte Bob. „Aber ich habe die letzten Stunden nichts mehr von ihm gehört. Und du?“
„Nein, ich auch nicht“, sagte Peter. „Meinst du, ihm ist etwas passiert?“
„Davon würde ich jetzt erst mal nicht ausgehen. Wer weiß, vielleicht ist er so begeistert von seinem Mitbewohner, dass sie sich ganz in Gesprächen verloren haben. Oder die anderen Mitbewohner sind aufgetaucht“, gab Bob zurück.
„Wie muss ich mir das denn vorstellen, das mit den Zimmern?“, fragte Peter. „Er meinte doch, er hat nur einen Mitbewohner, aber dann hat er gesagt, es kommen noch zwei?“
„Ich habe das so verstanden, dass es immer so kleine Wohnungen gibt, bei denen in der Mitte ein kleines Wohnzimmer ist und rechts und links jeweils ein Zweierzimmer abgeht“, erklärte Bob.
„Aber warum hat er sich dann gleich mit diesem Mitbewohner zusammengetan und sich nicht erstmal ein eigenes Zimmer geschnappt?“, fragte Peter.
„Ich hätte es bestimmt genauso gemacht. Wenn der Mitbewohner nett ist und die beiden sich gut verstehen, dann ist es doch gut, wenn die sich schon einmal gefunden haben. Wer weiß, wer die Leute sind, die dann da noch dazukommen.“
„Auch wieder wahr.“
„Ich hab ja schon ein bisschen Bammel davor, mit einem Fremden mein Zimmer teilen zu müssen“, gab Bob zu. „Was ist, wenn wir uns so gar nicht verstehen?“
„Ja, Bob“, sagte Peter grinsend und hob suggestiv die Augenbrauen an, „wenn dein Datingleben erstmal wieder ins Rollen kommt, brauchst du sicherlich einen verständnisvollen Mitbewohner.“
„Ha, ha“, gab Bob zurück. Irgendwie konnte er über solche Details noch gar nicht richtig nachdenken. Außerdem wollte er nicht schon wieder mit Peter über sein Datingleben reden. Nachher kam er schon wieder in so eine Situation, in der er aufpassen musste, dass er sich nicht outete. Oder noch schlimmer: Irgendwann würde Peter sicherlich merken, was Bob für ihn empfand. Das wäre nur eine Frage Zeit, wenn sie weiterhin so oft über Beziehungen redeten. „Lass uns mal lieber über den Fall reden“, sagte Bob deshalb und würgte so alle potentiellen Gefahrenthemen ab.
„Na gut, dann fang mal an“, sagte Peter mit einem Augenrollen. „Hast du irgendetwas herausgefunden?“
„Nichts total Neues“, gab Bob zu. „Aber mein Eindruck von gestern hat sich noch mal verstärkt. Wir hatten ja von den meisten der Verdächtigen erstmal Abstand halten wollen, damit sie vorerst nicht auf uns aufmerksam werden. Die meisten könnten ja wirklich in dieser Tigerauge-Gruppe sein, von dem, was wir wissen. Aber bei wem ich mir mittlerweile sicher bin, dass er nicht da drinsteckt, ist dieser Journalist.“
„Pit Kennedy?“
„Genau.“
„Wie kommst du darauf?“
„Am Anfang war es nur ein Gefühl“, erklärte Bob, „aber mittlerweile werde ich mir immer sicherer. Er wurde zwar ständig in der Nähe der anderen Leute gesehen und ist viel an Orten herumgelungert, die mit Mr Wedlingtons Recherche in Verbindung stehen, aber er war nie an irgendeinem Geschehen beteiligt.“
„Aber was hat er denn da immer zu suchen, wenn er tatsächlich nichts damit zu tun hat?“, fragte Peter mit zusammengezogenen Augenbrauchen.
„Ich denke, dass er das gleiche macht, wie wir“, sagte Bob.
„Du denkst, er recherchiert?“, fragte Peter.
„Genau“, bestätigte Bob. „Umso mehr ich über ihn lese und abseits von Mr Wedlingtons Material herausfinde, desto mehr bin ich der Überzeugung, dass er Blut geleckt hat und irgendwann seine Ergebnisse veröffentlichen will. Er ist Freiberufler und für verschiedene Magazine tätig. Eins davon ist ein Magazin über Sekten und geheime Gruppierungen namens Outcasts. Für das Magazin schreibt er wirklich nur selten – Ich habe erst zwei Artikel von ihm darin gefunden. – aber ich denke, er könnte in deren Auftrag unterwegs sein.“
„Das heißt, er könnte tatsächlich eine Person sein, mit der wir über den Tigerauge-Fall reden können, ohne die Gruppe auf uns aufmerksam zu machen“, schloss Peter.
„Genau!“
„Bist du dir denn sicher?“, fragte Peter.
„Noch nicht zu hundert Prozent“, gab Bob zu. „Aber ich würde ihn gerne etwas mehr observieren. Vielleicht können wir uns sicherer werden.“
„Und dann statten wir ihm mal einen Besuch ab“, sagte Peter freudig. „Dann würden wir ja vielleicht endlich mal ein bisschen vorankommen. Ich sitze langsam echt auf heißen Kohlen.“
„Sag bloß, du bist es leid, mein Recherchehelfer zu sein“, sagte Bob lachend.
Peter grinste ihn an. „Also, mit dir zusammenarbeiten ist super. Ich hab nur langsam keine Lust mehr zu sitzen. Wir sitzen an der Recherche, wir sitzen im Auto, wir beobachten, wir lesen, wir beobachten noch mehr, wir lesen noch mehr… Ich sag’s ja ungern, aber vielleicht fehlt mir eine gute, alte Verfolgungsjagd.“
Es war tatsächlich etwas langweilig geworden, das musste Bob zugeben. Die ganzen Observationen der letzten Tage hatten nichts ergeben und auch, wenn er jetzt langsam alle Menschen kannte, die Mr Wedlington verdächtigte, waren sie nur wenig vorangekommen. Vielleicht musste es wirklich mal eine Verfolgungsjagd geben, damit die abgekühlten Spuren wieder heiß wurden.
Bob schaute Peter an. Er grinste immer noch und biss gerade herzhaft in seinen Donut. Er war einfach so schön. Wenn er kaute, zeigte sich auf seiner rechten Wange ein kleines Grübchen und… – Bob merkte, dass er starrte. Peter hatte es jetzt auch bemerkt und schaute neugierig zu Bob zurück. Die leere Donutbox war doch sicher ganz interessant, oder? Bob griff nach ihr und begann, sie fachmännisch auseinanderzubauen. ‚Sehr subtil, Andrews‘, sagte er sich. Seine Fassade wurde einfach immer durchlässiger. Es wurde Zeit, dass er hier rauskam.
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„Robert Andrews… Andrews, Andrews… Ach ja, natürlich, fast ganz oben, hier haben wir dich“, murmelte die freundliche junge Frau am Willkommenstisch. Sie war vielleicht zwei Jahre älter als Bob. „Du wohnst auf Zimmer 119, das ist im ersten Stock. Dein Schlüssel ist hier, viel Spaß!“
Sie hielt ihm einen Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln hin. Außentür und Zimmertür, mutmaßte Bob.
„Vielen Dank“, sagte Bob mit dem freundlichsten Lächeln, das er aufbringen konnte. Schließlich war es wichtig, einen guten ersten Eindruck zu machen. „Du kannst mich übrigens gern Bob nennen.“
„Super, Bob, dann willkommen in unserem Wohnheim! Ich bin übrigens Elle.“
„Okay, Elle, dann bis vielleicht später.“
Bob schaute herüber zu seinem Vater und deutete in Richtung der Treppen. „Dann wollen wir mal.“
„Also wenn mich nicht alles täuscht“, sagte Bobs Vater sobald sie den Willkommenstisch etwas hinter sich gelassen hatten, „dann hat diese Elle ein Auge auf dich geworfen.“
„Sehr witzig“, gab Bob zurück. „Sie ist nur freundlich, weil sich die Neuen willkommen fühlen sollen.“
„Na, ich weiß ja nicht“, beharrte sein Vater. „Ich habe da etwas wahrgenommen. Wie nennt ihr jungen Leute das? Vibes?“
„Papa, du solltest echt nicht versuchen, dir die Jugendsprache anzueignen. Das endet nicht gut.“
Der ältere Mann lachte und legte Bob seine Hand auf die Schulter. „Ich sag ja nur, vielleicht kann daraus ja was werden.“
„Ich kann dir versprechen, dass daraus nichts werden wird“, gab Bob trocken zurück.
Er war sich sicher, dass sein Vater nun etwas irritiert guckte. Aber Bob versuchte einfach, seinem Blick auszuweichen. Das war kein Thema, das er hier auf dem Wohnheimsflur vertiefen wollte.
„Na gut, mein Sohn“, antwortete Bobs Vater. „Muss ja auch nicht. Du bist jetzt auf dem College und die Welt steht dir offen. Wer weiß, was jetzt alles so kommt.“
‚Sicherlich keine Beziehung mit einer Frau‘, hätte Bob am liebsten gesagt, aber er verkniff es sich. „Ja, mal sehen“, sagte er stattdessen.
Bob blieb jetzt an Zimmer 119 stehen. Er drückte die Klinke – die Tür war bereits offen – und trat über die Schwelle.
Auf der anderen Seite stand – als hätte Bob in der Telenovela seines Lebens eine Folge verpasst – Justus mit einem anderen Jungen. Es schien, als wären sie in ein Gespräch vertieft gewesen bevor Bob die Tür geöffnet hatte.
„Dritter!“, rief der erste Detektiv erfreut aus, als hätte er schon mit ihm gerechnet. „Ich hatte mich schon gefragt, wer von euch beiden als erstes hier ankommen würde.“
Bob wusste überhaupt nicht, wie er reagieren sollte. „Wie, wer von uns beiden?“
„Na, du oder Peter.“
„Peter?“ Bob fühlte sich, als würde in seinem Kopf ein Puzzleteil fehlen.
„Wurde dir am Willkommenstisch nicht gesagt, wer deine Mitbewohner sind?“, hakte Justus jetzt nach.
„Ich, ehm, nein!?“
„Dann lass mich für Aufklärung sorgen, Kollege.“ Justus holte aus und Bob war klar, dass jetzt ein größerer Redeschwall folgen würde. „Also: Du, Peter und ich sind alle gemeinsam auf ein Zimmer verbucht worden. Möglicherweise haben die Zuständigen gesehen, dass wir alle aus der gleichen Stadt kommen und dachten, wir kennen uns – was ja auch zutreffend ist. Aber das würde wiederum nicht erklären, warum Trevor uns zugewiesen wurde, denn der kommt aus Nevada.“
Bob schaute herüber zu dem anderen Jungen, der offenbar Trevor hieß und jetzt grinsend zwischen ihm und Justus hin und her schaute. Es war ein hübscher Junge in Bobs Alter mit hellbrauner Haut und strahlend grünen Augen. Er trug einen pinken Beanie und hatte seine Fingernägel in der gleichen Farbe lackiert. Seine Jeans war hauteng und darüber trug er ein schief-hängendes T-Shirt mit einem weiten Kragen, der den Blick auf seine Schulter ein wenig freigab. Bob erwischte sich sofort bei dem Gedanken, dass dieser Trevor mit Sicherheit schwul sein musste. Wenn nicht, würde er seinen Gay-dar wirklich überdenken müssen. Er schob den Gedanken schnell zur Seite. Er wollte eigentlich wirklich nicht jemand sein, der Leute so in Schubladen steckte. Gleichzeitig würde es für ihn möglicherweise entlastend sein, wenn er jemanden hätte, mit dem er über solche Themen sprechen konnte. Insgeheim hoffte er, dass er mit seinem (wenn auch politisch unkorrekten) ersten Eindruck richtig lag.
„Auf jeden Fall“, fuhr Justus fort, „habe ich gestern schon herausgefunden, dass ihr mit mir auf einem Zimmer sein würdet, und habe mich entschlossen, das als Überraschung für mich zu behalten. Offenkundig ist diese gelungen.“
Bob war sprachlos. Er würde mit Peter ein Zimmer teilen müssen. Peter und er. Mindestens ein Semester lang. Jeden Tag im gleichen Zimmer. Er wusste wirklich nicht, wie er sich fühlen sollte.
„Ich hab Just auch gesagt, er kann gerne mit einem von euch ein Zimmer teilen, weil er euch ja schon kennt“, warf Trevor entspannt ein. Bob war überrascht, dass Trevor Just schon bei seinem Spitznamen nannte. Die beiden mussten sich echt gut verstehen. „Ich hätte auf jeden Fall vollstes Verständnis dafür“, fuhr er fort. „Aber er hat darauf bestanden, dass ihr euch über ein Doppelzimmer freuen würdet.“ Er zog grinsend ein bisschen die rechte Augenbraue an und schaute verschmitzt zu Justus hinüber. Bob wusste nicht, was er davon halten sollte.
„Außerdem haben wir schon zu Beginn festgestellt, dass wir beide Frühaufsteher sind“, ergänzte Justus mit betonter Wichtigkeit. „Dann könnt ihr beide da drüben in Ruhe ausschlafen, während bei uns die Wecker klingeln.“
„Na, das klingt doch super, nicht wahr Bob?“, sagte nun sein Vater hinter ihm. Bob hatte ganz vergessen, dass er noch da war. „Dann lass uns doch mal die Kisten aus dem Auto holen, oder?“
Schnell entschlossen sich Trevor und Justus auch, ihnen zu helfen. Zu viert marschierten sie zurück in den Flur und Bob versuchte vergeblich, seine Gedanken ordnen. Das war alles viel zu viel. Wenn er mit etwas nicht gerechnet hatte, dann damit, mit Peter ein Zimmer teilen zu müssen. Einerseits freute er sich darüber. Nun wusste er auf jeden Fall, dass er mit jemandem zusammenwohnte, den er auch leiden konnte. Andererseits wurde es ihm so fast unmöglich gemacht, Abstand zu seinen Gefühlen zu gewinnen.
Während der ganzen Zeit, in der sie die Kisten und seinen Schreibtisch hochschleppten, zerbrach sich Bob den Kopf. Vielleicht war das ja auch etwas Gutes, dachte er. Vielleicht würde er so Peter von einer Seite kennenlernen, die es ihm erlaubte, ihn wieder mehr als Kumpel wahrzunehmen. Vielleicht hatte er irgendwelche nervigen Angewohnheiten, die er nur zu Hause rausließ, wenn er sich nicht gerade mit Freunden traf. Vielleicht würde Bob es schaffen können, seine Gefühle abgrenzen zu können, auch wenn Peter ihm quasi immer vor der Nase herumtanzte. Irgendwie musste er es versuchen.
Sie waren recht schnell fertig. Bobs Vater verabschiedete sich und fuhr nach Hause und auch Justus hatte sich schnell aus dem Staub gemacht. Er müsse einer dringenden Angelegenheit nachgehen, hatte er gesagt. Peter hatte inzwischen geschrieben, dass er erst in ein paar Stunden losfahren würde. Das gab Bob genug Zeit, in Ruhe seine Sachen zu sortieren. Er kramte seine Bluetooth-Box heraus, machte Musik an und begann auszuräumen.
Er würde das irgendwie hinkriegen, sagte er sich wieder und wieder. Er musste sich nur irgendwie ablenken. Vielleicht sollte er doch recht bald anfangen, zu daten. Dann würde er sich die Gefühle schon wieder abtrainieren.
Ein sanftes Klopfen im Türrahmen riss den dritten Detektiv aus den Gedanken. Trevor stand auf der Türschwelle und hatte seinen Kopf gegen die Kante der offenen Tür gelehnt.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“, sagte er sanft. „Du wirkst irgendwie echt überfahren.“
Bob musterte ihn kurz.
„So wie Justus mir das geschildert hatte, dachte ich, du würdest dich total freuen“, fuhr er fort. „Aber du wirktest irgendwie so reserviert.“
Erst jetzt sah Bob, dass Trevor ein Regenbogenarmbändchen trug. Also hatte ihn sein Eindruck wohl tatsächlich nicht getäuscht.
„Es ist kompliziert“, sagte Bob zögerlich.
„Hm“, machte Trevor. „Du musst auf jeden Fall nicht drüber reden. Erst recht nicht mit mir“ – Er lächelte etwas zurückhaltend. – „Du kennst mich ja schließlich noch nicht. Aber ich wollte einfach nur mal kurz nach dir gucken. Falls du drüber reden willst, kannst du es auf jeden Fall. Aber kein Druck.“
Trevor streckte kurz seine Hand aus und legte sie sanft auf Bobs Arm. Es wunderte ihn überhaupt nicht, dass Just sich sofort mit ihm verstanden hatte. Er hatte eine so einladende, warme Ausstrahlung, dass Bob den Eindruck bekam, man könnte ihm wirklich alles erzählen. Allein schon wie einfühlsam er sich gerade in dieser Konversation zeigte, war wirklich beeindruckend.
„Es gibt da schon etwas, was ein bisschen an mir nagt“, gab Bob zu. „Aber ich will dich hier jetzt auch nicht mit meinen persönlichen Wehwehchen vollquatschen, wenn ich gerade erst hier eingezogen bin. Ich möchte dich wirklich nicht mit meinem Kram belasten.“
Trevor sah ihn verständnisvoll an. Seine Augen waren wirklich sehr durchdringend. Dieses Grün strahlte förmlich im Kontrast zu seiner dunkleren Haut. Elegant löste er sich aus dem Türrahmen und setzte sich im Schneidersitz auf Bobs Bett. Bob fand, er bewegte sich ein bisschen wie eine Katze. Trevor tänzelte immer ein wenig, wenn er ging.
„Na los, spuck’s aus!“, sagte er leise, aber bestimmt. Er war dabei kein bisschen fordernd oder übergriffig, sondern einfach einladend.
Bob ließ sich neben ihm auf das Bett nieder. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen das Kopfende des Betts und ließ seinen Kopf mit einem Seufzer gegen die Wand fallen.
„Ich bin in Peter verliebt“, hörte er sich nun sagen und presste dann resigniert seine Lippen zusammen. Das hatte er so noch nie laut ausgesprochen. Selbst als sein letzter und einziger Freund ihn damals mit dieser Vermutung konfrontiert hatte, hatte Bob alles abgestritten.
„Okay…“, sagte Trevor mit einem vorsichtigen Schmunzeln, „das ist ja erstmal nichts Schlimmes, oder?“
„Na eben doch“, antwortete Bob. „Er ist mein bester Freund. Just, Peter und ich sind seit ich denken kann ein Trio. Dass ich Peter mag, zieht sich jetzt schon seit Ewigkeiten und ich hatte wirklich gehofft, auf dem College etwas Abstand von der Sache gewinnen zu können. Just und Peter wissen nicht einmal, dass ich schwul bin.“ Er kniff die Augen zusammen und wagte es nicht einmal, Trevor anzuschauen.
Er hörte, wie Trevor ausatmete. „Bin ich der Erste, dem du das sagst?“
Jetzt machte Bob doch die Augen auf und sah Trevor an. „Nein, aber die einzigen Leute, die es wissen, sind irgendwelche Kerle, mit denen ich mal was hatte. Bis auf einen waren das alles One-Night-Stands.“
Trevor zog einen Mundwinkel hoch und schaute ihn verschwörerisch an. „Also bin ich die erste Person, mit der du nicht geschlafen hast, die jetzt weiß, dass du schwul bist?“ Er kicherte ein bisschen. Alles an Trevor und an diesem Gespräch war einfach angenehm. Trevor drückte ihm nichts auf und machte auch keinen großen Hehl aus Bobs sexueller Orientierung, ließ ihn aber dennoch spüren, dass er ihn ernst nahm und sich der Wichtigkeit des Gesprächs für Bob bewusst war.
„Wenn du es so ausdrücken willst…“, sagte Bob.
Jetzt musste er auch ein bisschen lachen. Es war schon etwas witzig. Jetzt saß er hier mit einer eigentlich wildfremden Person und breitete ihr sein Gefühlsleben aus. Aber irgendwie hatte Trevor von vornherein so vertrauenerweckend gewirkt, dass das jetzt alles nur so aus Bob heraussprudelte.
„Ich fühle mich sehr geehrt, dass du es mir sagst“, sagte Trevor nun.
„Ach, ich weiß auch nicht, warum ich hier gleich alle meine Gefühle vor dir ausschütte“, sagte Bob mit einem unsicheren Lachen. „Das tut mir echt leid, Trevor. Ich bin mir sicher, dass du dir deinen Nachmittag anders ausgemalt hattest.“
„Quatsch, Bob. Ich bin froh, dass ich jemand sein kann, mit dem du darüber sprechen kannst. Das scheint dich ja sehr zu beschäftigen. Und ich kenne das auch noch von früher – dieses Gefühl, mit niemandem darüber reden zu können. Das ist etwas, in das sich heterosexuelle Menschen oft nicht reindenken können“, erwiderte Trevor bestimmt. Dann führte er sein Hand geheimnisvoll an die Seite seines Mundes und flüsterte laut: „Also falls du es noch nicht bemerkt hast: Ich bin auch schwul!“
Bob lachte laut auf. „Ich hab’s mir gedacht. Dein Armband hat dich verraten.“
Trevor schaute zu seiner Hand herunter und betrachtete sein Regenbogenband, als würde er es gerade zum allerersten Mal sehen. „Ach das hier!“, rief er prätentiös. „Und ich dachte schon, es wäre dir an meinem makellosen Style aufgefallen.“ Trevor stand auf und drehte sich ein paar Mal tänzerisch hin und her.
„Der mag eventuell auch dazu beigetragen haben, gebe ich zu“, sagte Bob lachend. „Das Band ist mir erst jetzt gerade aufgefallen, als du in meiner Tür standst.“
„Na, umso besser“, sagte Trevor und setzte sich wieder zu Bob. Er legte seine Hand auf Bobs Knie und schaute ihn eindringlich an. „Wie fühlst du dich jetzt? Also, nachdem du das alles mal ausgesprochen hast.“
Bob atmete einmal tief aus. Er hatte gar nicht gemerkt, wie er die Luft angehalten hatte bis jetzt. „Eigentlich ganz gut. Erleichtert.“ Es fühlte sich tatsächlich ein bisschen so an, als wäre eine kleine Last von ihm abgefallen.
„Das glaube ich“, sagte Trevor. „Du wirkst auch gleich viel entspannter. Die Kraft eines positiven Coming Outs ist nicht zu unterschätzen.“
„Hm“, machte Bob. Wahrscheinlich hatte Trevor recht. Trevor wirkte jedenfalls sehr selbstbewusst. Er hatte sicherlich schon mehrere solcher Situationen hinter sich.
„Aber jetzt mal ganz ehrlich, Babe, sind wir uns sicher, dass dieser Peter dich nicht vielleicht auch mag?“, sagte Trevor jetzt mit einer neuen Lockerheit.
Bob guckte erstaunt. „Babe?“
Trevor lachte. „Sorry! Zu viel?“
Irgendwie störte es Bob tatsächlich nicht. Es tat gut, mit jemandem im gleichen Boot zu sitzen. Trevor würde ihn sicher nicht schief angucken, wenn er zugab, wie viel RuPaul’s Drag Race er in seiner Freizeit schaute, oder wie sehr er es wirklich genoss, mit seinen Outfits zu spielen, wenn ihn niemand beobachtete.
„Schon okay, so lange du das nicht vor den anderen machst.“ Er wollte wirklich nicht, dass alle schon wussten, dass er schwul war, bevor er die Chance hatte, es ihnen selbst zu sagen.
„Niemals!“, sagte Trevor entrüstet. „Ich habe ja schon so etwas wie Feingefühl.“
Bob lächelte ihm dankbar zu.
„Aber jetzt lenk nicht ab. Wir reden über Peter! Bist du dir sicher, dass er nicht auch auf dich steht?“
Bob machte einen resignierten Gesichtsausdruck. „Ja, schon. Er hatte jetzt ewig lang eine Freundin und ich bin mir sicher, dass er sie wirklich geliebt hat.“
„Aber das heißt ja nichts“, winkte Trevor ab. „Es gibt ja auch Menschen, die auf mehr als ein Geschlecht stehen.“
„Hm“, machte Bob. Darüber hatte er tatsächlich noch nicht nachgedacht. Aber er wollte sich wirklich keine falschen Hoffnungen machen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass das bei Männern echt selten war. „Ich weiß echt nicht. Peter ist halt so ein richtiger Jock, Traumtyp aller Cheerleaderinnen…“
„Nein, nein, nein, Bob“, unterbrach ihn Trevor mit erhobenem Zeigefinger, „das machen wir nicht. Das sind alles Stereotype, die wir dem Patriarchat zu verdanken haben. Allein von diesen Stereotypen auf Peters sexuelle Orientierung zu schließen, ist sowas von veraltet. Ich finde, wir sollten da nicht so in Schubladen denken. Wer weiß, vielleicht haben wir es hier mit einer soliden Nick-Nelson-Situation zu tun.“
Bob lachte. „Schön wärs.“
„Also, ohne deinen Peter bis jetzt kennengelernt zu haben“, entschied Trevor, „bin ich der Ansicht, dass wir nichts ausschließen sollten. Ich werde mir das genau angucken die nächsten Tage. Ich habe eine gute Beobachtungsgabe. Du, mein lieber Bob, lässt jetzt mal den Kopf nicht hängen. Ich gebe die Hoffnung erst auf, wenn du ihn gefragt hast, ob er dich auch mag.“
Bob zog die Augenbrauen hoch. „Das werde ich ganz sicher nicht tun.“
„Das werden wir ja sehen“, flötete Trevor und bewegte sich wieder Richtung Tür. „Und wenn es nicht hinhaut, dann nehme ich dich mit zu meinen Leuten ins queere Zentrum und arbeite die Geschichte mit dir gemeinsam bei ein paar Shots auf. Kopf hoch, Babe!“
Und damit war Trevor aus seinem Zimmer verschwunden.
‚Den Optimismus hätte ich gern‘, dachte sich Bob.
Notes:
Yay, jetzt kennt ihr Trevor :) Ich hoffe, ihr mögt ihn - habe ein bisschen von mir selbst in ihn reingeschrieben.
Schreibt mir gerne Kommentare, ich will gern wissen, was ihr denkt :)
Liebe Grüße
Chris
Chapter 9: Kapitel 9: Die Visitenkarte
Summary:
Seltsame Verkettungen
Notes:
Meine Güte, es hat so lang gedauert, bis ich dieses Kapitel fertig hatte. Mein Leben ist grad echt zu stressig. Ich hoffe es gefällt euch :)
Liebe Grüße,
Chrissy
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob war recht schnell fertig gewesen mit dem Auspacken. Seine Besitztümer hatten sich schnell verstauen lassen und er hatte sogar schon ein paar Fotos aufgehängt. Er hatte auch seine kleine Avocadopflanze mit nach LA genommen, die er sich vor ein paar Monaten aus einem Avocadokern großgezogen hatte. Sie hatte mittlerweile vier Blätter.
Trevor hatte es sich irgendwann auf dem Sofa in ihrem Gemeinschaftsraum gemütlich gemacht und hatte begonnen, irgendeine Reality-Show zu schauen, bei der sich irgendwelche Menschen in einem tropischen Ressort in Pärchen zusammenfinden mussten und gegeneinander antraten. Bob war erst skeptisch gewesen, hatte sich dann aber doch in den Sessel gesetzt und war jetzt voll dabei.
Seit Bob nun da saß, hatte Trevor angefangen, die Geschehnisse leidenschaftlich zu kommentieren. Von „Mädchen, lass die Finger von dem, der ist ein Arschloch!“ bis „Ich würde Geld dafür bezahlen, zu sehen, wie die beiden da sich mal so richtig streiten.“ war alles dabei. Irgendwann war Bob auch eingestiegen. Eigentlich war es ganz witzig, fand er. Gerade war einer der Männer dabei, den anderen Kerlen davon zu erzählen, wie er fand, dass Männer sich ruhig umherschlafen konnten, aber Frauen eben nicht, weil sie sonst billig seien.
„Was für eine riesige misogyne Scheiße“, rief Trevor neben ihm und zeigte mit der Hand auf den Bildschirm.
Bob lachte und nahm sich etwas von Trevors Popcorn. „Wenn der nicht so gut aussehen würde, hätten die Mädels den doch schon lange rausgeschmissen, oder?“
„Echt so! So ein Spinner!“, stimmte Trevor ihm zu. Dann guckte er Bob mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Aber du findest ihn gutaussehend, höre ich da heraus? Wäre der Kerl dein Typ, wenn er nicht so ein Chauvinist wäre?“
Bob überlegte kurz. „Vielleicht“, gab er zu. „Aber die Einstellungen sind schon ein ziemlicher Ab-turn.“ Der Kerl war ohne Zweifel sehr gutaussehend. Er war hochgewachsen, muskulös und bestach mit einem schelmischen Grinsen und Sommersprossen.
Trevor pausierte die Show und drehte sich auf den Bauch, sodass er Bob direkt anschaute. „Ganz ehrlich, ich kann Männer irgendwie gar nicht attraktiv finden, wenn sie kaum einen zusammenhängenden Satz formulieren können oder furchtbare Ansichten haben. Ich brauche irgendwie ein bisschen Grips und Reflexion.“
Bob zog die Augenbrauchen hoch und grinste. „Bist du einer von den Leuten, die sich dann in ihre Professoren verlieben, weil sie so sehr darauf stehen, wenn ihnen jemand intellektuelle Vorträge hält.“
Bob schien den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben. Trevor wand sich ein bisschen auf seinem Platz und wirkte sichtlich überführt. Er lief sogar ein bisschen rot an – so sehr, wie er das unter der dunklen Haut konnte. „Möglicherweise könntest du damit Recht haben“, gab er zu und lachte ein bisschen unsicher. „Ich mag es einfach, wenn Leute wissen, wovon sie reden.“
Bob schmunzelte und überlegte, wie lang es wohl dauern würde, bis Trevor sich in irgendeinen seiner Dozenten verliebte. „Naja, wenn du dann irgendwann in einen deiner Professoren verknallt bist, können wir uns wenigstens gegenseitig beieinander ausheulen. Eine Hand wäscht die andere.“
Trevor warf ein Kissen nach ihm und schmollte. „Du bist so negativ! Vielleicht lerne ich ja auch meinen superklugen Seelenverwandten hier kennen und wir werden glücklich bis an unser Lebensende.“
Bob warf das Kissen zurück. „Naja, du bist hier am College und du studierst Geschichte“, stimmte er ihm zu. „Da hast du gute Chancen, auf einen Nerd zu treffen, der dir gewachsen ist.“ Er würde es ihm wirklich wünschen.
„Okay, genug zu meinen Schwächen“, sagte Trevor. „Was ist denn dein Typ? Was lässt das Herz eines Bob aus Rocky Beach höherschlagen?“ Trevor zog verschwörerisch die Augenbrauen hoch und sah ihn erwartungsvoll an.
„Naja“, begann Bob, „ich denke –“
In dem Moment hörten sie, wie sich die Tür öffnete. Sie drehten sich um und in der Tür stand Peter, der sie nun verwirrt anstarrte.
Ein paar Sekunden sagte niemand etwas.
„Das nenne ich Timing“, kommentierte Trevor dann trocken.
„Hä?“, sagte Peter.
Bob dachte, Peter sah genauso aus, wie er selbst vorhin ausgesehen haben musste, als er hinter ebendieser Tür Justus gefunden hatte. Er musste unweigerlich ein bisschen lachen. Vielleicht konnte er diese absurde Situation mittlerweile tatsächlich anfangen, in ihrer gebührenden Komik wahrzunehmen. Das Ganze war tatsächlich einfach albern. Hier kamen sie zu dritt aus Rocky Beach und erwarteten, alle mit völlig fremden Menschen in Zimmer gesteckt zu werden, und dann landeten sie bei genau denen, die sie das letzte Jahrzehnt schon fast täglich hatten sehen müssen. Und nun waren sie hier und wunderten sich.
Eindeutig war Trevor allerdings die anhaltende Stille jetzt zu viel geworden. In seiner katzenartigen Art sich zu bewegen erhob er sich schwungvoll von seiner Position im Sofa und ging auf Peter zu.
„Du musst also der sagenumwobene Peter sein. Ich bin Trevor. Ich habe schon viel von dir gehört, mein Guter.“ Er streckte Peter seine Hand hin und begutachtete ihn sorgfältig von oben bis unten.
Bob machte große Augen. Oh je, was hatte Trevor vor?
„Hast du?“, fragte Peter mit einem verwirrten Gesichtsausdruck während er langsam Trevors Hand schüttelte.
Bob stand nun auch umständlich auf und bewegte sich auf die beiden zu.
„Was Trevor damit sagen will,“ – warf er schnell ein – „ist, dass er und Justus schon seit gestern hier sind. Sie wussten offenbar schon von Anfang an, dass wir alle auf einem Zimmer sein würden, aber Justus wollte uns überraschen.“
In Peters Gesicht schienen sich langsam die Puzzleteile zusammenzufügen. Oder zumindest bewegten sich seine Gesichtszüge etwas. Irgendetwas passierte wohl in seinem Kopf.
„Justus und Trevor haben beschlossen, dass sie als Frühaufsteher sich ein Zimmer teilen wollen. Deshalb landest du bei mir in dem Zimmer dort.“ Bob machte eine ausladende Geste auf die Zimmertür, hinter der er vorhin noch sein Zeug einsortiert hatte.
Peter schaute Bobs Händen hinterher. Dann schaute er wieder zurück in Bobs Gesicht und grinste. „Das heißt, du bist mein Mitbewohner?“. Peter lachte laut auf und sein Grübchen zeigte sich. Er war einfach zu süß, wenn er sich freute.
Bob nickte und grinste zurück. „Ich bin dein Mitbewohner.“ Irgendwie war er jetzt doch echt glücklich. Natürlich würde das anstrengend werden, aber er verbrachte auch einfach gern Zeit mit Peter. Er würde das schon irgendwie hinkriegen. Und Peter strahlte über das ganze Gesicht. Da war es Bob völlig unmöglich, deprimiert zu sein.
„Komm, ich zeige dir das Zimmer“, sagte Bob schwungvoll.
Alle drei – Bob, Peter und Trevor – bewegten sich in Richtung des Zimmers. Trevor folgte ihnen einfach. Er hatte die ganze Zeit nichts mehr gesagt und Bob war sich sicher, dass er die Zeit gut genutzt hatte, um die Situation gründlich zu analysieren.
Nachdem Peter sein neues Zimmer kurz begutachtet hatte, waren sie zu dritt nach draußen gegangen, um Peters Sachen aus seinem MG zu holen. Trevor hatte genau wie bei Bob völlig selbstverständlich mitgeholfen, bis alles oben war. Dabei hatte er dann begonnen, etwas Smalltalk mit Peter zu halten. Wie auch schon Bob erzählte Peter Trevor bereitwillig alles Mögliche über sein Studium, sein Sportstipendium und was auch immer Trevor ihn sonst noch fragte. Trevor schien wohl diesen Effekt auf Menschen zu haben, dass die Worte nur so aus ihnen raussprudelten. Es war wirklich faszinierend.
Zum Auspacken hatten sie Peter dann allein gelassen. Bob und Trevor waren auf das Sofa zurückgekehrt, um die Serie weiterzuschauen. Hinter der Tür hörten sie leise Peters Musik.
Trevor rief die Show auf seinem Laptop auf und schwebte dann, kurz bevor auf Start drückte, mit seiner Hand über dem Mousepad. Dann drückte er doch nicht und sah Bob verschwörerisch an.
„Ist was?“, sagte Bob.
Trevor schüttelte den Kopf und zog die Mundwinkel zusammen. „Ach du scheiße“, sagte er mit einem leichten Lachen.
„Was, ach du scheiße?“, sagte Bob lachend zurück.
„Also erstens“, erklärte Trevor, „wie cute ist der denn bitte?“
Bob warf ihm einen viel sagenden „hab-ich-dir-doch-gesagt“-Blick zu. „Du siehst also mein Problem?“
„Zweitens“, fuhr Trevor mit einer dramatischen Handbewegung fort, „glaube ich nicht, dass es ein Problem gibt.“
„Was meinst du?“
„Hast du nicht gesehen, wie sehr er sich gefreut hat, dass er mit dir zusammenwohnen darf? Das ist doch ein ziemlich gutes Zeichen, oder?“
Bob verdrehte die Augen. „Trevor. Wir kennen uns schon seit über zehn Jahren. Natürlich freut er sich, wenn er mit seinem besten Kumpel ein Zimmer teilen kann. Er war ja schließlich bis dato davon ausgegangen, dass er sich auf jemand völlig Fremden einlassen müsste.“
Jetzt verdrehte auch Trevor die Augen. „Bester Kumpel“, äffte er ihn mit einem ironischen Unterton nach und malte mit seinen Fingern Gänsefüßchen in die Luft. „And they were roommates.“
„Ich hasse dich jetzt schon“, antwortete Bob.
„Du liebst mich“, sagte Trevor.
„Fick dich“, sagte Bob.
Trevor lachte.
Bob musste auch etwas lachen. Man konnte Trevor einfach nicht böse sein.
Wie war er mit Trevor so schnell so eng geworden, dass er mit ihm solche Witze machen konnte? Er konnte es sich wirklich nicht erklären.
„Komm, wir gucken die Serie weiter“, sagte Bob.
Trevor gehorchte und drückte auf Play.
--------
Peter hatte sich irgendwann zu ihnen gesetzt, nachdem er mit der Einrichtung seines Zimmers fertig geworden war. Es hatte ihn nicht gestört, mitten in der Staffel einzusteigen und hatte nun auch begonnen, mit Bob und Trevor die Geschehnisse zu kommentieren. Es war witzig. Bob hätte nicht gedacht, dass sich Peter zu so einer Freizeitaktivität hinreißen lassen würde, aber scheinbar hatte Peter sogar richtig Spaß dabei.
Gerade waren zwei Kandidat*innen dabei, in die Honeymoon Suite geschickt zu werden, als die Tür beinahe gewaltsam aufgeworfen wurde und ein hellauf begeistert aussehender Justus in den Raum sprang. Schwungvoll warf er die Tür hinter sich zu und stemmte energisch die Hände in die Hüften.
„Kollegen“, rief er stolz, „ich habe einen Job!“
„Du hast einen Job?“, fragte Peter.
„Ich habe einen Job“, wiederholte Justus.
Ein sehr albernes, eigenartiges Gespräch, fand Bob.
Peter war sichtlich verwirrt. „Aber warum? Du fängst doch gerade ein Studium an. Warum willst du gleichzeitig einen Job anfangen?“
„Peter“, sagte Justus mit ungeduldiger Stimme, „natürlich ist das nur ein Nebenjob. Ich habe zwar auch ein Stipendium, wie du, aber meins bezahlt mich nicht ganz so profitabel. Einen Job als Hilfswissenschaftler kann ich gut gebrauchen.“
Bob vergaß manchmal, wie privilegiert er war. Justus hatte auf ein Stipendium hoffen müssen – sonst hätte er einen riesigen Studienkredit aufnehmen müssen – und hatte es glücklicherweise auch bekommen, dank seiner fantastischen Schulnoten. Bob hingegen konnte sich einfach von seinen Eltern durchfüttern lassen. Peter theoretisch auch. Aber der hatte trotzdem aufgrund seiner sportlichen Leistungen ein Stipendium hinterhergeschmissen bekommen.
„Ach so, ja natürlich“, sagte Peter kleinlaut.
„Das ist doch toll“, lobte Bob. „Ich freue mich für dich.“
„Ich mich auch“, warf Peter ein.
Dann war es kurz eigenartig still.
„Na, wollte ihr denn gar nicht wissen, was für einen Job ich habe?“
Peter und Bob tauschten kurz belustigte Blicke aus. „Natürlich wollen wir das“, sagte Peter dann. „Und du möchtest uns dringend davon erzählen. Also bitte, Justus Jonas, unser großer Meister der Rätsel, kläre deine Untergebenen auf.“
„Ha, ha“, sagte Justus. „Ich dachte nur, es würde euch sicherlich interessieren, dass ich einen Job bei keinem anderen als Professor Dr. Raymond Fields ergattert habe.“
„Der Raymond Fields?“, fragte Bob.
„Der Raymond Fields“, bestätigte Justus.
Trevor fuchtelte nun etwas unschlüssig mit seinen Händen herum. „Okay, Moment, Leute, ich komme nicht ganz hinterher. Wer genau ist Raymond Fields?“
„Er hat einen Lehrstuhl für Soziologie hier an der Universität und er ist ein Verdächtiger in unserem aktuellen Fall“, erklärte ihm Bob.
„Euer aktueller Fall.“, antwortete Trevor. Er hatte es nicht wirklich als Frage betont. Und er sah jetzt wirklich sehr verwirrt aus.
Bob lachte. „Ach so, ich dachte, Just hätte dich bereits über unser Detektivunternehmen aufgeklärt.“
„Euer bitte was?“
Peter griff in seine Hosentasche und übergab Trevor mit einer dramaturgischen Geste eine Visitenkarte. „Wenn ich dir unsere Karte geben dürfte.“
Trevors Mund hing offen. Er drehte die Karte kurz in seiner Hand hin und her. Dann las er ungläubig:
„Die drei Detektive.
???
Wir übernehmen jeden Fall.
Erster Detektiv: Justus Jonas
Zweiter Detektiv: Peter Shaw
Recherchen und Archiv: Bob Andrews.“
Er pausierte kurz und sah sich unsicher in der Runde um. „Ihr verarscht mich, oder?“
„Mitnichten!“, warf Justus ein. „Wir haben schon so manches Rätsel lösen können und unsere Erfolgszahlen sprechen für uns.“
Trevors Mund hing offen und er sah hilfesuchend herüber zu Bob. Aber auch Bob konnte ihm das Gesagte nur bestätigen. „Es tut mir wirklich leid, dir das eröffnen zu müssen, Trevor. Aber du bist mit deiner Wohnheimszuteilung mitten in einem Detektivbüro gelandet.“
„Ich muss mich setzen“, antwortete dieser und hielt auf das Sofa zu. Die anderen folgten ihm.
Sie setzen sich so sehr in einen Kreis, wie das mit dem Sofa und den beiden Sesseln gelang und schauten Trevor erwartungsvoll an. Es war nicht schwierig, zu erraten, dass der arme Kerl so einige Fragen hatte.
„Also, okay“, setzte Trevor nun an, „ihr seid Detektive.“
Die drei nickten.
„Und was löst ihr dann für Fälle? So eifersüchtige Lover oder Stalker oder so?“
Justus antwortete als erstes: „Auch das ist uns schon untergekommen. Aber für gewöhnlich haben wir es mit Rätseln zu tun oder mit Klienten, die den Eindruck haben, sie würden von übernatürlichen Geschehnissen heimgesucht.“
„Letztere sind meine Lieblingsfälle“, sagte Peter deutlich sarkastisch.
Bob presste die Lippen zusammen und legte Peter die Hand auf den Oberschenkel. Peter folgte der Hand mit seinem Blick. Schnell zog Bob sie wieder weg.
Er hoffte wirklich, dass die anderen beiden das nicht bemerkt hatten. Was für eine eigenartige Szene. Er könnte sich wirklich schon wieder selbst ohrfeigen. Warum war er so? Vielleicht sollte er einfach am Gespräch teilnehmen, dann wirkte er vielleicht etwas lockerer.
„Also momentan“, sagte er deshalb, „beschäftigen wir uns mit einem Mann, der an eine Untergrundorganisation glaubt, die für das Verschwinden seiner damaligen Freundin verantwortlich sein soll. Er ist wirklich ein komischer Kauz und wir sind uns nicht wirklich sicher, ob er spinnt, und, wenn ja, wie sehr. Aber er hat über die letzten Jahre ganz viele Menschen observiert und hofft nun, dass wir in seinem Notizenchaos etwas Handfestes finden. Es ist gut möglich, dass diese Freundin ihn einfach nur in einer Nacht und Nebel Aktion verlassen hat – zumindest glaubt das die Polizei. Aber er glaubt halt, dass es Menschen gibt, die Amulette aus Tigerauge haben, die etwas mit diesem Verschwinden zu tun haben.“
„Einer dieser Verdächtigen, die dieser Mann beschattet hat, ist ein Professor hier an der Uni – ein gewisser Raymond Fields“, fuhr Justus fort. „Ich dachte, es wäre schlau, ihm unauffällig näher zu kommen, indem ich mich bei ihm als Hilfswissenschaftler anbiete. So kann ich beobachten, was er so treibt, ohne dass er Verdacht schöpft.“
„Aber es gibt unfassbar viele Verdächtige“, warf Peter ein. „Es ist so schwierig, den Überblick zu behalten. Wir haben einen ganzen Haufen alter Freund*innen der Vermissten, ihren Bruder und sonst noch irgendwelche Personen, die irgendwie mit dieser Personengruppe, die er verdächtigt, in Verbindung stehen. Einige von ihnen verschwinden manchmal einfach von der Bildfläche und tauchen erst Stunden später wieder auf und einer hat Justus neulich erst mit einer Waffe bedroht. Wir haben eine riesige Verschwörungs-MindMap, die Bob schon – umsichtig wie er ist – in unserem Zimmer an die Wand gehängt hat. Ich freu mich schon auf die völlig abgedrehten Träume, die mir das Ding bescheren wird.“
Trevors Augen weiteten sich. „Seid ihr irre? Das klingt ja mega gefährlich.“
„Ja, sind wir“, sagte Peter. „Zumindest Justus. Ich bin vorsichtiger und Bob ist der Einzige, der den Laden hier zusammenhält.“
Bob schaute Peter entgeistert an und bemerkte, dass Justus dies auch tat.
„Was denn? Ist doch so!“, sagte Peter.
Ganz unrecht hatte Peter nicht, dachte Bob. Aber so ausgesprochen hatte es vorher noch niemand.
Jetzt meldete sich wieder Trevor zu Wort. „Und dieses Tigerauge… Was ist das? Mir ist, als hätte ich davon schonmal gehört.“
„Es ist ein Quarz“, erklärte Bob. „Es ist nicht besonders wertvoll.“
Trevor überlegte. „Sieht das so ein bisschen braun gescheckt aus?“
„Ja, so gelblich, aber gebrannt kann es auch rötlich oder fast violett aussehen“, antwortete Bob ihm.
„Meine Mutter hat eine Freundin, die so etwas trägt“, sagte Trevor. „Sie hat mir vor ein paar Jahren mal erklärt, dass das Ding aus Tigerauge ist.“
Bob fragte sich, ob er gerade richtig gehört hatte. Alle drei Fragezeichen schauten Trevor jetzt völlig entsetzt an und fielen sich dabei mit ihren „Wie bitte“s und „Dein Ernst?“s gegenseitig ins Wort.
„Ja, ich bin mir ziemlich sicher“, lachte Trevor. „Ich hatte damals schon einen sehr ausgeprägten Sinn für Style und ich fand immer, dass Annalise sich eigentlich makellos kleiden kann. Aber diese Halskette fand ich immer strange und nicht dazu passend. Dann habe ich sie irgendwann mal gefragt, ob sie eine Bedeutung hat, oder warum sie sie trägt.“
„Annalise Blumenthal?“, fragte Justus entgeistert.
„Ja, genau die“, sagte Trevor und ihm fiel dabei ein bisschen sein Grinsen aus dem Gesicht. „Kennt ihr die?“
„Die ist auf der Liste unserer Verdächtigen“, sagte Bob. „Unser Klient hat uns auch eine Liste mit ihren Kontakten gegeben, vielleicht ist deine Mutter da ja mit drauf, wenn sie mit Annalise befreundet ist.“
„Puh, das ist mir echt ne Stufe zu gruselig“, sagte Trevor mit verunsicherter Stimme.
„Wie heißt denn deine Mutter?“, fragte Justus.
„Ann Young“, antwortete Trevor ihm zögerlich.
„Der Name kommt nicht in unseren Recherchen vor“, sagte Bob.
„Was mal wieder nicht besonders für die Observierungskünste unseres Klienten spricht“, sagte Justus trocken.
„Meine Mutter besitzt so eine Kette allerdings nicht“, sagte Trevor. „Ich würde stark anzweifeln, dass sie irgendetwas mit einer eigenartigen Untergrundorganisation zu tun hat. Davon hätte ich doch etwas gemerkt, oder?“
„Für besonders wahrscheinlich halte ich es nicht“, sagte Justus. „Weißt du denn, woher sich deine Mutter und Annalise kennen?“
„Sie haben früher im College zusammen Fußball gespielt.“
„Hm, das klingt tatsächlich nicht nach einer Verkettung“, schloss Bob. „Was hältst du denn von dieser Annalise? Denkst du, man kann ihr vertrauen?“
„Soweit ich das beurteilen kann, schon.“ Trevor lachte etwas unsicher. „So gut kenne ich sie jetzt auch nicht. Sie kommt halt ab und zu mal vorbei und dann trinken wir nen Kaffee und essen Kuchen und dann ist sie wieder weg. Typischer Kaffeeklatsch halt.“
„Und bei ihr zu Hause warst du nie?“, wollte Justus jetzt wissen.
„Nein“, antwortete Trevor. „Ist das komisch?“
„Natürlich nicht“, sagte Bob beschwichtigend. „Du bist ja schließlich auch nicht mit ihr befreundet, sondern deine Mutter. Mit Sicherheit hat das alles gar nichts zu bedeuten.“
Trevor sah jetzt echt verunsichert aus. „Ich find das Ganze echt gruselig. Die Leute haben doch Waffen, oder? Da will ich echt nicht reingeraten.“
„Keine Sorge, Trevor“, sagte jetzt Justus. „Wir werden dich da nicht mit reinziehen. Du sollst dich ja hier mit uns wohl fühlen und wenn wir dir je ein anderes Gefühl geben, sag bitte Bescheid. Unser Detektivunternehmen soll dich auf keinen Fall beeinträchtigen.“
Bob war sich nicht sicher, ob er Justus je hatte so einfühlsam reden hören. Was war aus ohne-Rücksicht-auf-Verluste-Justus geworden? Scheinbar hatte er Trevor echt schon mehr ins Herz geschlossen, als er es ihm zugetraut hatte.
Trevor sah auch nicht wirklich beruhigter aus als vorher. Aber so wie Bob ihn einschätzte, war Trevor wirklich nicht gemacht für das Detektiv-Dasein. Vielleicht sollten sie Annalise noch einmal genauer überprüfen, damit sie Trevors Mutter schnell ausschließen konnten. Aber von einer Ann Young hatten sie tatsächlich noch nie gehört und noch dazu wohnte diese ja in Nevada. Wenn es diese Gruppe tatsächlich gab, war sie laut Mr Wedlington ja auf die Gegend nördlich von LA beschränkt. Aber warum hatte Mr Wedlington nie bemerkt, dass Annalise Blumenthal scheinbar regelmäßig zu einer alten Collegefreundin nach Nevada fuhr? Das machte doch alles keinen Sinn.
„Okay, aber eine Frage habe ich doch noch, wenn es okay ist“, sagte Bob nun vorsichtig.
Trevor nickte und gab ihm zu verstehen, dass es in Ordnung war, zu fragen.
„Du hast gesagt, du hast Annalise nach der Bedeutung der Kette gefragt. Was hat sie darauf geantwortet?“
Trevor überlegte kurz, dann antwortete er sehr bestimmt. „Sie sagte, dass sie ein paar Freunde hat, die die Kette auch haben und dass sie bedeutet, dass sie alle zusammengehören. Und sie meinte, sie findet die Kette eigentlich hässlich, aber ihre Freunde wären traurig, wenn sie sie ablegen würde. Deshalb trägt sie sie, aber steckt sie meistens in ihre Bluse rein.“
„Das klingt ja tatsächlich, als hätte da jemand vorsichtig versucht, einem Kind eine Untergrundorganisation zu erklären“, sagte Peter.
„Oder es sind tatsächlich einfach nur ihre Freund*innen“, sagte Bob.
„Ich finde das Ganze äußerst aufschlussreich“, murmelte Justus, stand auf und verschwand ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer.
Trevor schaute ihm verwirrt hinterher.
„Keine Sorge“, sagte Bob. „Sowas macht der öfter.“
Notes:
Talk to me in the comments pleeease :)
Chapter 10: Kapitel 10: Die ehrliche Antwort
Summary:
Was bisher geschah…
Trevor hat den drei ??? eröffnet, dass eine Freundin seiner Mutter ein Tigerauge-Amulett trägt und Justus ist daraufhin vor-sich-hin-murmelnd in sein Zimmer verschwunden.
Notes:
So, Nägel mit Köpfen, Leude. Hatte keine Lust mehr, auf heißen Kohlen zu sitzen, deshalb passieren jetzt mal ein paar Dinge. Bin eigentlich echt zu ungeduldig für nen Slow-Burn.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob, Peter und Trevor hatten nicht wirklich Zeit, sich über Justus eigenartiges Verhalten zu wundern, denn so schnell wie Justus hinter seiner Zimmertür verschwunden war, kam er jetzt wieder heraus und setzte sich zurück auf den Sessel, in dem er vorher schon gesessen hatte. Bob fragte sich wirklich, was er in den wenigen Sekunden hinter der Tür getan hatte.
Vielleicht hatte er sich einfach zum Nachdenken zurückziehen wollen und musste dann aber doch noch was loswerden, dachte Bob. Er schien damit auch Recht zu haben, denn er beugte sich nun vor und sah Trevor eindringlich an.
„Trevor, mir ist gerade noch ein Gedanke gekommen, den ich für sehr wichtig halte.“
Trevor verengte seinen Blick ein wenig und schaute Justus neugierig an.
„Es ist von essenzieller Wichtigkeit“, fuhr Justus fort, „dass du deiner Mutter nichts von unseren Ermittlungen erzählst. Die Wahrscheinlichkeit, dass deine Mutter gegenüber Annalise etwas erwähnen könnte, schätze ich als sehr hoch ein. Wenn unsere Tigerauge-Organisation tatsächlich existiert, dann könnte es gefährlich für uns werden, wenn diese auf uns aufmerksam wird.“
„Was vielleicht dafür spricht, dass dieser Fall generell für uns zu gefährlich ist“, schloss Peter. „Just, du kannst doch nicht Trevor den Mund verbieten. Wir sollten uns echt aus diesem Fall rausziehen. Wenn wir da jetzt schon unseren Mitbewohner mit reinziehen, geht das einfach zu weit.“
Bob beobachtete die Unschlüssigkeit zwischen den anderen dreien. Er wusste selbst nicht so ganz, wie er dazu stehen sollte. Sie kannten Trevor erst seit wenigen Stunden. Da war es völlig unmöglich, einzuschätzen, ob man von ihm verlangen konnte, dichtzuhalten.
„Was denkst du denn, Trevor?“, fragte Bob nun. „Ich denke, es ist wenig sinnvoll, wenn wir einfach über deinen Kopf hinweg irgendetwas von dir verlangen. Wie fühlst du dich mit der Sache?“
Trevor legte den Kopf schief und schien zu überlegen.
„Ich denke, ich kann definitiv damit umgehen, nicht über euren Fall zu tratschen“, sagte er dann. „Ganz ehrlich: Ich finde das alles viel zu heikel, als dass ich da mit reingezogen werden will. Und ich kann meiner Mutter ja immer noch davon erzählen, wenn ihr den Fall gelöst habt.“
Justus schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein.
„Dennoch wüsste ich dann gern etwas mehr über die Sache Bescheid“, fuhr Trevor dann fort. „Ich will zumindest wissen, womit ich es zu tun habe, wenn ich doch mal ins Kreuzfeuer geraten sollte.“
„In Ordnung“, sagte Just und stand wieder auf. „Peter und Bob erzählen dir alles über den Fall und ich gehe derweil etwas Wichtiges recherchieren. Bis später!“
Damit ging er in sein Zimmer, schloss die Tür und blieb dieses Mal auch dahinter.
„Na vielen Dank auch“, sagte Peter.
Bob konnte verstehen, dass Peter sauer war. Just hatte ihn einfach ignoriert und abgeschnitten und dann auch noch ohne zu Fragen Aufgaben an ihn delegiert.
„Kommt es mir nur so vor, oder ist Just momentan noch waghalsiger als sonst?“, fragte Peter Bob nun.
„Ich habe den Eindruck auch“, sagte Bob. „Keine Ahnung, was den geritten hat.“
„Oder wer“, sagte Trevor und zog die Augenbrauen hoch.
Bob und Peter sahen ihn belustigt an. Trevor würde auf jeden Fall eine neue Art von Humor in ihre Dynamik bringen – soviel stand fest.
„Davon wäre ich jetzt erstmal nicht ausgegangen“, sagte Peter lachend. „Und versuch bloß nicht, mit Just über Sex zu reden. Du wirst eine sehr sachliche Antwort bekommen.“
„Du hast schonmal versucht, mit Just über Sex zu reden?“, fragte Bob verwundert.
„Einmal“, sagte Peter und nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas. „Mache ich nie wieder.“
„So schlimm?“, sagte Trevor lachend.
Peter räusperte sich und begann mit ironischem Unterton Justus Stimme nachzumachen: „Peter, Geschlechtsverkehr ist eine sehr vielseitige Tätigkeit, die sowohl zum Vergnügen durch das Ausschütten von Oxytocin als auch zur Zeugung von Kindern durchgeführt wird. Gewiss kann die Praxis von Person zu Person sehr unterschiedlich ausfallen –“
„Okay, okay, wir haben es verstanden“, sagte Bob lachend und hielt sich den Bauch.
„Also, Trevor, sollte Just je ein Mädel mit nach Hause bringen, halt uns bitte auf dem Laufenden. Ich bin wirklich daran interessiert, wie das abläuft, wenn Justus Jonas wen aufreißt“, sagte Peter.
„Ich bin mir sicher, dass es Menschen gibt, die auf die Sorte von Dirty-Talk stehen“, sagte Trevor mit leicht erhobenen Händen.
„Du sollst nicht immer von dir auf andere schließen“, sagte Bob.
Als Antwort bekam er ein Kissen ins Gesicht. „Dir erzähle ich nie wieder was.“
Es hatte scherzhaft geklungen und Bob wusste, dass Trevor ihm den Spruch nicht übelnahm. Peter hatte den Austausch mit Belustigung verfolgt und schaute etwas unschlüssig zwischen ihnen beiden hin und her.
Es war kurz etwas komisch still. Dann sagte Peter: „Sollen wir dich dann mal über den Fall aufklären.“
„Ich bitte darum“, sagte Trevor und setzte sich aufrecht hin.
„Was willst du denn wissen?“, fragte Bob.
„Also, diese Tigerauge-Leute“, begann Trevor, „was machen die denn überhaupt? Sind die kriminell oder kann man denen irgendetwas nachweisen, außer dass sie angeblich diese eine Frau haben verschwinden lassen?“
„Das ist eine gute Frage“, erklärte Bob. „So ganz genau wissen wir das auch nicht. Einmal ist in einem Heimatmuseum eingebrochen worden – das ist aber schon fünf Jahre her – und der Dieb oder die Diebin hat ein Tigerauge-Amulett hinterlassen oder verloren. Aber geklaut wurde nichts.“
„Und dann gab es irgendwann mal eine Schießerei in einem Maisfeld“, fuhr Peter fort. „Und unser Klient ist ein paar Tage später dahin gefahren und hat alles abgesucht und dann auch so ein Amulett gefunden. Aber die Polizeiakten sind versiegelt und keiner hat überhaupt eine Ahnung, wer da auf wen geschossen hat. Vielleicht hat auch jemand ganz anderes das Amulett in dem Maisfeld verloren. Und das ist auch mittlerweile Jahre her.“
„Und dann“, sagte nun wieder Bob, „gibt es halt ein paar Leute, die diese Amulette tragen oder schonmal getragen haben. Eine davon ist Annalise, die du ja kennst. Aber es gibt noch einen Fred Gilbert, so einen alten Typen mit Schnauzer. Der trägt seins immer und seine Familienangehörigen auch. Die sind alle so richtige Redneck-Republikaner, die keine Ahnung wie viele Waffen haben, einfach weil sie es cool finden. Den haben wir bis jetzt noch am wenigsten observiert, weil wir ein bisschen Respekt vor seinem Arsenal haben.“
„Es gibt auch noch Leute, bei denen wir gar nicht sicher sind, ob die überhaupt irgendwas mit den anderen Leuten zu tun haben“, fügte Peter noch hinzu. „Es gibt eben diesen Professor, bei dem Just jetzt wohl einen Job hat, und noch einen Journalisten namens Pit Kennedy. Die hat unser Klient immer nur in der Nähe von Orten gesehen, die irgendwas mit der Geschichte zu tun haben sollen, sowas wie der letzte Ort an dem die Freundin des Klienten zuletzt gesehen wurde und so. Das kann letztlich auch alles Zufall sein. Oder zumindest geben sich die Personen dann Mühe, es so aussehen zu lassen.“
„Und euer Klient“, sagte Trevor dann unschlüssig, „der denkt, dass die seine Freundin haben verschwinden lassen. Aber wenn das schon so lange her ist, warum observiert der die noch immer? Dass sie sich jetzt noch verraten, ist doch super unwahrscheinlich, oder?“
„Naja, er ist der Ansicht, dass die hinter ihm her sind“, sagte Bob.
„Ja, aber er macht das an gar nichts fest“, sagte Peter. „Er ist einfach der Ansicht, das ist so. Er hat den Eindruck, verfolgt zu werden, aber kann es an nichts Konkretem beweisen. Früher hat er auch immer mal Briefe bekommen, auf denen „Halt dich raus“ oder so stand. Aber seit Jahren kam da eigentlich nichts mehr. Aber wenn ihm irgendwas Blödes passiert, denkt er immer, dass diese Gruppe dahintersteckt. Aber das hat alles überhaupt kein System.“
„Das klingt ja echt alles so ein bisschen zusammenhanglos“, sagte Trevor. „Woher wisst ihr überhaupt, wonach ihr sucht?“
„Die Hälfte der Zeit wissen wir das selber nicht so genau“, gab Peter zu. „Deshalb ist dieser Fall ja auch so eigenartig.“
Trevor lehnte sich ein bisschen im Sofa zurück und schien zu versuchen, einen Sinn in dem Ganzen zu finden. „Und bei diesem Einbruch“, fragte er nun, „was gab es da in dem Museum, in dem nichts geklaut wurde? Habt ihr herausgefunden, wonach die Person gesucht hat?“
„Damit habe ich mich echt eine Weile beschäftigt“, sagte Bob. „Aber ich kann es mir nicht zusammenreimen. Es gab halt alte Bilder und Karten und Urkunden der Kleinstadt, in dem das Museum stand. Aber viel mehr gab es da nicht zu sehen. Vielleicht fügt sich das irgendwann zusammen, aber momentan ergibt es für mich noch nicht so richtig Sinn.“
„Und diese Vermisste? Was ist mit der?“
„Wir wissen es nicht“, sagte Peter. „Unser Klient hat gesagt, er habe damals viel getrunken und es sei auch keine besonders harmonische Beziehung gewesen. Möglicherweise ist sie einfach abgehauen und wollte nicht gefunden werden.“
„Aber sie hat doch sicherlich Angehörige oder so. Was sagen die denn?“, fragte Trevor.
Diesmal antwortete wieder Bob. „Naja, mit den meisten von denen hatte unser Klient damals nach dem Verschwinden Kontakt und die haben ihm alle gesagt, er soll sich da raushalten. Sie scheinen alle davon auszugehen, dass sie von selbst irgendwo hingegangen ist und einfach den Kontakt zu allen abgebrochen hat. Wenn man unserem Klienten Glauben schenken darf, hat niemand sie wirklich betrauert oder versucht, sie zu finden.“
„Das klingt ja echt, als wäre sie einfach von selbst gegangen“, schloss Trevor.
„Genau!“, stimmte Peter ihm zu. „Deshalb hat man auch nie polizeilich nach ihr gesucht oder irgendwen verdächtigt.“
„Und das Ganze ist jetzt wie lange her?“
„Fast zwanzig Jahre“, sagte Peter.
„Wild“, sagte Trevor.
„Ja“, stimmte Bob zu. „Mal gucken, ob wir diesen dummen Fall je gelöst bekommen.“
„Bis jetzt haben wir eine 100-prozentige Erfolgsquote“, sagte Peter lachend. „Justus wird nicht aufgeben, bis er auch diesen Fall geknackt hat.“
„Das stimmt“, sagte Bob. „Justus kann man eh nicht aufhalten. Der hat sich festgebissen.“
„Und ihr beide?“, fragte Trevor.
„Was meinst du?“, fragte Bob.
„Naja, habt ihr euch auch festgebissen? Oder was ist eure Aufgabe?“
„Mich interessiert es schon auch, wie das alles zusammenpasst“, sagte Bob. „Peter und ich recherchieren seit zwei Wochen täglich an dem Fall herum. So langsam kommt er uns zu den Ohren heraus.“
„Okay, aber eigentlich bist du der Recherchen-Mensch“, sagte Trevor zu Bob. „Zumindest steht das auf eurer Karte.“
„Ja, und mich hat Just dazu verdonnert, Bob zu helfen, weil ich keine Lust hatte, mir von Leuten Waffen an den Kopf halten zu lassen“, sagte Peter spöttisch.
„Ich finde, wir ergeben gerade ein ganz gutes Team“, sagte Bob mit einem Lächeln.
„Solange wir uns weiterhin mit Frühstück versorgen, würde ich das unterschreiben“, grinste Peter zurück.
„Süß“, sagte Trevor.
Bob warf ihm einen warnenden Blick zu.
In dem Moment klopfte es an der Tür.
„Herein!“, sagten die drei fast gleichzeitig.
In der Tür stand nun Elle, die Bob vorhin seinen Schlüssel gegeben hatte. „Hi Leute! Ich wollte nur mal kurz vorbeischauen und gucken, ob alles in Ordnung ist.“
„Alles in bester Ordnung“, gab Peter zurück.
„Fantastisch!“, sagte Elle. „Aber falls ihr noch Fragen oder Schwierigkeiten habt, könnt ihr immer auf mich oder die anderen Wohnheimssprecher*innen zukommen, okay?“
„Das ist sehr lieb, danke“, sagte nun Trevor. „Wo findet man euch denn?“
„Also ich wohne auf Zimmer 124 am Ende des Gangs, aber ich habe euch auch hier meine Nummer aufgeschrieben. Ihr könnt mir jederzeit schreiben oder mich anrufen.“ Sie streckte den dreien einen Zettel entgegen.
Bob lief ihr etwas entgegen und nahm ihr den Zettel ab. „Vielen Dank!“, sagte er und lächelte sie freundlich an.
„Alles klar“, sagte Elle dann fröhlich. „Dann wünsche ich euch eine gute Nacht.“
„Gute Nacht“, antworteten die drei und schon war Elle wieder weg.
„Gute Nacht ist eigentlich ein gutes Stichwort“, sagte Trevor. „Ich denke, ich werde mal ins Bett gehen.“
„Gute Idee“, sagte Bob. Er war wirklich sehr müde. Das war ihm bis jetzt gar nicht so sehr aufgefallen. Umziehen war echt anstrengend.
Sie gingen noch gemeinsam ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen und dann verabschiedeten sich Peter und Bob von Trevor und waren kurze Zeit später allein in ihrem neuen Schlafzimmer.
Etwas unschlüssig legte Bob die Nummer von Elle auf seinen Schreibtisch. Vielleicht hätte er sie auf dem Tisch im Wohnzimmer liegen lassen sollen.
Peter schien sein Stocken zu bemerken.
„Und?“, fragte er. „Wirst du sie anrufen?“
Bob lachte. „Vielleicht wenn unser Kühlschrank kaputt geht oder so. Aber sonst würde mir erstmal kein Grund einfallen.“
„Wieso?“ sagte Peter grinsend. „Du wolltest doch wieder mit dem Daten anfangen.“
Bob verdrehte die Augen. „Ruf du sie doch an, wenn du sie so Date-würdig findest.“
„Du bist doch derjenige, dem sie schöne Augen gemacht hat“, konterte Peter. Er war jetzt dabei, sich sein T-Shirt auszuziehen. Bob stand immer noch dumm rum.
„Hat sie überhaupt nicht“, sagte Bob.
„Hat sie ja sehr wohl. Sie hat dich richtig durchbohrt mit ihrem Blick.“
Bob war das alles wirklich nicht aufgefallen.
Was ihm dabei umso mehr auffiel, war, wie Peter sein Shirt gekonnt lässig einfach in die Ecke des Raumes warf und sich sein Schlafshirt über den Kopf und den gut geformten Oberkörper zog. Vielleicht sollte Bob sich mal um seine eigene Kleidung kümmern, als einfach Peter stumpf beim Umziehen zuzusehen.
„Mein Vater hat das vorhin übrigens auch schon gesagt, als Elle mir meine Schlüssel gegeben hat“, gab Bob jetzt zu.
„Na siehst du“, sagte Peter. „Also, du willst wieder daten und da ist ein Mädel, das gerade sehr deutlich Interesse an dir gezeigt hat und dir persönlich ihre Nummer in die Hand gedrückt hat.“
„Hm“, sagte Bob und hatte nun auch begonnen, sich umzuziehen.
Peter war jetzt aus seiner Hose geschlüpft und legte sich in Boxershorts unter seine Bettdecke.
Bob war mittlerweile auch in seinem Schlafshirt und fing an, sich umständlich aus seiner Hose zu winden.
„Das Problem ist“, sagte er dabei mit zusammengepressten Lippen, „dass die gute Elle einfach überhaupt nicht mein Typ ist.“
Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Ich wusste nicht, dass du einen hast. Alle deine Ex-Freundinnen sehen komplett unterschiedlich aus.“
Bob lachte kurz auf. Vielleicht sollte er es Peter einfach jetzt sagen. In letzter Zeit kam es einfach zu oft zu solchen Situationen. Es wäre alles so viel einfacher, wenn er out wäre.
„Du hast da einen ganz gravierenden Fehler in der Logik, Zweiter“, sagte er deshalb.
„Und zwar?“, fragte Peter.
Bob setzte sich auf seine Bettkante und schaute Peter ernst an. Das war doch ganz schön nervenaufreibend. Sein Herz schlug plötzlich wie verrückt.
„Du hast mich doch neulich gefragt, warum meine Beziehungen mit den Mädels immer nur so kurz gehalten haben“, begann er.
Jetzt setzte sich auch Peter wieder im Bett auf. Er lehnte sich gegen seine Rückenlehne und zog die Beine zu sich hin.
„Bob, ich hab doch schon gesagt, dass ich das nicht so gemeint habe. Das ist ja überhaupt nichts Schlimmes und ich wollte dir damit –“
„Peter!“, unterbrach ihn Bob. Peter hörte sofort auf zu reden. „Es ist nicht schlimm, dass du das gefragt hast. Ich hab mich zu dem Zeitpunkt nur nicht getraut, dir eine ehrliche Antwort zu geben.“
„Okay…?“ Peter klang jetzt sehr verunsichert.
„Die ehrliche Antwort ist“, – Bob nahm einen tiefen Atemzug. Jetzt oder nie. – „Die ehrliche Antwort ist, dass ich generell überhaupt nicht auf Mädchen stehe.“
Peters Augen weiteten sich. Bob sah ihm an, dass er mit der Antwort nicht gerechnet hatte. Peters überraschten Blick standzuhalten war nun viel zu anstrengend, deshalb sah Bob jetzt einfach auf seine Füße. Vielleicht hätte er es doch für sich behalten sollen. Jetzt kam er aus der Nummer nicht mehr raus.
„Ich hab’s halt damals immer wieder versucht, aber es war einfach jedes Mal eine Katastrophe und deshalb habe ich auch irgendwann aufgehört, Mädchen zu daten – weil ich gemerkt habe, dass das nichts wird. Ich hab seitdem schon noch weiter gedatet, aber eben Jungs.“
„Aber das ist doch schon ewig her, dass du deine letzte Freundin hattest“, sagte Peter jetzt leise. „Weißt du das schon so lange und hast dich nie getraut es zu sagen?“ Bob spürte, wie Peter immer noch seinen Blick suchte. Aber er konnte ihm einfach nicht in die Augen schauen. Das war gerade einfach zu viel.
Bob stiegen die Tränen in die Augen. Er wusste auch nicht genau warum. „Ich weiß es doch auch nicht. Ich wusste ja auch eigentlich, dass ihr bestimmt nichts dagegen haben würdet, aber –“
„Bob“, sagte Peter jetzt eindringlich. Dann stand er auf und lief zu Bobs Bett herüber. „Komm mal her“, sagte er dann und zog ihn sachte am Arm nach oben, sodass sie nun voreinander standen. Dann schloss er Bob in seine Arme und drückte ihn fest an sich.
Bob wusste gar nicht so genau, wo er mit sich hin sollte. Irgendwie war es ihm so sehr bewusst, dass sie beide keine richtigen Hosen anhatten, sondern nur Boxershorts. Aber andererseits war es in dem Moment auch so egal, weil der ganze Druck gerade von ihm abfiel und er einfach nur in Peters Schlafshirt heulte. Er vergrub seine Hände in dem Stoff auf Peters Schulterblättern und ließ sich einfach drücken. Sein ganzer Körper war mit ihm in Kontakt. Peter fuhr ihm mit einer Hand über den Rücken, die andere Hand war in seinen Haaren. Und so hielt Peter ihn einfach fest.
Es war wirklich selten, dass Peter und er sich körperlich so nah waren. Es war so überfordernd, dass Peter ihn so sehr umhüllte und er ihn so sehr riechen konnte. Aber gleichzeitig war es auch so beruhigend. Endlich war es raus. Er brauchte sich vor Peter nicht mehr zu verstecken – zumindest nicht mehr in Bezug auf seine sexuelle Orientierung.
„Bob, natürlich habe ich nichts dagegen“, sagte Peter jetzt leise in seine Haare. „Ganz im Gegenteil: Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast.“
„Danke, Peter!“, sagte Bob. „Ich weiß auch nicht, warum ich es so schwierig fand, euch das zu erzählen.“
„Naja, ich kann mir vorstellen, dass es schwieriger ist bei Leuten, die einen schon lange kennen. Weil die sind ja schon viel eingefahrener in ihrer Meinung über dich.“
„Das ergibt eigentlich Sinn“, sagte Bob.
„Auch ich hab meine schlauen Momente“, sagte Peter und lachte ein bisschen. Bob spürte das Lachen in seinem ganzen Körper.
„Das erklärt auch, warum ich das vorhin so einfach Trevor erzählen konnte. Der kannte mich noch nicht und hatte keine vorgefertigte Meinung über mich.“
Jetzt löste sich Peter ein bisschen von Bob und schaute ihm in die Augen. Seine Hände ließ er allerdings an seinen Schultern.
„Moment“, sagte er, „du fängst jetzt aber nichts mit Trevor an, oder?“
Bob lachte. „Regel Nummer eins des Studentenlebens, Peter. Schlafe niemals mit deinem Mitbewohner.“
„Aha“, sagte Peter mit hochgezogenen Augenbrauen. „Das ist ja ne ausgesprochen dumme Regel.“
„Möglich“, gab Bob zu, während er sich wieder auf sein Bett setzte, „aber ich denke, Trevor und ich haben schon recht schnell geklärt, dass wir jeweils nicht der Typ voneinander sind.“
„Hat er dir das so gesagt, dass du nicht sein Typ bist? Das ist ja unhöflich“, sagte Peter trocken. Er hatte sich mittlerweile auch wieder auf sein eigenes Bett gesetzt und die Decke über seine Füße gezogen. Vermutlich waren seine Beine echt kalt geworden.
Nun musste Bob schon wieder lachen. „Nein, natürlich nicht. Aber ich habe herausgefunden, dass er auf Kerle steht, die ihm intellektuelle Vorträge halten und vernünftig reden können, und dass er dazu neigt, sich in seine Dozenten zu verknallen. Außerdem habe ich die starke Vermutung, dass wir auch auf andere Weise nicht miteinander kompatibel wären.“
„Wie jetzt?“, fragte Peter.
„Naja, du weißt schon“, sagte Bob kleinlaut. Er hätte es vermutlich einfach für sich behalten sollen. Bei Peter im Kopf schien es allerdings klick gemacht zu haben. Seine Miene veränderte sich in ein Grinsen.
„Hä?“, sagte Peter. „Können Schwule einander ansehen, welche Rolle sie im Bett haben, oder was? Oder hat er dir das gleich auch noch erzählt?“
Bob lachte verlegen. „Nein, das hat er mir nicht erzählt. Aber wenn man schon ein bisschen in der schwulen Datingszene herumgekommen ist, entwickelt man da irgendwann einen Riecher für. Aber ich könnte natürlich auch falsch liegen.“
„Aha“, sagte Peter.
Bob war sich unschlüssig, was Peter jetzt gerade wohl dachte. Vielleicht hätte er nicht gleich nach seinem Outing mit dem Thema Schwulensex weitermachen sollen.
„Wir sollten ihn mit Justus verkuppeln“, sagte Peter nun.
„Was?“, sagte Bob.
„Naja, er hat doch gesagt, er wird gerne intellektuell vollgeschwafelt. Das trifft sich doch super.“
Bob schaute Peter mit verwirrter Miene an. „Ich halte es ja für statistisch sehr unwahrscheinlich, dass von den drei Fragezeichen gleich zwei queer sind.“
„Nur weil es statistisch unwahrscheinlich ist, heißt es ja nicht, dass es unmöglich ist“, sagte Peter.
Wenn von ihnen dreien tatsächlich zwei queer wären, hätte Bob eher auf Peter gehofft als auf Just. Aber das waren wohl egoistische Motive, die dahintersteckten.
„Wir könnten Justus ja mal ausrechnen lassen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist“, sagte er dann.
„Was denkst du, wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit, dass wir alle drei queer wären?“, fragte Peter.
„Puh, keine Ahnung“, sagte Bob. „Ich studiere Wörter – keine Zahlen.“
„Vielleicht frage ich mal Justus morgen“, sagte Peter lachend.
„Ja“, stimmte Bob zu. „Nicht mehr heute.“
„Nicht mehr heute“, sagte nun auch Peter mit müder Stimme und drehte sich in seinem Bett zur Wand. Bob sah nur noch seinen Rücken.
„Soll ich das Licht ausmachen?“, fragte Bob.
„Gern“, sagte Peter.
Bob löschte das Licht.
„Gute Nacht, Peter.“
„Gute Nacht, Bob.“
Es dauerte nicht lang, da hörte Bob, wie Peters Atem sich beruhigte und danach klang, dass er eingeschlafen war. Er selbst lag noch ewig wach. Heute war so viel passiert.
Notes:
Kann bitte ein*e Mathematiker*in ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass alle 3 Fragezeichen queer sind? Ich brauche da ne professionelle Meinung in den Kommentaren, bitte-dankeschön :)
Chapter 11: Kapitel 11: Der Journalist
Notes:
Dieses Kapitel ist ein Monster, ich entschuldige mich.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Die Stimmung am nächsten Morgen war sehr gut. Alle würden heute ihre ersten Vorlesungen haben und es lag Aufregung in der Luft.
Auch Bob fühlte sich fantastisch. Er war stolz, dass er es gestern geschafft hatte, sich gleich zwei Leuten zu outen. Irgendwie war das alles so plötzlich und spontan geschehen, dass Bob das überhaupt nicht hatte planen können. Klar, in seinem Kopf hatte er diese Gespräche schon zigtausend Mal geführt, aber letztlich waren die beiden Situationen dann doch ganz plötzlich und anders gekommen, als er sie sich ausgemalt hatte. Aber vielleicht war das auch gut. Er war froh, dass es jetzt – zumindest teilweise – erstmal raus war. Und beide Coming Outs waren besser verlaufen, als er es sich überhaupt erträumt hatte.
Über das Coming Out bei Peter freute er sich natürlich noch mehr als über das bei Trevor. Bei Peter hatte er mit Abstand die größte Angst vor einer schlechten Reaktion gehabt. Nicht so sehr, weil er gedacht hätte, dass Peter homophob sein könnte. Er kannte ihn gut genug, dass er wusste, dass Peter umsichtig und weltoffen war. Aber in seinen schlimmsten Tagträumen hatte er dann doch manchmal befürchtet, Peter würde auffallen, dass Bob sich ihm gegenüber manchmal mehr als nur freundschaftlich verhielt, und ihn dementsprechend damit konfrontieren würde. Aber nichts dergleichen war passiert. Natürlich war es das nicht – Peter war halt Peter. Peter würde Bob niemals irgendwelche halb-homophoben Dinge an den Kopf werfen. Eigentlich wusste Bob das. Aber natürlich war Angst selten rational.
Justus und Peter hatten heute als erste ihr Zimmer verlassen und waren zu den frühen Vorlesungen um neun verschwunden. Bobs erster Block begann erst um 10, deshalb lag er jetzt wieder im Bett. Er war schon kurz auf gewesen, hatte sich mit Peter und Justus unterhalten und hatte sich dann nochmal mit seinem Handy ins Bett gelegt.
Bob schaute sich in seinem neuen Zimmer um. Er würde sich hier definitiv wohlfühlen können, dachte er. Sie hatten eins der schöneren Wohnheime erwischt, die große, alte Fenster hatten mit dunkelbraunem Holz und bodenlangen Vorhängen. Auch die Möbel waren für Wohnheimsverhältnisse einigermaßen schick. Bob konnte sich wirklich nicht beschweren. Er hatte gestern schon ein bisschen dekoriert, aber vielleicht würde er noch ein paar Dinge verändern, um es wohnlicher zu machen. Die Verschwörungswand half dabei definitiv nicht. Vielleicht hätte er sie lieber Justus ins Zimmer hängen sollen. So wie es jetzt war, starrte ihn Tony mit ihren dunklen Augen von ihrer alten Fotografie in der Mitte der Wand an. Sie lächelte zwar sehr freundlich in die Kamera, aber es hatte doch irgendwie etwas Ominöses, jeden Morgen vom Gesicht einer seit fast 20 Jahren verschollenen Person begrüßt zu werden, sobald man die Augen öffnete. Aber zumindest hing die große Mind-Map an der Wand, in der auch die Tür war. Somit würde nicht gleich der erste Blick jedes Besuchers dazu führen, dass man ihn und Peter als Aluhutmenschen einstufte. Sollte Bob tatsächlich mit dem Dating anfangen, sollte er diese Zimmerdeko auf jeden Fall noch einmal überdenken. Aber das war ein Problem für einen anderen Tag.
Bobs Handy machte ein wohlbekanntes Surrgeräusch und eine Nachricht von Justus leuchtete auf:
Kollegen, ich habe gestern Abend noch den Journalisten Pit Kennedy kontaktiert und ihm erklärt, wir seien Soziologiestudenten der UCLA, die sich für eine Projektarbeit mit Untergrundorganisationen und Sekten beschäftigen. Ich habe gesagt, wir hätten einige seiner Artikel in der Zeitschrift Outcasts gelesen und würden uns für ein Gespräch mit ihm interessieren. Eben hat er mir geantwortet und mir vorgeschlagen, wir könnten gleich heute Abend bei ihm vorbeikommen. Seid ihr dabei? MVG Justus
Bob fragte sich manchmal, warum Justus unter so viele seiner Nachrichten immer noch seinen Namen daruntersetzte. Ihm musste doch wohl klar sein, dass Peter und er seinen Namen längst in ihr Handy eingespeichert hatten. Aber manchmal war es schlau, solche Fragen einfach nicht zu stellen. Er tippte schnell ein Bin dabei. als Antwort und stand auf.
Bob lief in den Gemeinschaftsraum und machte sich Müsli. Er hatte sich gerade mit seiner Schale auf das Sofa gesetzt, als Trevor gähnend aus seiner eigenen Zimmertür trat. Er trug, wie Bob, nur ein T-Shirt und Boxershorts und hatte dazu noch ein Satintuch über seinen Haaren.
„Hattest du nicht gesagt, du seist Frühaufsteher?“, fragte Bob.
„Bin ich auch“, sagte Trevor. „Aber irgendwie habe ich mich gestern Abend noch so lange mit Justus unterhalten, dass ich heute Morgen das Bedürfnis hatte, noch ein bisschen im Bett liegen zu bleiben und zu lesen.“
‚Spannend!‘, dachte Bob und fragte sich, was die beiden wohl so lange geredet hatten. Vielleicht hatten sie sich über die Französische Revolution ausgetauscht oder über die zunehmende Bedeutung von Simultanübersetzungsgeräten in der internationalen Wirtschaft.
„Was hast du gelesen?“, fragte er stattdessen.
„Ach, so ein Buch, was mir meine Mom geschenkt hat“, antwortete Trevor und ging auch zum Kühlschrank, um sich Frühstück zu machen. „Über den amerikanischen Bürgerkrieg. Aber es ist nicht so viel darin, was ich nicht eh schon weiß.“
„Aha“, sagte Bob. Nerdbrain trifft Nerdbrain. Alles nicht sonderlich überraschend.
„Und bei euch?“, fragte Trevor. „Wie war die erste gemeinsame Nacht?“ Er hatte einen sehr ironischen Unterton in der Stimme und schaute Bob vielsagend an.
„Ich hab ihm erzählt, dass ich schwul bin“, sagte Bob trocken.
Trevor hatte Schwierigkeiten, seine Milch nicht zu verschütten. Mit seiner freien Hand machte er eine fuchtelnde Geste und stemmte dann seine Hand in die Hüfte. Dass die Milch nicht auf dem Boden landete, grenzte an ein Wunder.
„Du hast was?“
„Keine Ahnung, er hat halt Witze darüber gemacht, dass ich ja diese Elle anrufen könnte – jetzt wo ich ihre Nummer hab. Und dann hab ich halt gesagt, dass sie nicht so wirklich mein Typ ist, und, ja…“
Sehr eloquent. Aber naja, es war früh.
„Babe“, sagte Trevor mit beglückter Stimme und legte sich die Hand auf die Brust. „Ich bin ja so stolz auf dich.“
Bob zuckte mit den Schultern.
„Und?“
„Was, und?“
„Naja“, sagte Trevor mit hochgezogenen Augenbrauen, „hat er gesagt ‚Oh mein Gott, ich auch und ich liebe dich‘?“
Bob lachte. „Nein, natürlich nicht!“
„Ärgerlich.“ Trevor machte eine Schmollmiene.
„Man kann nicht alles haben im Leben“, sagte Bob mit einem gequälten Lächeln. „Aber er hat sehr süß reagiert und mir gesagt, dass er froh ist, dass ich es ihm gesagt hab. Und er hat mich in den Arm genommen.“
„Okay, na immerhin“, sagte Trevor nun mit einem etwas zufriedeneren Gesichtsausdruck. „Und wie fühlst du dich jetzt?“
„Gut!“, antwortete Bob. Er meinte es so. „Ich bin echt gut drauf. Ich freu mich auf die Uni und ich bin froh, dass ich zumindest das nicht mehr vor Peter verheimlichen muss.“
Trevor setzte sich jetzt neben ihn und legte kurz seinen Kopf auf Bobs Schulter ab. Dann nahm er ihn wieder hoch und begann sein Müsli zu essen. „Ich bin sehr happy für dich! Du kannst richtig stolz auf dich sein!“
„Bin ich auch“, sagte Bob und lächelte.
„Und wenn du magst, kannst du morgen mit ins queere Zentrum auf dem Campus kommen. Ich hab da Freunde, die letztes Jahr schon angefangen haben, hier zu studieren, die mich eingeladen haben. Morgen gibt es eine Kick-Off-Party. Aber natürlich nur wenn du willst – ich weiß ja, dass du noch nicht wirklich out bist.“
Bob überlegte. Eigentlich hatte er ja nichts zu verlieren. Hier auf dem Campus war eh Justus der Einzige, der ihn kannte und nicht wusste, dass er schwul war. Bei allen anderen war er ein weißes Blatt Papier.
„Ich denke, ich würde gern mitkommen“, sagte er deshalb und war stolz, dass er wusste, dass er mutig genug dafür war.
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Der Tag in der Uni war wie im Flug vergangen und die gute Stimmung des Morgens hatte sich für Bob fortgesetzt. Seine ersten Vorlesungen waren ihm vorgekommen, wie ein Besuch im Vergnügungspark. Alles ging so schnell und er hatte versucht, alles so gut er konnte in sich aufzusaugen: das ganze Wissen, die Stimmung, die Unterhaltungen mit neuen Leuten. Die meisten seiner Kommilitonen waren wahnsinnig nett gewesen und Bob war sich sicher, dass er sich mit einigen von ihnen gut verstehen würde. Bei den Einführungsveranstaltungen hatte er jetzt schon wahnsinnig viel gelernt und er war kaum hinterhergekommen mit dem Mitschreiben. Er war wirklich froh, dass er sich für seinen Studiengang entschieden hatte. Er hatte einfach das Gefühl, am richtigen Ort zu sein.
Justus und Peter schien es ähnlich ergangen zu sein. Auf der Fahrt zu Pit Kennedys Haus waren sie überhaupt nicht aus dem Erzählen herausgekommen. Jeder von ihnen hatte so viel erlebt. Pit Kennedy wohnte im äußeren Speckgürtel von Los Angeles und die Fahrt dorthin hatte fast eine halbe Stunde gedauert und sie hatten die ganze Zeit geplaudert und sich die Erlebnisse ihres ersten Tages erzählt. Erst zum Ende lenkte Justus nun das Gespräch zurück auf den Fall.
„Also, Kollegen“, begann er, „ich habe Pit Kennedy gesagt, wir studieren Soziologie. Da Soziologie mein Zweitfach ist, würde ich vorschlagen, dass ich den fachlichen Teil der Konversation übernehme, wenn es dazu kommt, dass wir unsere wissenschaftliche Kompetenz unter Beweis stellen müssen.“
„Keine Einwände“, sagte Peter. „Den Nerdtalk kannst du gerne übernehmen.“
„Und wie lange halten wir die Scharade aufrecht?“, wollte Bob nun wissen. Er war sich ja eigentlich schon ziemlich sicher, dass Pit Kennedy nicht zu den Tigerauge-Leuten gehörte, sondern selbst journalistisch über sie recherchierte.
„Was meinst du?“, fragte Peter.
„Naja, wenn er uns definitiven Anlass gibt, zu glauben, dass er – so wie Bob vermutet – einen Artikel über die Tigerauge-Gruppe für die Zeitschrift Outcasts schreibt, dann können wir unser Cover möglicherweise aufgeben“, erklärte Justus. „Vielleicht kann er uns mehr helfen, wenn er von unserer detektivischen Arbeit weiß.“ Er war gerade dabei, den Wagen in eine Seitenstraße zu lenken. Bob fand es noch immer eigenartig, dass Justus jetzt auch ein Auto hatte.
„Also sobald er uns sagt, dass er aktuell an einer Reportage sitzt und die Eckdaten uns bekannt vorkommen, erzählen wir ihm, wer wir wirklich sind?“, fragte Peter.
Justus nickte. „Wir sind da, Kollegen.“
Pit Kennedy war ein kurios aussehender Kerl. Er war vielleicht Anfang 30, hatte ein Mullet und einen hoch abgeschnittenen Pony, der mehrere Zentimeter über seinen Augenbauen thronte. Seine Haare waren wasserstoffblond gefärbt und seine schmalen Augen hatte er mit einem hellblauen Lidstrich verziert. Er war von Anfang an sehr freundlich gewesen, hatte sie ohne Umstände in seinem Wohnzimmer mit Tee und koreanischem Gebäck umsorgt und ihnen gesagt, sie könnten ihn gerne Pit nennen. Die drei Fragezeichen hatten sich dankbar bedient und es sich auf seiner Couch bequem gemacht. Generell war Pit scheinbar sehr redselig. Er quasselte recht viel. Sicherlich würde er einem viel verraten, wenn man ihm die richtigen Fragen stellte, dachte Bob. Justus würde das bestimmt gut hinbekommen.
„Nun sagt mal“, fragte Pit nun, nachdem sie den Smalltalk abgehakt hatten. „Wofür interessiert ihr euch genau? Vielleicht kann ich ja ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.“
Justus ergriff wie abgesprochen das Wort. „Wir interessieren uns vor allem für die sozialen Aspekte der Gruppenabgrenzung, die du in deinen Recherchen beobachtet hast. Was bewegt die Leute dazu, in eine Sekte oder eine Untergrundorganisation einzutreten, was hält sie dort und wie schafft sich eine solche Gruppe ihre eigene Identität?“
Pit zog die Augenbrauen hoch und stieß mit einem Pfeifgeräusch ein wenig Luft durch die Lippen. „Das sind ein paar sehr große Fragen. Darüber könnte man sicherlich ein paar Stunden diskutieren.“
„Dessen bin ich mir durchaus bewusst“, erklärte Justus. „Wir sind vor allem daran interessiert, wie diese Fragen bei den Gruppen, die du untersucht hast, konkret zu beantworten sind. Das Große und Ganze führt sicherlich zu weit, aber deshalb suchen wir deine Expertise für die spezifischen Fälle, mit denen du vertraut bist.“
„Hm“, sagte Pit und tippte sich mit seinem Zeigefinger gegen das Kinn, „also ein großer Punkt bei allen diesen Fragen ist die Zugehörigkeit.“ Er schlug elegant seine Beine übereinander und strich seinen Pony zurecht. „Teil einer Gemeinschaft oder einer gemeinsamen Sache zu sein, ist unglaublich sinnstiftend für die menschliche Seele. Ob das durch eine religiöse Motivation geschieht oder einen politischen Zweck oder durch kriminelle Machenschaften, ist erst einmal egal – solange man irgendwo dazugehört. Dann werden gewisse Regeln etabliert und durchgesetzt, die den Gruppenzusammenhalt bestimmen. Die können dann natürlich auch recht gefährlich für Querschläger sein – also die Leute, die versuchen, aus so einem System auszubrechen.“
Bob fragte sich, wie viel Peter von dem, was Pit gerade gesagt hatte, gerade verstanden hatte. Selbst für ihn selbst klang das alles etwas abstrakt. Aber Justus nickte nur wissend.
„Welchen Regelsystemen bist du denn in deiner bisherigen Arbeit bisher begegnet? Irgendetwas Außergewöhnliches?“, hakte der erste Detektiv nach.
„Oftmals halt die typischen religiösen Fundie-Parolen, also kein Sex vor der Ehe, Homophobie, ihr kennt das.“ Pit machte eine abfällige Geste mit seiner Hand. „Dann gibt es so Gruppen, in denen alles ganz transparent geschehen muss. Der Guru, der ganz oben sitzt, muss über alles informiert werden und wenn ihm nicht gefällt, was ihm berichtet wird, gibt es Sanktionen. Und dann halt auch so alberner Scheiß, wie, dass alle die gleiche Tätowierung haben müssen oder ein bestimmtes Amulett tragen müssen. Solche Maßnahmen stiften immer Gruppenidentität, Nachverfolgbarkeit. Aber sie sind natürlich auch der Grund für einen unglaublichen Druck bei denen, die nicht ins System passen.“
Bob wurde hellhörig. Das mit dem Amulett klang doch genau nach dem, was sie suchten. Auch Justus schien den Braten gerochen zu haben und veränderte seine Sitzposition.
„Das mit dem Amulett“, sagte der Erste nun, „ist das ein echtes Beispiel, das du kennst? Das klingt ja viel zu auffällig. Oder möchte diese Gruppe gern auffallen?“
Pit lachte. „Nein, diese Gruppe möchte auf gar keinen Fall auffallen. Die sind mein aktuelles Projekt. Die meisten tragen ihr blödes Amulett unter der Kleidung. Es fällt nur selten auf. Ich hab die Leute vor einigen Jahren schon einmal recherchiert, aber die haben sich so bedeckt gehalten, dass ich sie aufgeben musste. Es war einfach nichts rauszufinden. Zwischenzeitlich habe ich sogar schon geglaubt, es gebe die Gruppe gar nicht Aber vor ein paar Monaten habe ich wieder angefangen.“
Jetzt hatte Bob doch das Bedürfnis, sich auch einzuschalten. „Gab es einen bestimmten Auslöser? Oder hat es dich einfach zu sehr gewurmt, dein Projekt nicht zu Ende gebracht zu haben?“
„Hm“, sagte Pit und schien etwas zu überlegen. „Ich habe damals mit einer Frau gesprochen, von der ich dachte, sie könne dazugehören. Die hat mich in den Wind geschickt und mir deutlich zu verstehen gegeben, ich sei auf dem Holzweg. Richtig unfreundlich war sie damals. Vor ein paar Monaten hat sie mich dann völlig aus dem Blauen heraus kontaktiert und gesagt, sie habe mich damals belogen, um ihre Gruppe zu schützen. Aber sie sei nun ausgestiegen und wäre bereit, auszupacken, solange ich ihren Namen und alle Informationen, an denen man sie erkennen könnte, unter Verschluss halte.“
„Das ist ja der Wahnsinn“, entfuhr es Peter.
Pit nickte mit einem eindrucksvollen Blick. „Jetzt habe ich eine richtige Zeugin und die Dinge, die sie zu erzählen hat, sind absolut wild. Es ist nur sehr schwierig, die Reportage so zu schreiben, dass nicht erkenntlich wird, wer sie ist und von wem ich meine Infos habe. Wenn die Gruppe merkt, dass sie mir Informationen zuspielt, könnte das echt böse enden.“
Bob schaute zwischen Peter und Justus hin und her. Die beiden schienen ähnlich zu denken, wie er. Das, was Pit da gerade von sich gab, klang verdächtig nach ihrem Fall.
„Naja, die Gruppe ist auf jeden Fall etwas gefährlicher und es verschwinden ab und zu mal Leute, aber das ist ja auch für die Sache jetzt gar nicht so wichtig“, sagte Pit, „es ging ja eigentlich um Identitätsmarker.“ Dann stockte er und schaute zwischen ihnen allen umher. „Ihr schaut irgendwie alle so. Ist irgendwas?“
Bob hatte echt nicht gedacht, dass der Punkt, an dem sie sich zu erkennen geben könnten, so schnell kommen würde. Aber Pit schien irgendwie sehr gesprächsbereit zu sein. Und so, wie es gerade lief, hatte er den Eindruck, sie konnten ihn nun tatsächlich in ihren Fall einweihen.
„Nun ja“, begann Justus. „Wir müssen gestehen, dass wir dich unter einer falschen Prämisse kontaktiert haben, Pit. Wir sind zwar tatsächlich Studenten und ich studiere auch Soziologie, aber wir haben genaugenommen erst heute an der Uni angefangen. Wir sitzen an noch keiner Arbeit.“
Pit machte große Augen und schaute plötzlich sehr ängstlich. „Ihr seid vom Tigerauge!“
„Nein, nein, nein“, schaltete sich Peter ein und machte eine beschwichtigende Geste mit seinen Händen. „Wir sind aber an dieser Tigerauge-Gruppe interessiert.“
„Genaugenommen sind wir Detektive“, erklärte Justus, „die gerade versuchen, herauszufinden, ob es diese Tigerauge-Gruppe überhaupt gibt, und wenn ja, was sie treiben. Unser Klient hat uns beauftragt, eventuelle kriminelle Machenschaften dieser Gruppe aufzudecken und einen Vermisstenfall aufzuklären.“
Bob nahm das als ein Zeichen, dass es Zeit war, Pit eine ihrer Visitenkarten zu geben. Pit betrachtete die Karte skeptisch und drehte sie ein paar Mal zwischen den Fingern hin und her.
„Detektive also…“, murmelte er. Er schien eine Weile zu überlegen, ob er ihnen glauben sollte. „Wer ist denn euer Klient?“, fragte er dann.
„Unser Klient bevorzugt es, anonym zu bleiben“, sagte Justus.
Pit lachte. „Also Mr Wedlington.“
Die drei Fragezeichen schauten ihn überrascht an.
Pit grinste nun breit und steckte sich eine Zigarette an. Bob beobachtete, wie Peter die Nase rümpfte. Er hatte Zigarettengeruch schon immer verabscheut. Vor allem im Haus.
„Also tatsächlich der alte Spinner“, fuhr der Journalist nun feixend fort. „Hätte ja nicht gedacht, dass der sich tatsächlich nochmal Hilfe holt. Seit Ewigkeiten macht der den Spaß jetzt schon im Alleingang und lässt sich dabei immer mehr gehen. Habt ihr mal gesehen, wo der wohnt? Völlig irre! Die vom Tigerauge nehmen ihn schon seit ner ganzen Weile nicht mehr ernst.“ Er legte seinen Kopf in den Nacken und blies einen Rauchstreifen über seinen Kopf.
„Wir sind uns über den äußerlichen Zustand von Mr Wedlingtons Anwesen im Klaren“, erklärte Justus. Dass es innen im Haus sehr anders aussah, erwähnte er nicht. Vielleicht war es besser so. Der gewünschte Effekt von Mr Wedlingtons Maskerade schien ja genau den Effekt zu haben, den er beabsichtigte. Bob hatte sich immer gefragt, was das alles sollte – der ganze Müll, den Mr Wedlington in seinem Vorgarten hortete. Aber scheinbar hatte das Ganze ja einen Zweck, und es schien zu funktionieren. Wenn die Tigerauge-Leute tatsächlich gefährlich waren, würde es Mr Wedlingstons Leben sicherlich komplizierter, wenn sie ihn als ernstzunehmende Gefahr einstuften.
Justus fuhr unbeirrt fort: „Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass eine Person verschwunden ist, die es gilt, wiederzufinden – sofern sie gefunden werden möchte.“ Vermutlich wollte er Pit nicht bestätigen, dass Mr Wedlington ihr Klient war – auch wenn es ja jetzt durchaus offensichtlich war. Sie hatten es ja nicht einmal abgestritten.
Pit rollte mit den Augen. „Es sind einige Menschen verschwunden – in Zusammenhang mit dieser Gruppe.“
„Ernsthaft?“, entfuhr es Peter.
„Ernsthaft!“, gab Pit zurück. „Also, wenn ihr im Auftrag von Mr Wedlington unterwegs seid, dann sucht ihr ja vermutlich nach Antonia Brewis, also Tony. Aber vor Tony sind noch zwei weitere Frauen verschwunden. Und vor zehn Jahren ungefähr auch noch ein Mann.“
„Das ist ja schrecklich“, meldete sich Peter wieder. Er sah wirklich besorgt und eingeschüchtert aus.
„Bei Tony bin ich mir sehr sicher, dass sie von allein gegangen ist“, fuhr Pit fort. „Bei den anderen Leuten bin ich mir weniger sicher. Eine der Frauen könnte möglicherweise echt beseitigt worden sein. Aber ich weiß es nicht.“ Pit fuhr sich durch die Haare. „Meiner Zeugin zufolge hat Tony damals etwas mitbekommen, über das Verschwinden von einer dieser Frauen und musste dann untertauchen, um nicht selbst in Gefahr zu geraten. Ich bin mir sicher, dass Tony noch irgendwo unter einem anderen Namen wohnt und ihr bestes Leben lebt – sofern sie nicht durch irgendwelche anderen Umstände verstorben ist. Aber davon würde ich jetzt mal nicht ausgehen. Sie war ja noch jung.“
Bob fand es immer noch seltsam, dass Pit das alles so frei erzählte. Seine Zweifel, ob er ihnen vertrauen konnte, schien er echt schnell vergessen zu haben.
„Und was macht diese Gruppe jetzt?“, fragte Bob. „Sind die sonst irgendwie kriminell? Oder was macht die überhaupt aus?“
Pit lachte. „Ach, das wisst ihr gar nicht? Na, dann steht Mr Wedlington ja noch mehr auf dem Schlauch, als ich dachte.“ Er drückte den Rest seine Zigarette im Aschenbecher aus und nahm seine Teetasse in die Hand. „Also, ich würde die Gruppe als eine kleine Mafia beschreiben. Die haben da in der Kleinstadt, in der sie sind, quasi alles in der Hand. Über die letzten drei Jahrzehnte haben die dafür gesorgt, dass ihnen fast alles aus dem öffentlichen Leben gehört und dass sie auch die meisten Immobilien besitzen, die es dort gibt. Da läuft vieles unter der Hand und das ganze Geld ist meiner Meinung nach auch nicht sauber. Ich bin mir sicher, dass sie Geld waschen. Aber ich kann es natürlich noch nicht beweisen. Ich bin ja noch nicht fertig mit meiner Recherche. Aber es könnte sein, dass ich im Laufe meiner Arbeit noch Kontakt mit der Polizei aufnehmen muss. Irgendeine religiöse Komponente gibt es auch, aber das habe ich noch nicht ganz verstanden.“
Nun schaltete sich Justus wieder ein: „Du hast zu Beginn von einem ‚Guru‘ gesprochen, der alles in der Hand hat und dem alles berichtet werden muss.“
Pit nickte.
„Hat die Gruppe auch so einen?“
„Ich denke schon“, erklärte der Journalist. „Ich bin der Ansicht, dass es vermutlich Fred Gilberts ist. Habt ihr von dem schon gehört?“
„Der komische Typ mit dem Schnauzer, der eine ganze Waffensammlung hat“, sagte Bob. „An den haben wir uns noch nicht so richtig rangetraut.“
„Da wäre ich auch vorsichtig“, stimmte Pit ihm zu. „Der Kerl ist sau gefährlich. Passt bloß auf, dass euch der Fall nicht um die Ohren fliegt.“
„Großartig!“, sagte Peter.
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Am Abend, als Bob und Peter wieder auf ihrem Zimmer waren, stand Peter der Schreck noch immer ins Gesicht geschrieben. Sie hatten noch eine ganze Weile mit Pit gequatscht und er hatte sie in die meisten Dinge eingeweiht, die er wusste. Nur bei seiner Zeugin war er sehr vorsichtig gewesen. Ihm war es sehr wichtig gewesen, sie und ihre Informationen nicht zu sehr preiszugeben. Aber das war ja auch verständlich. So wie Pit klang, konnte man in Calabasas niemandem trauen. Scheinbar konnte man nie wissen, welche Leute zum Tigerauge gehörten und welche nicht. Pit hatte ihnen auch davon abgeraten, die örtliche Polizei zu kontaktieren. Auch da gab es wohl Mitglieder, die Fred Gilberts über alle Entwicklungen Bescheid gaben. Bob fiel es schwer, die Puzzleteile in seinem Kopf zusammenzufügen. Kein Wunder, dass Peter so aussah, als wäre ihm eine Laus über die Leber gelaufen.
„Alles okay bei dir, Pete?“, fragte Bob.
„Mir gefällt das alles überhaupt nicht.“
„Mir auch nicht.“
„Ich will diesen Fred Gilberts gar nicht untersuchen. Nachher holt der noch seine ganzen Gewehre raus.“ Peter klang echt resigniert. Resignierter als normalerweise, wenn ihn irgendein Geist beunruhigte.
„Vielleicht müssen wir das ja auch nicht“, sinnierte Bob. „Wenn die mit Papieren und Geld hantieren, könnte man der Spur ja auch in Archiven und Bibliotheken und auf dem Finanzamt folgen. Vielleicht kann man denen ja auch was nachweisen ohne dass sie auf uns aufmerksam werden.“
„Hm“, machte Peter. „Ich will dem Kerl jedenfalls nicht begegnen.“
„Musst du auch nicht“, sagte Bob. Eigentlich interessierte ihn dieser Fall gerade überhaupt nicht. Er wollte einfach nur, dass es Peter wieder besser ging. So gern hätte er ihn mehr getröstet. Aber Bob wusste wirklich nicht, was er tun konnte. Es war alles so eigenartig. Warum war Justus so sehr darauf versessen, diesen Fall zu lösen, der so sehr über ihre normale Größenordnung hinausging?
Bob beschloss, Peter einen Kakao zu machen. Das war bei Peter eigentlich immer eine gute Wahl. Er ging in den Gemeinschaftsraum und suchte die größte Tasse, die er finden konnte. Dann füllte er sie mit Milch machte sie in der Mikrowelle warm. Dann schaufelte er ordentlich Kakaopulver dazu und ging wieder zurück auf sein Zimmer.
Peter saß auf seinem Bett und scrollte gedankenverloren in seinem Handy herum.
„Hier!“, sagte Bob und hielt ihm die Tasse hin.
Vielleicht hätte er sich etwas eloquenteres als Erklärung ausdenken können.
Peter betrachtete die Tasse, lächelte ein bisschen, legte sein Handy aus der Hand und nahm den Kakao entgegen. „Danke, Bob!“ Allein für das Lächeln war es die Aktion schon wert gewesen, fand Bob. Es war irgendwie einfach süß, wie sehr Peter Kakao liebte.
Sie schwiegen eine Weile und Peter trank den Kakao. Bob saß dabei und wusste nicht so ganz, wie er sich verhalten sollte. „Ich werde morgen mal mit Justus reden, okay?“, sagte er dann.
„Ist schon okay“, antwortete Peter. „Man kann ihn ja eh nicht aufhalten.“
Bob presste die Lippen zusammen. „Ich will nur, dass du weißt, dass ich dieses Mal hinter dir stehe. Ich werde dich zu nichts drängen, was du nicht willst. Ich finde das ja selber alles ein bisschen heftig. Vier vermisste Personen…“
„Hör bloß auf“, sagte Peter wehleidig. „Ich will da gar nicht so genau drüber nachdenken.“
„‘tschuldige.“
„Ist schon gut“, antwortete Peter leise. „Dich beschäftigt es ja auch.“
„Hm“, machte Bob.
„Wollen wir einfach die dumme Serie weitergucken, die wir mit Trevor angefangen haben?“
Bob grinste. „Gute Idee.“
Peter griff nach seinem Laptop und öffnete ihn. Dann zog er seine Bettdecke zu sich ran, setzte sich neben Bob mit dem Rücken an die Wand und breitete die Decke über sich selbst und Bob aus. Dann rief er die Serie auf und drückte auf Play. Bob spürte Peters Schulter an seiner und Peters Bein an seinem und in dem Moment gab es keinen Fall mehr. Kein komischer Mr Wedlington, keine gruselige Tigerauge-Mafia. Es gab einfach nur ihn und Peter und der ganze Rest war erstmal egal.
Notes:
Naja, zumindest gab es am Ende Kakao.
Chapter 12: Kapitel 12: Das Amulett
Summary:
Vielleicht passieren in diesem Kapitel ein paar Dinge, die uns nicht so gefallen. Sorry dafür schonmal. Ihr dürft dann gerne in den Kommentaren mit mir schimpfen.
Notes:
Ja, also eigentlich sollte ich arbeiten, aber ich hatte keine Lust, deshalb habe ich einfach ganz viel Fanfiction geschrieben, ups.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Trevors Freunde waren echt cool. Klar – wie hätte es auch anders sein sollen? Natürlich hatte dieser wahnsinnig nette und umgängliche Kerl auch nette und umgängliche Freunde.
Bob befand sich auf einer Bank im queeren Zentrum, das gerade seine Semester-Kick-Off-Party feierte, und trank mit ein paar Leuten, die Trevor ihm vorgestellt hatte, Cocktails. Sie waren schon recht früh losgegangen, aber die Party war schon im vollen Gange. Peter war beim Training und Justus war bei Professor Fields und ließ sich in seine neue Arbeit einweisen. Deshalb hatte sich Bob nicht mal rechtfertigen müssen, wohin er ging. Trevor hatte Bob geholfen, sich einzukleiden, und dann waren sie los.
Bob war froh, dass er neue Leute kennenlernen konnte. Die Musik war echt laut und das ganze Zentrum war voll mit Leuten, die tanzten, lachten und sich laut unterhielten. Bob fühlte sich wahnsinnig wohl. Vermutlich trug auch der Alkohol etwas zu seinem Euphoriegefühl bei, aber irgendwie war einfach alles schön.
Gerade erzählte ihm ein Mädel namens Mira ungefähr zwölftausend Gründe, warum er dringend die Percy Jackson Bücher lesen musste. Es war wirklich unterhaltsam und Bob hatte schon nach kurzer Zeit den Eindruck, dass er tatsächlich damit anfangen sollte, diese Bücher zu lesen. Er hoffte nur, dass er sich am nächsten Tag noch daran erinnern würde. Sein Cocktail war echt gut gewesen. Moment, hatte er schon wieder einen geleert?
„Okay, und weißt du“, Mira fuchtelte wild mit ihren Händen durch die Luft, „am Anfang denkst du ‚wow, langweilig, alles Heten‘ und dann umso weiter du kommst, desto mehr wird der ganze Laden dort zu einer riesigen Pride-Parade. Und ganz ehrlich – du kannst mir nicht sagen, dass Percy und Annabeth nicht beide eigentlich bi sind – oder pan – ach keine Ahnung. Lies es einfach!“ Sie fuchtelte Bob mit ihrem Zeigefinger vor der Nase herum.
Bob lachte. Die ganze Situation kam ihm urkomisch vor. Er kannte dieses Mädel gar nicht. Wie war Trevor nochmal mit ihr befreundet gewesen?
Jetzt schob sich neben Mira ein Kerl auf die Bank.
„Hi, Ben!“, rief Mira begeistert. Ihre Augen leuchteten und Bob dachte, sie musste definitiv auch einigermaßen angetrunken sein.
Ben umarmte Mira und strahlte fröhlich zu Bob herüber. „Ich bin Ben.“
Bob lachte. „Dachte ich mir. Ich bin Bob.“
Er gab Ben die Hand und betrachtete ihn. Er sah gut aus. Er hatte eine sportliche Statur und eine süße Stupsnase. Seine schwarzen Haare waren etwas länger und fielen ihm in Strähnen ins Gesicht. Und er war bestimmt fast einen Kopf größer als Bob.
„Ich versuche gerade, Bob von Percy Jackson zu überzeugen“, rief Mira begeistert.
Ben machte große Augen. „Oh Gott, Mira, der Arme.“ Er drehte sich zu Bob um. „Bob, es tut mir ja so leid, wie lange sitzt du schon hier? Geht es dir gut?“ Beruhigend legte er Bob seine Hand auf das Knie. Sie war warm.
Mira schmollte. „So schlimm war ich gar nicht. Bob, sag ihm, dass ich gar nicht so schlimm war!“
Bob lachte wieder. „So schlimm war sie wirklich nicht“, versicherte er Ben.
Ben beugte sich zu ihm rüber, um ihm auffällig-unauffällig ins Ohr zu flüstern. „Blinzle zweimal, wenn du gerettet werden möchtest.“
Bob lachte laut auf. So witzig war es eigentlich gar nicht, oder? Aber dieser Ben sah echt gut aus. Bobs Gedanken verschwammen etwas. Vielleicht hatte er den Alkohol ja etwas unterschätzt. Vielleicht sollte er sich mal ein Wasser bestellen.
Ein weiteres Mädchen quetschte sich mit auf die Bank. Sie hatte krause braune Haare und Bob erkannte sie sofort wieder. So betrunken konnte er also doch nicht sein. „Elle!“
„Hi!“ Elle strahlte ihn an. „Ehm, Peter?“
Bob starrte sie verdutzt an. Dann verstand er und lachte. „Nein, ich bin Bob. Peter ist mein… ehm… Peter ist mein Mitbewohner.“
„Achso“, antwortete Mira, „sorry, Bob.“
„Nicht schlimm“, sagte Bob. „Du hast ja gestern vermutlich wahnsinnig viele neue Leute begrüßt.“
„Ja, das stimmt.“
Es entstand eine kurze Stille. Wahrscheinlich waren es nur ein paar Millisekunden, aber Bob kam es viel zu lang vor.
„Mein Vater wollte mich mit dir verkuppeln.“
Hm, vielleicht war das eine komische Aussage. Vielleicht hätte er einfach die Klappe halten sollen. Ein wirklich unangenehmer Konversationsbeginn.
Aber Elle lachte nur. Mira lachte auch und warf ihre Arme um Elle. „Das ist meine, die kriegst du nicht.“
Puh, Glück gehabt. Bob hatte echt schon Angst gehabt, dass er die Situation komisch gemacht hatte. Er konnte wirklich nicht mehr so gut geradeausdenken.
Er schaute zwischen Elle und Mira hin und her. Sie waren ein süßes Paar. „Ja, also ich will dir auch nicht zu nahetreten – du bist sicherlich eine fantastische Person – aber du fällst jetzt auch nicht gerade in die Gruppe von Personen, die ich daten wollen würde.“
Mira, Elle und Ben schauten belustigt zu ihm herüber.
„Meine Eltern versuchen auch immer, mir meine beste Freundin aufzuschwatzen“, sagte Ben mit einem Grinsen. „Irgendwann muss ich ihnen mal eröffnen, dass das nichts wird, aber das schiebe ich noch vor mir her.“
„Ja, so ähnlich ist es bei mir auch“, sagte Bob. Er war irgendwie dankbar, dass er nicht allein damit war und fühlte sich sofort etwas verbunden mit Ben.
Mira lächelte freundlich. „Es gibt ja auch keinen Druck. Ihr müsst euch auch gar nicht outen, wenn ihr nicht wollt. Ihr habt alle Zeit der Welt.“
Wie aus dem Nichts stolperte Trevor plötzlich auf sie zu. Bob hatte gar nicht gemerkt, dass er nicht mehr bei ihnen gesessen hatte. „Leute!“, rief Trevor enthusiastisch. „Niemand will tanzen! Na los, kommt mit, tanzen!“ Bob war sich sicher, dass er auch ordentlich Alkohol getrunken hatte. Er wirkte viel zu fröhlich. Aber das konnte natürlich auch einfach seine extrovertierte Persönlichkeit sein. So gut kannte Bob ihn ja echt noch nicht.
Elle und Mira verdrehten die Augen. „So ist er immer“, erklärten sie Bob. Dann war es wohl nicht der Alkohol. Genaugenommen hatte Bob auch nicht gesehen, ob Trevor überhaupt irgendetwas getrunken hatte.
Folgsam standen sie alle auf und folgten Trevor brav auf die Tanzfläche.
Bob mochte die Musik. Er ließ sich in den Rhythmus fallen und bewegte sich zum donnernden Bass. Trevor war schnell wieder bei irgendeiner anderen Gruppe und hatte irgendein Mädchen im Arm, das er wild durch die Gegend drehte. Mira und Elle tanzten eng miteinander und schienen ineinander zu versinken. Bob schaute sich zu Ben um, der ihn eindringlich mit einem Grinsen anschaute. Bob verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und rückte näher an ihn heran.
Es war einfach, sich bei Ben fallen zu lassen. Er gab Bob sofort das Gefühl, dass er hier sicher war. Und so wehrte er sich nicht, als dieser ihm näherkam und seine Arme um ihn legte. Bob hob seine Arme und legte sie an Bens Seiten.
Es fühlte sich gut an.
Er ließ seine Finger mit Bens T-Shirt spielen und tastete sich langsam zu seiner Haut vor.
Es war gerade einfach alles gut. Hier war es laut und bunt und alle hier waren irgendwie queer. Hier musste Bob nicht an Peter denken – obwohl, jetzt dachte er ja doch wieder an Peter. Mist. Er sollte damit aufhören.
Bob zwang sich, seinen Kopf zu ignorieren. Hier vor ihm war ein attraktiver Kerl, der ihn offensichtlich gut fand und mit ihm tanzte und ihn anfasste und auf seine Berührung mit einem schelmischen Grinsen reagierte. Er war wirklich schön.
Bob grinste ihn zurück an und rückte noch ein wenig näher.
Als er ihn küsste, kribbelte es in seinem Bauch. Das war ein gutes Zeichen, oder? Er zog Ben zu sich heran und vertiefte den Kuss. Es war gut. Wirklich gut. Ben küsste gut und die Musik war gut und alles um Bob herum verschwamm.
Heute würde er bestimmt nicht mehr an Peter denken.
--------------
Als Bob aufwachte, starrte ihn ein Tigerauge an.
Also wirklich.
Ein Auge von einem Tiger.
Es war ein großes eingerahmtes Poster, auf dem ein halbes Tigergesicht war, das definitiv von seinem Platz an der Wand eindringlich in Bobs Richtung schaute. Gelbgrün leuchtete ihn das gigantische Auge an. Es war beunruhigend.
Schnell, aber vorsichtig, setzte Bob sich im Bett auf. Wo war er? Beziehungsweise – die viel größere Frage war: Bei wem war er?
Der Kerl, dem dieses Zimmer zweifellos gehörte, lag sehr unbekleidet neben ihm und schien noch zu schlafen. Er war schwarzhaarig und groß und sah selbst schlafend noch ziemlich gut aus. Die Bilder der letzten Nacht kamen nach und nach zu Bob zurück. Die Gespräche im queeren Zentrum, das Tanzen, die Küsse auf der Tanzfläche. Es war gut gewesen. Eigentlich ein schönes Gefühl, mal wieder an wen anders als Peter gedacht zu haben.
Aber wie hieß dieser Kerl nochmal? Wren? Cam? Sam? Irgendetwas Einsilbiges musste es sein, oder? Es wollte ihm einfach nicht einfallen. Ein guter Hinweis darauf, dass Bob es mit dem Alkohol wohl etwas übertrieben hatte. Auch ein leichter Kopfschmerz und ein sehr trockener Mund bestätigten diese Annahme. Außerdem waren seine Augen trocken. Mit Kontaktlinsen schlafen zu gehen, war definitiv keine schlaue Entscheidung gewesen. Er sollte sie dringend herausnehmen.
Bob orientierte sich im Zimmer. Zum Glück war es einigermaßen hell. Da würde er sich wenigstens unauffällig seine Klamotten zusammensuchen können. Es war ein Einzelzimmer und es war geschmackvoll dekoriert. Sicherlich war es nicht erst vorgestern bezogen worden.
Vorsichtig kroch Bob unter der Decke hervor und setzte sachte seine Füße auf die Holzdielen. Er musste Brett – oder wie er halt hieß (Fred? Ray?) – wirklich nicht aufwecken. Dann hätte er ja zugeben müssen, dass er sich bei aller Liebe nicht mehr an seinen Namen erinnern konnte. Das wollte er wirklich vermeiden. Er konnte sich schon noch an einiges von gestern Abend erinnern. Er hatte eine gute Zeit mit diesem Kerl gehabt – aber sein Name? Keine Ahnung.
Leise zog Bob sich seine Klamotten an. Sie lagen wirklich überall auf dem Boden verteilt. Sein Portemonnaie und sein Handy waren zum Glück auch noch da und sein Schlüssel war noch in der Hosentasche.
Bob war wirklich froh, dass ihn seine jahrelange Detektivarbeit darin geschult hatte, sich möglichst leise durch einen Raum bewegen zu können. Er bewegte sich Richtung Tür und schaute noch einmal auf Tim/Jeff/was-auch-immer zurück.
Und dann sah er es: Das Amulett.
Das Amulett, dass er bisher nur auf Fotos gesehen hatte.
Unverkennbar hing es um Jake/Phil/Toms Hals. Es war gold-gelb und an einem Lederband befestigt. Das konnte doch nicht wahr sein!
Bob stand wie vom Donner gerührt vor der Zimmertür des Fremden. Er hatte einen riesigen Stein im Bauch und er musste hier raus.
So schnell er es nur irgendwie möglichst leise konnte, flüchtete er aus dem Zimmer und lief in Richtung draußen. Vorsichtig, aber bestimmt, ging er den Flur herunter und begann zu rennen, als er bei der Treppe ankam. Er rannte die Treppe hinab und – ach du scheiße, tat sein Kopf weh. Er sprintete zur Tür und trat ins Freie.
Gott sei Dank! – Er war auf dem Campus und wusste, wo er hinmusste. Er joggte die paar hundert Meter – es war eigentlich wirklich keine gute Idee, verkatert wie er war – herüber zu seinem eigenen Wohnheim und nahm auf dem Weg nach oben zwei Treppenstufen auf einmal und platzte dann in seine eigene Tür.
Und so stand er keuchend vor Trevor, Justus und Peter, die gemeinsam frühstückend auf der Couch saßen. Es musste wirklich ein skurriles Bild sein. Die Uhr an der Wand zeigte viertel nach sieben.
„Bob, wo kommst du denn her?“, rief ihm Peter entgegen.
„Tigerauge!“, keuchte Bob.
„Was?“, fragte Peter. Ihm stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
„Dritter, wurdest du entführt?“, wollte Justus wissen.
„Ich dachte, du wärst –“, fing Trevor an und schien sich dann aber auf die Zunge zu beißen.
„War ich auch“, antwortete Bob. Er ging auf den leeren Sessel zu und ließ sich fallen. Er atmete tief durch und versuchte sich zu sammeln. Hilflos schaute er zur Decke und stieß einen frustrierten Laut aus. „Ich schlafe nie wieder mit irgendwem!“
Es entstand eine kurze unschlüssige Stille.
„Eine wirklich radikale Aussage, von der ich nicht glaube, dass du sie einhalten wirst“, meldete sich Justus mit einem Schlaumeierkommentar. Wie sollte es auch anders sein? „Außerdem habe ich den Eindruck, deine Erläuterungen sind sehr zusammenhanglos und können uns ohne Kontext wenig Sinn vermitteln.“
„Justus, halt die Klappe, es ist früh“, stöhnte Bob.
„Naja, er hat nicht ganz unrecht“, schaltete sich Peter ein. „Willst du uns vielleicht einfach mal mitteilen, was passiert ist? – Von vorne aber.“
Bob schaute sich in der Runde um. Die drei sahen ihn wirklich verwirrt an. Aber er konnte es ihnen nicht übelnehmen. Seine bisherigen Aussagen waren nicht gerade aufschlussreich gewesen.
Der erste, der ihm jetzt wirklich weiterhelfen konnte, war Trevor. „Also“, begann er, „Trevor!“
Trevor schaute ihn noch verwirrter an.
„Wie hieß der Kerl nochmal?“
„Welcher Kerl?“, sagte Trevor.
„Na, der von gestern“ – Bob machte eine ungeduldige Handgeste – „der mit den schwarzen Haaren, recht groß. Mir fällt sein Name nicht mehr ein.“
Trevor lachte kurz auf. „Du weißt nicht mehr, wie er heißt?“
„Naja, sonst würde ich ja nicht fragen.“
„Ich dachte, du bist mit ihm –“
„Ja, bin ich ja auch“, unterbrach Bob ihn. Er wurde immer ungeduldiger. „Aber mir fällt einfach sein Name nicht mehr ein. Aber sag ihm das nicht.“
Trevor lachte wieder. „Er heißt Ben. Aber ich kenne ihn nicht besonders gut. Er ist ein Freund von Mira. Ich glaube, er ist im Basketballteam. Mira meinte mal, er kommt nur ganz selten ins Zentrum, weil er so viel Training hat.“
Bob verdrehte die Augen. Natürlich. Natürlich hieß er Ben. Wie hatte er darauf nicht kommen können? Frustriert stöhnte er auf. „Ich wusste doch, es war etwas Einsilbiges. Ben. Okay. Also: Ben.“ Bob wendete sich Peter und Justus zu.
Justus schaute ihn interessiert an. Peters Blick konnte er nicht richtig deuten. War ja aber auch jetzt egal. „Ich habe bei diesem Ben geschlafen und der Kerl gehört zum Tigerauge.“
„WAS?“, riefen nun alle drei.
„Ja, wenn ich’s euch doch sage“, bestätigte Bob. „Erstens hängt in seinem Zimmer ein riesiges Poster mit einem Tigergesicht drauf, von dem einen dieses riesige Tigerauge anstarrt, wenn man im Bett liegt, und zweitens trägt er unter seiner Kleidung ein Tigerauge-Amulett. Ich habe es selbst gesehen. Es sieht genauso aus, wie die auf den Fotos, die wir gesehen haben.“
„Also, du hast in dem Bett von diesem Ben gelegen und hast ihn ohne seine Kleidung gesehen“, schloss Peter.
Trevor zog die Augenbrauen hoch. „Interessant, dass genau das die Aspekte der Geschichte sind, die bei dir hängen geblieben sind.“
Peter schaute Trevor an: „Hä?“
„Was Trevor damit augenscheinlich ausdrücken möchte“, schaltete sich Justus ein, „ist, dass es doch sehr viel spannender und interessanter ist, dass einer unserer Kommilitonen offenbar ein Anhänger unserer Untergrundorganisation ist, als die Tatsache, dass Bob mit diesem Kerl geschlafen hat. Oder interpretiere ich das falsch?“ Er legte den Kopf schief und schaute Trevor suchend an.
Trevor nahm einen Schluck aus seiner Teetasse und blickte amüsiert zurück zu Justus. „Nein, nein, das hast du hübsch zusammengefasst.“
Bob hatte in seinem Eifer gar nicht darüber nachgedacht, dass er sich gerade aus Versehen bei Justus geoutet hatte. Aber den Ersten Detektiv schien das Ganze überhaupt nicht zu beirren. „Bob, wie sah das Amulett denn aus?“
„Halt so wie die anderen auch“, antwortete Bob. „Der Tigerauge-Stein war so gold-gelb.“
„Für mich macht das alles überhaupt keinen Sinn“, sagte Peter. „Du hattest gestern was mit ihm, aber das Amulett ist dir erst heute Morgen aufgefallen?“
Bob verdrehte die Augen. „Ja, offensichtlich.“
„Vermutlich hatte Bob gestern seine Augen woanders“, mutmaßte Trevor. „Und vielleicht war er auch etwas sehr betrunken.“ Er grinste und nahm noch einen Schluck aus seiner Tasse. Trevor schien etwas zu viel Spaß an dieser Konversation zu haben.
„Und ist dir dieser Kerl jetzt auf den Fersen?“, fragte Peter ängstlich. „Er wird ja wohl gemerkt haben, wie du auf seine ungewöhnliche Halskette reagiert hast.“
„Nein, er hat noch geschlafen“, erklärte Bob leise. „Ich hab mich leise angezogen und bin geflüchtet.“
„Hit and Run“, sagte Trevor, „der Klassiker.“ Er klang immer noch sehr belustigt. Bob hätte am liebsten etwas nach ihm geworfen. Es ging hier schließlich um einen ernstzunehmenden Fall und nicht seine Bettgeschichten. Auch wenn das gerade alles sehr durcheinandergewirbelt wurde, musste er zugeben.
„Sehr interessant“, meldete sich nun wieder Justus. „Meinst du, du könntest diesen Ben wiedertreffen und versuchen, mehr über ihn herauszufinden?“
Bob wurde sofort flau im Bauch bei dem Gedanken. „Nein!“, sagte er bestimmt. „Auf gar keinen Fall. Ich will da nicht zwischen die Fronten geraten.“
„Ich finde das auch nicht gut“, schaltete sich Peter ein. „Das ist doch viel zu gefährlich. Wir können Bob doch nicht einfach ungeschützt diesem Ben zum Fraß vorwerfen.“ Eine wirklich eigenartige Metapher in diesem Kontext, fand Bob.
„Wir können ihm ja Kondome mitgeben“, sagte Trevor und grinste in seine Tasse.
Peter guckte sauertöpfisch. Er schien wenig begeistert von der Gesamtsituation.
„Ha, ha“, sagte Bob trocken und warf Trevor einen missmutigen Blick zu. „Wirklich witzig.“ Dann drehte er sich zu Justus. „Ich werde mich nicht für diesen Fall prostituieren, das steht außer Frage.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Er wollte wirklich nicht mit Justus über seine Bettgeschichten diskutieren. Das war alles zu unangenehm und außerdem tat sein Kopf weh und er musste ein Glas Wasser trinken und seine blöden Kontaktlinsen rausnehmen.
„Du musst ja nicht mehr mit ihm schlafen“, lenkte Justus ein. „Aber vielleicht kannst du dich einfach mit ihm treffen und reden. Es muss ja nicht immer gleich alles im Bett enden.“
„Nein, das mache ich nicht. Darüber diskutiere ich nicht mit euch“, sagte Bob. „Ich gehe jetzt duschen.“
Damit stand er auf und ließ die anderen drei da so sitzen. Das war definitiv erstmal genug Aufregung für eine Weile.
Notes:
*ich ziehe mir die Decke über den Kopf* es tut mir leid, ich machs wieder gut, versprochen.
Chapter 13: Kapitel 13: Der Kater
Summary:
Der Morgen danach.
Notes:
Was bisher geschah: Bobs kleiner One-Night-Stand ist etwas anders ausgegangen, als er gehofft hatte. Skandalös.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Schwarze Haare also. Finde ich es jetzt endlich heraus?“
Bob war nach dem Duschen direkt zurück in sein Zimmer gelaufen. Er fühlte sich gleich viel besser, jetzt wo er sauber war und seine Kontaktlinsen durch seine Brille ersetzt hatte. Dass er gleich in eine Fragerunde mit Peter laufen würde, hatte er allerdings so nicht erwartet. Außerdem war er wirklich noch zu verkatert, als dass er Peters Assoziationskette hätte durchsteigen können.
„Hä?“, antwortete er ihm – schlau wie er war.
„Naja“, setzte Peter wieder an, „als wir das letzte Mal darüber geredet haben, habe ich nur herausgefunden, dass dein Typ ‚Nicht Frauen‘ ist.“ Er malte mit seinen Fingern Gänsefüßchen in die Luft. Bob fragte sich, ob Peter sich das bei Trevor abgeschaut hatte. „Jetzt finde ich heraus, dass du mit einem schwarzhaarigen Kerl im Bett warst. Ergo: Ist das dein Typ?“
Bob stützte seine Stirn auf seinen Fingern ab. Dieses Thema war total sinnlos und es war früh. ‚Sein Typ‘ saß direkt vor ihm auf einem Schreibtischstuhl, aber das konnte er ihm ja schlecht so sagen. Und warum interessierte das Peter überhaupt so sehr?
„Peter, ich suche mir Menschen nicht nach der Haarfarbe aus“, sagte Bob stattdessen. Das war neutral genug, oder?
Peter verdrehte die Augen. „Nichts kriegt man aus dir heraus, Bobbele. Wie langweilig!“
„Vielleicht bin ich halt langweilig“, grummelte Bob und warf sich auf sein Bett. „Hast du keine Uni?“
„Ja, gleich“, antwortete Peter. „Aber jetzt lenk nicht ab. Was ist es dann? Angeblich ist er ja groß und Basketballer. War es eins von den beiden Dingen? Oder hat er sonst noch irgendwelche Qualitäten, von denen wir noch nichts wissen?“
„Pete“, seufzte Bob genervt, „dass er Basketballer ist, wusste ich nicht einmal. Und außerdem ist der Kerl überhaupt nicht mehr mein Typ, seit ich weiß, dass er Teil einer geheimen Untergrundmafia ist. Können wir BITTE das Thema wechseln?“
Peter schaute ihn an und schien zu überlegen.
Es klopfte an der Tür.
‚Halleluja‘, dachte Bob. Jemand war gekommen, um ihn zu erlösen.
Es war Justus. Der erste Detektiv lief stramm ins Zimmer und platzierte sich ungefragt auf Bobs leerem Schreibtischstuhl.
„Kollegen, wir sollten eine Lagebesprechung halten.“
„Jetzt?“, sagte Bob.
„Selbstverständlich!“, antwortete Justus. „Du hast heute Morgen eine große Entdeckung gemacht und ich habe euch auch noch nicht über die Entwicklungen aufgeklärt, die sich gestern Abend am Lehrstuhl ereignet haben.“
Bob stöhnte. Er hatte wirklich keine Lust. Sein Kopf war immer noch mit der Tatsache beschäftigt, dass er – nachdem er seit Ewigkeiten nicht gedatet hatte – nun gleich als erstes an ein Mitglied einer Gruselsekte geraten war, nur weil er es ein einziges Mal gewagt hatte, an jemand anders denken zu wollen als an Peter. Wie konnte man bitte ein solches Scheiß-Pech im Leben haben?
Justus schien die entstandene Stille als Zeichen zu sehen, dass ihm niemand widersprechen wollte und fuhr fort: „Also Bob. Was kannst du uns noch über diesen Ben sagen?“
Bob machte einen weiteren frustrierten Laut. Irgendwie hatte er heute schon viele davon gemacht. Zum Glück hatte ihm noch niemand vorgeworfen, er würde nur noch durch Grummeln kommunizieren, wie ein kanadischer Braunbär. Wenn er so weitermachte, würde das aber auch sicherlich noch kommen. Es wurde heute Morgen generell sehr viel mehr mit ihm geredet, als er vertragen konnte. „Nichts kann ich euch über ihn sagen“, seufzte Bob. „Er war ganz normal. Ein ganz gewöhnlicher Kerl, freundlich, einigermaßen extrovertiert, denke ich.“
Justus ließ nicht locker. „Hat er dir irgendwas über sich erzählt?“
„Keine Ahnung, Just“, sagte Bob und versuchte sich zu erinnern. „So viel geredet haben wir nicht.“ Er machte eine Pause. Dann erinnerte er sich doch an etwas. „Er hat erzählt, dass seine Eltern nicht wissen, dass er schwul ist und dass sie ihn immer mit seiner besten Freundin verkuppeln wollen. Mehr fällt mir nicht ein.“
„Hm“, machte Justus und tippte sich an sein Kinn, „aber das ist ja schonmal etwas. Darf man in der Tigerauge-Gruppe schwul sein? Wissen wir das?“
„Naja, es ist eine Sekte, oder?“, sagte Peter. „Sind die nicht immer homophob?“
„Mitnichten!“, erklärte Justus. „Es gibt sehr viele verschiedene Sorten von Sekten. Außerdem hat Pit Kennedy ja nur gesagt, dass es in der Gruppe eine religiöse Komponente gibt. Das heißt nicht gleich, dass sie eine Sekte ist.“
„Ab wann ist wird eine Gruppe denn eine Sekte?“, wollte Peter wissen.
Justus faltete seine Hände im Schoß. „Es gibt unterschiedliche Definitionsversuche. Letztlich ist es nirgends anständig festgelegt und der Begriff ist in seiner Bedeutung schwammig. Aber der Mainstream geht davon aus, dass es sich bei einer Sekte um eine Abspaltung einer größeren religiösen Bewegung handelt, die sich durch einen Absolutheitsanspruch, ein strenges Regelwerk und einen erhöhten Druck auf die Mitglieder, in der Gruppe zu bleiben, auszeichnet.“
„Aha, und nochmal auf Deutsch?“, fragte Peter.
„Religiöse Abspaltung – denken, sie sind die einzigen, die alles richtig machen – strenge Regeln – austreten ist gefährlich“, übersetzte Bob.
Peter lächelte ihm dankbar zu.
Justus schmollte. Selber schuld. Sollte er sich halt nicht immer ausdrücken, als wäre er aus einem Lexikon gepurzelt.
„Also zusammenfassend können wir sagen, dass wir nicht wissen, ob sie eine Sekte sind, oder? Wir wissen nicht, wie religiös sie sind, wir wissen nicht über ihre Regeln Bescheid oder ob sie denken, sie haben die Lebensformel herausgefunden. Wir wissen nur, dass Aussteigen vermutlich nicht so einfach ist. Sonst wäre die Zeugin von Pit Kennedy ja nicht so ein riesiges Mysterium.“
„Genau, Dritter“, bestätigte Justus. „Aber ich bin auch der Ansicht, dass es auch erstmal nicht zielführend ist, sie kategorisieren zu wollen.“
„Na gut“, sagte Bob, „aber du wolltest doch auch noch was erzählen, oder? Hast du bei Professor Fields etwas herausgefunden?“
„In der Tat, Kollegen!“ Justus klang jetzt sehr feierlich. „Ihr werdet hoch erfreut sein.“
Bob seufzte. „Ich bezweifle das stark, aber red‘ weiter!“ Sein Kopf tat wirklich enorm weh.
„Eine Doktorandin führt für ihre Arbeit eine quantitative soziologische Studie durch und verwendet dafür eine große Menge von Archivdokumenten aus Calabasas, die sich am Lehrstuhl in ungefähr 20 Kisten befinden. Ich wurde mit der Aufgabe betraut, sie zu sortieren und zu digitalisieren.“
„Du machst Witze“, antwortete Bob.
„Keineswegs!“
„Moment Mal“, sagte Peter, „du sollst Dokumente in den Computer tippen und was genau hat das mit unserem Fall zu tun?“
„Peter.“ Justus hatte wieder seinen Erklärbär-Ton aufgelegt. „Wir haben doch vorgestern überlegt, wie wir es schaffen können, hinter die Machenschaften der Tigerauge-Leute zu kommen, wenn in Calabasas – ihrem Hauptwohnort – nicht klar ist, wer alles dazugehört. Wir können da ja nicht einfach ins Stadtarchiv laufen und uns nach Dokumenten erkundigen, wenn das dann dazu führt, dass die Gruppe auf uns aufmerksam wird.“
„Hä? Und dann hat jetzt dieser Professor, für den du arbeitest, zufällig alle möglichen Dokumente aus Calabasas bei sich im Büro rumliegen? Das kann doch kein Zufall sein.“ Peter schien immer noch sehr verwirrt von der ganzen Sache.
„Ist es auch nicht!“, antwortete ihm Justus. „Mr Wedlington hat ihn ja nicht umsonst auf der Liste seiner Verdächtigen. Ich habe ihn so verstanden, dass er ihn eben deshalb verdächtigt, weil er sich dort ständig im Archiv herumtreibt, Dokumente kopiert und mit Leuten in Calabasas spricht, um irgendwelche Dinge herauszufinden. Die Frage ist nur: Kopiert er die ganzen Dokumente, weil er als Mitglied Zugriff darauf hat, oder ist er ein ahnungsloser Wissenschaftler, der auf seiner Suche nach soziologischen Kleinstadtentwicklungen in ein Wespennest getreten ist?“
„Ich weiß ja nicht“, schaltete Bob sich ein. „Irgendwie wird mir das alles etwas zu bunt.“
„Mir sind das auch zu viele Zufälle“, sinnierte Justus. „Ich werde euch auf dem Laufenden halten, Kollegen. Aber möglicherweise werde ich euch demnächst mal mit an meinen Arbeitsplatz nehmen, wenn niemand anderes da ist. Dann können wir ungestört nach Unstimmigkeiten suchen. Außerdem möchte ich dringend Fred Gilberts beschatten.“
Na ganz toll, dachte Bob. Mr Waffenarsenal persönlich. Tolle Idee.
Schwungvoll stand Justus aus dem Schreibtischstuhl auf und stolzierte nach draußen. „Ich habe Vorlesungen, bis später“, rief er ihnen noch zu, dann zog er die Tür zu.
„Oh Mist, ich muss auch los.“ Peter stand auf, schwang sich seinen Rucksack über die Schulter und flüchtete auch aus dem Zimmer. Kurz bevor er durch die Tür ging, sagte er: „Du solltest öfter Brille tragen.“ Dann war er weg. Die Tür ließ er offen.
„Die spinnen doch alle“, sagte Bob in den leeren Raum.
„Da würde ich dir nicht widersprechen“, kam es zurück.
Bob stand auf und fand Trevor über das Sofa ausgestreckt liegend vor. Er schien mit irgendwem auf seinem Handy zu schreiben.
„Sorry, ich dachte, ich wäre allein.“
„Nope, ich bin noch hier“, sagte Trevor mit einem Grinsen. Er legte das Handy weg und widmete Bob seine Aufmerksamkeit.
„Ja, ich weiß auch nicht, warum ich mit mir selber rede.“ Bob kratzte sich am Kopf. „Ich bin einfach nur verwirrt von den beiden. Justus ist komplett versessen auf diesen dummen Fall, der wer weiß wie gefährlich ist, und niemand kann ihn aufhalten. Und Peter will unbedingt wissen, ob Ben mein Typ war, oder was mein Typ ist, ach keine Ahnung – ich finde es so unnötig. Wüsste Ben, dass ich mit meinen Detektivkollegen seiner kleinen Mafia auf die Schliche kommen will, könnte ich froh sein, wenn er nicht seine Leute auf mich hetzt, die mich dann mysteriös verschwinden lassen. Es spielt doch keine Rolle, ob er mein Typ ist – ich will dem Kerl nicht mehr wiederbegegnen.“
Trevor legte den Kopf schief und sah so aus, als wollte er etwas sagen. Aber Bob war noch nicht fertig.
„Und was sollte das eben überhaupt? Du mit deinen Witzen. Das Ganze mit den Kondomen und dem ‚Bob hatte seine Augen vielleicht wo anders‘. Was sollte das?“
„Hm“, machte Trevor. „Setz dich mal hin.“ Er klopfte neben sich auf das Sofa und Bob setzte sich zu ihm.
„Es war nicht meine Absicht, deine Grenzen zu überschreiten“, begann Trevor. „Ich nehme deine Situation ausgesprochen ernst und ich bin davon überzeugt, dass du Ben nicht wiedersehen solltest.“
Bob atmete durch. „Eigentlich hast du es ja gar nicht. Ich weiß auch nicht, ich bin vielleicht gerade etwas empfindlich. Normalerweise finde ich sowas ja auch witzig. Ich hatte nur echt Angst heute Morgen.“
Trevor legte seine Hand auf Bobs Knie. „Es ist sehr legitim, dass du Angst hattest und ich hätte die Situation besser einschätzen sollen. Das tut mir leid. Ich habe Ben halt bisher immer als ziemlich harmlos eingestuft, aber so oft begegnet bin ich ihm bisher auch nicht. Das mit dem Tigerauge-Amulett hätte mich auch sehr beunruhigt.“
Bob legte seine Hand auf Trevors. „Schon in Ordnung. Danke, dass du dich entschuldigt hast. Und eigentlich waren deine Witze schon ziemlich lustig. Vor allem so rückblickend.“ Er kicherte etwas. „Wie kannst du um eine so frühe Uhrzeit schon so viele gute Come-Backs haben?
Trevor schmunzelte und zuckte mit den Schultern. „Abgesehen davon, dass ich einfach erstklassigen Humor habe, habe ich diese Witze eigentlich hauptsächlich gemacht, um etwas zu beobachten. Und ich denke, meine kleine Studie war erfolgreich.“ Er grinste Bob verschmitzt an.
„Hä?“, sagte Bob.
„Naja, Peter.“
„Was ist mit Peter?“ Bob stand auf dem Schlauch.
Trevor nahm seine Hand wieder zu sich, um zum Gestikulieren anzusetzen. „Also erstens.“ – Er hielt Bob seinen Zeigefinger unter die Nase. – „Der arme Kerl ist hier heute Morgen rumgetigert, wie eine ausgehungerte Wildkatze im Zoo. Ich kenne ihn ja noch nicht lange, aber ich habe ihn noch nie so unruhig erlebt. Es war zum Verrücktwerden.“
Bob schaute Trevor verwirrt an.
„Naja, weil du nicht da warst, ist doch logisch!“
Bob runzelte die Stirn. „Hat er sich Sorgen um mich gemacht?“
„Ich weiß ja nicht“, sagte Trevor. „Er hat so oft gefragt, wo du bist, und ich hab ihm versichert, dass dir sicherlich nichts zugestoßen ist, und dass ich eine Ahnung habe, wo du schläfst, aber du das vielleicht lieber selbst erzählen willst.“ Er gestikulierte immer noch sehr wild. Vermutlich konnte er gar nicht richtig reden ohne seine Hände, dachte Bob. „Und dann hat er so angefressen reagiert und fand das überhaupt nicht witzig, dass du nicht in deinem eigenen Bett geschlafen hast. Als du reinkamst, saß Peter da nur zwischen uns auf dem Sofa, weil Justus und ich ihm wenige Minuten vorher gesagt haben, dass er sich jetzt bitte endlich hinsetzen soll. Das war ja nicht zu ertragen, das ganze Rumgetigere.“
„Du sagst mir zu oft das Wort ‚Tiger‘“, sagte Bob.
„Tschuldige – schlechte Metapher“, gab Trevor zu. „Aber trotzdem. Und dann setzt du dich da hin und erzählst diese Geschichte von diesem Kerl, der in einer gemeingefährlichen Untergrundorganisation ist, und alles, was Peter hört, ist ‚Mein Bob war mit wem anders im Bett‘. Das muss dir doch aufgefallen sein!“
Bob überlegte. „Naja, so hat er das ja nicht gesagt. Außerdem impliziert deine Aussage, dass ich sonst mit Peter im Bett bin, und das bin ich ja nicht.“
„Ja, okay, du kannst dich natürlich auch absichtlich blöd stellen.“ Trevor verdrehte die Augen.
„Mach ich ja gar nicht“, motzte Bob. „Ich bin nur realistisch.“
Trevor seufzte. „Okay, aber das Ganze geht jetzt noch weiter. Du gehst duschen und kommst zurück und was will Peter von dir wissen? Ob der Kerl dein Typ war. Kein ‚Bob, geht es dir gut?‘ oder ‚Hattest du ‘ne gute Zeit gestern Abend?‘ oder sonst irgendwas. Stattdessen versucht er herauszufinden, ob er bei dir ‘ne Chance hat. Alles, was dieser Kerl heute Morgen gesagt und getan hat, ist meiner Meinung nach ein deutlicher Hinweis darauf, dass er es nicht ertragen kann, dass dich letzte Nacht irgendein random Basketballer auseinandergenommen hat, wenn er es gern selbst getan hätte.“ Trevor hatte sich richtig in Rage geredet. So viel Energie am frühen Morgen…
„Das ist doch Quatsch, er wollte mich halt piesacken.“
„Babe, überleg doch mal.“ Trevor drapierte sich dramatisch auf dem Sofa und legte seinen Handrücken auf die Stirn. „Oh nein, Bob, triff dich bloß nicht mit Ben, dass ist doch viel zu gefährlich!“, rief er theatralisch.
Bob musste lachen. „Okay erstens brauchst du dringend einen Theaterclub, in dem du deine schauspielerische Energie ausleben kannst. Und zweitens ist Peter immer so. Er findet alles zu gefährlich. Jedes Mal, wenn irgendein Klient denkt, dass es irgendwo spukt, hat Peter Schiss, das Gebäude zu betreten.“
„Was, und du bist dann sein Retter in der Not?“ Trevor war immer noch im Theatermodus. „Komm zu mir, Peter, ich beschütze dich vor den bösen Geistern!“
Bob warf ein Kissen nach ihm.
„Etwa nicht?“, sagte Trevor jetzt, mit gespielt schockierter Miene.
Bob lachte immer noch. „Schon so in die Richtung, aber nicht ganz so dramatisch.“
„Aha? Also doch?“
„Naja, Justus fährt halt meistens klare Linie, ohne Rücksicht auf Verluste, und ich muss dann Peter wieder aufbauen, damit er uns nicht abspringt“, gab Bob zu.
„Uuuuuuhhhh“, sang Trevor. „So viel Top-Energy hab ich dir gar nicht zugetraut!“
„Fick dich!“, sagte Bob. Er lachte trotzdem. „Und hör auf, mir immer Hoffnungen machen zu wollen. Peter will nichts von mir und damit muss ich leben.“
Trevor verdrehte die Augen. „Du bist echt ein hoffnungsloser Fall.“
„Ich bin Realist“, antwortete Bob.
Trevor zog die Augenbrauen hoch und stand auf. „Red‘ dir das ruhig ein, Power-Bottom“, flötete er und legte einen fast perfekten Abgang hin. Bob warf ihm noch ein Kissen hinterher. Trevor quietschte und sprang in sein Zimmer. Wie konnte dieser Kerl um die Uhrzeit schon so in Fahrt sein? Anstrengend.
Notes:
I sincerely apologize to all the "Bob to the top"-people.
Chapter 14: Kapitel 14: Der Beobachter
Summary:
Ein bisschen Action :)
Notes:
Ich habe jetzt so viel an diesem Kapitel herumgedoktert, dass ich es nicht mehr sehen kann. Ich hoffe, es hat sich gelohnt. Ich glaube, ich bin nicht so gut in Action, keine Ahnung.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Mr Wedlingtons Haus sah noch genauso aus, wie Bob es in Erinnerung hatte. Von außen war es immer noch genauso vermodert und vollgemüllt, wie als sie das erste Mal dagewesen waren – von innen war es noch genauso prunkvoll. Draußen hätte er sich am liebsten noch die Nase zugehalten – hier drinnen roch es angenehm, nach Büchern und Holzpolitur. Ein bisschen wie in einer Bibliothek. Bob fragte sich, woher Mr Wedlington eigentlich das ganze Geld für die ganzen Bücher und Bilder und die teuren Möbel hatte. Vielleicht hatte er es geerbt? Oder er hatte irgendeinen echt gut bezahlenden Job. Warum hatten sie eigentlich nicht recherchiert, was Mr Wedlington eigentlich selbst machte? Vielleicht war das Bobs Verantwortung gewesen. Er war bei diesem Fall irgendwie oft nicht ganz bei der Sache gewesen.
Auch Mr Wedlington sah noch genauso aus wie das letzte Mal. Er redete auch immer noch genauso viel und wild. Nur dieses Mal ließ er sie etwas mehr reden. Aber das hatte sicherlich auch damit zu tun, dass sie ja hier waren, um ihm zu erzählen, wie es um den Fall stand. Dementsprechend hatte er sie in seine Küche geführt, wo er Gebäck und Kaffee bereitgestellt hatte und dort saßen sie nun um den Esstisch und erzählten ihm, was sie bisher ermittelt hatten. Justus berichtete gerade von seinem neuen Job.
„Bisher habe ich noch nicht allzu viel in Erfahrung bringen können“, gestand er. „Allerdings habe ich schon einige Dokumente zu Grundstücksgrenzen eingesehen und dabei festgestellt, dass Fred Gilberts, den unser Journalist ja für das Oberhaupt der Gruppe hält, tatsächlich im Besitz einer großen Menge an Grundstücken ist.“
„Was ja erstmal noch kein Verbrechen ist“, warf Bob ein.
„Absolut nicht!“, stimmte Justus zu. „Dennoch scheint Fred Gilberts recht mächtig zu sein in Calabasas. Das ist für uns essenziell zu wissen.“
„Ich habe diesem Kerl noch nie getraut“, sagte Mr Wedlington. „Ein wirklich komischer Vogel. Ich will nicht wissen, wo der noch alles seine Finger im Spiel hat.“
Bob fragte sich, ob Mr Wedlington überhaupt irgendwem traute. Naja, den drei Fragezeichen schien er zumindest aus irgendeinem Grund zu trauen. Warum, war Bob ein Rätsel – so wie der Kerl drauf war.
„Naja“, fuhr Mr Wedlington fort. „Ich wäre auf jeden Fall nicht überrascht, wenn er am Ende das Tigerauge ist. Irgendwie führen doch alle Spuren immer wieder zu ihm zurück. Immer wieder – ich sage es euch.“ Umso mehr Mr Wedlington redete, desto mehr fingen seine Haare an, in alle Richtungen zu stehen. Ständig fuhrwerkte er sich in den Haaren herum, wenn er redete. Das war letztes Mal schon so gewesen.
Justus kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Meinen Sie, es gibt eine Person, die sich das Tigerauge nennt, oder heißt die ganze Gruppe so?“
„Das ist eine gute Frage, mein Junge. Ich habe darüber schon sehr viel nachgedacht. Ich denke, das Oberhaupt heißt ‚Das Tigerauge‘, aber sicher bin ich mir da noch nicht.“ Mr Wedlington fing an, in seiner Jackettasche zu kramen. „Ich habe auch eine neue Entwicklung zu berichten, Jungs.“ Er holte einen Briefumschlag hervor. „Das hier hat mich nochmal mehr zu der Überzeugung gebracht, dass es sich bei ‚dem Tigerauge‘ um das Oberhaupt handelt. Schaut mal her!“
Mr Wedlington zog eine Postkarte aus dem Kuvert. Sie zeigte ein halbes Tigergesicht, das Bob sofort wiedererkannte. Auf der Rückseite stand in Großbuchstaben: „LETZTE WARNUNG – DAS TA PERSÖNLICH.“
Das war überhaupt nicht gut. Zwar irgendwie albern, aber auch nicht gut. Bob dachte sofort darüber nach, wie sehr Mr Wedlington die ganze Zeit versucht hatte, die Aufmerksamkeit von sich wegzulenken und sich unauffällig zu machen. Wenn er jetzt Drohungen erhielt, war das sicherlich ein Zeichen dafür, dass sie nicht vorsichtig genug ermittelt hatten.
„Persönlich…“, sagte Justus nachdenklich. „Wirklich eigenartig… Vor allem, wenn die Gruppe eigentlich verdeckt bleiben möchte, erschließt sich mir nicht, warum man sich so klar als Absender kenntlich machen will.“
Bob dachte über das nach, was Justus gerade gesagt hatte. Es stimmte. Bisher hatte noch kein Gruppenmitglied die Existenz der Gruppe bestätigt. Es war doch total leichtsinnig, jetzt eine solche Karte mit Absender zu versehen. Das Tigeraugenbild auf der Rückseite hätte doch sicherlich gereicht.
Bob räusperte sich. „Das Bild da habe ich schonmal gesehen.“
Alle drei schauten ihn entgeistert an. „Wo?“, fragte Peter.
„In Bens Zimmer. Das ist das Bild, das als Poster an der Wand hing, von dem ich euch erzählt habe.“
„Wer ist Ben?“, fragte Mr Wedlington.
„Ein Kommilitone von uns, zu dem Bob Kontakt hatte“, erklärte Justus.
Peter verzog das Gesicht. Wahrscheinlich fand er es albern, dass Justus Bobs One-Night-Stand so euphemisiert hatte, dass es jetzt so klang, als hätte Bob einen Brieffreund. Justus fuhr unbeirrt fort. „Es stellte sich schnell heraus, dass der Junge ein Mitglied der Gruppe sein muss. Er trägt ein Tigeraugeamulett, das genauso aussieht, wie die anderen, die Sie in Ihren Aufzeichnungen dokumentiert haben. Glücklicherweise hat er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bemerkt, dass wir auf ihn aufmerksam geworden sind.“
Mr Wedlington zog die Augenbrauen hoch. Bob konnte sich nur ausmalen, dass Mr Wedlington versuchte, sich zusammenzureimen, was der Hintergrund dieser Geschichte sein könnte.
„Ich habe außerdem über Ben recherchiert“, sagte Peter nun leise. Bob drehte sich herüber zu ihm, wie er neben ihm ein bisschen elendig in der Bank versinken zu schien. Peter hatte was? Seit wann betrieb Peter freiwillig Recherche? „Also, wir haben erfahren, dass Ben Teil des College-Basketballteams ist“, erklärte Peter vorsichtig. „Ich habe mir die Aufstellung der UCLA-Mannschaft angeschaut und einen Benjamin Riesling gefunden, der auf die Beschreibung passt.“ Peter rief ein Foto auf seinem Smartphone auf und legte es auf den Tisch. „Das hier ist er, oder?“
Bob betrachtete das Foto und schluckte. Dann nickte er. Der Nachname kam ihm bekannt vor. Wo hatte er ihn nur schon einmal gesehen?
„Gute Arbeit“, sagte Mr Wedlington. „Benjamin Riesling. Das ist–“
„…der Sohn von Sally und Cal“, beendete Justus den Satz freudig. „Und Sally und Cal waren früher in der Freundesgruppe von Tony. Ihren Aufzeichnungen zufolge, Mr Wedlington, sind die beiden Anwälte in Calabasas und haben ein nicht unbeträchtliches Vermögen.“
„Das stimmt. Sie haben nur diesen einen Sohn. Er geht seit zwei Jahren auf die UCLA und studiert Jura. Ich nehme an, dass er ebenfalls Anwalt werden möchte, um das Familienunternehmen zu übernehmen. Oder seine Eltern wollen es so. Das kann man ja oft nicht so richtig unterscheiden. Er ist außerdem mit einer Enkelin von Fred und Kaitlyn Gilberts eng befreundet und es wird gemunkelt, dass sie irgendwann heiraten könnten. Das würde die beiden auf lange Sicht zu guten Anwärtern für das Oberhaupt machen, wenn unsere Theorie stimmt und Fred Gilberts tatsächlich das Tigerauge ist.“
Bobs Gedanken kreisten. Er hatte ursprünglich gedacht, Bens Position sei eine ähnliche, wie seine eigene – dass er es einfach auch etwas aufregend fand, sich zu outen, aber letztendlich wusste, dass nichts Schlimmes passieren würde, wenn er es tat. Aber das hier war ja eine ganz andere Hausnummer. So wie es schien, hing bei Ben sehr viel mehr in den Seilen.
„Nach dem aktuellen Stand unserer Ermittlungen können wir ausschließen, dass Ben Riesling ein romantisches Interesse an der Enkelin der Gilberts hat“, warf Justus nun ein. „Das würde natürlich dennoch nicht ausschließen, dass er sie vielleicht aus taktischen Gründen heiratet.“
„Ich habe ihn so verstanden, dass er daran auch kein Interesse hat“, fügte Bob leise hinzu. Ihm war das alles sehr unangenehm. Eigentlich war er froh, dass Justus verschwiegen hatte, warum genau er zu Ben ‚Kontakt‘ gehabt hatte. Das war wirklich kein Material für ein Klientengespräch. ‚Ups, unser dritter Detektiv hat aus Versehen, mit einem Mitglied einer geheimen Untergrundorganisation geschlafen – kann passieren.‘ Echt unprofessionell.
„Mr Wedlington, wissen Sie, wie die Tigerauge-Gruppe zu sexualethischen Fragen steht? Wir können die religiöse Komponente in dem Ganzen noch nicht so recht einschätzen.“ Justus hatte sehr förmlich geklungen. ‚Sexualethische Fragen‘ war definitiv eine sehr Justus-artige Formulierung für ‚Sind die Leute homophob oder nicht?‘, dachte Bob. Just war echt Experte darin, schön um den heißen Brei herumzureden und dabei gleichzeitig hochprofessionell zu klingen.
„Soweit ich das beurteilen kann, vertreten sie zumindest keine typisch fundamentalistischen Parolen“, erklärte Mr Wedlington. „Schwierig ist bei der Sache allerdings, dass die Gruppe gerne unter sich bleibt. Nach außen zu heiraten oder Beziehungen zu führen, ist sehr verpönt.“
„Eine sehr sektentypische Eigenschaft“, warf Justus ein.
„In der Tat, mein Junge, das hast du gut erkannt. Deshalb denke ich auch, dass Tony einen so großen Gegenwind für die Beziehung mit mir bekommen hat. Also natürlich war ich damals auch nicht der angenehmste Zeitgenosse, das habe ich euch ja schon erzählt. Die ganze Trinkerei – ich bin wirklich nicht stolz darauf. Aber trotzdem: Sich jemanden zu suchen, der nicht zumindest über eine Ecke dazugehört oder der leicht zu bekehren ist, ist heikel. Wenn jetzt jemand in der Gruppe schwul oder lesbisch ist, ist die statistische Wahrscheinlichkeit, jemanden innerhalb der richtigen Kreise zu finden, sehr, sehr klein.“ Mr Wedlington fuhr sich wieder durch die Haare und überlegte. „Wisst ihr, eine Freundin von Tony, Annalise, hatte damals eine Freundin. Die war von außerhalb. Annalise hat sie damals dann mit in die Gruppe integriert – soweit ich das beurteilen kann, zumindest. Die Frau ist für Annalise von LA nach Calabasas gezogen. Aber dann hat Kaitlyn Gilberts irgendwann ein Problem mit ihr gehabt und ab da hat sie sich nie wieder in Calabasas blicken lassen. Seitdem ist Annalise alleinstehend und hat auch nie wieder jemanden gefunden, soweit ich weiß.“
Irgendwie traurig, dachte Bob. Ob Ben wohl auch so ein Schicksal bevorstand?
„Aber jetzt nochmal zu dieser Drohung hier, Jungs“, lenkte Mr Wedlington das Thema wieder zurück. „Ich habe schon seit Jahren keine mehr bekommen. Ich denke, dass jemand darauf aufmerksam geworden sein muss, dass ihr ermittelt. Ich werde natürlich weiterhin so tun, als sei ich völlig unbeteiligt, aber die Frage ist, ob mir das noch irgendjemand abkauft.“ Er schaute mit seinen durchdringenden, strahlend grünen Augen in die Runde. Fast ein bisschen beängstigend, fand Bob.
„Das ist in der Tat äußerst bedauerlich“, pflichtete ihm Justus bei. „Wir haben bisher äußerste Vorsicht walten lassen, aber es ist nicht auszuschließen, dass wir durch einen Patzer auf uns aufmerksam gemacht haben. Wenn, dann tut uns das wirklich leid. Wir hatten nicht vor, Sie zurück ins Kreuzfeuer zu schicken.“
„Mit wem hattet ihr denn bisher Kontakt?“
„Mit den wenigsten“, antwortete Bob. „Die meisten haben wir nur beobachtet.“
„Mehr oder weniger erfolgreich“, warf Peter ein. „Justus wurde von Rick Brewis, Tonys Bruder, mit einer Waffe bedroht und gezwungen, in einen See zu springen.“
„Ja, ja, mit dem ist nicht zu spaßen“, sagte Mr Wedlington ernst. „Mit dem hatte ich in der Vergangenheit schon einige Konfrontationen. Unberechenbar, der Typ.“
„Großartig!“, antwortete Peter trocken.
„Die anderen Menschen, mit denen wir tatsächlich gesprochen haben, sind der Journalist, Pit Kennedy, Professor Raymond Fields – auch wenn der nicht weiß, dass ich Detektiv bin. Ich habe mich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl einstellen lassen. Und dann natürlich Ben. Aber von Ben wissen wir fast nichts“, erklärte Justus.
„Und Ben weiß auch nicht, dass wir Detektive sind. Zumindest nicht von uns“, sagte Bob.
„Das heißt, die Gruppe hat ihre Informationen vermutlich entweder über Rick Brewis oder Pit Kennedy erhalten“, sinnierte Mr Wedlington. „Ihr solltet vorsichtig sein.“
„In der Tat, Mr Wedlington, da haben Sie ganz Recht“, schleimte Justus. „Dennoch könnten wir das Ganze ja durchaus auch als Chance begreifen. Vielleicht lassen sich die Tigerauge-Leute ja ein bisschen aus der Reserve locken, wenn sie sich bedroht fühlen.“
Das wurde ja immer besser. Bob sah es schon kommen, dass er später erstmal wieder Peter beruhigen musste.
„Mr Wedlington“, fuhr Justus weiter fort, „ist Ihnen bekannt, dass Tony nicht der einzige Vermisstenfall im Zusammenhang mit dem Tigerauge ist?“
Mr Wedlington schaute Justus eindringlich an. Bob konnte seinen Gesichtsausdruck nicht so recht deuten.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, ertönte ein ohrenbetäubender Lärm.
Dann ging alles wahnsinnig schnell.
Mr Wedlington riss die Augen auf und rief: „Das ist die Alarmanlage! Jemand muss auf dem Grundstück sein! Los, rauf in die Kommandozentrale!“
Alle sprangen von ihren Plätzen auf. Bob war schon fast an der Küchentür, als Justus rief: „Kollegen, da läuft jemand!“ Bob hatte die ganze Zeit mit dem Rücken zum Fenster gesessen, deshalb war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, nach draußen zu schauen.
Bob folgte Justus Zeigefinger mit seinem Blick und schaute aus dem Fenster. Tatsächlich entfernte sich dort eine in schwarz gekleidete Person mit Kapuze, die in den Wald rannte.
Peter riss die Verandatür auf. „Den schnapp ich mir!“ Und weg war er.
Bob konnte nur wie gelähmt zusehen, wie Peter die Person immer weiter einholte, und hoffen, dass sie unbewaffnet war. Was machte Peter da? In den meisten anderen Fällen hatte Bob das immer völlig unbedenklich gefunden, aber jetzt? Was ist, wenn die Person dort eine Waffe hatte? Peter trug zwar eine Weste, aber die bedeckte ja auch nur so viel. Gebannt guckte Bob Peter hinterher. Er hatte keine Ahnung, wie lange.
Peter und der Mensch in schwarz verschwanden jetzt hinter einem kleinen Hügel und dann wurde es plötzlich wieder still. Mr Wedlington hatte wohl die Alarmanlage ausgeschaltet. Wo war Mr Wedlington überhaupt? Vermutlich da, wo man die Alarmanlage ausschalten kann, half Bob sein Kopf. Er schaute sich um. Justus und er standen allein in der Küche. Bobs Herz schlug wie wild. Justus wirkte auch hektisch.
„Los, Bob, wir gehen in die Kommandozentrale. Vielleicht haben Mr Wedlingtons Kameras ja Aufzeichnungen von draußen.“
Bob zögerte. „Nein, geh du ruhig. Ich gucke nach Peter.“ Und dann rannte er selber nach draußen und hielt auf den Hügel zu, hinter dem Peter zuletzt verschwunden war. Irgendetwas rief Justus ihm noch hinterher, aber er verstand es nicht. Er war schon zu weit weg.
Oben auf dem Hügel angekommen war niemand zu sehen. Bob rannte weiter. Dann, hinter einem Baum, sah er Peters Beine hervorgucken.
Oh Gott, Peter!
Bob lief wie durch einen Tunnel auf Peter zu. Als er ihn endlich erreichte, lag Peter auf dem Rücken im Laub und bewegte sich nicht. Er schien auf den ersten Blick keine äußeren Wunden zu haben, aber das hieß ja nichts.
„Peter!“, keuchte Bob, völlig außer Atem und apathisch.
Er kniete sich neben ihn und nahm seine Hand. Er spürte einen Puls – das war gut. Immer wieder rief Bob Peters Namen und untersuchte ihn nach irgendwelchen Wunden.
Dann legte er seinen Kopf auf seine Brust. Er atmete noch.
‚Stabile Seitenlage‘, befahl Bob sein Gehirn. Bob griff nach Peters Bein und begann, es aufzustellen.
„Bob!“
Bob sah herauf zu Peter. Der schaute ihn durch halb geschlossene Lider an.
„Peter, du bist ja wach!“ Bob spürte, wie ein Stück der Anspannung von ihm abfiel. Er wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er geweint hatte. Er war viel zu sehr mit Peter beschäftigt gewesen.
„Hm-hm“, machte Peter angestrengt.
„Mensch, Peter!“ Bob merkte, dass er noch immer Peters Hand hielt. Aber er wollte sie auch nicht loslassen. Er hielt sie einfach weiter fest. Er verschränkte ihre Finger und legte seine andere Hand an Peters Wange. Was das für Signale sendete, könnte er später überdenken. „Peterchen, was machst du denn für Sachen?“
„Ich–“, begann Peter. Dann wurden sie unterbrochen.
„Kollegen, da seid ihr ja!“, hörte Bob Justus aus ein paar Metern Entfernung rufen. Schnellen Schrittes kam er auf sie zugelaufen. Dann setzte er sich auf einen Baumstumpf. „Hast du ihn identifizieren können, Zweiter?“
Bob half Peter, sich aufzusetzen. Jetzt musste er seine Hand doch wieder loslassen. Der Moment war vorbei.
„Es war Ben“, sagte Peter trocken. Er wirkte jetzt schon wieder ein ganzes Stück klarer.
„Ernsthaft?“, entfuhr es Bob.
„Ja, definitiv“, antwortete Peter leise. „Habe ihn sofort wiedererkannt von dem Foto.“
Bob ließ sein Gesicht in seine Hände sinken und atmete aus.
„Dann ist er wohl eindeutig ein sehr viel eingefleischteres Mitglied der Gruppe als man aufgrund seines Alters hätte annehmen können“, schlaumeierte Justus.
„Was ist denn überhaupt passiert?“, wollte Bob wissen. „Hat er dich verletzt?“
Peter stieß etwas Luft zwischen den Lippen aus und nahm einen kleinen Stein in die Hand, den er auf dem Boden gefunden hatte. „Er hat mir auf jeden Fall einen ordentlichen Kinnhaken gegeben“, sagte er auf seine leicht weinerliche Art. „Ich war zwar eindeutig schneller als er, aber er war um einiges stärker.“ Er drehte den Stein in seinen Händen hin und her. Er wirkte frustriert. „Ich hab ihn halt irgendwann eingeholt“, fuhr er fort, „aber dann hab ich ihn packen wollen und er hat sich einfach umgedreht und hat mich gegen einen Baum gedrückt. Und dann hab ich ihn erkannt und hab mich natürlich gleich verraten, weil ich so überrascht war. Es war echt komisch. Ich hab seinen Namen gesagt und dann schaut der mich völlig entgeistert an und sagt: ‚Warum bist du so jung?‘. Was soll denn das bitte heißen?“ Missmutig schaute Peter seinen Stein an. „Ich hab dann versucht, mich aus seinem Griff zu lösen und hab ihm dabei voll aufs Auge gehauen und dann hat er mir nen Kinnhaken verpasst. Und dann lag ich da und der Rest ist Geschichte. Also vielleicht hat er morgen ein Veilchen, aber mehr habe ich nicht erreichen können.“
„Warum bist du so jung?“, wiederholte Justus.
„Ja“, sagte Peter patzig, „als ob er so viel älter wäre. Ich hab ihn doch recherchiert, er ist nur drei Jahre älter als ich. Reicht ja nicht, dass er stärker ist als ich, aber dann muss er auch noch denken, dass ich ein Kind bin?“ Wütend warf er den Stein ins Nichts zwischen den Bäumen.
So wie Peter hatte Bob den Satz jetzt zwar nicht interpretiert, aber ihm leuchtete auch nicht ganz ein, warum Ben das so gesagt hatte.
„Ich denke nicht, dass er das gemeint hat, Zweiter“, erklärte jetzt Justus.
„Aha, und was dann?“, motzte Peter.
„Ich nehme an, jemand hat ihm einen Tipp gegeben, dass Mr Wedlington Gäste hat, die für ihn ermitteln, die er ausspionieren soll. Er hat sicherlich angenommen, die Ermittler wären in Mr Wedlingtons Alter. Oder zumindest keine 18-jährigen College-Studenten.“
Das ergab eigentlich Sinn, was Justus da sagte, dachte Bob.
Peter schien allerdings immer noch sehr frustriert zu sein. Bob legte ihm seine Hand auf sein Bein. „Peter, mach dich nicht fertig deswegen. Selbst wenn du ihn geschnappt hättest, hätten wir ja auch nicht groß was mit ihm anfangen können, oder?“, versuchte er ihn zu beruhigen. „Außerdem trägst du eine Schutzweste, damit bist du viel weniger wendig als er. Dass du ihn damit so schnell eingeholt hast, bedeutet ja definitiv, dass du fitter bist als er.“
Peter presste seine Lippen zusammen. Er konnte einfach echt nicht gut verlieren, wenn es um sportliche Dinge ging. Wahrscheinlich war er gerade total in seinem Kopf gefangen. So etwas hatte Bob schon oft bei Peter beobachtet. Meistens musste man ihn damit eine Weile schmollen lassen und dann ging es wieder.
„Es ist auf jeden Fall gut, dass du, Bob, eben mit dem Rücken zum Fenster gesessen hast, und dass Peter derjenige war, der Ben verfolgt hat“, meldete sich nun wieder Justus. Peters Frustration schien ihn nicht zu beschäftigen. „Dann weiß er von dir noch immer nicht, dass du Detektiv bist, und Peters Namen kennt er ja eh nicht.“
„Ich weiß ja nicht, Just“, antwortete Bob. „Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis Ben Peter mal auf dem Campus begegnet.“
„Ja, die Befürchtung habe ich auch“, murmelte der Erste Detektiv. „Es wird Zeit, dass wir diesen Fall endlich lösen. Und ich habe auch schon eine Idee, wo wir weitermachen sollten.“
Notes:
Bestimmt war Peter nur wegen dem sportlichen Aspekt motzig, dass er nicht so stark war wie Ben ;)
Chapter 15: Kapitel 15: Die Rückfahrt
Summary:
Was bisher geschah: Die Jungs waren bei ihrem Klienten, Mr Wedlington, und wurden dabei von Ben beobachtet. Peter hat versucht, Ben zu schnappen, wurde aber von ihm durch einen Kinnhaken ausgeknockt, der Arme :(
Notes:
Ich habe dieses Kapitel zweimal geschrieben, deshalb hat es so lang gedauert. Die erste Version hat nicht richtig zusammengepasst und dann war ich unzufrieden und musste nochmal von vorne anfangen. Das war doof. Aber naja, in der ersten Version hat Trevor einen Kuchen gebacken und es war eigentlich ganz süß. Vielleicht muss er ihn zu einem späteren Zeitpunkt in der Fic nochmal backen. Wir werden sehen.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Justus, verrätst du uns jetzt endlich, welche Idee du hast?“, platzte es aus Peter heraus, sobald der erste Detektiv den Wagen aus Mr Wedlingtons Straße gelenkt hatte.
„Ich habe viele Ideen, Zweiter“, schlaumeierte Justus von vorne. „Welche von den vielen meinst du?“
Bob und Peter saßen gemeinsam hinten. Bob hatte darauf bestanden. Er hatte sicherstellen wollen, dass es Peter auch tatsächlich gut ging – auch wenn dieser beteuerte, dass er schon gar nichts mehr merkte. Aber Bob glaubte es ihm nicht. Peter gab nur ungern zu, wenn ihm etwas wehtat – vor allem, wenn er die Verletzung aus einem verlorenen Wettkampf davongetragen hatte. Er hielt sich aber trotzdem immer noch brav das Kühlpack unters Kinn, das Mr Wedlington ihm gegeben hatte – immerhin!
„Na, du hast doch vorhin gesagt, dass du schon weißt, wo wir weiterermitteln sollten. Denkst du nicht, wir haben auch ein Recht, das zu erfahren?“, meckerte Peter jetzt wieder.
„Das habt ihr durchaus“, sagte Justus ruhig. „Dennoch muss ich zunächst etwas überprüfen, wenn wir zurück in Los Angeles sind. Sonst kommen wir nicht weiter.“
„Na ganz toll!“, gab Peter zynisch zurück.
Eine kurze Stille entstand.
„Mir geht nicht aus dem Kopf, dass wir jetzt daran schuld sind, dass Mr Wedlington wieder Drohungen bekommt“, schaltete sich Bob jetzt ein. Das hatte ihn schon beschäftigt, seit Mr Wedlington ihnen vorhin die Postkarte gezeigt hatte. Jahrelang hatte Mr Wedlington versucht, möglichst unauffällig zu sein und verdeckt zu ermitteln und kaum kamen die drei Fragezeichen daher, flog er innerhalb von drei Wochen auf. Der Gedanke daran machte Bob ein ungutes Gefühl im Bauch.
„Das ist mehr als unglücklich gelaufen, das gebe ich zu“, stimmte ihm Justus von vorne zu.
„Vor allem tut mir auch leid, dass wir ihn für so bekloppt gehalten haben“, fügte Peter hinzu. „Ich hab ihn ja gar nicht richtig ernst genommen zu Beginn. Aber scheinbar ist er ja nicht mal ansatzweise so unzuverlässig, wie wir dachten.“
Die anderen beiden schwiegen. Da gab es wenig hinzuzufügen. Bob spürte, wie er sich einfach erschlagen fühlte von diesem Tag. Vormittags war er schon früh in der Uni gewesen. Nach dem Mittagessen waren sie dann gleich zu Mr Wedlington gefahren und dort hatten sich dann die Ereignisse überschlagen.
„Vor allem ist jetzt auch klar, dass wir aus der Nummer nicht mehr rauskommen“, sagte nun wieder Peter in die Stille. Er hatte sehr bestimmt geklungen. „Dieser Ben hat jetzt mein Gesicht gesehen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Tigerauge weiß, wer wir sind.“ Peter schaute herüber zu Bob. „Vor allem, wenn er rausfindet, dass du auch ein Detektiv bist, wird er denken, dass du versucht hast, ihn auszuspionieren. Wer weiß, was er dann mit dir machen würde.“
Peters Stimme hatte angefangen, etwas zittrig zu klingen.
„Pete!“ Bob legte seine Hand auf Peters Oberschenkel ab.
Peter griff nach Bobs Hand und drückte sie kurz. Dann ließ er seinen Kopf nach hinten in die Rückenlehne fallen und atmete durch. „Dann müssen wir sie schnappen. Und zwar bald.“
Justus suchte Bobs Blick im Rückspiegel, dann guckte er schnell wieder auf die Straße. „Ich sehe das auch so, Zweiter“, erklärte er. „Aber nicht mehr heute. Es wird schon dunkel. Wir können morgen weitermachen.“
Peter seufzte. Er hielt immer noch Bobs Hand. Bob wusste nicht so recht, was er jetzt damit machen sollte. Aber wenn er Peter mit dem Körperkontakt beruhigen konnte, dann musste er es wohl in Kauf nehmen, dass seine Gefühle gerade mit ihm Achterbahn fuhren.
„Pete, bist du dir denn sicher, dass du das überhaupt willst? Du hast doch schon die ganze Zeit Bedenken über diesen Fall“, sagte Bob leise.
Peter schaute ihn an und nahm seine Hand zurück. Sein Blick war durchdringend, fest. „Bis jetzt war es auch noch nicht so persönlich. Jetzt ist es das. Dieser Ben…“ Er machte eine kurze Pause. „Ich will jetzt wissen, was da abgeht und ich will mir das nicht gefallen lassen, dass ich mich auf meinem eigenen Campus nicht sicher fühlen soll, nur weil da ein Mitglied einer komischen Untergrundorganisation in freier Wildbahn rumläuft. Das können wir nicht auf uns sitzen lassen.“
Bob schwieg. Er hätte Peter gern beigepflichtet und gesagt, dass das alles nicht so schlimm war – dass man vielleicht einfach so tun konnte, als wäre nichts gewesen, und sich stillschweigend wieder aus der Sache rausziehen konnte. Aber das stimmte eben nicht. Peter hatte recht. Sie kamen aus der Nummer jetzt nicht mehr raus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Ben – und damit die ganze Tigerauge-Gruppe – über sie alle Bescheid wusste. Damit waren sie nun alle in Gefahr, wenn sie diesen Fall nicht bald lösten. Bob konnte sich kaum vorstellen, dass die Gruppe sich so viel Aufwand mit leeren Drohungen machen würde.
Nach und nach wurde ihm klarer, wie groß diese Sache vermutlich sein musste. Irgendetwas musste an dieser Gruppe gewaltig faul sein. Sonst würden sie keine Spione schicken oder dubiose Drohungen versenden, nur weil jemand Ermittlungen anstellte. Aber über wen hatte die Gruppe überhaupt von ihnen erfahren?
Bob ließ sich die Verdächtigen durch den Kopf gehen. Mr Wedlington hatte Recht: Die einzigen Personen, die die Gruppe auf die drei Fragezeichen hätten aufmerksam machen können, waren Rick Brewis und Pit Kennedy. Pit war ihnen bei ihrem Gespräch so vertrauenswürdig vorgekommen, dass sie so bereitwillig alles Mögliche mit ihm geteilt hatten. Bob glaubte zwar nicht, dass er ein doppeltes Spiel spielte, aber vielleicht hatte er mit seiner Zeugin über sie geredet und die hatte es weitergetratscht. Dass Pit gerne tratschte, war ja definitiv offensichtlich. Die offensichtlichere Lösung war allerdings trotzdem Rick Brewis. Dass der einigermaßen skrupellos war, hatte sich ja schon bei Justus kleinem Badeausflug gezeigt. Die Frage war: War er skrupellos genug, seine eigene Schwester verschwinden zu lassen oder zumindest dafür zu sorgen, dass sie selbst gehen wollte?
Bob fühlte sich erschlagen. Diese ganze Woche war wahnsinnig viel gewesen. Zur gleichen Zeit an der Uni anzufangen und einen Fall zu haben, dessen Ereignisse sich nur so überschlugen, war definitiv eine übermüdende Mischung. Justus und Peter schien es ähnlich zu gehen. Justus konzentrierte sich schweigend auf den Verkehr und Peter hatte neben Bob die Augen geschlossen.
Bob fragte sich, was in Peter vorging. Er konnte ihn heute unmöglich deuten. Die ganzen letzten Tage war er drauf und dran gewesen, den Fall an den Nagel zu hängen. Jetzt hatte er plötzlich so resolut geklungen. Dass er von Ben überwältigt worden war, schien ihm wohl noch tief in den Knochen zu sitzen.
Peter wand sich im Sitz und schien eine angenehme Schlafposition zu suchen. Bob beobachtete, wie er versuchte, sich gegen die Autotür zu lehnen, das Vorhaben dann aber aufgab. Er sah kurz herüber zu Bob, dann legte er sich quer über die Rückbank und legte seinen Kopf auf Bobs Schoß ab. Sofort waren alle Nervenenden wach.
„Ist das okay?“, fragte Peter Bob leise und drehte dabei seinen Kopf so, dass er Bob anschauen konnte.
Bob schwieg. Verkehrssicher war es definitiv nicht. Aber das war seinem Kopf gerade egal. „Klar.“
Peter drehte seinen Kopf wieder so, dass er gemütlich auf der Seite liegen konnte und schloss die Augen. Bob merkte, dass er nicht so recht wusste, was er mit seinem Arm anstellen sollte. Sollte er ihn auf Peters Schulter ablegen? Auf seiner Hüfte? Er überlegte kurz und beschloss, die Hand zu beschäftigen, indem er Peters Kinn inspizierte. Er nahm das Kühlpack in seine unentschlossene Hand.
„Tut es noch weh?“
„Geht“, antwortete Peter. „Sieht man was?“
Bob kniff die Augen zusammen. „Nicht wirklich. Aber es ist auch dunkel.“
„Hm“, machte Peter.
Bob strich Peter durch die Haare. Peter atmete aus. Oh. Das war unüberlegt gewesen. Bob nahm die Hand wieder nach oben – zurück in die Schwebe, wo er nicht wusste, was er damit machen sollte.
„Nein, mach weiter“, sagte Peter leise.
„Was?“
Peter griff nach Bobs Hand und setzte sie wieder in seinen Haaren ab. „Mach weiter, das ist angenehm.“
Bob gehorchte. Seine Gedanken waren wirr und ungreifbar. Vielleicht sollte er einfach versuchen, gar nicht zu denken. Er ließ seine Finger durch Peters Haare wandern und über seine Stirn. Selbst im Licht der Dämmerung konnte man seine Sommersprossen noch immer klar erkennen. So nah hatte er sie vermutlich noch nie gesehen. Peter war einfach wahnsinnig schön. Seine Haare waren schön, sein Gesicht war schön, wie er sich anfühlte. Er sah auch einfach wahnsinnig süß aus, wie er da so entspannt lag. Bob musste unweigerlich ein bisschen auf ihn heruntergrinsen.
Dann sah er, wie Justus seinen Blick im Rückspiegel suchte. Er zog die Augenbrauchen hoch, als würde er nonverbal eine Frage stellen wollen. Bob presste seine Lippen zusammen und gab dem Ersten einen unschlüssigen Blick zurück. Justus grinste ein wenig verschmitzt, dann konzentrierte er sich wieder auf den Verkehr.
Natürlich hatte Justus ihn durchschaut. Wie sollte es auch anders sein.
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Als sie endlich zurück auf dem Campus waren, schwiegen sie noch immer. Peter hatte den Großteil der Fahrt geschlafen und auch Bob fühlte sich bettreif. Es war zwar noch nicht einmal halb neun, aber sicherlich würden sie heute nichts mehr machen. Der Tag war viel zu lang gewesen.
Peter war bereits voran gegangen. Bob half Justus noch kurz, die Westen im Kofferraum zu verstauen.
„Wie lang geht das schon so?“, weckte ihn der Erste aus seinen Gedanken.
„Was?“
„Wie lang magst du ihn schon?“
Bob lachte etwas gequält. „Ewig.“
„Hm.“
„Ja.“ Bob wusste nicht, was er sagen sollte. Er war generell nicht wirklich auf dieses Gespräch vorbereitet gewesen. Und er war auch einfach zu müde, um ordentliche Antworten zu geben.
„Wirst du es ihm irgendwann sagen?“
Bob schloss die Kofferraumklappe und wandte sich zum Gehen. Peter war schon fast am Wohnheimseingang. „Ich wüsste nicht, was das bringen sollte.“
Justus schwieg kurz, während er neben ihm herlief.
„Ich denke, es könnte dir gut tun“, sagte er dann.
Bob stieß etwas Luft zwischen den Lippen aus. „Keine Ahnung.“
Justus legte ihm beim Gehen eine Hand auf die Schulter. Eine seltene Geste von ihm. „Überleg’s dir mal.“
„Hm“, machte Bob. Sie schlossen jetzt wieder mit Peter auf, der vor der Tür wartete.
„Hast du keinen Schlüssel, Zweiter?“, fragte Justus.
Peter gähnte und schüttelte den Kopf. Es sah sehr süß aus.
Bob schloss die Tür auf und ging die Treppe hoch. Die anderen beiden trotteten ihm hinterher.
„Was denkst du, wie lange du für deine Überprüfungen noch brauchst, Erster?“, sagte Peter in die Stille. „Meinst du, du kannst uns morgen sagen, womit du weitermachen willst?“
Er schien es wirklich ernst zu meinen. Peter war jetzt im Angriffsmodus.
„Ich hoffe es“, antwortete Justus. „Ich muss meine Suche nach öffentlichen Aufzeichnungen, die ich bisher angestellt habe, auf alle Staaten Amerikas ausweiten und hoffen, dass die Suche nicht zu weitläufig ist. Aber ich bin guter Dinge.“
„Öffentliche Aufzeichnungen?“, fragte Bob. „Nach was suchst du denn? Und sind Recherchen nicht eher mein Job?“
„Ich erkläre es euch morgen, Kollegen“, gab Justus zurück. „Jetzt will ich den Abend noch mal mit Suchen verbringen. Ich sage Bescheid, falls ich fündig werde.“
„Ah, ja, sehr aufschlussreich“, motzte Peter.
Bob schwieg. Justus ließ sich nie in die Karten gucken. Irgendwann musste man lernen, sich darüber nicht mehr aufzuregen. Ändern würde sich das eh nie. Und gerade interessierte es ihn auch nicht wirklich. Sie waren jetzt am Zimmer angekommen und Bob wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach nur ins Bett zu fallen, eine Serie zu schauen und dabei nach und nach einzunicken.
Er drückte die Klinke und trat mit den anderen beiden in ihr gemeinsames Wohnzimmer, in dem Trevor saß und offensichtlich Besuch hatte. Eine Frau mit schwarzen Rastazöpfen saß in dem Sessel, der mit dem Rücken zu ihnen stand.
„Hi, Trevor“, sagte Justus.
Trevor sagte nichts und schaute sie ernst mit seinen durchdringend grünen Augen an. Kein Lächeln. Seine sonst fröhlich übersprudelnde Art wie weggewischt.
Irgendetwas war hier komisch.
Die Frau stand auf und drehte sich ihnen zu. Sie war vielleicht Mitte vierzig und hatte etwas dunklere Haut als Trevor. Und jetzt, wo Bob sich ihr Gesicht ansah… Sein Kopf kam nicht hinterher.
„Das… das ist ja…“, stammelte Peter. Er schien den gleichen Gedanken zu haben wie Bob.
Und er hatte Recht. Sie war es wirklich. Klar, sie war zwanzig Jahre älter als auf dem Bild in Bobs und Peters Zimmer, aber sie war es. Unverwechselbar und quicklebendig, stand dort…
„Tony! Hab ich es doch geahnt“, verkündete Justus feierlich. „Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen!“
Bobs Kopf war im Kurzschluss. Das ging alles zu schnell. Und jetzt, wo die Frau hier so stand, sah er, wie unfassbar ähnlich sie Trevor eigentlich sah. Das war ihm von den Bildern her nie aufgefallen. Vor allem die Partie um den Mund und die Nase.
„Ja, also ich lasse euch mal“, verkündete Trevor mit zusammengepressten Lippen, während er auch aufstand. „Mir ist das alles zu wild. Mom, wir reden später.“ Dann ging er in sein Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Tony lächelte gepresst. „Hi, Jungs! Ich denke, wir müssen reden.“
Notes:
Endlich ist es raus ;)
Chapter 16: Kapitel 16: Die Vermisste
Summary:
Viel Fall, ein Haufen Antworten und noch mehr Fragen.
Notes:
Puuuh, es tut mir sehr leid, dass dieses Kapitel drölf Jahre gebraucht hat, aber es sagt einem ja auch keiner, wie schwierig es ist, eine Fall-Fic zu schreiben??? Voll gemein. Da alle Fäden richtig zusammenzuführen und dann auch noch Spannung zu behalten und nicht alle Infos auf einmal preiszugeben? Erinnert mich daran, das nie wieder zu machen :D Das hat jetzt echt viel Zeit gekostet :D
Naja, ich hoffe, es gefällt euch. Beim nächsten Kapitel gibt es dann den lang herbeigesehnten Kuchen von Trevor.
Liebe Grüße
Eure Chris :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Tony war eine beeindruckend gesammelte Frau. Ihr Auftreten war selbstbewusst aber gleichzeitig ruhig und warmherzig. Sie trug zerknitterte blaue Scrubs und wirkte etwas müde. Das lag daran, dass sie direkt nach der Arbeit hergekommen war, hatte sie ihnen gesagt. Dann hatte sie sie gebeten hatte, sich hinzusetzen.
Bob hatte noch immer Schwierigkeiten, die Puzzleteile in seinem Kopf zusammenzufügen. Tony – die Tony! – saß in ihrem Zimmer. Und sie hatten sie gar nicht richtig suchen müssen. Sie war einfach von allein zu ihnen gekommen. Und noch dazu war sie Trevors Mutter. Hätte Bob die Verschwörungs-Mindmap nicht in seinem eigenen sondern in Justus Zimmer aufgehängt, wäre das ganze schon viel früher herausgekommen. Aber Trevor war abgesehen von dem einen Mal am ersten Tag nie wieder in Bobs und Peters Zimmer gewesen. Damals hatte die Mindmap noch nicht dort gehangen. Wie seltsam wäre es gewesen, hätte Trevor gleich am ersten Tag seines Einzugs das Bild seiner Mutter an der Wand seines fremden Mitbewohners hängen sehen? Nicht auszumalen.
„Wir haben nicht viel Zeit, Jungs, deshalb verzeiht mir, wenn ich etwas kurz angebunden bin“, weckte Tony Bob aus seinen Gedanken. „Heute findet eine Vollversammlung des Tigerauges statt, wie jeden Freitagabend, sonst wäre ich nicht hier.“
Die drei Fragezeichen schwiegen. Sie hatten generell noch nicht viel geredet. Bob wusste auch nicht so recht, was er hätte sagen sollen. Mehr als „hä?“ wäre ihm zu der Situation auch erstmal nicht eingefallen.
„Es gibt auf diesem Campus zu viele Mitglieder“, fuhr sie fort. „Solange die alle in der Versammlung sind, habe ich eine Chance, mich hier ungesehen herumzutreiben. Aber sobald die Versammlung vorbei ist, muss ich schnellstens weg. Ich kann hier nicht gesehen werden.“
Justus, Peter und Bob nickten. Dass es auf dem Campus mindestens ein Mitglied der Gruppe gab, wussten sie ja schon. Es war nicht überraschend, dass Ben nicht der einzige war.
Bob merkte, dass Tony nervös war – auch wenn das nichts an ihrem standhaften und freundlichen Auftreten änderte. Es ergab irgendwie Sinn, dass sie Trevors Mutter war, dachte Bob. Sie hatten einfach eine sehr ähnliche Art zu sprechen und hatten so ein verschmitztes Funkeln in den Augen, das auch in unangenehmen Situationen nicht verschwand.
„Warum sind Sie dann überhaupt hier?“, rutschte es Peter jetzt heraus.
„Sie wird ja wohl noch ihren Sohn besuchen dürfen, Zweiter!“, korrigierte ihn Justus.
Tony lächelte etwas gequält. „Ich bin tatsächlich nicht wegen Trevor hier, sondern euretwegen.“ Sie rutschte etwas auf ihrem Sitzplatz hin und her. „Rick hat mich angerufen und mir geschildert, was heute in Arwins Haus abgelaufen ist. Ich möchte, dass ihr aufhört zu ermitteln, Jungs. Ihr wisst schon viel zu viel. Ihr habt ja scheinbar schon geahnt, dass ich Trevors Mutter bin, wenn ich dich so richtig verstanden habe? Trevor hat mir eben von Annalise erzählt.“ Sie wandte sich Justus zu.
„Es war eine Vermutung“, sagte dieser. „Trevor hat uns damals von Annalise berichtet und auch, dass der Name seiner Mutter Ann Young sei. Ich habe mich damals gefragt, ob Ann nicht auch eine Kurzform für Antonia sein könnte. Seitdem habe ich Heiratsurkunden und Dokumente über Namensänderungen in California und Nevada durchsucht, bin aber noch nicht fündig geworden.“
„Nicht schlecht!“, sagte Tony und zog anerkennend die Mundwinkel nach unten.
Bob war das alles total neu. Das war mal wieder so richtig typisch für Justus: Bloß nichts sagen, damit er am Ende eine große Überraschung enthüllen kann. Aber jetzt wussten sie wenigstens, was er die ganze Zeit versucht hatte herauszufinden.
„Ich wollte Trevor nicht direkt damit überrollen“, fuhr Justus fort. „Ich wollte mir erst sicher sein – vor allem, weil ich von ihm wusste, dass er seinen biologischen Vater nicht kennt. Es wäre da durchaus etwas unsensibel gewesen, ihn zu fragen, ob sein Erzeuger, dem er noch nie begegnet ist, eventuell unser Klient sein könnte – selbst für mich.“
Bobs Augen weiteten sich. Darüber hatte er ja noch gar nicht nachgedacht. Das war doch alles wie in einem schlechten Film. Seine Gedanken kreisten. Aber na klar: Die strahlend grünen Augen hätten ein Indiz sein können. So eine Augenfarbe war ja wirklich unüblich – erst recht, wenn man nicht weiß war.
„Justus, du denkst, Mr Wedlington ist Trevors Vater?“, schaltete sich jetzt Peter wieder ein.
„Natürlich, Zweiter“, sagte Justus in seiner Erklärbär-Stimme, „zumindest sein biologischer Erzeuger. Vaterschaft ist ja ein durchaus vielseitiger Begriff. Aber rechne doch mal nach: Mr Wedlington hat doch immer gesagt, Tony sei seit fast zwanzig Jahren vermisst. Nicht zwanzig Jahre – fast zwanzig Jahre. Trevor ist 18 und hat im Frühjahr Geburtstag. Er hat mir gesagt, dass sein Sternzeichen Zwilling sei – auch wenn ich nicht weiß, was ich mit dieser Information anfangen soll. Egal.“ Er setzte ab und fuhr sich durch die Haare. Bob musste ein bisschen schmunzeln. Es passte zu Trevor, dass er Justus erstmal sein Sternzeichen erzählt hatte. Vielleicht sollte Bob mal in dem Zimmer der beiden nach Kristallen suchen, die zum Aufladen auf der Fensterbank lagen.
„Wenn du darauf noch neun Monate Schwangerschaft rechnest“, fuhr der erste Detektiv nun fort, „ist die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering, dass zwischen der Flucht aus California und Trevors Geburt noch viel Zeit für eine neue Liebschaft gewesen wäre – auch wenn das natürlich nicht völlig unmöglich ist. Aber dann hätte das eine Person sein müssen, die zufällig genau die gleichen knallgrünen Augen, wie Trevor und Mr Wedlington–“
„Justus!“, unterbrach ihn Bob jetzt. „Wir verstehen es, du bist der Schlauste im Raum und das hast du ganz toll kombiniert, aber willst du nicht vielleicht mal unserem Gast hier zuhören? Sie ist doch schließlich hergekommen, um uns etwas zu sagen, oder?“
Justus holte Luft und sah hilfesuchend zu Tony herüber. „Du hast Recht, Bob.“ Er wandte sich zu Tony. „Entschuldigen Sie bitte, Mrs Young.“
Tony lächelte gepresst. „Ist schon okay. Ihr müsst das ja auch erst einmal verarbeiten. Und ihr müsst mich auch nicht siezen. Ann reicht völlig aus. Oder Tony. Ihr kennt mich ja vermutlich unter Tony. Darauf höre ich auch.“ Sie schaute mit ihren großen braunen Augen in die Runde. „Arwin ist tatsächlich Trevors Vater. Ich habe mich immer gescheut, Trev Details über ihn zu erzählen. Ich habe ihm gesagt, sein Vater habe mich schwanger sitzen gelassen, in der Hoffnung, dass er ihn dann gar nicht erst suchen möchte – was auch funktioniert hat. Aber das ist natürlich nicht die Wahrheit, wie ihr ja wisst. Ich kann verstehen, dass er ihn jetzt gern kennenlernen würde, wo er die Wahrheit weiß. Aber das ist eben viel zu gefährlich. Wir müssen diese Sache ruhen lassen.“
„Moment mal, Trevor hat gerade eben erfahren, dass sein Vater, von dem er die ganze Zeit dachte, er sei ein riesen Arschloch, eigentlich unser Klient ist?“ Peter war fassungslos. Bob konnte es ihm nicht verdenken. Es war ziemlich abgedreht.
Tony presste die Lippen zusammen und nickte. „Ich hätte es ihm schon vor langer Zeit sagen sollen. Aber ich konnte mich einfach nie überwinden. Auch jetzt bin ich mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war. An sich verdient er es, die Wahrheit zu erfahren, aber gleichzeitig bringt er uns beide in Gefahr, wenn er versuchen würde, ihn zu kontaktieren. Es ist alles sehr kompliziert.“ Sie schaute kurz ein wenig apathisch auf den Boden, dann fing sie sich wieder. „Naja, das und was ihr da macht. Das ist viel zu gefährlich alles. Jetzt, wo das Tigerauge von euch weiß, wird das alles viel zu heikel.“
Bob versuchte, die Teile in seinem Kopf zusammenzupuzzeln. Es war gar nicht so leicht. „Wie sind die Tigerauge-Leute überhaupt darauf gekommen, dass wir ermitteln?“
Tony seufzte. Dann schaute sie streng in die Runde. „Ihr seid nicht so subtil, wie ihr denkt, okay? Justus ist doch Rick schon begegnet, wisst ihr das nicht mehr? Eine kurze Suche nach dem Kennzeichen seines gerade erst zugassenen Autos und eine kurze Internetrecherche später, und schon war klar, dass Justus nicht Eric Miller heißt, sondern ein Hobbydetektiv aus Rocky Beach ist. Ihr könnt froh sein, dass Rick erst selbst geschaut hat, was eigentlich abgeht, und dann abgewogen hat, wie viel er weitersagt. Das Tigerauge weiß aktuell offiziell nur von einem Jugendlichen, der ihn verfolgt hat, weil Rick die Suche nach dem Kennzeichen erklären musste. Ihr anderen beiden wart bis jetzt noch nicht im Spiel – aber das hat sich wohl mit heute Abend verändert. Selbst wenn Benjamin euch nicht vom Campus wiedererkannt hat, wird er dem Tigerauge jetzt bei der Versammlung melden, dass es sich um drei Jugendliche handelt statt nur um einen.“
„Ach scheiße!“, sagte Peter.
„Richtig. Bis jetzt wusste nur Rick von euch allen, aber das ist jetzt wohl erledigt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Tigerauge darauf kommt, dass die lokalen Berühmtheiten ‚Die drei Fragezeichen‘ hinter ihnen her sind.“ Sie fuhr sich durch die Haare. „Die Zimmeraufteilung habt ihr übrigens auch Rick zu verdanken. Ein alter Collegefreund von ihm arbeitet in der Wohnheimsverwaltung. Zum Glück niemand vom Tigerauge. Sonst hätte er noch mehr erklären müssen. Er tut schon genug, um mich zu beschützen, ihr müsst ihm jetzt nicht auch noch das Leben schwer machen.“
„Moment“, warf Peter jetzt ein, „Rick hat uns alle zusammen mit Trevor auf ein Zimmer getan? Das macht doch keinen Sinn! Wären wir mit wem anders auf dem Zimmer, wäre Justus doch nie auf dich gekommen.“
Tony lächelte wieder ein bisschen. „Vielleicht. Aber dann hätte ich auch nicht die Chance gehabt, an euch dranzukommen. Rick hat schon von Anfang geahnt, dass ihr uns gefährlich werden könntet. Es war natürlich auch ein gewisses Risiko. Gerade weil Trevor von der ganzen Sache nichts wusste.“
Justus bewegte sich ein bisschen in seinem Sessel und beschloss wohl, sein Schweigen endlich wieder zu beenden. „Tony, jetzt muss ich aber nochmal nachhaken. Du sagst immer, dass das alles so gefährlich ist. Wenn du willst, dass wir uns tatsächlich aus dem allen heraushalten, musst du uns schon etwas mehr geben. Was ist denn so gefährlich? Was sind wir denn bei all dem auf der Spur? Was ist so schlimm, dass du dich seit fast 20 Jahren unter neuem Namen in Nevada versteckt halten musst?“
Tony stützte ihren Kopf in ihren Händen ab und atmete tief durch. Dann tauchte sie wieder auf. „Das ist zu viel, als ich es euch jetzt in der kurzen Zeit erzählen könnte. Die Zeit läuft uns davon. Die Kurzfassung ist, dass der ganze Körper des Tigerauges in kriminelle Machenschaften verwickelt ist, ohne allzu viel davon zu wissen. Die höheren Ränge wissen etwas mehr Bescheid. Das Tigerauge selbst hat alle Strippen in der Hand. Es geht um Ausbeutung, Geldwäsche und Betrug – alles Mögliche. Das meiste davon kann man nicht mal beweisen, weil das Tigerauge gerissen und sehr vorsichtig ist.“
Tony machte eine kurze Atempause. Keiner der drei Fragezeichen wagte es, etwas zu sagen. Dann setzte sie ihre Geschichte mit etwas leiserer Stimme fort, als hätte sie Angst, jemand könnte sie belauschen.
„Was damals vor fast 20 Jahren passiert ist, ist noch ein bisschen heftiger. Eine Freundin von mir, Lilly, hat damals aufgehört, an die Macht des Tigerauges zu glauben, und hat angefangen, Beweise zu sammeln. Sie hatte einen ganzen Ordner voll mit krummen Geschäften und Dokumenten. Eines Abends waren wir dann zu zweit im Auto unterwegs und sie hatte ihre ganzen Ergebnisse dabei, als wir bemerkten, dass wir verfolgt wurden. Mehrere Handlanger des Tigerauges fuhren auf einem Jeep hinter uns her und zielten mit ihren Gewehren auf uns. Es war wie in einem schlechten Actionfilm – nur dass nichts explodiert ist. Das Ganze hat sich hochgeschaukelt und ist zu einer wilden Verfolgungsjagd geworden. Lilly fuhr immer schneller und raste irgendwann mit voller Geschwindigkeit vor einen Baum. Es war furchtbar. Das Auto brannte und Lilly war nicht mehr ansprechbar und hinter uns kamen die Leute mit den Maschinengewehren. Ich bin dann einfach raus in den Wald und bin um mein Leben gerannt.“
Bob schluckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
„Ist diese Lilly eine von den weiteren Vermisstenfällen im Zusammenhang mit dem Tigerauge?“, erkundigte sich Justus.
„Genau“, sagte Tony ernst, „niemand hat sie seitdem gesehen. Das Tigerauge tut so, als wüsste es von nichts und ich kann dir bis heute nicht sagen, ob Lilly tot oder lebendig ist. Aber ab dem Zeitpunkt wusste ich, dass ich da raus muss. Egal ob tot oder lebendig: Das Tigerauge hat Lilly und ihr Auto verschwinden lassen. Damit war ich auch in Gefahr.“
„Uff…“, machte Peter.
„Eben! Das meine ich. Diese Leute sind gemeingefährlich und ihr tut euch keinen Gefallen, wenn ihr da weiter herumstochert.“
Justus grummelte etwas unschlüssig. „Eine Sache, die sich mir noch nicht erschließt, ist, welche Rolle dein Bruder Rick in der ganzen Sache spielt. Wenn er doch von all dem weiß, warum ist er nach all den Jahren immer noch Teil dieser Gruppe?“
Tony schaute auf die Uhr an ihrem Handgelenk und seufzte. „Das ist ein zu großes Fass, das kann ich jetzt nicht auch noch aufmachen. Die kurze Antwort ist: Es ist kompliziert.“ Sie stand auf und nahm ihre Jacke von der Sessellehne. „Wenn ihr wollt, könnt ihr nächste Woche Freitag zu mir kommen, wenn das Tigerauge wieder eine Versammlung hält. Aber nicht mit euren Autos! Entweder ihr leiht euch Trevors oder ihr fahrt mit Trevor zusammen, falls er mitkommen möchte. Dann kann ich euch noch etwas mehr erzählen. Aber ich bitte euch, Jungs: Haltet bis dahin die Füße still!“
Justus schaute sehr unzufrieden. Tony zog sich ihre Jacke an und lief auf Trevors und Justus‘ Zimmertür zu. „Ich werde Rick sagen, dass ihr aufhört zu ermitteln. Das ist für uns alle erstmal das sicherste. Wenn ihr den Fall nicht so einfach aufgeben wollt, könnt ihr wie gesagt nächsten Freitag kommen. Aber wenigstens bis dahin möchte ich euch bitten, nicht weiterzumachen, okay?“
Die drei Fragezeichen schwiegen. Bob nickte leicht. Selbst wenn sie weiterermitteln wollten, könnten sie ja zumindest eine Woche einmal abwarten. Es schien Tony ja sehr dringend zu sein. Auch Peter nickte. Das schien Tony ein wenig zufriedenzustellen.
„In Ordnung. Ich verabschiede mich noch eben von Trevor, dann muss ich los.“
Damit war sie hinter der Tür verschwunden.
„Ihr wollt doch nicht wirklich den Fall fallen lassen, Kollegen, oder?“, raunte Justus sofort.
„Justus, die Frau sieht sich in Lebensgefahr!“, antwortete Bob ihm sofort. „Das mindeste, was wir jetzt machen können, ist, ihr die eine Woche wenigstens zu geben. Wir können ja am Freitag immer noch entscheiden, dass wir weiterermitteln, wenn wir mehr wissen.“
Justus grummelte etwas in sich hinein.
„Außerdem hast du ja noch deinen Job bei Professor Fields“, half Peter Bob. „Da kannst du schön in aller Ruhe ein bisschen weiterermitteln und keiner merkt was davon.“
Justus atmete laut durch den Mund ein. „Ja, ich denke, ihr habt wohl recht. Aber mir gefällt das alles überhaupt nicht, das möchte ich mal zu Protokoll geben.“
„Ist notiert fürs Archiv“, sagte Bob trocken.
„Vor allem haben wir jetzt nochmal mehr ein Motiv, den Fall aufzulösen“, erklärte Justus. „Trevor will seinen biologischen Vater doch kennenlernen. Wenn wir den Fall lösen würden und die Verantwortlichen der Polizei übergeben würden, dann hätte er die Chance dazu und Tony müsste sich nicht mehr verstecken.“
„Justus…“, begann Peter.
„Und außerdem ergibt so vieles überhaupt keinen Sinn. Was ist das mit Rick? Warum ist der noch in der Gruppe nach all den Jahren? Und warum hat uns Ben beobachtet, wenn das Tigerauge bisher gar nicht so richtig was von uns wusste? Und wer hat Mr Wedlington die Drohung geschrieben? Und was ist mit den anderen Vermissten? Und vor allem–“
„Justus, jetzt mach aber mal halblang!“, sagte Bob jetzt wieder etwas zu laut. Dann stand er auf. „Ich bin dafür, dass wir da jetzt alle erstmal ne Nacht drüber schlafen und dann sehen wir weiter. Ich bin total fertig von diesem nicht enden wollenden Tag und ich hab keine Lust mehr.“
Justus schaute ihn verwirrt an. Zu viel Detektivarbeit war nichts was sein Gehirn als Problem einzustufen schien.
„Außerdem müssen wir auch mal überlegen, wie es Trevor gerade geht“, sagte Peter jetzt. „Wenn wir jetzt hier groß einen auf Detektive machen, während sein ganzes Familienbild in sich zusammenbricht, ist das auch nicht gut. Überleg doch mal. Eine Woche Füße stillhalten ist vielleicht erstmal nicht schlecht, denkst du nicht, Justus?“
Justus presste die Lippen zusammen.
Tony kam wieder aus dem Zimmer heraus und zog die Tür hinter sich zu.
„Trevor hat gesagt, er würde am Freitag mitkommen, wenn ihr kommen möchtet“, sagte sie nun leise. Dann schaute sie Justus an. „Passt ein bisschen auf ihn auf, ja?“
Justus nickte schweigend.
„Wir geben unser Bestes“, sagte Bob.
„Okay“, sagte Tony und schaute kurz schweigend in die Runde. Sie holte kurz Luft und wandte sich dann der Ausgangstür zu. „Dann bis Freitag.“
Sie zog sich ihre Kapuze über den Kopf und ging.
Notes:
Und, was denken wir?
Chapter 17: Kapitel 17: Der Kuchen
Summary:
Ganz viele Peter-und-Bob-Dinge, als Ausgleich für das letzte Kapitel :) Prepare for cuteness.
Notes:
Ich hab Urlaub, ist das nicht schön? Endlich kann ich wieder ganz viel schreiben!
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Die drei Fragezeichen starrten noch einige Augenblicke auf die Tür, hinter der Tony eben verschwunden war. Niemand sagte ein Wort. Es war, als würden sie erwarten, dass sie nochmal zurückkommen würde. Aber natürlich tat sie das nicht.
Bob ließ seinen Kopf gegen die Sofalehne fallen. „Mein Kopf kommt nicht hinterher.“ Es war einfach alles ein bisschen viel gewesen heute.
„Meiner auch nicht“, sagte Peter, der noch immer das Kühlpack von Mr Wedlington unter sein Kinn hielt. Es war sicherlich mittlerweile pisswarm. Bob fragte sich, warum Peter es immer noch benutzte.
„Eigentlich ist es gar nicht so kompliziert“, erklärte Justus. „Wenn man mal bedenkt, dass–“
„Justus, wenn du mir jetzt den Fall nochmal rekapitulieren willst, werfe ich was nach dir. Was Schweres.“ Peter hatte die Faxen dicke. Zurecht.
„Ich denke, dein Dietrichset würde auch eine hübsche Narbe machen“, half Bob ihm aus und musste grinsen. Auch er hatte jetzt keine Lust mehr auf eine intellektuell hochwertige und eloquente Zusammenfassung von Justus Jonas™.
„Hmpf“, grummelte der Erste.
Peter stand auf und bewegte sich in Richtung Küchenzeile. „Unsere Messer sind leider alle sehr stumpf, wie es sich für ein gutes Studierendenwohnheim gehört, aber vielleicht tut es die Käsereibe auch?“
Bob prustete. „Wie wäre es mit einem Wasserkrug?“
„Ist ja gut, ich habe verstanden!“ Justus verschränkte die Arme vor der Brust.
Die Tür hinter Bob machte ein Geräusch. Trevor schlurfte heraus. Er trug eine Jogginghose und ein loses, alt aussehendes graues T-Shirt. Er hatte eine Hand in der Hosentasche und begutachtete die drei. Bob und Justus, wie sie da erschöpft auf der Couch saßen und Peter, der gerade den Kühlschrank mit seiner freien Hand öffnete. „Wie seht ihr denn aus?“
„Peter hat sich mit Ben geprügelt“, erklärte ihm Justus und zog dabei amüsiert eine Augenbraue hoch.
Trevor kniff die Augen zusammen. „Ich dachte, ihr wart bei eurem Klienten?“ Dann setzte er kurz ab und fuchtelte kurz mit der Hand. „Und nein, wir reden nicht darüber, dass ich scheinbar mit ihm verwandt bin, das machen wir wann anders. Ich bitte darum, das für heute zu ignorieren.“
Bob schaute Trevor an und versuchte, ihm aufmunternd zuzunicken.
„Ich habe mich nicht geprügelt, ich habe versucht, ihn zu fangen“, motzte Peter. Er nahm eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank, öffnete sie sich und nahm einen großen Schluck. Dann verstaute er das Kühlpack im Eisfach und nahm sich eine weitere Colaflasche, die er stattdessen unter sein Kinn hielt.
Trevor schaute mit seinen großen grünen Augen etwas unschlüssig zwischen ihnen allen hin und her. „Also, wenn ich nicht wüsste, wo ihr heute Abend wart, würde das klingen, als wärt ihr zusammen auf dem Spielplatz gewesen. Was hat denn bitte Ben bei mei–, bei eurem Klienten gemacht?“
Peter verzog das Gesicht. „Das hätte ich ihn auch gerne gefragt, aber leider ist er mir entwischt.“
„Naja, es war ziemlich offensichtlich, dass er dort war, um uns durch das Fenster auszuspionieren“, erklärte Justus.
„Ist ja gruselig“, sagte Trevor.
„Jup“, sagte Peter.
Trevor zog die Lippen zusammen. Seine sonstige Neugier schien heute ein wenig gedämpft zu sein. Verständlich.
Irgendwie war die Situation komisch. Bob wusste nicht, was er sagen sollte, und jetzt entstand eine seltsame Stille, die er sehr schwer auszuhalten fand. Niemand wollte über den Elefanten im Raum reden. Einfach eigenartig.
„Naja, ich würde mich dann mal bettfertig machen“, rettete Trevor sie letztlich.
„Gute Idee“, stimmte Bob ihm zu und ging in sein Zimmer, um sich seine Waschtasche zu holen. Dieser Tag musste endlich enden.
„Meinst du, Trevor wollte wirklich nicht drüber reden?“, sagte Peter, als sie endlich zu zweit hinter ihrer Tür verschwunden waren. „Vielleicht ging es ihm gar nicht gut und wir hätten uns nochmal mit ihm hinsetzen sollen.“
Bob seufzte. „Keine Ahnung. Aber wenn er das so kommuniziert, müssen wir das schon respektieren, oder?“ Er dachte kurz nach. „Außerdem habe ich den Eindruck, dass er mit Justus sehr oft über tiefe Themen redet. Vielleicht redet er lieber mit ihm darüber.“
„Hm“, machte Peter. Er war jetzt unter seine Decke geschlüpft und hielt sich noch immer die doofe Colaflasche unters Kinn.
„Wie geht’s dir denn überhaupt?“, fragte Bob nun, als er unter seine eigene Bettdecke kroch. „Du hast vorhin so frustriert und wütend gewirkt.“
Peter stellte die Flasche auf seinen Nachttisch und legte sich richtig hin. Endlich. Bob hatte sich schon gefragt, wie er so schlafen wollte. Er hatte doch nicht wirklich mit einer Colaflasche im Bett kuscheln wollen.
„Ja, ich bin drüber hinweg. Ich musste erstmal wieder runterkommen.“
„Sicher?“, fragte Bob leise.
Peter verdrehte die Augen. „Ja.“ Er machte eine kurze Pause. „Keine Ahnung, irgendwie hat mich das aufgeregt, dass dieser Kerl dir so nah gekommen ist. Das ist einfach eine heikle Situation. Stell dir vor, er hätte schon von dir gewusst, bevor du was mit ihm hattest.“
„Hat er aber nicht“, sagte Bob.
„Ich weiß“, antwortete Peter zögerlich. „Aber trotzdem.“
„Ich bin ja nochmal davongekommen.“
„Ja.“
Es war kurz still. Bob fragte sich kurz, ob Peter genauso emotional reagiert hätte, wenn Justus in Bobs Position gewesen wäre. Bei Brittany war Peter nicht so gewesen, oder?
Bob versuchte, den Gedanken wieder beiseitezuschieben. Das war doch albern. Brittany ließ sich nun wirklich nicht mit Ben vergleichen. Und außerdem war Peter oft emotional, wenn es bei Fällen heikel war. Bob schüttelte den Kopf über sich selbst. Trevor hatte ihm echt ein bisschen einen Floh ins Ohr gesetzt und den musste er schnellstens wieder loswerden.
„Wenn du das mit dem Tigerauge nicht rausgefunden hättest, hättest du ihn dann wiedertreffen wollen?“ Peter hatte es fast geflüstert.
Bob überlegte. „Keine Ahnung. Vielleicht.“
„Hm.“
Es war kurz still.
„Ich mach das Licht aus, okay?“
„Okay“, sagte Peter.
Bob löschte das Licht. Er war innerhalb von Sekunden eingeschlafen.
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Als Bob aufwachte, hörte er schon leise Geräusche aus dem Nebenraum. Es musste spät sein. Er setzte sich seine Brille auf und schaute auf sein Handy. Halb elf.
Peter schlief noch. Er lag auf dem Rücken ausgestreckt quer über sein Bett drapiert – seine Arme nach oben angewinkelt, sodass sie fast so aussahen, als hätte er sie hinter seinem Kopf verschränken wollen. Es war fast frech, wie athletisch Peter immer noch aussah, selbst wenn er völlig regungslos schlief.
Bob wand sich leise unter seiner Decke hervor und begann, sich leise anzuziehen. Er schaffte es fast, Peter nicht dabei aufzuwecken. Aber als er sich als letztes ein frisches T-Shirt über den Kopf zog, hörte er hinter sich ein Rascheln. Er drehte sich um und schaute in Peters verschlafene Augen.
Peter reckte sich und Bob wurde sofort ein bisschen rot, als er sich dabei ertappte, wie er Peters Muskeln bei der Arbeit zusah. Er zwang sich, wegzusehen, und wandte sich seinem Bett zu.
„Na, gut geschlafen?“, sagte Peter mit einem Gähnen.
Bob begann, seine Decke auszuschütteln. Jetzt, wo Peter wach war, könnte er ja sein Bett machen.
„Ja, zumindest konnte ich ausschlafen“, sagte er. „Sorry, dass ich dich geweckt hab.“
Peter schaute auf seinen Wecker. „Naja, es ist halb elf. Das passt schon.“ Er stand auf und begann auch, sich anzuziehen.
Bob nahm sein Handy vom Nachttisch und versuchte, sich davon abzuhalten, Peter beim Umziehen zuzugucken. Konzentration. Auf dem Handy gab es bestimmt wichtige Nachrichten oder so.
Leider bot ihm sein Handy nicht viel Aufregendes. Er machte Instagram auf und scrollte ein bisschen lustlos durch die Gegend. Er guckte ein paar Storys an. Nur langweilige Dinge. Er sperrte das Handy wieder.
„Ich geh mal zu den anderen“, sagte er dann beiläufig. Bestimmt war jemand im Gemeinschaftsraum, mit dem er reden konnte. Auch wenn Bob sich nicht sicher war, ob er es ertragen könnte, wenn Justus doch erstmal den Fall rekapitulieren wollte. Dafür war er noch nicht wach genug.
„Warte, ich hab’s gleich. Ich will mitkommen.“ Peter sprang ein bisschen auf und ab, während er sich seine Hose anzog. Dann zog er sich ein Shirt aus dem Schrank und zog es schnell über.
Bob hatte das Gefühl, in ein Sitcom-Set gelaufen zu sein, als er mit Peter durch seine Zimmertür kam.
Trevor stand hinter ihrer kleinen Küchenzeile und trug eine sehr dreckige bunte Küchenschürze, auf der „This is my Gaypron“ stand. Mit einem Schneebesen versuchte er gerade sehr umständlich, einen recht dickflüssigen Teig zu rühren. Überall lag Mehl. Auf dem Laptop auf der Arbeitsplatte lief Mean Girls.
In der anderen Tür stand Justus. Er sah etwas unschlüssig aus. Sie alle drei schauten Trevor an und versuchten die Situation zu entschlüsseln.
„Ist irgendwas?“, fragte Trevor und kippte etwas Milch in seinen Teig – wenn man es überhaupt einen Teig nennen konnte. Es war eher ein Klumpen, der jetzt ein paar weiße Milchtropfen hatte, sich aber nicht wirklich erweichen ließ. Trevor sah ein bisschen verzweifelt aus. Oder vielleicht wütend? Es war schwierig zu deuten.
„Was machst du da?“, fragte Bob und ging etwas näher an Trevors Backdesaster heran. Am besten nicht zu nah, irgendwie wirkte das alles sehr explosiv.
Trevor stemmte die Hände in die Hüften und sah unschlüssig auf seine Schüssel. „Ich versuche einen Kuchen zu backen, weil eine Kommilitonin von mir Geburtstag hat, aber ich bin glaub ich einfach nicht für das Küchenleben gemacht. Sagt einem ja auch keiner, dass Kuchen backen so stressig ist.“ Er strich sich etwas durch den Wind mit einer Hand über die Stirn. Jetzt hatte er Mehl im Gesicht.
Justus zog eine Augenbraue hoch. „Du backst Kuchen für eine Kommilitonin, die du seit nicht mal einer Woche kennst und kannst eigentlich gar nicht Kuchen backen?“
„Ja, ich weiß, keine Ahnung“, sagte Trevor und machte eine unschlüssige Handgeste.
Bob schaute zwischen Peter und Justus hin und her. Er hatte den Eindruck, dass das hier irgendwie eine Krisensituation war, aber wie ging man sowas an?
Trevor bemerkte wohl ihre Unschlüssigkeit. „Ach, was weiß ich, ich wollte irgendwie cool und erwachsen sein? Und außerdem gibt es offensichtlich Dinge, über die ich nicht nachdenken will, vielleicht ist ein neues Hobby gar nicht so schlecht zum Abregen.“
Er hatte jetzt angefangen, ein wenig gewaltsam mit dem Schneebesen auf die Schüssel zu hauen, in der Hoffnung, dass sich der Klumpen löste.
„Wie zum Beispiel darüber, dass meine Mutter unbedingt wollte, dass ich woanders studiere, und mir immer gesagt hat, dass sie der Campus hier an meinen Vater erinnert, und sie mich deshalb hier dann nicht besuchen kann. Und jetzt finde ich raus, dass mein Vater scheinbar gar nicht das Problem ist, sondern die Tatsache, dass hier Leute einer abstrusen Untergrundsekte rumlaufen. Und ich war so: ‚Aber ich kenne hier halt schon Leute und war letztes Jahr schon ständig hier, um meine Freunde zu besuchen und die Idee, ans andere Ende des Landes zu gehen, ist doch völlig albern.‘ Cool, und jetzt bin ich hier und dieser blöde Kuchen–“
Trevor schlug noch einmal heftig auf die Schüssel. Diesmal war es ein wenig zu doll gewesen, sodass die Schüssel kippte und ihm mit ihrem Inhalt voran auf die Schürze fiel. Es machte ein lautes Geräusch und das ganze Experiment landete auf dem Boden. „Ach scheiße!“
Justus stand auf und nahm Trevor den Schneebesen aus der Hand. Dann stand er da ein bisschen unschlüssig und hob seine Hand an, als wollte er sie auf Trevors Arm legen und zog sie dann wieder ein bisschen beschämt aussehend zurück. Eine interessante Szene. Bob schaute herüber zu Peter, der das Ganze auch mit einer Mischung aus Belustigung und Besorgnis beobachtete. Dann trafen sich ihre Blicke. Peter guckte ihn vielsagend an.
„Trev“, begann Justus jetzt, „hast du denn ein Rezept?“
Trevor seufzte. „Nein, aber so schwer kann das doch nicht sein, oder?“
Justus hob die Schüssel auf und stellte sie wieder auf die Küchenzeile. „Dann würde ich vorschlagen, wir räumen das jetzt hier kurz auf und dann hole ich eine Dose Kirschen und das Rezept meiner Tante aus unserem Zimmer und wir fangen das Ganze noch einmal von vorne an, in Ordnung?“
Trevor presste die Lippen zusammen und nickte.
Bob schaute wieder herüber zu Peter, der ihm mit dem Kopf eine leise „Lass uns gehen“-Geste in Richtung der Tür machte. Bob überlegte kurz. Wahrscheinlich war es gut, wenn Trevor nicht gleich ein Tribunal von drei Leuten da stehen hatte, wenn er sein Herz ausschütten wollte.
Peter nahm sein Portemonnaie vom Wohnzimmertisch und steckte es in seine Hosentasche. Dann ging er aus der Tür und Bob folgte ihm.
„Ich sag doch, wir sollten die beiden verkuppeln“, flüsterte Peter sofort, als Bob die Tür hinter ihnen zugezogen hatte.
Bob lachte. „Das ist das, woran du jetzt denkst?“
„Bob, überleg doch mal! Wie sie da voreinander standen. Die Spannung! Hatte ich Recht oder hatte ich Recht?“ Peter grinste über das ganze Gesicht. Es war wirklich bescheuert. Trevor hatte doch gerade eine ziemliche Krise.
„Ich denke, du hast insofern Recht, als dass ‘ne gute Chance besteht, dass Trevor sich in Justus verknallt – einfach weil ich tatsächlich vermute, dass Justus sein Typ sein könnte“, gab Bob zu. „Aber ich denke, Justus wird das gar nicht bemerken und Trevor wird dann resigniert sein und Liebeskummer haben. Das stelle ich mir alles sehr unangenehm vor.“
Peter nahm seine Hand an den Mund und blies ein Furzgeräusch. „Wow, bist du pessimistisch!“
Sie waren jetzt bei den Treppen angekommen. „Wenn es um Schwärmereien für Heteromänner geht, immer.“
„Er hat ihn Trev genannt!“
„Ja und? Sie sind halt Freunde.“
Peter verzog das Gesicht. „Sie sind halt Freunde!“, äffte er ihn nach. Seine Bob-Impression war echt schlecht.
Bob verdrehte die Augen und öffnete die Tür ins Freie. Die Sonne schien und es war angenehm frisch draußen. „Wo gehen wir eigentlich hin?“
Peter zog unschlüssig die Mundwinkel nach unten. „Frühstücken?“
„Ich hab‘ kein Geld dabei.“
„Aber ich.“
Bob zog überrascht die Augenbrauen hoch.
„Komm, ich lad dich ein, Bobbele.“ Peter lächelte ihn verschmitzt an.
Bob grinste zurück. „Da sag ich nicht nein.“
„Na dann los.“
Sie mussten nicht lange suchen, bis sie ein kleines Studi-Café auf dem Campus fanden, das bis mittags Frühstück servierte. Sie quetschten sich in die Eckbank an einen kleinen hölzernen Tisch und bestellten beide Pancakes mit Früchten, Vanilleeis und Ahornsirup, die schon nach wenigen Minuten auf einem riesigen Stapel vor ihnen standen.
Bob war gar nicht klar gewesen, wie hungrig er eigentlich war. Bei Mr Wedlington hatte es gestern nur Snacks gegeben und als sie nach Hause gekommen waren, war es ihnen gar nicht mehr in den Sinn gekommen, Abendessen zu machen. Er war wirklich etwas ausgehungert. Peter schien es ähnlich zu gehen. Für eine Weile aßen sie schweigend und zufrieden vor sich hin.
„Ist dir das eigentlich schon passiert?“, brach Peter die gefräßige Stille schließlich mit halbvollem Mund.
„Was?“
„Dass du unglücklich in jemanden verliebt warst, der hetero war.“
Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Wie kommst du da denn jetzt drauf?“
„Naja, du meintest eben, dass du in solchen Fällen immer pessimistisch bist. Das klang ziemlich zynisch und so, als würdest du aus Erfahrung sprechen.“ Peter schob sich eine volle Gabel in den Mund und schaute ihn erwartungsvoll an.
Bob musste lachen. Es war nicht wirklich ein fröhliches Lachen. Eher ein verzweifeltes. Ziemlich ironisch, dass ausgerechnet Peter ihn das fragte. Jedem anderen Menschen hätte er die Frage ehrlicher beantworten können als Peter.
Bob dachte darüber nach, was er jetzt antworten könnte, aber ihm fiel wirklich nichts Schlaues ein. „Keinen Kommentar“, sagte er deshalb und schaute auf die Fliesen, als könnte er darin etwas Spannendes entdecken. Irgendwie musste er dieses Gespräch möglichst schnell auf etwas anderes lenken.
Peter ließ sich allerdings nicht beirren. Er stützte seinen Kopf auf seinen Händen ab und machte große Hundewelpen-Augen. „Komm schon, Bob, erzähl mir mal was. Jetzt, wo ich weiß, dass du auf Kerle stehst, kannst du mir sowas doch endlich wieder sagen.“ Er klimperte ein paar Mal spielerisch mit den Augenlidern und stupste ihm mit dem Finger gegen die Schulter.
Bob lachte wieder. Würde es bei der ganzen Sache nicht ausgerechnet um Peter selbst gehen, hätte er es ihm tatsächlich nicht abschlagen können, ihm alles zu erzählen. Aber so war es einfach unmöglich – so süß Peter auch aussah, wenn er ihn so anschaute.
Bob seufzte. „Es gibt da nicht viel zu erzählen. Passiert halt. Kann ja nicht jeder schwul sein.“
„Wer war es denn?“, wollte Peter wissen. „Wer hat meinem Bobbele das Herz gebrochen? Na los! Muss ich jemandem eine böse E-Mail schreiben?“ Seine Augen funkelten Bob verschwörerisch an.
Bob verdrehte die Augen. „Niemand.“
„Bob, komm schon!“
Wieder pikste er ihn. Diesmal in den Oberkörper. Bob versuchte, Peters Hände wegzuschlagen, aber es funktionierte nur so halb. Peter fand immer neue Flächen, wo er Bob piksen konnte. Bob wand sich etwas umständlich und lachte. Es war wirklich gemein, dass er so kitzelig war.
Schließlich nahm er Peters Hände in seine und hielt sie auf dem Tisch fest. Peter ließ es mit sich machen – hätte Peter es ernsthaft versucht, loszukommen, wäre es ein leichtes gewesen. Er war Bob kräftemäßig meilenweit überlegen.
Bob drückte Peters Finger und sah ihm fest in die Augen. „Ich will da echt nicht drüber reden, Pete. Da kannst du so viel stochern wie du willst. Komm, iss deine Pancakes.“
Peter schmollte, nahm dann aber trotzdem schlussendlich seine Gabel und schob sie mit einer großen Ladung Essen in seinen Mund.
Bob versuchte, die Röte aus seinem Gesicht zu zwingen. Vielleicht sollte er sich einfach wieder auf sein Essen konzentrieren. Wenn der Mund voll war, müsste er nicht so viel reden.
„Bei euch alles okay?“
Bob zuckte zusammen. Neben ihm stand die Kellnerin, die ihnen eben ihre Pancakes gebracht hatte. Er hatte sie gar nicht kommen sehen.
„Alles okay, danke!“, sagte Peter freundlich.
„Okay, supi“, strahlte die Kellnerin sie an. Sie war sehr jung, vermutlich auch Studentin. „Dann lass ich euch zwei Süßen mal wieder eure Zweisamkeit genießen. Ihr seid übrigens ein sehr hübsches Paar.“
„Ehm–“, sagte Bob. Sein Kopf war leer.
Peter formte seinen Mund zu einer Mischung aus Lächeln und irgendetwas anderem zusammen. „Danke, das ist nett!“
Bob konnte Peters Mimik ganz schlecht deuten. War er amüsiert oder peinlich berührt? Für gewöhnlich wurden Hetero-Kerle ja nicht so gern für schwul gehalten. Vermutlich würde Bob heute Abend im Bett liegen und versuchen, krampfhaft zu entschlüsseln, was Peters Blick in diesem Moment zu bedeuten gehabt hatte.
Die Kellnerin drehte sich auf dem Absatz um und dann war sie auch schon wieder weg.
Peter hob seine Augenbrauen. „Wir sind also ein hübsches Paar, das ist ja interessant.“
Bob presste seine Lippen zu einer geraden Linie zusammen. „Ja, ganz toll.“
Notes:
kssksks Bob ist so blind, I'm sorry :D
Chapter 18: Kapitel 18: Das Date
Summary:
Dramaaaaa
Chapter Text
„Ich verstehe wirklich nicht, warum ich dafür schief angeguckt werde“, sagte Peter, als sie schließlich das Café verließen. „Früher haben immer alle mit der Hand mitgeschrieben. Und in der Schule habe ich auch nur mit der Hand mitgeschrieben. Warum muss ich da jetzt plötzlich unbedingt meinen Laptop mit in die Vorlesungen schleifen?“
Bob lachte. „Naja, ich denke, die meisten Leute finden das praktischer.“
„Aber warum? Mein Laptop ist tausendmal schwerer als mein College-Block.“
Es war ziemlich süß, wie leidenschaftlich Peter sich in solchen Themen verlieren konnte. Bob betrachtete ihn von der Seite. Seine Wangen waren leicht gerötet und seine Augen blitzten herausfordernd.
Sie hatten eigentlich beim Café nach rechts gehen müssen, um zurück zum Wohnheim zu kommen, aber irgendwie waren sie beide intuitiv nach links gegangen und befanden sich jetzt in einem kleinen Park. Vermutlich hatten sie beide das Gefühl gehabt, dass sie Justus und Trevor noch ein wenig mehr Freiraum geben sollten. Vielleicht fand es Bob aber auch einfach nur schön, etwas Zeit mit Peter allein zu haben.
„Ich denke, es geht nicht unbedingt darum, wie schwer der Rucksack ist, sondern darum, dass man alles an einem Ort hat. Nicht jeder ist gut in Zettelwirtschaft“, erklärte Bob jetzt. Er selbst fand seinen Laptop auch praktischer. Die Massen an Papier, die seine Recherchen- und Archivarbeit in der Vergangenheit produziert hatte, waren irgendwann unüberschaubar geworden. Nur Tagebuch schrieb er noch gern per Hand. „Außerdem kann man viel entspannter noch Sachen einfügen, die man vergessen hat, und Rechtschreibfehler berichtigen.“
Peter verdrehte die Augen. „Ja, okay, na gut. Den Punkt kriegst du. Aber: Studien belegen, dass man besser lernt, wenn man mitschreibt.“
„Und Mitschreiben per Laptop hat andere Effekte als Mitschreiben per Hand?“
„Hat es!“, sagte Peter stolz. „Kannst du nachlesen.“ Seine Wangen leuchteten jetzt noch ein bisschen mehr.
„Wo?“ Bob lachte wieder. „Auf Wikipedia?“
Peter machte einen frustrierten, aber immer noch amüsiert klingenden Laut. „Nein, da gibt’s Studien zu, kannst du mir ruhig glauben.“
Bob hob die Hände. „Okay, okay, ich glaube dir ja.“
„Danke!“, sagte Peter und grinste Bob zufrieden an.
„Weißt du, was für dich praktisch wär?“
„Was?“
„So ein Tablet, das so einen Stift hat. Da könntest du immer mit der Hand mitschreiben und hättest trotzdem keine Zettelwirtschaft.“
„Hm“, machte Peter.
Sie bogen um eine Ecke und kamen auf eine Wiese zu, auf der ein paar Studis Zirkuskunststücke machten. An einer Stelle jonglierte jemand mit 5 Bällen, an einer anderen spielte jemand mit Pois, die atemberaubend schnell durch die Gegend wirbelten. Aus einem Baum hingen zwei lange Tücher, in denen ein Mädchen auf und ab kletterte und akrobatische Kunststücke machte. Es sah sehr spektakulär aus. Bob und Peter blieben stehen und beobachteten das Geschehen eine Weile. Dann kam jemand auf sie zu.
„Hi! Bob, oder?“, sagte das Mädchen mit einem Strahlen.
Bob musste kurz überlegen, dann fiel es ihm wieder ein.
„Mira! Gehörst du hier dazu, zu den Zirkusleuten?“
Es war irgendwie schön, sie wiederzusehen. Bob hatte ganz vergessen, wie angenehm er sie am Dienstag gefunden hatte. Sie hatte eine so offene und lebensfrohe Art, die Bob gleich das Gefühl gegeben hatte, angekommen zu sein.
Mira legte ihre Hand an die Stirn, um ihre Augen von der Sonne abzuschirmen. „Ja, ich bin seit letztem Semester dabei. Manchmal machen wir auch Aufführungen, da könnt ihr gern mal kommen.“
„Cool!“, sagte Bob. „Ich glaub, ich würde mir ja alle Knochen brechen, wenn ich sowas dort machen würde.“ Er zeigte auf die Tuchakrobatin.
Mira lachte. „Das dachte ich am Anfang auch, aber dann hab‘ ich mich doch getraut und es macht echt Spaß. Und ich bin noch nicht einmal runtergefallen. Man lernt ziemlich schnell, wie man sich ordentlich festhält.“ Sie überlegte kurz. „Ich bin übrigens Mira.“ Sie streckte Peter die Hand aus.
„Peter, hi, freut mich!“ Er gab ihr die Hand.
„Ich hab‘ Mira im queeren Zentrum kennengelernt“, erklärte Bob.
„Ah, der legendäre Abend im queeren Zentrum.“ Peter hatte den Satz ein wenig in die Länge gezogen.
Mira schaute neugierig zwischen ihnen hin und her. „Weil ich versucht habe, dich von Percy Jackson zu überzeugen?“
Bob lachte.
„Bob, du hast Percy Jackson nicht gelesen?“, fragte Peter entgeistert.
„Guck, sag ich doch“, rief Mira etwas zu laut. „Es ist skandalös, dass du das nicht gelesen hast. Pflichtlektüre für jeden queeren Jugendlichen. Du hast einen essenziellen Teil des queeren Aufwachsens verpasst.“
„Aha“, sagte Bob und lachte etwas unsicher. Er fragte sich, ob Peter sich jetzt nicht abgestempelt fühlte. Er hatte es ja scheinbar auch gelesen.
„Bob, das muss man wirklich gelesen haben“, unterstütze Peter Mira. Ihn schien ihre Bemerkung wohl nicht verunsichert zu haben.
Bob hob die Hände. „Ist ja gut, ich werd’s noch lesen, versprochen.“
„Ich kann’s dir ausleihen, wenn wir das nächste Mal in Rocky Beach sind.“
Mira lächelte zufrieden. Dann überlegte sie kurz und schaute Bob sanft an.
„Ich hoffe, Ben war nicht zu hart zu dir?“
Bobs Augen weiteten sich. „Hä, wieso?“
„Naja, er ist nicht so der Typ für längeres Dating oder so. Er schreibt Leute immer recht schnell ab und ich finde, manchmal ist er dabei ein bisschen gefühllos. Ich glaub, das ist, weil er irgendwie so religiös ist oder so und nichts Längeres mit Leuten will, die nicht seine Religion haben? Er redet nicht so gern drüber, keine Ahnung. Aber ich dachte“, sie zögerte kurz, „naja, falls du dir da mehr erhofft hattest–“
„Also eigentlich–“, begann Bob.
Peter räusperte sich. „Naja, Mira, eigentlich sind Bob und ich gerade auf einem Date, also ich denke, du musst dir über Ben erstmal keine Sorgen machen.“
Mira erstarrte. Dann fing sie sich wieder und lächelte. „Oh, ach so. Entschuldigt, wie unsensibel von mir.“ Sie lachte ein bisschen unsicher. „Na gut, dann lasse ich euch mal weiter euer Date genießen, es tut mir leid, dass ich euch unterbrochen habe. Ich wollte jetzt eh mal hoch, ein bisschen Tuchakrobatik machen.“
Bob war verwirrt. Wie versteinert stand er da – mit einem irgendwie halben, einigermaßen höflichen Lächeln. Was machte Peter denn da?
„Danke“, sagte Peter nun mit einem gekonnt freundlichen Lächeln zu Mira. Er spielte die perfekte Rolle. Es war beklemmend. „Kein Grund, sich schlecht zu fühlen, konntest du ja nicht wissen.“
Bob merkte, wie er rot wurde.
„Ihr scheint auf jeden Fall eine gute Chemie miteinander zu haben.“ Mira schaute zwischen ihnen beiden hin und her. „Okay, dann bis später vielleicht mal. Ihr könnt ja irgendwann mal zusammen ins queere Zentrum kommen, wenn ihr wollt.“
„Ja, vielleicht“, sagte Peter noch immer wahnsinnig höflich.
„Und lies Percy Jackson!“ Sie zeigte mit beiden Zeigefingern auf Bob und zwinkerte. Dann drehte sie sich um und ging.
Bob versuchte, sich wieder aus seiner Starre aufzuwecken. „Was sollte denn das jetzt?“
„Was?“ Peter zog die Augenbrauen zusammen.
„Wir sind auf ‘nem Date?“ Bob überlegte. „Das wäre doch eigentlich interessant gewesen, was sie gesagt hat. Ich hätte gern gewusst, inwiefern Ben religiös ist. Vielleicht weiß Mira ja Dinge über ihn, die für unseren Fall interessant sein könnten.“
„Bob, wir sollen diese Woche nicht ermitteln und außerdem finde ich, dass wir uns von diesem Ben fernhalten sollten.“ Peter hatte jetzt ziemlich patzig geklungen.
„Es ist ja kein Ermitteln, wenn es uns einfach jemand zufällig aus freien Stücken heraus erzählt.“
Peter schwieg.
„Komm, wir gehen mal wieder zurück ins Wohnheim“, sagte Bob dann.
Als die beiden wieder auf ihrem Zimmer ankamen, roch es nach Kirschkuchen. Es war ein eigenartiges Gefühl, dass jetzt ihr Wohnheimszimmer nach Mathildas Küche roch. Aber es fühlte sich auch gleichzeitig nach „nach-Hause-kommen“ an. Was sie ja auch taten. Dieses Zimmer war jetzt ihr zu Hause. Bob würde noch eine Weile brauchen, bis er sich daran gewöhnt hatte.
„Oh, das riecht ja fantastisch!“, rief Peter und betrachtete den großen Kuchen, der auf der Arbeitsplatte stand.
„Finger weg“, antwortete Trevor von einem der Sessel, „der ist nicht für euch.“
Peter schmollte und ließ sich auf den freien Sessel fallen. Bob platzierte sich neben Justus auf dem Sofa.
„Und? Wie ist die Lage bei euch?“, fragte Bob vorsichtig.
Trevor lächelte. „Besser.“
Bob musste auch lächeln. Es war schön, Trevor wieder ein wenig entspannter zu sehen.
„Sorry übrigens, dass ich so viel Raum eingenommen habe mit meiner Krise eben.“
Bob zog die Augenbrauen zusammen. „Viel Raum?“
„Naja, ich wollte euch nicht meine Wehwehchen aufbürden, das war vielleicht etwas viel“, sagte Trevor zerknirscht.
„Nein, das können wir so nicht akzeptieren.“ Peter schüttelte resolut den Kopf. „Du hast gerade erst total lebensverändernde Sachen über deine Familie erfahren. Sowas muss man doch erstmal verarbeiten. Das ist doch voll verständlich.“
„Ja, keine Ahnung“, sagte Trevor leise.
„Außerdem hast du dir von Tag eins an immer unsere Geschichten angehört. Mindestens so viel Raum gebührt dir in unserer Wohngemeinschaft ja wohl auch“, schaltete sich Justus ein.
„Dem kann ich nur zustimmen“, sagte Bob. „Mir ist auch schon aufgefallen, dass du sehr viel für andere da bist. Du darfst auch mal andere für dich da sein lassen.“
Trevor legte seine Hand auf seinen Brustkorb. „Oh man, Leute, ihr seid so süß.“ Dann schaute er Justus ein wenig verträumt an.
Bobs und Peters Blicke trafen sich.
„Und wie war euer Morgen?“, fragte Justus nun gekonnt beiläufig. „Habt ihr was gefrühstückt?“
Peter strahlte. „Ja, wir hatten Pancakes und später haben wir einen kleinen Studi-Zirkus im Park gesehen.“
Trevor grinste in seine Tasse. „Uh, süß, das kommt jetzt auf meine Liste mit Date-Ideen.“
Bob verdrehte die Augen.
„Wir wurden tatsächlich für ein Date gehalten heute“, sagte Peter mit einem Lachen. „Zweimal sogar.“
„Ja, aber das eine Mal hast du der Person wortwörtlich gesagt, wir seien auf einem Date. Von allein hatte sie das nicht angenommen“, berichtigte ihn Bob und verzog das Gesicht.
Trevor zog die Augenbrauen hoch. „Du hast einfach irgendeiner random Person erzählt, Bob sei dein Date?“
Peter rollte mit den Augen. „Ja, das ist halt das Erste, was mir eingefallen ist, um die Person abzuwimmeln.“
Bob stützte seinen Kopf auf seine Finger. „Es gab nichts abzuwimmeln. Es war einfach ein ganz normales Gespräch.“
„Darüber kann man sich streiten“, sagte Peter.
Bob presste die Lippen zusammen.
Trevor und Justus schauten zwischen ihnen beiden hin und her. Es war irgendwie unangenehm.
„Ehekriseeee“, sang Trevor ganz leise und nahm dann einen großen Schluck aus seiner Teetasse.
„Sehr witzig“, sagte Bob. Er stand auf. „Ich werde jetzt mal in die Bibliothek gehen. Ich werde sicherlich nicht mit meinem Unikram vorankommen, wenn ich euch Spaßkanonen hier sitzen habe.“ Dann ging er in sein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.
Er atmete kurz durch und begann seine Sachen zu packen. „Laptop, Laptopladekabel, Willkommensordner, Vorlesungshefter…“
Irgendwie musste er sich jetzt mal von diesem ganzen Chaos ablenken. Wenn weiterhin so viele Leute implizieren würden, dass zwischen ihm und Peter was lief, würde es Peter sicherlich bald auffallen, dass Bob tatsächlich etwas für ihn empfand.
Der Gedanke daran lag ihm so schwer im Magen, dass ihm fast ein bisschen schlecht wurde. Scheinbar standen ihm seine Gefühle für Peter so sehr auf die Stirn geschrieben, dass es jetzt auch schon Fremden auffiel. Bob musste dringend etwas an seinem Verhalten ändern.
Die Tür hinter Bob öffnete sich und Peter trat herein. Er zog die Tür hinter sich zu und blieb dann mitten im Raum stehen.
„Bob, was ist los?“
Bob zuckte zusammen und drehte sich zu Peter um.
„Nichts.“
Es hatte nicht besonders überzeugend geklungen.
„Glaub ich dir nicht“, sagte Peter. „Und warum triggert es dich so sehr, wenn andere Leute uns für ein Paar halten? Findest du mich so abstoßend?“
„Abstoßend?!“ Bob wusste überhaupt nicht, wie er die Frage verarbeiten sollte. Was war denn jetzt los?
„Naja, oder zumindest hältst du es für ziemlich unausstehlich, dir das vorzustellen.“ Nervös trat Peter einen Schritt zurück und lehnte sich an die Verschwörungswand. „Ich verlange ja auch gar nicht, dass du mich heiß findest oder so, aber es ist schon auffällig, wie du heute mehrmals das Gesicht verzogen hast. Als wäre ich so unantastbar, ich weiß auch nicht.“
Bob schaute Peter durch seine zusammengekniffenen Augen an und überlegte. Seine Gedanken überschlugen sich, nichts machte einen Sinn.
„Peter, ich finde dich nicht abstoßend.“ Bob fasste sich an den Kopf. „So gar nicht.“
Peter stockte. „Okay, und was ist dann das Problem? Dieses ‚Ja, ganz toll.‘ vorhin. Wie soll ich sowas denn verstehen?“
Bob schnappte nach Luft. Wie sollte er das bitte erklären? Ihm war gar nicht klar gewesen, dass Peter das als verletzend hätte empfinden können.
„Ich–“, begann Bob. Er setzte ab.
Nochmal.
„Peter–“
Nein, so wurde das nichts.
Bob versuchte seine Gedanken zu ordnen. Es war schier unmöglich.
Er lehnte sich an seiner Tischkante an und versuchte es erneut. „Ich finde den Gedanken einfach eigenartig. Weil ich eben weiß, dass du niemals auf mich stehen würdest. Du bist halt du. Ich beobachte schon unser ganzes Schulleben, wie die ganzen Cheerleaderinnen hinter dir her schmachten. Dass Leute denken, du könntest ausgerechnet auf mich stehen, ist halt absurd für mich.“
Peter löste sich von der Wand und machte einen Schritt auf Bob zu. „Das ist es, worum es hier geht?“, fragte er ungläubig. „Dass du denkst, ich könnte niemals auf dich stehen?“
Bob zuckte mit den Schultern.
Peter kam noch einen Schritt auf ihn zu und stand jetzt direkt vor ihm. Bob war immer noch mit seinem Hintern auf der Tischkante, was dazu führte, dass er sehr zu Peter nach oben schauen musste. Er schluckte. Was passierte hier?
„Bob!“ Peter schaute ihm eindringlich in die Augen.
Alles in Bob zog sich zusammen vor Spannung. Was wollte Peter? Es war kaum auszuhalten. Bob konnte sich nicht bewegen. Er war komplett erstarrt. Er wusste nicht einmal mehr, ob er noch wusste, wie man atmete.
Dann griff Peter nach Bob am Oberkörper, zog ihn vom Tisch weg auf sich selbst zu und küsste ihn. Es ging alles so schnell, dass Bob gar nicht wusste, wie er reagieren sollte. Plötzlich war eine von Peters Händen an seinem Hinterkopf, die andere an seinem unteren Rücken und seine Lippen waren stürmisch gegen seine eigenen gepresst. Bobs ganzer Körper kribbelte und die ganze Welt stellte sich auf den Kopf und schwang dann wieder zurück. Er spürte, wie Peter ihn noch etwas mehr an sich drückte, und wie seine Lippen sich leicht gegen seine bewegten.
Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verging. Vielleicht war es eine Minute, vielleicht eine Sekunde. Seine Gedanken waren Chaos. Aber irgendwann kickte sein Instinkt wieder.
Peter küsste ihn gerade. Er konnte hier nicht einfach nur dumm rumstehen.
Bob bewegte seine Lippen und erwiderte den Kuss. Er öffnete den Mund ein bisschen. Peter reagierte sofort und griff mit seiner Hand in Bobs Haare, während er den Kuss vertiefte. Bob hob seine Hand und griff nach Peters Arm.
Dann – genauso ruckartig wie er es angefangen hatte – löste sich Peter mit einem Ruck von ihm und ging einen großen Schritt zurück. Bob spürte sofort, wie alles in ihm den Körperkontakt zurückwollte.
Außer Atem starrte Bob Peter in seine weit aufgerissenen Augen. „Peter–“
Peter sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Mit offenem Mund stand er da, die Wangen rot. „Bob, ich–“
Bob schwieg. Es war alles surreal und es war, als hätte jemand sein Leben vorgespult und ihn an einer beliebigen Stelle wieder ausgespuckt. Was lief hier bitte ab?
„Bob, es tut mir so leid!“
Der Satz war wie ein Schlag in die Magengrube. Bob zog seine Augenbrauen zusammen. „Es tut dir leid?“
Peter fasste sich an die Lippen. „Ich meine – Bob – ich wollte nicht–“ Peter stockte.
Bob war klar, dass sein Kopf platzen würde, wenn er hier jetzt nicht rauskam. Oder noch schlimmer: Er würde anfangen zu weinen.
Er schnappte sich seinen Rucksack und flüchtete. Er hatte ja eh in die Bibliothek gewollt.
Notes:
Ist doch super gelaufen, oder?
Chapter 19: Kapitel 19: Die verlorene Tochter
Summary:
Bob verarbeitet und vermeidet.
Chapter Text
Bob saß jetzt schon seit fast einer Stunde in der Bibliothek und versuchte, sich von seinen Gefühlen abzulenken. Das funktionierte natürlich nur sehr begrenzt. Sein Herz schlug noch immer wie wild.
Er arbeitete halbherzig ein paar organisatorische Sachen ab, aber richtig konzentrieren konnte er sich nicht.
Wieder und wieder fasste er sich an seine Lippen, als könnte er so besser verstehen, was eben eigentlich passiert war. Es war alles so wahnsinnig schnell gegangen. Er wusste überhaupt nicht, wie er das verarbeiten sollte. Die Bilder wollten ihm nicht aus dem Kopf gehen.
Wie Peter ihn angeschaut hatte. Dieser verletzte Blick, als er da gegen die Wand gelehnt stand und ihn zur Rede gestellt hatte. ‚Findest du mich so abstoßend?‘, hatte er gesagt. Er hatte wie ein Häufchen Elend ausgesehen. Bei all seinem eigenen Gefühlschaos war Bob die ganze Zeit überhaupt nicht aufgefallen, dass er Peter ja mit seinen Gefühlsregungen verletzen könnte. Schwul oder nicht schwul – es war sicherlich nicht leicht zu ertragen, wenn jemand bei dem Gedanken einer Beziehung mit einem das Gesicht verzog. Und ihm war nicht mal aufgefallen, dass er das getan hatte. Er hatte einfach nur an seinen eigenen Schmerz gedacht.
Und dann der Kuss. Das Gefühl. Wie stürmisch Peter gewesen war. Fast ein bisschen aggressiv. Es war so plötzlich passiert, dass Bobs Kopf überhaupt nicht hinterherkommen konnte. Auf einmal waren Peters Lippen auf seinen gewesen – und seine Hände überall auf seinem Körper. Er war so gelähmt gewesen.
All die Jahre hatte er sich so oft vorgestellt, wie es wäre, Peter zu küssen. Aber keine seiner Vorstellungen waren so gelaufen wie das, was heute passiert war. Nicht dass der Kuss schlecht gewesen wäre – das war er wirklich nicht gewesen. Aber seine eigene Überforderung hatte er in seinen Fantasien normalerweise nicht mit eingeplant gehabt. Er hätte ja wenigstens mal vernünftig reagieren können. Stattdessen hatte er einfach nur dagestanden und es mit sich machen lassen. Was war, wenn Peter jetzt dachte, er wäre ein schlechter Küsser?
Bob schüttelte den Kopf über sich selbst. Diese Gedanken waren wirklich nicht hilfreich. Vor allem wusste er ja nicht einmal, warum Peter ihn überhaupt geküsst hatte. Er hatte es überhaupt nicht kommen sehen. Was an dem, was er gesagt hatte, hatte Peter dazu geführt, ihn zu küssen? Er hatte doch nur gesagt, dass er nicht dachte, dass Peter auf ihn stehen könnte. Hatte sich das so erbärmlich angehört, dass Peter dachte, er müsste ihm irgendwie das Gegenteil beweisen? Hatte er Mitleid mit ihm gehabt? Das war wirklich das letzte, was er wollte.
Oder hatte Peter ihm zeigen wollen, dass er tatsächlich auf ihn stand? Aber warum hatte er dann danach so entsetzt ausgesehen? Das machte doch überhaupt keinen Sinn.
Das war das, was ihn am meisten an dem Ganzen aufwühlte: Wie Peter ihn danach angeschaut hatte. So voller Reue und als wäre irgendetwas zwischen ihnen zerbrochen. Dieser Blick, diese Situation, alles daran – obwohl Bob selbst so wenig dabei gemacht hatte – gaben ihm das Gefühl, dass es irgendwie seine Schuld war. Es musste irgendetwas sein, was er gesagt oder getan hatte: Irgendwas hatte er falsch gemacht.
Aber was hatte Peter mit der Aktion erreichen wollen? Hatte er einfach mal ausprobieren wollen, wie es war, einen Kerl zu küssen? Aber so war Peter nicht – zumindest hatte Bob das immer gedacht.
Seine Gedanken kreisten. Er merkte, wie immer die gleichen Gedanken wie in einer furchtbaren Dauerschleife des Verderbens in seinem Kopf abliefen. Immer wieder das gleiche. Immer wieder. Und wieder. Immer wieder Peters entsetztes Gesicht vor seinem inneren Auge. Immer wieder das Phantomgefühl auf seinen Lippen.
Peter hatte Mira erzählt, sie seien auf einem Date. Dann hatte er ihn geküsst. – Wenn man es so erzählte, klang es eigentlich, als wäre es wirklich ein Date gewesen und Bob hätte es einfach nicht gemerkt.
So könnte man fast meinen, dass Peter ihn tatsächlich mochte.
Bob versuchte, die Puzzleteile der letzten Tage zusammenzufügen. Peters komische Reaktion auf Ben. Ihre Gespräche über Beziehungen. Wie sie nebeneinander auf dem Bett die Serie geschaut hatten. Vielleicht mochte Peter ihn?
Aber warum würde er sich dann nach dem Kuss so entschuldigen? Nein, das machte alles keinen Sinn.
Vielleicht müsste er Peter einfach fragen, was das sollte. Aber war er sich sicher, dass er die Antwort hören wollte? Er wusste wirklich nicht, ob er die Abfuhr verkraften konnte.
‚Bob, es tut mir so leid.‘
‚Ich wollte nicht.‘
Die Sätze hallten immer wieder in Bobs Kopf nach.
Einerseits wollte er unbedingt wissen, was genau Peter gemeint hatte. Andererseits wollte er es aber auch überhaupt nicht wissen. Vermutlich war die Antwort eine, die sehr wehtun würde, wenn er sie hörte. Es war vielleicht besser, wenn er sie nicht kannte, und sie einfach nie darüber reden würden.
Bob zwang sich, sich wieder auf seinen Laptop zu konzentrieren. Der Artikel, den er für die „Einführung in das journalistische Schreiben“ lesen musste, leuchtete immer noch auf der ersten Seite aufgeschlagen auf seinem Bildschirm auf. Er hatte vielleicht fünf Zeilen gelesen bisher. Warum versuchte er es überhaupt? Er las den ersten Satz nochmal. Dann den zweiten. Nichts von dem Inhalt kam in seinem Gehirn an.
Er zückte sein Handy. Trevor hatte geschrieben.
Peter verhält sich irgendwie komisch
Ist irgendwas passiert?
Darunter eine Nachricht von Justus.
Hallo Bob. Ich würde gern im Lehrstuhl bei Prof Fields nach Hinweisen suchen. Bist du dabei? Peter hat Training. MVG Justus
Bob wischte die Nachricht von Trevor zur Seite und antwortete nur Justus. Dann packte er seine Sachen und machte sich auf zum Soziologie-Department. Seinen Text würde er jetzt eh nicht mehr lesen.
Er folgte der Beschilderung durch den Soziologietrakt zum Lehrstuhl von Prof Fields und fand schließlich den ersten Detektiv in einem mit Kisten vollgepackten Büro. Bob war auf dem Weg durch das Gebäude keiner Menschenseele begegnet. Kein Wunder, es war ja schließlich Samstag.
„Dritter, du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen. Ist alles in Ordnung?“
Bob verzog das Gesicht und setzte sich zu Justus auf den Boden. „Ja, alles gut. Zeig mal her, woran sitzt du gerade?“
Justus schaute ihn eindringlich an und sagte nichts.
Bob gab sein Bestes, möglichst nonchalant zu wirken und griff energisch nach einem herumliegenden Zettelstapel.
Justus räusperte sich.
Bob schaute ihn an und zuckte mit den Schultern.
Es war ein bisschen albern, aber er wollte wirklich nicht darüber reden und vor allem wollte er sich mit irgendetwas anderem beschäftigen. Mit irgendetwas, das nichts – aber auch gar nichts – mit Peter zu tun hatte. Am besten mit Recherche.
Justus schien zu verstehen.
„Also, ich habe es mittlerweile geschafft, die Kisten ein bisschen besser thematisch zu ordnen.“ Der erste Detektiv erhob sich und ging auf einen Kistenstapel zu. „Hier ist alles drin, was mit Grundbesitz zu tun hat. Alle Grundstücke, die in Calabasas eingemeindet sind, sind hier irgendwie vermerkt und mit den dazugehörigen Personen verknüpft. Hier in dem Stapel“ – er zeigte auf eine weitere Säule aus mehreren Kisten – „sind vor allem geschäftliche Dinge. Also alle Geschäfte, Firmen, Unternehmen. Ganz viel Finanzgerede, in das man sich erst einlesen muss. Ich kann mir vorstellen, dass du das besser kannst als ich.“ Er machte eine kurze Pause und ging dann in eine andere Ecke des Raums. „Hier sind statistische Daten. Also alles Personenbezogene. Heirats- und Geburtsurkunden. Natürlich überschneiden sich die Bereiche auch alle ein bisschen, aber das ist erstmal eine grobe Ordnung, die ich vornehmen musste, um mich zurechtzufinden.“
Bob schaute sich um. „Okay, die Ordnung erschließt sich mir. Aber ich hab‘ da ‘ne dumme Frage.“
Justus lächelte. „Ich denke, ich weiß, welche es ist. Und ich denke, so dumm ist sie nicht.“
Bob lachte. „Ich weiß ja nicht, Erster. Aber ich hab mich gefragt, was Grundbesitzdaten und Finanzamtpapiere mit Soziologie zu tun haben.“
Justus grinste triumphierend. „Genau, Bob! Das ist die Frage.“
„Ernsthaft? Das hast du jetzt vorhersehen können?“
„Ich sehe sehr viel mehr vorher, als du denkst.“
Bob schluckte. ‚Ja, genau wie du weißt, dass mit mir was nicht stimmt, aber auch weißt, dass ich nicht drüber reden will‘, dachte er. Justus ist einfach immer ein wenig zu schlau für jede Situation.
„Naja, und was ist die Antwort auf die Frage?“
Justus räusperte sich. „Das gilt es herauszufinden.“ Etwas unschlüssig stand er in der Mitte des Raumes und schaute zwischen seinen ganzen Daten hin und her. „Ich habe den Eindruck, mit den statistischen Daten kann man tatsächlich gut soziologisch arbeiten. Aber die genauen Daten über alle Finanzgeschäfte und Grundstücke erschließen sich mir noch nicht so ganz. Was will Prof Fields damit?“
„Hm“, machte Bob. „Meinst du, er führt etwas im Schilde?“
„Möglich.“
Es entstand eine Stille.
Dann räusperte sich Bob. „Ich nehme mir mal den Finanzstapel vor.“
Er steckte sich seine Kopfhörer ins Ohr und legte los. Es ging doch nichts über einen guten alten Fall, mit dem man sich von seinen Gefühlen ablenken konnte.
Es dauerte nicht lang, bis Bob das erste Mal auf Namen traf, die ihm bekannt vorkamen. Tatsächlich waren die Dokumente übersäht mit ihnen. Vor allem die Nachnamen tauchten immer wieder auf. Die Tigerauge-Leute waren familiär in alle Richtungen in Calabasas verstrickt – was ja auch Sinn ergab. Die Gruppe gab es schon seit Jahrzehnten und Mr Wedlington hatte ihnen erzählt, dass die Leute meistens untereinander heirateten. Es war ja klar, dass dann irgendwann jeder mit jedem auf die eine oder andere Weise verwandt war.
Über die nächsten Stunden ordnete Bob zunächst erstmal alle Unterlagen in Hinblick darauf, ob sie überhaupt etwas mit dem Tigerauge zu tun hatten oder nicht. Dann fing er an die Geld-Wege nachzuverfolgen und dabei fiel ihm nach und nach immer wieder ein ähnliches Muster auf.
Am Anfang dachte er noch, dass er sich irrte, aber irgendwann fand er es immer wieder und es wurde deutlicher.
Er fing an, Beweise zu sammeln. Er machte Stapel und markierte sich Zettel mit Klebestreifen und wurde dabei immer aufgeregter.
Irgendwann wurde Justus auf ihn aufmerksam. Irgendwann hielt er wohl die Spannung nicht mehr aus, schritt zu ihm herüber und nahm ihm die Kopfhörer aus den Ohren.
„Was ist los, Dritter? Bist du fündig geworden?“
Bob grinste. „Ja-ha, schau mal hier.“ Er zeigte auf seinen Zettelhaufen.
Justus schaute die Zettel an und dann wieder ihn. „Was kann ich da sehen?“
„Also hier, Just, sind die Daten vom Finanzamt. Da stehen die Steuern, die die Firmen an den Staat übermitteln. Die stimmen aber nicht mit dem überein, was sie verkaufen und was eigentlich in Mehrwertsteuern erwirtschaftet werden muss – was du hier sehen kannst. Dazu kommt noch, dass viele von denen ständig neue Gebäude bauen und ich hab keine Ahnung, wo das Geld herkommt. Die Daten ergeben keinen Sinn.“
„Sie hinterziehen Steuern“, schloss Justus.
„Ja, und wenn ich mich nicht irre, sogar im großen Stil.“
„Vielleicht müssen sie als Glaubensgemeinschaft ja auch keine Steuern zahlen“, überlegte der erste Detektiv nun. „Es gibt viele Kirchen, die eigentlich eher wie Unternehmen funktionieren, aber wegen ihres Kirchenstatus von der Steuer ausgenommen sind.“
„Das gibt es“, bestätigte Bob. „Allerdings ist das hier nicht der Fall. Ich habe das ja schon ganz zu Beginn recherchiert. Die sind nicht als Glaubensgemeinschaft gemeldet. Es gibt in Calabasas zwei kleinere protestantische Kirchen, aber die haben, soweit ich das beurteilen kann, nichts mit unseren Leuten hier zu tun.“
„Sehr interessant. Steuerhinterziehung also. Und denkst du, dass sie auch Geld waschen oder Falschgeld produzieren?“
„Irgendwo muss das ganze Geld ja herkommen, ich hab‘ keine Ahnung.“ Bob kratzte sich am Kopf. „Wir können hier auf jeden Fall eine Menge Beweise sammeln.“
„Und wenn wir sie ordentlich digitalisieren“, fügte Justus hinzu, „können sie uns auch nicht in einer wilden Verfolgungsjagd mit dem Auto gestohlen werden.“ Er grinste. „Genial, Bob!“
Bob grinste verschmitzt. Dann überlegte er. „Denkst du, Professor Fields kann uns auf die Schliche kommen?“
Justus verzog das Gesicht. „Vielleicht.“
Bob schwieg. Dann kam ihm ein Gedanke. „Sag mal, Just, hat Professor Fields eine Familie?“
Justus überlegte. „Soweit ich weiß, ist er alleinstehend.“
„Ich hab‘ nur gerade eben gedacht, alle hier sind irgendwie miteinander verwandt. Und ich hatte irgendwie im Kopf, dass Professor Fields ein Kind hat. Aber von ihm ist niemand hier in den Daten zu finden. Zumindest bis jetzt nicht.“
Justus schwieg und zog die Augenbrauen zusammen. Er lief ein paar Schritte hin und her. „Du hast recht, denke ich“, sagte er dann. „Bei mir klingelt da auch was.“ Er klappte seinen Laptop auf. „Komm, wir gucken nach.“
Justus rief eine Suchseite im Internet auf, auf der man öffentliche Dokumente einsehen konnte. Dann gab er Raymond Fields‘ vollen Namen und seine Lebensdaten ein. Die Suchmaschine war ein paar Sekunden beschäftigt, dann fing sie an, erste Ergebnisse auszuspucken.
Bobs Augen weiteten sich, als er das sah, nach dem sie suchten. Den Namen kannten sie doch. „Lillian Rebecca Fields!“, rief Bob. „Seine Tochter heißt Lilly.“
„Also genau so, wie die Frau, die damals mit Tony im Auto unterwegs war und seitdem verschwunden ist.“
Bob schwieg. Das war garantiert kein Zufall. Alles in diesem gottverdammten Fall hing irgendwie miteinander zusammen.
„Das heißt folglich, dass Raymond Fields – genauso wie Mr Wedlington – recherchiert, weil er auf der Suche nach einer Vermissten ist“, schloss Justus. „Das erklärt auch, warum hier so viele Daten sind, die mit Soziologie erstmal nichts zu tun haben.“
„Wahnsinn“, sagte Bob.
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„Wie jetzt? Eine der anderen Verschwundenen ist Professor Fields‘ Tochter?“, sagte Peter fassungslos, als sie schließlich in Bobs und Peters Zimmer eine Lagebesprechung durchführten. Bob hätte eigentlich darauf verzichten können, aber Justus hatte darauf bestanden.
Es war mittlerweile halb elf. Justus und Bob hatten sich ewig in der Recherche verloren. Sie hatten sich irgendwann Pizza kommen lassen und dann weitergearbeitet.
„Ich halte es zumindest für sehr wahrscheinlich“, bestätigte Justus mit leicht angehobenen Händen. „Sicher können wir erst sein, wenn wir mit Tony gesprochen haben. Oder vielleicht mit Pit Kennedy, der weiß das eventuell ja auch.“
Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Und ihr denkt, dass die ihre Bücher fälschen? Oder Geld waschen oder sogar Falschgeld drucken?“
„Naja, irgendwas von alldem wird es sein“, murmelte Bob leise. „Oder alles davon. Die Daten ergeben auf jeden Fall vorne und hinten keinen Sinn.“ Er hatte Peter noch nicht einmal richtig angeschaut, seit die Konversation begonnen hatte. Er war froh, dass er es hier überhaupt aushielt.
„Und denkt ihr, ihr habt genug, um sie richtig dingfest zu machen?“
„Nein“, sagte Bob, „dafür brauchen wir noch konkretere Sachen. Bisher ist es alles eher ein Hinweis – den man aber auch schon gut an die Polizei übermitteln könnte, damit die dann tatsächlich nachstochern.“
„Was wir aber nicht machen, weil wir Tony versprochen haben, dass wir nicht ermitteln“, warf Peter ein.
„Genaugenommen haben wir gar nichts versprochen“, meldete sich nun wieder Justus. „Sie hat gesagt, wir sollen nicht weiter ermitteln, aber finde das alles nicht gut. Und ich weigere mich, jetzt einfach aufzugeben.“
„Wir geben ja nicht auf, wir halten die Füße still.“ Peter klang jetzt etwas genervt.
„Du kannst ja gern die Füße stillhalten, Zweiter. Ich würde allerdings weiter Beweise sammeln, die wir dann Tony vorlegen können am Freitag.“ Justus wurde nun auch patzig.
Irgendwie hatte Bob den Zeitpunkt verpasst, an dem das Gespräch hitzig geworden war. Warum wurden die beiden denn gleich so pissig?
„Ihr könnt ja euer Gewissen entscheiden lassen, wie und ob ihr weitermachen wollt“, sagte Justus nun betont sachlich. „Meine Position ist jedoch klar und ihr wisst, wo ihr mich findet.“
Dann stand Justus aus dem Schreibtischstuhl auf und ging.
Eine Stille entstand.
Bob war sich sehr darüber bewusst, dass er jetzt wieder mit Peter allein war. Das erste Mal seit dem Kuss heute Mittag.
Er spürte Peters bohrenden Blick auf ihm. Er wusste genau, wie Peter gerade dreinschaute. Er kannte ihn viel zu gut. Ohne ihn anzusehen, wusste er genau, welchen Ausdruck er in seinem Gesicht finden würde, würde er hochschauen. Bestimmt kaute er auf seiner Wange herum und zog konzentriert die Augenbrauen zusammen.
Aber Bob schaute nicht hoch. Er schaute auf seine Füße. Irgendwie konnte er sich nicht dazu bringen, Peter anzuschauen. Der Gedanke daran saß ihm wie ein riesiger Kloß im Bauch.
Peter atmete laut ein, dann nahm er seine Waschtasche aus dem Regal und ging damit aus dem Zimmer.
Großartig. Einfach großartig.
Notes:
Armes Bobbele... Bald geht es wieder bergauf :)
Chapter 20: Kapitel 20: Die Arbeitsthesen
Summary:
Ein aufschlussreiches Gespräch :)
Notes:
Hallo :) Bei mir auf der Arbeit sind 30 Grad und mein Gehirn ist durchgekocht, also entschuldige ich mich schonmal aus tiefstem Herzen für alle Rechtschreibfehler.
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Das Schweigen setzte sich fort. Bob wusste nicht, von wem es mehr ausging. Er hatte das Gefühl, Peter war diese Woche sehr viel öfter beim Training, als er es letzte Woche gewesen war. Vielleicht fing er aber auch an, sich mit seiner Mannschaft anzufreunden und außerhalb vom Training mit ihnen Zeit zu verbringen. Was ja okay war. Er sollte ja auch Freunde finden.
Bob trug allerdings auch seinen Teil bei, indem er möglichst wenig Zeit in seinem Zimmer verbrachte. Er ging in die Uni, er machte seine Aufgaben in der Bibliothek – in der Mira und ihre Leute auch viel Zeit verbrachten, wie er irgendwann feststellte. Zwei von ihnen studierten auch mit ihm Journalismus. (Ben schien nicht so der Bibliotheksgänger zu sein, das traf sich gut. So musste er ihm nicht über den Weg laufen.) Er gesellte sich immer öfter zu ihnen und fing langsam auch an, sich mit ihnen anzufreunden.
Abends, wenn die Bibliothek zumachte, traf er sich mit Justus zum Recherchieren am Lehrstuhl. Mittlerweile hatten sie fast alle Kisten durchkämmt und hatten einen riesigen Stapel an Ungereimtheiten zutage gefördert, die sie dann fein säuberlich digital archivierten. Der Soziologielehrstuhl hatte einen von diesen High-Tech-Scannern, wie Bob sie aus der Redaktion seines Vaters kannte. Damit ging alles wahnsinnig schnell.
Meistens bestellten sie sich zum Ende hin Essen, setzten sich mit Kartons auf den Boden und verglichen ihre Ergebnisse. Heute war es Sushi geworden. Irgendwie ein bisschen dekadent für Studenten, dachte Bob. Aber zum Glück sah sie hier keiner.
„Und?“, fragte Bob zwischen Bissen. „Denkst du, wir haben langsam genug Zeug, um die Leute dranzukriegen?“
Justus grummelte ein wenig. „Ich weiß nicht. Es ist halt schwierig, weil es sich um so viele Menschen handelt.“ Er überlegte kurz. „Wenn Tonys Sicherheit an nur einer bestimmten Person hinge, könnte man die mit sowas natürlich außer Gefecht setzen. Aber wer weiß, wer übernimmt, wenn das Tigerauge persönlich im Gefängnis sitzt.“ Bei dem Wort „persönlich“ hatte Justus mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft gemalt. Trevor hatte wohl auch bei Justus schon Spuren hinterlassen. Die Geste hatte Bob bei Justus vorher noch nie gesehen.
„Vor allem dauert so ein Strafprozess ja auch ewig“, warf Bob ein. „Wer weiß, wie lange sich sowas zieht, wenn es denn zur Anklage kommt.“
„Am idealsten wäre es natürlich, wenn wir eine Leiche finden.“
Bob verschluckte sich an seinem Avocadoröllchen und hustete. Justus reichte ihm sein Getränk und wartete, bis er sich wieder gefangen hatte. Es dauerte sicherlich eine halbe Minute.
„Just, du willst eine Leiche finden?“ Bob konnte nicht fassen, dass der erste Detektiv so etwas überhaupt ausgesprochen hatte.
„Von Wollen kann nicht die Rede sein, Dritter. Allerdings würde das die Lösung unseres Falls sehr beschleunigen. Wenn die Verantwortlichen wegen etwas so Schwerwiegendem hinter Gitter kämen, hätte Trevor eine Chance, seinen Vater kennenzulernen.“
„Okay, und was ist, wenn diese Lilly tatsächlich einfach bei dem Autounfall gestorben ist?“
„Dann würde sie nicht einfach verschwunden sein.“ Justus nahm einen Schluck von seinem Getränk. „Wäre sie einfach dort verstorben, hätte man sie da liegen lassen, die Beweise mitgenommen und dann die Polizei den Rest machen lassen. Nein, nein – ich bin der festen Überzeugung, dass sie beseitigt wurde.“
Bob kratzte sich am Kopf. „Aber das ist jetzt fast 20 Jahre her, wie um alles in der Welt willst du sie da finden? Und außerdem: Können die Personen für so etwas Veraltetes überhaupt noch belangt werden?“
„Laut dem kalifornischen Verjährungsrecht verjähren Straftaten gegen das Leben nicht. Und was das Finden angeht, hoffe ich, aus Tony morgen ein paar Informationen herauszubekommen. Und selbst wenn Lilly nicht zu finden ist, gibt es immer noch die anderen Personen, die verschwunden sind. Die andere Frau von damals, über die wir noch nichts wissen und dann noch der Mann vor zehn Jahren. Natürlich könnten die sich auch abgesetzt haben, so wie Tony. Aber ich glaube, wenn eine Gruppe in der Lage ist, über Leichen zu gehen, kann das bestimmt auch öfter als einmal passieren.“
Bob schluckte. Irgendwie war er jetzt nicht mehr so hungrig. „Meinst du nicht, dass das irgendwie eine Nummer zu groß für uns ist?“
„Es ist definitiv ein gefährlicher Fall“, bestätigte Justus. „Aber ich will nicht, dass die damit durchkommen. Und ich würde gerne nach dem Gespräch mit Tony morgen auch die Polizei einschalten. Natürlich nicht die in Calabasas, denen vertrauen wir ja nicht. Aber ich würde mich gern mit Inspektor Cotta absprechen.“
„Ich weiß ja nicht“, sagte Bob. „Das ist alles ganz schön heikel.“
„Du klingst ja schon wie Peter“, antwortete Justus und schob sich mit seinen Stäbchen eine gigantische California Roll in den Mund.
Bob zog die Mundwinkel nach unten. Peter. Ja. Der würde das Ganze überhaupt nicht witzig finden. „Vielleicht hat er ja auch recht dieses Mal.“
Justus legte den Kopf schief. „Hat er auch. Aber mittlerweile steht zu viel auf dem Spiel. Aufhören ist keine Option mehr.“
Bob schwieg. Er wusste, dass Justus recht hatte. Spätestens seit Ben sie alle bei Mr Wedlington beobachtet hatte, war klar, dass sie das jetzt durchziehen mussten. Wer weiß, was da sonst noch passieren konnte.
Und dann war da noch Trevor. Trevor, der seinen Vater nie getroffen hatte. Allein für ihn musste diese Bande endlich dingfest gemacht werden.
„Was ist eigentlich mit euch?“, fragte Justus jetzt in die Stille.
„Hm?“
„Die komische Stimmung. Ihr redet seit Tagen nicht mehr miteinander. Habt ihr euch gestritten?“
Bob atmete tief ein. „Peter hat mich geküsst.“ Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Schnell schluckte er das Gefühl herunter.
Justus schaute ihn nun an und schien zu überlegen. „Ich habe den Eindruck, mir fehlt da ein gewisser Zwischenteil.“
„Hä?“
„Er hat dich geküsst und jetzt redet ihr nicht mehr miteinander. Das erschließt sich mir nicht.“
Bob verdrehte die Augen. „Er hat mich geküsst. Einfach aus dem Nichts. Dann steht er vor mir, guckt mich völlig entsetzt an, entschuldigt sich und sagt, dass er das nicht wollte. Und dann bin ich gegangen. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander gesprochen, außer jemand anderes war dabei.“
„Er hat sich entschuldigt und gesagt, er wollte das nicht?“
Bob zuckte mit den Schultern.
„Und warum sollte er dich von sich aus küssen, wenn er das nicht will?“
Bob lachte. Es war eher ein verzweifeltes Lachen. „Keine Ahnung. Aber ich weiß nicht, ob ich die Antwort hören will.“
„Was denkst du denn, was die Antwort ist?“
„Keine Ahnung. Mitleid? Oder vielleicht wollte er mal ausprobieren, wie es ist, wenn man nen Kerl küsst, und hat dann gemerkt, dass er es scheiße findet?“
„Das halte ich für keine besonders sinnigen Schlussfolgerungen.“
„Wieso?“
„So unüberlegt ist Peter nicht.“ Justus kratzte sich am Kopf. „Und Mitleid? Was soll das überhaupt heißen? Man küsst doch niemanden aus Mitleid.“
Bob schaute Justus mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Aha? Und was ist dann deine Schlussfolgerung?“
Justus betrachte ihn eingehend. „Als er dich geküsst hat, hast du ihn zurückgeküsst?“
Bob verzog das Gesicht. „Nicht so richtig am Anfang. Es ging alles viel zu schnell. Ich hab‘ quasi gerade angefangen mitzumachen und dann war er schon wieder weg.“
Justus presste die Lippen zusammen. „In Ordnung, dann habe ich zwei Arbeitsthesen.“
Bob lachte. Justus Ausdrucksweise war einfach besonders. Besonders bescheuert zwar, aber immerhin besonders.
„Hau raus.“
Justus streckte ihm seinen Zeigefinger aus. „Erste Arbeitsthese: Peter ist überfordert damit, dass er auf dich steht, weil er noch nie etwas mit einem Kerl hatte, und braucht Zeit, das zu verarbeiten. Zweite Arbeitsthese–“, er streckte einen zweiten Finger aus, „er wollte dich küssen, wollte es aber nicht gegen deinen Willen tun. Und weil er denkt, er hat dir ohne deine Zustimmung etwas aufgedrückt, tut es ihm leid. Ich halte die zweite Arbeitsthese für wahrscheinlicher.“
„In beiden dieser Arbeitsthesen gehst du davon aus, dass Peter queer ist und auf mich steht.“
Justus legte den Kopf schief. „Offenkundig.“
„Warum?“
„Dass er auf dich steht, ist ja wohl eindeutig. Sonst hätte er dich nicht geküsst. Wir kennen Peter. Peter ist nicht die Sorte von Mensch, die einfach aus Lust und Laune irgendjemanden küsst.“
Bob stützte seine Stirn auf seinen Fingerspitzen ab. Warum führte er dieses Gespräch ausgerechnet mit Justus? Bei ihm klang immer alles so, als wäre es völlig selbstverständlich. Aber Bob erinnerte sich auch noch daran, wie er Peter damals gesagt hatte, er sei ein Keeper. Eigentlich wusste er das.
„Dass er queer ist, geht natürlich damit einher“, fuhr Justus nun unbeirrt fort. „Aber dazu kommt auch, dass er mich vor einer ganzen Weile einmal gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, etwas mit einem Kerl zu haben. Ich fand diese Frage ausgesprochen eigenartig, habe aber versucht, sie ihm sachkundig zu beantworten, was ihn dazu führte, die Zentrale mit einem ‚Warum dachte ich, ich könnte mit Justus Jonas über Sex reden?‘ stürmisch wieder zu verlassen.“
Bob musste grinsen. Er erinnerte sich noch daran, wie Peter gesagt hatte, er hätte mal versucht, mit Justus über Sex zu reden. Er konnte es bildlich vor sich sehen, wie Peters und Justus zusammengepuzzelte Szene sich in der Zentrale zugtragen haben musste.
„Aber Peter hat dir nicht gesagt, dass er queer ist, er hat nur gefragt, ob du es bist?“
„Die Art, wie er die Frage gestellt hat, hat für mich impliziert, dass er gerade dabei war, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung. Man müsste ihn am besten einfach selbst fragen.“
„Hm“, machte Bob.
Justus schaute ihn eindringlich an. „Also eigentlich nicht ‚man‘.“ Er wies mit der Hand auf Bob. „Du solltest ihn fragen. Ich habe den Eindruck, dass sich vieles klären könnte, wenn du einfach mit ihm sprechen würdest. Dieses Vermeidungsspiel, das ihr da miteinander spielt, hilft echt niemandem weiter.“
„Das sagt sich so einfach.“
„So kompliziert ist es wirklich nicht“, sagte Justus.
„Was ist, wenn ich alles kaputt mache?“, fragte Bob leise.
Justus legte den Kopf schief. „Du kennst Peter. Wenn du authentisch und ehrlich mit ihm redest, hast du nichts zu befürchten. Und selbst wenn er mit etwas überfordert ist und davonstürmt, kommt er immer irgendwann zurück. Meistens deinetwegen.“
„Hm.“
Es entstand eine Stille. Bob wusste, dass Justus eigentlich recht hatte. Aber Peter an seine Gefühle ranzulassen war wirklich beängstigend.
Und was war, wenn er damit doch alles komisch machen würde? Sie würden ja immer noch zusammenwohnen müssen. Wie sollte das gehen?
Vielleicht müsste er da später nochmal drüber nachdenken, wenn er einen klareren Kopf hatte. Er musste jetzt wirklich aufpassen, dass er sich nicht in irgendeiner Hoffnung verrannte, ohne vorher sicherzustellen, dass er sich am Ende nicht selbst wehtat.
Bob aß seine Sushiröllchen weiter. Er dachte immer wieder an Peters und Justus‘ Gespräch. Irgendwie komisch, dass Peter bei Justus mit so einer Frage ins Haus gefallen war. Das klang schon irgendwie verdächtig. Aber dann fiel ihm etwas auf. Sie hatten die ganze Zeit über ihn geredet, aber hatte Justus nicht auch etwas sagen wollen?
„Was hast du Peter denn eigentlich geantwortet?“, brach er deshalb die Stille schließlich.
„Hm?“ Justus schaute ihn verwundert an.
„Naja, ob du dir vorstellen kannst, etwas mit einem Kerl zu haben.“
Justus setzte sich aufrecht hin. „Ich habe ihm erläutert, dass Sexualität etwas sehr Komplexes und Vielschichtiges ist, dass–“
Bob hob die Hand. „Okay, ich kann verstehen, warum Peter weggelaufen ist. Just, das ist eine ja-oder-nein-Frage, die du sehr umständlich beantwortest.“ Er überlegte kurz. „Und ich will dich auch nicht zwingen, sie zu beantworten. Vielleicht war es etwas übergriffig von mir, das zu fragen.“
Justus grummelte unzufrieden. „Darum geht es gar nicht, Dritter. Ich will dir die Frage schon beantworten, aber ich habe den Eindruck, meine Antwort ist einfach etwas komplexer.“
Justus sah jetzt ein wenig vulnerabel aus. Eine Seite, die Bob nur selten an ihm sah. Er streckte seine Hand aus und legte sie auf Justus‘ Knie. „Entschuldige, Just. Ich höre dir zu.“
Justus atmete einmal tief durch. Dann sprach er etwas zögerlich: „Ich bin ein Mensch, der sich nicht einfach so zu Menschen aufgrund ihres Aussehens hingezogen fühlt. Sofern ich keine emotionale Bindung zu einer Person aufgebaut habe, weiß ich nicht, ob ich etwas mit ihnen haben wollen würde. Manchmal kann sich so eine emotionale Bindung sehr schnell formen, aber manchmal benötigt sie auch sehr viel Zeit.“
Bob ließ Justus Worte sacken. „Würdest du sagen, du bist demisexuell?“
„Ich denke schon“, bestätigte Justus. „Ich habe in der Vergangenheit meistens bei Mädchen Gefühle entwickelt. Oft ohne Erfolg, wie du weißt. Aber es ist auch schon bei Jungen passiert, denke ich. Ich habe in letzter Zeit öfter darüber nachgedacht. Ich denke, ich könnte auch zu Männern eine solche Verbindung aufbauen.“
„Bin ich der Erste, dem du das erzählst?“, fragte Bob leise.
Justus nickte. „Ich dachte zwar schon lange, dass du vermutlich queer bist, und dass ich mit dir darüber reden könnte, aber du hast dich damit sehr bedeckt gehalten. Ich wollte dich nicht überfordern. Und sonst rede ich ja eh selten über Beziehungsthemen. Das ist einfach ein Fachgebiet, in dem ich nicht besonders bewandert bin.“
Sie lachten. Es war Bob ein bisschen, als würde er ein Stückchen über der Erde schweben. Er war queer, Justus war queer, Peter vielleicht auch? Was war hier bitte los?
„Wenn du mit Peter recht hast, dann sind wir alle drei die ganze Zeit queer gewesen und niemand hat je darüber gesprochen. Ist doch eigenartig, oder?“
„Das ist ein Thema, bei dem viele Leute eine Menge Zeit brauchen, darüber zu sprechen. So eigenartig ist das nicht, denke ich. Und Beziehungen sind in unserer Freundesgruppe generell nicht oft Thema gewesen.“
„Hm“, machte Bob.
Er schwieg kurz.
„Woher wusstest du, dass ich schwul bin?“
„Schwul nicht unbedingt, aber ich hatte eine Ahnung, dass du queer bist. Dieser Kerl damals, den du mal eine Weile ab und zu getroffen hast – ich hatte immer die Vermutung, dass du mit ihm zusammen warst. Du hast immer so eigenartig reagiert, wenn wir dich etwas über ihn gefragt haben.“
Bob presste seine Lippen zusammen. Er wusste genau, über wen Justus sprach. Das war sein erster und einziger Freund gewesen. Auch damals hatte er schon auf Peter gestanden und natürlich war das seinem Freund sehr schnell aufgefallen. Und damit war es dann auch wieder vorbeigewesen.
„Du merkst echt mehr, als mir lieb ist manchmal.“
Justus lachte. „Da bist du nicht der Einzige, der so denkt.“
„Aber weißt du, was meine Arbeitsthese ist?“
Justus zog die Augenbrauen hoch und grinste. „Was ist deine Arbeitsthese, Bob?“
„Meine Arbeitsthese ist, dass du eine starke emotionale Verbindung zu Trevor aufbaust.“ Bob grinste Justus an und zwinkerte.
Justus zuckte mit den Schultern. „Wir verstehen uns auf jeden Fall sehr gut.“
„Mit Potential für mehr?“
Justus nahm seine Unterlippe zwischen die Finger und knetete sie.
Dann zerriss der Klingelton von Justus‘ Handy die Stille. Der erste Detektiv schaute auf den Bildschirm und nahm ab.
„Zweiter?“
Dann hörte er zu.
„Wie hier?“
Dann: „Okay, wir kommen sofort.“
Justus legte auf und schaute Bob ernst an. „Pit Kennedy ist in unserem Wohnheimszimmer und will dringend mit uns sprechen.“
Notes:
Und? Wer ist dafür, dass Justus eine Leiche findet?
Chapter 21: Kapitel 21: Die Zeugin
Summary:
Die Spannung steigt :)
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Pit Kennedy hatte heute eine ganz andere Stimmung als das eine Mal, als sie bei ihm zu Hause gewesen waren. Er wirkte außer sich und zerstreut, als Justus und Bob das Zimmer betraten. Er stapfte unruhig im Zimmer umher und tippte energisch auf seinem Handy herum.
Peter war anscheinend gerade dabei, ihm einen Tee zu kochen.
„Da seid ihr ja endlich“, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Er wirkte etwas überfordert damit, den aufgewühlten Journalisten allein bewirten zu müssen.
„Tut mir leid, Zweiter“, beschwichtigte ihn Justus, „wir mussten noch unsere Unterlagen wegräumen. Das konnten wir da nicht alles so liegen lassen.“
Peter grummelte in sich hinein. Er schenkte heißes Wasser in eine Tasse und warf etwas lustlos den Teebeutel hinterher. Dann brachte er die Tasse zum Kaffeetisch. „Setz dich doch, Pit.“
Pit schaute auf und schien die anderen beiden Detektive das erste Mal so richtig zu bemerken. Er ließ seinen Blick über sie streifen, begab sich zum Sofa und ließ sich mit einem Seufzer fallen. Bob fiel auf, dass er heute in Jogginghose war. Und auch sonst wirkte er nicht ganz gesammelt. Das sauber zusammengestellte Outfit und Make-Up musste man sich heute wohl dazudenken und seine Haare standen in alle Richtungen.
„Jungs, ich bin ein bisschen am Ende mit meinem Latein.“
Die drei Fragezeichen betrachteten ihren Gast neugierig.
Justus räusperte sich. „Vielleicht fängst du erst einmal von vorne an.“
Pit fuhr sich durch die Haare. „Erinnert ihr euch noch daran, dass ich euch von einer Zeugin erzählt habe, die mir bei meiner Story hilft?“
Die drei nickten.
„Du hast gesagt, du seist mit einer Aussteigerin im Kontakt, die dich damals abgewiesen hat, und dich aber ein paar Jahre später kontaktiert hat, weil sie über die vom Tigerauge auspacken wollte“, erklärte Bob.
„Ja, genau die.“
„Vorgestern hat sie mich von einer unbekannten Handynummer aus angerufen und mir gesagt, dass sie alles zurückziehen will. Sie fände das alles jetzt doch zu gefährlich, hat sie gesagt, und ich solle bitte alles aus meiner Reportage rausnehmen, was auf Informationen von ihr beruht. Es war ganz eigenartig. Sie klang wahnsinnig gehetzt und sagte noch irgendwas davon, dass sie nicht unter den Stiefmütterchen landen will.“ Pit hatte wahnsinnig schnell gesprochen. Die drei ließen das Gesagte sacken.
„Okay, also bis auf das mit den Stiefmütterchen ist das ja erstmal ganz verständlich“, sagte Peter. „Wenn die vom Tigerauge tatsächlich Leute umbringen, wie Just das vermutet, kann ich es ihr nicht übelnehmen, wenn es ihr zu heikel ist, alles, was sie weiß, preiszugeben.“
Pit legte sein Gesicht in seine Hände und stieß etwas Luft aus. Dann tauchte er wieder hoch.
„Gleichzeitig wäre es ja auch im Sinne deiner Zeugin, wenn durch die Reportage Aufmerksamkeit auf die Gruppe fiele und die Polizei handfeste Beweise bekäme“, lenkte Justus ein.
„Eben!“, rief Pit. „Das habe ich ihr auch gesagt. Und mal abgesehen davon werde ich von dieser Zeitschrift nicht pauschal bezahlt, sondern nur, wenn ich denen auch ne Story liefere. Ich muss ja auch von etwas leben. Deshalb habe ich ihr gesagt, dass ich das schon verstehen kann, aber habe sie auch gebeten, da nochmal mit mir drüber zu reden.“ Er fuhr sich durch seine Haare und machte sie noch chaotischer. „Sie hat eingewilligt und wollte sich gestern mit mir treffen. Ich habe mich extra mit ihr in Thousand Oaks verabredet, damit wir von niemandem gesehen werden.“
„Ja, und dann?“, drängelte Peter.
„Dann ist sie nicht aufgetaucht“, sagte Pit mit weit aufgerissenen Augen.
„Vielleicht hatte sie Angst, verfolgt zu werden?“, schlug Bob vor.
„Nein, das glaube ich nicht!“ Pit nahm seine Finger zwischen die Zähne und begann, auf den Nägeln zu kauen. „Ich kann sie nicht mehr erreichen. Nicht auf ihrer eigenen Nummer, nicht auf der anderen Nummer, mit der sie mich vorgestern angerufen hat. Ich habe mir extra das Auto meines Freundes ausgeliehen und hab mich verkleidet vor ihr Haus gestellt heute. Sie ist nicht da.“
„Vielleicht ist sie verreist, um der Gruppe zu entkommen?“, warf Justus ein.
Pit verdrehte die Augen. „Ich bin in ihr Haus eingestiegen. Es fehlen ein paar Sachen, wie ein Koffer und einige Klamotten, aber einige wichtige Dinge sind noch da, ohne die sie das Haus nicht verlassen würde.“
„Zum Beispiel?“, fragte Justus.
„Asthma-Notfallmedikamente. Die Armbanduhr, die ihr ihre Oma geschenkt hat.“ Pit kratzte sich wieder am Kopf. Eine nervöse Geste, der er sich wohl öfter bediente. „Ich kenne sie mittlerweile ganz gut. Sie ist viel zu pedantisch, die Sachen hätte sie nie dort liegen lassen.“
„Also gehst du davon aus, dass sie jemand entführt oder umgebracht hat, und es so aussehen lassen wollte, als wäre sie verreist“, stellte Justus fest.
Pit presste die Lippen aufeinander und nickte.
„Scheiße“, sagte Peter.
Sie schwiegen. Es war eine Menge zu verarbeiten.
Wenn sie die Zeugin finden würden, ging es Bob durch den Kopf, könnten sie damit den Fall zu einem Abschluss bringen. Das könnte ihr Schlüssel sein. Gleichzeitig könnte es auch sein, dass die Zeugin schon nicht mehr lebte. Das würde die Geschichte zu ihrem bis dato heftigsten Fall machen.
„Ich habe mir auf jeden Fall überlegt, dass ich noch zwei Tage warten werde, und wenn sie bis dahin nicht wieder auftaucht, gehe ich zur Polizei und erzähle ihnen alles, was ich weiß. Aber ich wollte mal hören, was ihr darüber denkt. Ihr seid ja schließlich Detektive.“
„Warum zwei Tage?“, hakte Peter nach.
„Keine Ahnung, ich will ihr noch Zeit geben, falls sie sich tatsächlich versteckt und einfach in Eile abgehauen ist“, sagte Pit. „Sie hat mir sehr viel sensible Informationen zugespielt und wenn ich die komplett preisgebe, nachdem sie mich ausdrücklich gebeten hat, nichts davon abzudrucken, fühlt sich das falsch an.“
„Hm“, machte Bob. Er konnte es irgendwie verstehen. Die journalistische Integrität. Ein heikles Pokerspiel. Je nachdem, in welcher Sorte von Gefangenschaft die Zeugin möglicherweise war, könnten die zwei Tage auch ihren Tod bedeuten. Mit was schützte man sie mehr? Es war eine ethische Zwickmühle. Vielleicht waren zwei Tage ein guter Kompromiss. Vielleicht auch nicht.
„Das mit den Stiefmütterchen beschäftigt mich noch“, sagte Justus und knetete seine Unterlippe.
„Stiefmütterchen sind eine beliebte Grabpflanze“, erklärte Pit. „Vermutlich ein Euphemismus?“
„Ein Euphe-was?“, fragte Peter.
„Eine Beschönigung“, schlaumeierte Justus. „Sie wollte vermutlich sagen, dass sie nicht unter der Erde landen will.“
„Aha“, sagte Peter. „Ganz schön umständlich dafür, dass sie eigentlich so gehetzt war.“
„Ja…“ Justus knetete weiter auf seiner Unterlippe. Dann setzte er sich aufrecht hin und wandte sich wieder dem Journalisten zu. „Ich habe folgenden Vorschlag, Pit: Wir haben unsererseits auch eine Zeugin, mit der wir morgen im Kontakt sind. Übermorgen sind wir wieder da. Wir haben mittlerweile ja auch schon eine ganze Reihe an Hinweisen gesammelt, die die Polizei sicher auch interessant finden würde.“
Pit zog seine Augenbrauen hoch.
„Wir müssen noch ein paar Dinge mit unserer Zeugin abklären“, fuhr Justus fort, „und dann hätten wir hoffentlich genug Informationen, um die Polizei zumindest auf eine Fährte zu schicken. Wir haben gute Kontakte zur Polizei in Rocky Beach. Ich würde vorschlagen, dass wir uns am Samstag dort treffen, sofern deine Zeugin nicht wieder auftaucht.“
„Warum Rocky Beach?“, fragte Pit.
„Weil der Polizei in Calabasas nicht zu trauen ist. Und irgendwo müssen wir ja anfangen. Inspektor Cotta vertraut uns und wir wissen, dass wir ihm trauen können.“ Justus hatte sehr resolut geklungen.
Pit nickte zögerlich. „Okay, ich denke, mit dem Plan kann ich leben.“ Er erhob sich.
„Eine Sache noch“, hakte der erste Detektiv nach. „Bist du dir sicher, dass du uns nicht langsam zumindest den Namen deiner Zeugin sagen kannst?“
Pit schüttelte den Kopf. „Wenn sie bis Samstag nicht aufgetaucht ist, sage ich ihn euch, okay? Dann muss ich ihn ja eh der Polizei sagen.“
„Na gut.“ Justus schien nicht besonders zufrieden zu sein. Gleichzeitig wollte er ja sicherlich auch nicht preisgeben, dass die drei Fragezeichen Kontakt zu Tony hatten. Quid pro quo. Justus stand auf und begleitete Pit zur Tür. Peter und Bob folgten ihnen. Sie verabschiedeten sich und schlossen die Tür hinter dem Journalisten.
Einen Moment lang sagte niemand irgendetwas. Ihnen war allen klar, dass der Fall diese Woche aus seinem Winterschlaf aufgewacht war. Sie waren mittendrin.
Schließlich meldete sich Justus zu Wort. „Also, Kollegen, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich muss dringend ins Bett.“ Er drehte sich auf seinem Absatz um und ging in sein Zimmer.
Jetzt standen sie da allein. Bob und Peter.
„Ich wette, er geht gar nicht ins Bett“, sagte Bob in die Stille. „Der hat mit irgendeiner Sache Lunte gerochen und sucht jetzt im Internet danach.“
Peter schaute ihn überrascht an. Er hatte vermutlich nicht damit gerechnet, dass Bob bereitwillig mit ihm reden würde. Die letzten Tage waren ja nicht besonders kommunikativ gewesen zwischen ihnen.
„Zutrauen würde ich es ihm“, antwortete Peter ihm nun. „Aber es ist auch schon kurz vor elf. Und wir haben morgen alle Vorlesungen bevor wir nach Nevada fahren.“
„Auch wieder wahr.“
„Komm, wir gehen Zähneputzen.“
„Gute Idee.“
Es war komisch. Bob fühlte sich, als würde er gerade wieder lernen, wie es war, mit Peter zu reden. Es war weniger als eine Woche gewesen, seit sie damit aufgehört hatten, aber jetzt, wo sie wieder redeten, fühlte es sich neu an. Und gleichzeitig auch total vertraut und intim. Eine Mischung aus beidem. Er versuchte es auseinanderzunehmen und zu analysieren. Es ging nicht.
Aber ihm war klar, dass er nie wieder so lange nicht mit Peter reden wollte. Selbst wenn sie sich noch so sehr stritten. Seine Stimme zu hören war eine Umarmung für die Seele. Milch mit Honig. Ein gutes Lied auf einem Live-Konzert, wenn man genau in der Mitte stand, wo der Stereo-Sound am besten war.
Sie tasteten sich vorsichtig nach vorne. Redeten, während sie sich bettfertig machten. Über den Fall, über die Uni. Belangloses. Es hatte etwas Leichtes, Zerbrechliches. Aber sie redeten einfach weiter. So lang, bis sie das Licht ausmachten.
„Peter?“, flüsterte Bob in die Dunkelheit.
„Ja?“
„Ich bin froh, dass wir wieder reden.“
„Ich auch.“
Notes:
Und? Was denken wir?
Chapter 22: Kapitel 22: Der Roadtrip
Summary:
Eins meiner bisherigen Lieblingskapitel :) Ich bin ganz aufgeregt!
Notes:
(See the end of the chapter for notes.)
Chapter Text
Bob lehnte seinen Kopf gegen das Autofenster und sog die atemberaubenden Naturspektakel ein, die die Route 15 Richtung Nevada ihm bot. Rote Felsen, weite Wüstenfelder, die endlos lange, schnurgerade Straße dazwischen. Sie saßen in Trevors Wagen und hatten sich strikt daran gehalten, erst kurz vor Beginn der Tigerauge-Vollversammlung loszufahren. Sie durften nicht gesehen werden und sie hatten mehrmals sichergestellt, dass sie wirklich niemand verfolgte. Dafür, dass Trevor sowas alles zum ersten Mal machte, schlug er sich erstaunlich gut. Wahrscheinlich hatte Justus ihn die ganze Woche darauf vorbereitet.
Trevor saß am Steuer und wirkte eigentlich ganz gut gelaunt. Im Hintergrund dudelte seine Roadtrip-Playlist und er diskutierte lautstark mit Justus, über irgendeine Netflix Serie. Justus hatte sich beim Einsteigen mit einem „Shotgun“ so schnell auf den Beifahrersitz katapultiert, dass Bob und Peter keine Chance gehabt hatten, ihm zuvorzukommen. Aber wenn Bob sich die Diskussion da vorne so ansah, war er eigentlich ganz froh, dass er hinten bei Peter sitzen konnte.
„Just, ich will ja nur sagen, dass du Bojack Horseman vielleicht erst einmal gesehen haben solltest, bevor du darüber urteilst“, belehrte Trevor gerade seinen Beifahrer.
„Und ich möchte lediglich sagen, dass eine animierte Serie mit anthropomorphen Tieren vielleicht nicht ganz meinem Geschmack entsprechen wird“, wehrte sich Justus. „Ich präferiere echte menschliche Gesichter.“
Trevor machte eine abwertende Handgeste. „Nein, nein, nein. Das ist völlig unakzeptabel. Wenn wir später auf meinem Zimmer sind, gucken wir das.“
Bob zog die Augenbrauen hoch und suchte Peters Blick. Der schaute ihn mit exakt seinem gespiegelten Gesichtsausdruck an. Bob grinste. Justus schlief also in Trevors Zimmer. Sehr interessant.
Trevor hatte schon angekündigt, dass es nur ein Gästezimmer gab. Wahrscheinlich würde einer von ihnen noch auf der Couch im Wohnzimmer schlafen müssen, mutmaßte Bob.
Justus seufzte. „Na gut, ich denke, ich könnte mich zu einer Folge überreden lassen.“
„Nein, man braucht mindestens fünf. Da muss man erstmal reinkommen, Just. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.“
„Und die wollt ihr alle heute Abend noch schauen?“, feixte Peter. „Da habt ihr aber ganz schön was vor!“
„Ts“, machte Trevor und nahm einen Schluck aus dem Tumbler, der im Getränkehalter stand, „das ist ein Langzeitprojekt. Just und ich wohnen ja noch eine Weile zusammen.“ Er legte ihm kurz die Hand auf den Oberschenkel und nahm sie nach einem Moment wieder zurück. Wieder tauschte Bob einen Blick mit Peter aus.
Justus grummelte unzufrieden. „Drei!“
„Drei was?“, antwortete Trevor.
„Drei Folgen. Mehr gucke ich nicht.“
„Vier!“, konterte Trevor.
Justus seufzte. „Fein.“
Trevor streckte ihm die Hand aus. Justus schüttelte sie etwas zu lang und ließ sie wieder los.
Bob blickte in den Rückspiegel und sah Trevor verschmitzt grinsen. Dann bemerkte Trevor Bobs Blick. Bob grinste ihn breit an. Trevor zuckte mit den Schultern. Wirklich sehr interessant war das alles.
„Kennt ihr Bojack Horseman?“, fragte Trevor jetzt nach hinten.
Peter und Bob schüttelten die Köpfe.
„Banausen! Alles Kunstbanausen in meinem Auto.“
„Ja, so sind wir“, sagte Bob mit einem Grinsen. „Keine Ahnung von nix und generell unkultiviert. Vor allem Peter.“
„Hey!“, rief Peter.
„Naja, ich höre wenigstens noch anständige Musik“, erklärte Bob.
„Ja, und du hast Percy Jackson nicht gelesen.“
Bob verdrehte die Augen. „Ich hab doch gesagt, ich werd‘ das noch lesen.“
„Hast du aber bis jetzt nicht.“ Peter lachte. Es klang so schön. Bob hatte dieses Lachen echt vermisst in der letzten Woche.
Trevor fiel die Kinnlade runter. Dramatisch legte er sich eine Hand auf die Brust. „Wie, du hast Percy Jackson nicht gelesen?“
„Ja, ist ja gut, integraler Bestandteil des queeren Erwachsenwerdens, ich hab’s ja verstanden. Ich gelobe hoch und heilig, dass ich es noch lesen werde.“ Bob hob abwehrend die Hände. „Peter hat mir schon gesagt, dass er mir seins ausleihen kann, wenn wir in Rocky Beach sind.“
„Ich habe es auch nicht gelesen“, kam Justus Bob zur Hilfe.
„Inakzeptabel!“, rief Trevor. „Absolut inakzeptabel. Du kriegst später meine Bücherreihe. Das kann man so nicht stehen lassen.“
„In Ordnung. Ich lese ja gerne.“ Justus holte seine Brotdose aus dem Rucksack bei seinen Füßen und begann ein Sandwich zu essen. Dann redete er kauend weiter. „Allerdings möchte ich festhalten, Trev, dass ich die These, Percy Jackson sei ein integraler Teil des queeren Erwachsenwerdens, für – in diesem Fall – statistisch widerlegt halte. In diesem Auto sitzen gleich zwei queere Personen, die es geschafft haben, auch ohne diese Leseerfahrung erwachsen zu werden.“
„Ja, und zwei weitere, die die These befürworten“, konterte Peter.
„Fünfzig Prozent sind keine entscheidende Mehrheit“, berichtigte ihn Justus.
Peter verdrehte die Augen. „Fünfzig Prozent sind keine entscheidende Mehrheit“, äffte er ihn nach.
Bob musste lachen. Diese Situation war einfach skurril. Er hatte es so vermisst, das lustige Geplänkel seiner Freunde. Wie Peter Justus nachäffte. Wie Justus Peter belehrte. Und ganz nebenbei hatten sie sich dann auch beide noch geoutet. Konnte das sein? Das hätte man fast verpassen können.
„Bob, was sagst du denn dazu?“, fragte Justus.
Bob lachte noch immer. „Ich denke auch, dass fünfzig Prozent keine entscheidende Mehrheit sind, aber wenn es euch glücklich macht, werde ich mir die Bücher trotzdem durchlesen. Vielleicht lerne ich ja noch etwas, was ich in meinem schwulen Aufwachsen verpasst habe.“
„Verräter“, sagte Peter und grinste ihn an.
Bob grinste zurück.
Peter war so schön mit seinen Sommersprossen und seinem Zahnpastalächeln. Peter, sein bester Freund. Peter, der queer war. Ganz in echt und offiziell bestätigt. Peter, der ihn geküsst hatte. Peter hatte ihn wirklich geküsst. Peter war queer und hatte ihn geküsst.
Während Justus und Trevor wieder in Diskussionen versanken, von denen er keine Ahnung hatte, ließ Bob sich die Gedanken immer wieder durch den Kopf gehen. Was war, wenn Peter ihn tatsächlich mochte? Also so richtig?
Er schaute wieder zu seinem besten Freund hoch. Wieder trafen sich ihre Blicke. Bob konnte nicht anders, als verschmitzt zu grinsen.
Peter erwiderte sein Grinsen mit einem fragenden Blick. „Was ist?“, fragte er leise genug, dass die anderen beiden sie nicht hörten.
„Nix.“ Bob zuckte mit den Schultern.
Peter verdrehte die Augen. „Na los, spuck’s aus!“
Bob merkte, wie sehr er das Bedürfnis hatte, Peter endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Er schleppte seine Gefühle jetzt schon so lange mit sich herum. Vielleicht war es Zeit, sein Geheimnis nach all dieser Zeit auszupacken. Am liebsten sofort. Aber jetzt saßen sie hier halt im Auto fest. Mit zwei anderen Leuten, die sich gerade über die Französische Revolution unterhielten – wie auch immer sie da hingekommen waren…
Bob überlegte, wie er Peter jetzt antworten sollte. Er musste unbedingt mit ihm reden. Wahrscheinlich dachte Peter noch immer, dass er ihn nicht wollte. Wer nicht zurückküsst und dann wegrennt, gibt ja nicht unbedingt das Bild von jemandem ab, der geküsst werden wollte.
Bob betrachtete Peters Hand, die neben ihm auf dem mittleren Sitz lag. Er legte seine daneben und stupste sie leicht mit seinem kleinen Finger an. Ein Versuch. Vorsichtig suchte er Peters Blick. Der schaute ihn schüchtern an und biss sich auf die Unterlippe. Seine Ohren waren rot.
In Bob drehte sich alles. Das war es. Dieser Blick. Wie hatte er das die ganze Zeit übersehen können? Er kannte diesen Blick so gut. Er hatte früher schon oft gesehen, wie Peter Kelly so angeschaut hatte, aber das war wirklich ewig her. Aber in letzter Zeit hatte er den Blick trotzdem oft in seinem Gesicht gehabt. Er hatte Bob so angeschaut. Als Peter mit Croissants in seiner Zimmertür stand, oder als sie zusammen observiert hatten, als sie zusammen Pancakes essen waren. Es war so offensichtlich. Peter mochte ihn! Bob war nur so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er es einfach verpasst hatte.
Bob musste grinsen und er merkte, wie er selbst rot wurde. Peter schaute ihn immer noch unsicher an. Bob versuchte, ihn aufmunternd anzuschauen.
„Braucht ihr ne Pipipause?“, rief Trevor von vorne in ihren Moment hinein.
Bob zuckte zusammen und nahm seine Hand wieder zu sich.
Er brauchte tatsächlich eine Pipipause. Gemeinsam mit Trevor machte er sich auf den Weg in die Raststätte.
„Interessante Diskussionen, die ihr beiden da habt“, witzelte Bob. „Sehr interessant ist das, erste Reihe Tickets zu eurem hoch-intellektuellen Austausch zu haben.“
„Sei froh, dass wir zusammen auf einem Zimmer sind“, antwortete Trevor lachend. „Sonst müsstet ihr euch das viel öfter anhören.“
„Ist das eure Version von erotischem Austausch? In was für Gefilden bewegen wir uns da?“
Trevor schubste ihn. „Ha, ha, sehr witzig.“
Bob lachte. „Denke ich auch! Bin heute in Höchstform.“ Er stupste Trevor in die Seite. „Und? Bist du froh, dass Justus queer ist?“
Trevor lief etwas rot an. Dann fing er sich wieder und stupste zurück. „Bist du froh, dass Peter queer ist?“
Bob lachte. Touché.
Er zögerte kurz. Dann sagte er: „Ich hatte eventuell schon eine Ahnung. Peter hat mich am Samstag geküsst.“
Trevor blieb mit weit geöffneten Augen stehen. „Peter hat was?“ Er hatte fast geschrien.
„Schrei halt noch lauter.“
„Aber ihr seid euch die ganze Woche aus dem Weg gegangen. Ich hab euch beide tagelang kaum gesehen.“
Bob lachte wieder. „Ja, es ist alles etwas chaotisch. Ich hab die Nerven verloren und bin weggerannt und dann musste mir Justus erstmal den Kopf waschen. Und jetzt langsam hab ich glaub ich verstanden, dass Peter mich vielleicht tatsächlich mag.“
Trevor schaute ihn ausdruckslos an. „Peter hat dich am Samstag geküsst und du schnallst jetzt erst, dass er dich mag?“
Bob vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Ja, ich weiß.“ Wenn man es so betrachtete, war es echt ein bisschen dämlich. „Ich arbeite dran.“
Trevor schüttelte den Kopf. „Ihr seid noch ein ganzes Stück verblendeter, als ich dachte.“
„Ja, vor allem ich!“, lachte Bob.
„Ihr beide“, antwortete Trevor.
„Hm.“
„Küsst er denn wenigstens gut?“
Bob schaute auf den Boden und grinste in sich hinein.
Trevor beobachtete ihn.
„Ich denke, ich werde das noch mal überprüfen müssen.“
Trevor lachte.
Als sie sich zurück ins Auto gesetzt hatten und Trevor den Wagen wieder auf die Interstate lenkte, war jeder Centimeter, der zwischen ihm und Peter war, zu viel für Bob. Am liebsten hätte er sich abgeschnallt, wäre auf Peters Schoß geklettert und hätte ihn geküsst. Weder besonders verkehrssicher, noch sozial angemessen.
Er überlegte, wie er das Problem lösen könnte. Kurzerhand beschloss er, sich hinzulegen. Das hatte Peter ja bei ihm neulich auch gemacht, als sie von Mr Wedlington zurückgefahren waren. Dafür könnte er sich ruhig mal revanchieren. Bevor er es sich anders überlegen konnte, machte er seinen Gurt etwas lockerer und legte seinen Kopf auf Peters Schoß ab.
Sein Herz schlug wahnsinnig schnell. Er konnte gar nicht glauben, dass er sich das gerade tatsächlich getraut hatte. Er schaute zu Peter hoch und lächelte ihm zu. Er merkte, dass Peter etwas schüchtern wirkte, aber er lächelte zurück.
Bob konnte sich noch daran erinnern, wie er damals überlegt hatte, was er mit seiner freien Hand machen sollte. Peter schien das gleiche Problem zu haben, legte dann aber den Arm vorsichtig auf Bobs Oberkörper ab. Kurzerhand griff Bob nach der Hand, zog sie zu sich und verschränkte Peters Finger mit seinen.
Er merkte, dass er die Luft die ganze Zeit angehalten hatte und ließ sie vorsichtig heraus.
Peters Hände waren etwas größer als seine eigenen. Behutsam strich er mit seinem Daumen über Peters Finger. Sein ganzer Bauch kribbelte. Es war fast ein bisschen schwindelerregend. Zum Glück lag er schon.
Sein Herz schlug jetzt noch heftiger. Er hörte, wie Peter zittrig ausatmete. Dann spürte er, wie Peter mit seiner anderen Hand durch seine Haare fuhr.
Passierte das gerade wirklich? Mit seiner freien Hand kniff Bob sich in seinen Arm. Autsch! Ja, dann war das hier wohl echt. So ungern Bob zugab, dass Justus mal wieder recht hatte: Peter mochte ihn wirklich. Und er lag gerade auf seinem Schoß und hielt seine Hand. Und sie waren beide so unendlich nervös.
Notes:
Ahhh, mein Herz schlägt auch ganz doll
Chapter 23: Kapitel 23: Die Stiefmütterchen
Summary:
Dinge klären sich, der Fall wird spannender, Justus ist schlau :)
Notes:
Dieses Kapitel wurde korrekturgelesen von @flower_flora :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Es war schon spät, als die drei Fragezeichen mit Trevor die Kleinstadt Boulder City in Nevada erreichten. Bob war zwischendrin ein paar Mal mit seinem Kopf auf Peters Schoß weggenickt und auch Peter hatte sich irgendwann gegen die Autotür gelehnt und geschlafen. Die letzten zehn Minuten hatten sie allerdings gespannt nach draußen geschaut, als Trevor ihnen im Vorbeifahren seine alte High School und andere Orte seiner Kindheit zeigte. Es war schon dunkel, deshalb konnten sie nicht allzu viel von der Wüstenstadt sehen, aber es war dennoch spannend, einen Einblick zu bekommen, wo Trevor aufgewachsen war. Entgegen Bobs Erwartung gab es hier tatsächlich einiges zu sehen – nicht, dass man in der Dunkelheit viel davon hätte erkennen können, aber vielleicht wäre es nett, wenn sie hier irgendwann noch einmal hinfahren würden, wenn sie nicht gerade tief in einem Fall steckten.
Das Haus der Youngs stand in einem Cul-de-Sac aus vielen ähnlich aussehenden gelben Häusern mit roten Dächern. Eine klassische Wohnsiedlung für Familien.
Als sie über die Schwelle traten, roch es sofort nach Essen. Tony hatte ihnen Auflauf gemacht und begrüßte sie in ihrer Küchenschürze. Sie umarmte sie alle und bat sie ins Esszimmer, das schon fertig gedeckt war.
Bob sah sich um. An fast allen der in warmen Tönen gestrichenen Wänden hingen Fotos, Kinderbilder oder Poster. Außerdem gab es echt viele Pflanzen. Es war ein wirklich einladendes Haus, das sehr zu Trevor passte. Anders hätte Bob es sich nicht vorstellen können.
„Ich habe übrigens meine Meinung geändert, was euren Fall betrifft“, erklärte Tony schließlich, als sie den Smalltalk und den Großteil des Auflaufs hinter sich gebracht hatten.
Justus schaute überrascht auf und betrachtete sie eingehend. „Das musst du uns genauer erläutern.“
„Es hat einige gravierende Entwicklungen gegeben. Deshalb möchte ich, dass ihr weiter ermittelt. Verdeckt. Rick darf nichts davon erfahren.“ Sie schaute ernst in die Runde. „Meine gute Freundin Annalise ist verschwunden. Sie hat vor ein paar Monaten das Tigerauge hinter sich gelassen und jetzt ist sie verschwunden. Ich will, dass ihr sie findet.“ Sie presste ihre Lippen zusammen.
Bob fiel die Kinnlade nach unten. Das musste Pits Zeugin sein. Annalise Blumenthal. Die schwarzhaarige Frau, die Bob und Peter ganz zu Beginn des Falls observiert hatten. Diejenige, über die sie damals mit Trevor ins Gespräch über den Fall gekommen waren, weil er sie kannte. Bob erinnerte sich daran, wie Mr Wedlington ihnen letzte Woche erzählt hatte, dass Annalise vor zwanzig Jahren mal in einer Beziehung mit einer Frau war, die dem Tigerauge ein Dorn im Auge war, und dass sie danach immer single geblieben war. Irgendwie schön, dachte Bob, dass gerade sie aus der Gruppe ausgebrochen war. Vielleicht konnte sie jetzt doch nochmal Liebe finden. Sofern sie Annalise auch fanden.
„So, wie ihr dreinschaut, vermute ich, dass ihr etwas wisst, das ich nicht weiß?“
Bob lehnte sich nach vorne und schaute Tony ernst an. „Tony, wann ist das letzte Mal, dass du von Annalise gehört hast?“
„Letzten Samstag. Aber ich wäre am Dienstagabend mit ihr verabredet gewesen und sie ist einfach nicht aufgetaucht. Seitdem versuche ich ständig, sie anzurufen. Ich war auch schon bei ihrem neuen Haus – die Adresse sollte dem Tigerauge eigentlich nicht bekannt sein. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll.“
„Wo wohnt sie denn?“, fragte Peter.
„Seit sie vor ein paar Monaten ausgestiegen und aus Calabasas weggezogen ist, wohnt sie in LA. Sie dachte, in der Stadt kann man sich besser unter den Leuten verstecken und neue Menschen kennenlernen, ohne dass sich Tratsch verbreitet.“
„Ein sinnvoller Gedanke“, schaltete sich nun wieder Justus ein.
„Sagt ihr mir jetzt, was los ist?“
Justus räusperte sich. „Tony, wir sind der Ansicht, dass du nicht die Einzige bist, die Annalise vermisst.“
Tony machte große Augen.
„Wir arbeiten mit einem Journalisten zusammen, der auch seit Mittwoch versucht, sie zu erreichen. Da war sie mit ihm in Thousand Oaks verabredet, ist aber nie aufgetaucht.“
„Sie hatte Kontakt mit einem Journalisten?“, fragte Tony entsetzt.
Justus nickte. „Wir haben mit ihm ausgemacht, dass wir uns morgen an die Polizei wenden, wenn sie bis dahin nicht wieder aufgetaucht ist.“
Tony stützte ihr Gesicht in ihren Händen ab. „Warum macht sie sowas auch? Sie wusste doch genau, was solche Aktionen kosten würden.“
„Ich nehme mal an, dass es ihr das wert war“, sagte Bob. „Vielleicht wollte sie dafür sorgen, dass es für die Leute nach ihr nicht mehr so schwierig ist, auszusteigen. Oder dass sich halt niemand mehr so verstecken muss, so wie ihr beide das müsst.“
„Oder sie dachte, es wird für sie nicht so gefährlich, wenn niemand weiß, wo sie sich aufhält“, warf Peter ein.
„Außerdem ist Annalise nicht dumm“, schaltete sich Trevor ein. „Denkst du nicht, dass wenn sie mit einem Journalisten zusammengearbeitet hat, sie auch genug Material hatte, um richtig was zu reißen?“
Tony nahm Trevors Hand. „Du hast recht, sie wird sich das gut überlegt haben.“ Dann schaute sie in die Runde. „Wisst ihr, was für Informationen sie eurem Journalisten weitergegeben hat?“
Justus schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Aber ich vermute, dass wir es morgen erfahren werden. Was wir allerdings sagen können, ist, dass wir selbst einiges an belastendem Material zusammengetragen haben. Wir haben in den letzten paar Tagen etliches gesammelt, was die Polizei sehr interessant finden könnte. Steuergeschichten, Versicherungsunterlage, die keinen Sinn ergeben, Hinweise auf Geldwäsche…“
„Wo habt ihr das alles denn her?“
„Justus arbeitet am Lehrstuhl eines Professors für Soziologie an der UCLA“, erklärte Bob. „Der hat unglaublich viele Dokumente aus dem Archiv von Calabasas zusammengetragen und das haben wir uns durchgesehen. Bei manchen Sachen sind wir uns nicht mal sicher, wie er da überhaupt rangekommen ist. Aber wir haben einen ganzen Stapel belastender Sachen gesammelt und auch digitalisiert.“
„Lillys Vater hat damals an der UCLA an einem Soziologielehrstuhl gearbeitet.“
„Raymond Fields?“, fragte Peter.
Tony machte große Augen. „Also ist er das tatsächlich? Ist er mittlerweile Professor?“
Die drei Fragezeichen nickten.
„Woher wusstet ihr, dass er Lillys Vater ist?“
„Public Records“, sagte Bob und zuckte mit den Schultern. „Das lässt sich alles online finden.“
„Apropos Public Records“, schaltete sich Justus nun wieder ein, „wie kommt es eigentlich, dass ich deine Namensänderung nicht finden konnte? Ich habe wirklich ausführlich sowohl in California als auch in Nevada gesucht.“
Tony grinste. „Ich habe damals auf Hawaii geheiratet. Ich dachte mir, dass mich dort niemand suchen würde. Es war auch nur irgendein Typ, den ich dort kennengelernt habe. Nichts wirklich Enges. Wir haben uns recht schnell wieder scheiden lassen, aber den Namen habe ich behalten. Young ist auch schön generisch, davon gibt es hunderttausende in Amerika.“
Justus nickte anerkennend. „Das ist in der Tat sehr clever.“ Er überlegte kurz. „Ich habe noch mehr Fragen, Tony, ich hoffe, das ist in Ordnung.“
Tony nickte.
„Was ist mit deinem Bruder Rick? Er scheint ja dein Geheimnis zu bewahren, aber gleichzeitig ist er immer noch seit über zwanzig Jahren Teil dieser Gruppe. Das erschließt sich mir nicht.“
Tony seufzte. „Das ist eine komplizierte Sache. Er hütet seit Jahren mein Geheimnis und versteht auch, warum ich mich gezwungen gesehen habe, das Tigerauge zu verlassen und mich zu verstecken. Aber er hat auch einen tiefen Glauben an das Tigerauge und das wird sich so schnell nicht ändern. Deshalb habe ich ja gesagt, dass er nichts davon wissen darf, dass ihr ermittelt und in meinem Auftrag Annalise wiederfinden sollt. Er würde das nicht gut finden und vermutlich würde er dem Tigerauge davon erzählen. Ich weiß nicht, was das dann für eure und für meine Sicherheit heißen würde. Ich denke nicht, dass er uns etwas antun würde. Aber wenn er dem Tigerauge Bescheid gibt, weiß ich nicht, wen das Tigerauge stattdessen schicken würde. Das halte ich für sehr gefährlich.“
„Gut, dann werden wir im Zweifel immer dafür sorgen, dass – sollte Rick uns auf die Schliche kommen – wir ihm vermitteln, dass wir das gegen deinen Willen getan haben“, erklärte Justus ruhig.
„Oder, dass ich gar nichts davon wusste.“
„Noch besser.“ Der erste Detektiv nickte.
„Was wisst ihr denn noch alles? Ich hoffe, ihr wisst, wie gefährlich das Ganze ist.“
„Das ist uns klar“, sagte Justus. „Wir wissen, dass vor dir und Lilly noch eine weitere Frau verschwunden ist. Und vor mehreren Jahren auch noch ein Mann. Vor zehn Jahren gab es eine Schießerei in einem Maisfeld, nach der Mr Wedlington ein Tigeraugeamulett am Tatort gefunden hat. Ob letztere Geschehnisse in einem Zusammenhang stehen, wissen wir noch nicht. Außerdem hat Lilly in ihrem letzten Telefonat mit dem Journalisten gesagt, sie wolle nicht unter den Stiefmütterchen landen. Ich nehme an, dass das ein Euphemismus dafür ist, dass sie Angst hat zu sterben. Der Ernst der Lage ist uns also durchaus bewusst.“
„Ja, die Stiefmütterchen…“ Tony lächelte etwas gequält. „Das ist ein Tigerauge-Ding.“
„Inwiefern?“, wollte Peter wissen.
Tony holte tief Luft. „Das hat etwas mit der Religiosität zu tun. Die vom Tigerauge glauben, dass in der Natur eine gewisse Energie vorhanden ist, die man sich zu Nutze machen kann. Das Tigerauge selbst hat am meisten Macht in dieser Hinsicht. Aber auch alle anderen können das im Kleinen umsetzen. Man versucht, sich mit der Natur zu verbinden und dadurch Kraft zu schöpfen und in der Hierarchie der Welt aufzusteigen. Verschiedene Pflanzen und Tiere können unterschiedliche symbolische Bedeutungen haben und werden in Ritualen verwendet. Stiefmütterchen helfen den Begrabenen, ihre Energie der Erde zurückzugeben.“
„Das klingt ja fast ein bisschen Hippie-artig“, entwich es Peter.
„Das täuscht“, antwortete Tony und zog missmutig die Mundwinkel nach unten. „Die Leute gehen davon aus, dass sie sich alles nehmen können, was sie wollen. Sie achten nicht wirklich auf die Natur. Sie gehen ja davon aus, dass sie alles wieder zurückgeben, wenn sie sterben, deshalb können sie sich auch alles nehmen. Außerdem glaube ich, dass das Tigerauge den Kram gar nicht selbst glaubt, sondern sich das alles nur zu Nutze macht, um den eigenen Machthunger zu rechtfertigen und unter den Tisch zu kehren.“ Sie hatte jetzt sehr verbittert geklungen. Ihre eigene Desillusionierung war deutlich spürbar.
„Hm“, grummelte Justus, „und die Stiefmütterchen könnten eventuell ein Hinweis auf Begräbnisstätten sein, in und um Calabasas?“
Tony nickte. „Auf allen Gräbern von Menschen vom Tigerauge kannst du sie finden. Aber auch wenn Tiere in Gärten bestattet werden oder so, werden Stiefmütterchen darauf gepflanzt.“
„Könnte es demnach auch sein, dass, wenn jemand illegal bestattet wurde, ein Tigeraugemitglied mit schlechtem Gewissen darauf Stiefmütterchen gepflanzt hat?“
Tonys Augen weiteten sich. „Justus, du denkst, dass wenn du nach Stiefmütterchen suchst, du die Leichen von Verschwundenen finden könntest?“
Justus nickte.
Tony presste die Lippen zusammen. „Ich hoffe, du liegst damit falsch. Ich hoffe einfach, die anderen sind auf die gleiche Art und Weise verschwunden wie ich.“
„Das hoffen wir natürlich auch“, erklärte Justus ruhig. „Aber ich will dennoch auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein.“
„Justus, das macht doch gar keinen Sinn“, protestierte Peter. „Willst du einfach unter irgendwelchen Stiefmütterchen buddeln und hoffen, dass du was findest? Wie stellst du dir das denn vor?“
„Weißt du noch, wie Rick mich damals gezwungen hat, in einen See zu springen, in der Nähe von Calabasas?“
Peter nickte. Auch Bob konnte sich noch gut daran erinnern, wie Justus plötzlich tropfnass in der Zentrale aufgetaucht war.
„Das war der Century Dam im Malibu Creek State Park. Ich bin mir sicher, dass ich dort Stiefmütterchen gesehen habe. Mitten im Wald. Und die sahen nicht wild aus. Dafür waren sie viel zu geordnet. Jemand muss sie dort hingepflanzt haben.“
„Und da willst du jetzt graben?“, fragte Peter entsetzt.
„Natürlich nicht ich selbst, Zweiter. Aber ich will der Polizei zumindest den Hinweis geben. Sofern du, Tony, der Ansicht bist, dass das ein plausibler Gedanke meinerseits ist.“
Tony verzog das Gesicht. „Ich fürchte schon. Es gibt in Calabasas einen großen Tigerauge-Friedhof, der voll von Stiefmütterchen ist. Da werdet ihr sicherlich nicht fündig. Da liegen ja alle. Aber wenn tatsächlich jemand im Wald vergraben wurde, könnte ich mir gut vorstellen, dass ein Täter oder eine Täterin auch Jahre später immer noch dafür sorgt, dass an der Stelle welche wachsen. Die Stiefmütterchentradition wird sehr treu gepflegt und über Jahre hinweg weitergeführt, weil die Energie nach der Lehre sehr lange braucht, um wieder in die Erde zurückzukehren. Die Ehrung der Toten ist ein wichtiger Bestandteil der Tigerauge-Kultur.“
„Gut, dann werde ich das so an die Polizei weitergeben“, antwortete Justus. „Vielleicht haben wir ja Glück.“
„Ich weiß ja nicht, ob ich das als Glück bezeichnen würde, Just“, sagte Trevor leise. „Das ist alles ganz schön schrecklich.“
„Ja, du hast recht“, gab der erste Detektiv zu, während er auf seiner Unterlippe kaute.
Bob schluckte. Das waren ja heftige Aussichten. Instinktiv griff er nach Peters Hand neben sich. Peter verschränkte ihre Finger und drückte kurz beruhigend zu. Der Kontakt erdete Bob. Sie würden das schon irgendwie hinkriegen, oder?
Die fünf schwiegen eine Weile, wie sie da um den Esstisch saßen. Es hatte etwas Ominöses, dieses Wissen, was für Implikationen das alles haben könnte. Ein eventuell echter Mordfall für die drei Fragezeichen. Das musste man erst einmal verdauen.
Schließlich meldete sich Peter wieder zu Wort. „Was für mich noch nicht so wirklich Sinn ergibt, ist die Timeline von letzter Woche Freitag. Du hast gesagt, dass Rick dich informiert hat, dass wir bei Mr Wedlington sind und was mit Ben ablief. Und dann bist du hergefahren. Aber man braucht doch Stunden, um von hier nach LA zu fahren. Außerdem hast du gesagt, dass das Tigerauge noch gar nichts von uns allen wusste, aber trotzdem war Ben dort. Hat Rick ihn geschickt?“
„Wenn ich das richtig verstanden habe, beobachtet das Tigerauge Arwin schon länger. Dass Ben im Auftrag des Tigerauges da war, wusste Rick erst gar nicht. Er hat mir nur Bescheid gesagt, dass ihr auf dem Weg zu Arwin seid, weil er euch beobachtet hat. Und dann bin ich losgefahren. Alles, was danach kam, hat er mir später auf der Fahrt in einem weiteren Telefonat mitgeteilt. Das muss er dann bei der Versammlung mitbekommen haben.“
Peter nickte.
„Und die Drohbriefe, die Mr Wedlington erhalten hat?“, schaltete sich Bob jetzt wieder ein. „Was ist mit denen?“
Tony verdrehte die Augen. „Die sind von Rick. Er hat halt gehofft, dass Arwin irgendwann aufhören würde, sich mit dem Tigerauge zu beschäftigen. Anscheinend total wirkungslos.“
„Ich hab eher das Gefühl, dass er es mit den Nachrichten noch schlimmer gemacht hat“, sagte Peter. „Ohne die Nachrichten hätte er noch viel eher glauben können, dass er sich das alles nur einbildet.“
„Vermutlich, ja“, bestätigte Tony. „Das habe ich ihm auch immer gesagt. Aber er hat das immer für eine gute Idee gehalten. Wenn sich Rick etwas in den Kopf setzt, kann man ihn oft nicht mehr davon abbringen.“
„Ist Rick denn der Einzige von denen vom Tigerauge, mit denen du noch Kontakt hast?“, wollte Justus jetzt wissen.
„Nein, abgesehen von Annalise, die ja jetzt auch ausgestiegen ist, noch mit zwei weiteren Freundinnen aus meiner Freundesgruppe von damals. Die eine ist immer noch Teil der Gruppe, so wie Rick, und die andere ist damals kurz nach mir ausgestiegen.“
Justus nickte wissend. „Delia und Silvia, nehme ich an. Delia ist diejenige, die nicht mehr beim Tigerauge ist, und Silvia ist noch drinnen.“
Tony starrte ihn entgeistert an. „Woher weißt du das denn jetzt schon wieder?“
„Wir haben schon zu Beginn unseres Falls Lücken in den Observationsaufzeichnungen von Mr Wedlington gefunden, die darauf hindeuteten, dass diese Leute ihren Beobachter gezielt abschüttelten, um etwas Geheimes zu machen. Ich nehme an, in dieser Zeit haben sie sich dann heimlich mit dir getroffen. Das betraf niemanden, außer diese vier Leute: Delia, Silvia, Annalise und Rick. Dass Delia ausgestiegen ist, habe ich anhand der Tatsache geschätzt, dass sie ein Stück südlich von LA wohnt und Silvia noch in Calabasas. Oder täusche ich mich?“
Tony sah Justus mit offenem Mund an.
Trevor grinste. „Ich hab dir doch gesagt, er ist schlau.“
Tony schaute Trevor anerkennend an. „Da hast du definitiv nicht übertrieben.“
Notes:
Hui, das war jetzt viel. Hoffe es geht euch gut <3
Chapter 24: Kapitel 24: Der zweite Versuch
Summary:
Content Warning: Es wird so süß, dass man evtl davon platzen könnte.
Notes:
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie oft ich über dieses Kapitel drübergelesen habe, weil ich wollte, dass es perfekt wird. Ich hoffe, es hat sich gelohnt, viel Spaß :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„So, das wäre dann euer Reich.“ Tony öffnete die Tür, die an das Esszimmer grenzte. Dahinter befand sich ein kleiner Gästeraum, in dem ein großes Bett und eine Kommode standen. „Ich hab es vorhin alles frisch bezogen. Falls euch die Decken nicht reichen, könnt ihr euch aus der Kommode noch Fleecedecken nehmen. Ich hoffe, das reicht euch an Platz?“
Trevor, der hinter Tony stand, grinste breit. „Ich denke, die beiden werden absolut keine Platzprobleme bekommen.“
„Wir kommen zurecht, danke“, sagte Bob und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er spürte, dass er ein bisschen rot war.
„Für dich, Justus, habe ich in Trevors Zimmer die Couch bezogen.“
„Nein, nein, das machen wir nicht“, protestierte Trevor und fuchtelte mit den Händen. „Ich nehme die Couch und Just bekommt mein Bett.“
Bob hob die Augenbrauen. „Hm, Gentleman.“
Trevor verdrehte die Augen.
Tony guckte etwas unschlüssig zwischen den vier Jungen hin und her. „Also, ich werde jetzt mal ins Bett gehen, ich habe morgen Frühschicht. Nur eine Sache noch: Wenn ihr morgen tatsächlich zur Polizei wollt, würde ich euch empfehlen, direkt von hier dahinzufahren. Wenn ihr erst noch zur UCLA fahrt, habt ihr eine sehr viel größere Chance, dass die Gilberts… Naja, ihr seid ja nicht auf den Kopf gefallen. Es gibt bestimmt Leute an der UCLA, die euch beobachten. Davon würde ich ausgehen.“
Die vier nickten verständnisvoll.
„Ein weiser Ratschlag“, sagte Justus. „So machen wir es.“
Tony verabschiedete sich von ihnen und machte sich auf den Weg nach oben und ließ die vier Jungen etwas unschlüssig vor dem Gästezimmer stehen. Sollten sie jetzt schlafen gehen? Vermutlich würde Justus sich noch einmal besprechen wollen.
„Wollt ihr schon schlafen gehen, oder wollt ihr mein Zimmer sehen?“, fragte Trevor.
Bob grinste. „Da bin ich aber tatsächlich neugierig.“
Sie folgten Trevor nach oben. Sein Zimmer war gelb gestrichen und überall standen Blumentöpfe mit Pflanzen. An der Wand hingen Sternkarten und bunte Tücher und ein gigantisches Rosa Parks Poster. Es passte so sehr zu Trevor.
„Macht es euch gemütlich.“ Trevor zeigte auf sein Bett, das mit einer Tagesdecke abgedeckt war. Peter ließ sich darauf nieder und lehnte sich an der Wand an. Bob setzte sich daneben. Justus setzte sich auf das bezogene Sofa und Trevor ließ sich im Schneidersitz vor dem Sofa nieder und lehnte seinen Rücken daran an.
„Sag mal, Trevor“, sagte Peter erstaunt, „stehen in eurem Wohnheimszimmer auch so viele Pflanzen?“
Trevor lachte. „Nein, das hab ich mich nicht getraut. Ich wollte erstmal gucken, wie mein Mitbewohner so ist und abchecken, wie viele von meinen Babys ich wohl mitnehmen kann.“
Bob zog amüsiert die Augenbrauen nach oben. Wenn Trevor alle mitnähme, würde Justus demnächst in einem kleinen Dschungel leben. „Und, Just? Wie viele darf er mitnehmen?“
Justus schaute sich sorgfältig um. „Also vielleicht so die Hälfte bis zwei Drittel wären durchaus in Ordnung für mich. Zimmerpflanzen sind nachgewiesenermaßen gut für die Gesundheit. Sie können den Blutdruck senken und Kopfschmerzen und Müdigkeit verringern. Außerdem haben sie auch einen positiven Effekt auf die psychische Gesundheit.“
„Hört, hört.“ Peter grinste. „Vielleicht brauchen wir auch ein paar, Bobbele.“ Er stieß sein Knie leicht mit Bobs zusammen.
„Wir können ja das übrige Drittel nehmen, dann muss Trevor seine Babys nicht zurücklassen“, schlug Bob vor.
„Unser Gemeinschaftsraum könnte sicherlich auch welche vertragen“, mutmaßte Justus.
„Ist das euer Ernst?“ Trevor schaute gerührt zwischen ihnen hin und her.
Bob zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Du darfst halt nur nicht Peter die Verantwortung für das Gießen übertragen.“
„Hey! Ich bin ja wohl mal voll verantwortungsbewusst.“
Bob grinste ihn an. „Bestimmt.“
„Eigentlich ist Bob derjenige von uns, der für die Unordnung seines Zimmers bekannt ist. Und Peter kann auf einen sehr liebevollen Umgang mit Haustieren zurückverweisen“, erklärte Justus Trevor.
Peter machte ein gespielt trotziges Gesicht. „Genau Bob, da hörst du’s.“
Sofort tat es Bob ein bisschen leid. Er reichte mit seiner Hand herüber und strich ihm sanft über die Wange. „Sorry, wollte dich nicht beleidigen.“
„Lügner.“ Peter grinste und schlug Bobs Hand weg.
Jetzt schmollte Bob.
„Ach Bobbele“, sagte Peter mit einem Lächeln und rückte näher an ihn heran. Er legte Bob seine Hand auf den Oberschenkel und begann, mit dem Daumen an seinem Bein entlangzustreichen. Sie saßen so dicht, dass sich ihre Seiten ganz berührten und Bobs Bauch fing sofort an zu kribbeln. Bob schaute auf Peters Hand herunter. Toll. Jetzt würde er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren können.
„Naja auf jeden Fall“, unterbrach Trevor jetzt wieder Bobs Gedankenkarussell, „denke ich nicht, dass wir die alle auf einmal mitbekommen. Vor allem wenn wir morgen noch zur Polizei fahren wollen. Aber wir können ja mal klein anfangen. So drei oder vier passen sicher noch in den Kofferraum.“
„Eine vernünftige Idee“, lobte Justus.
„Wie wollen wir es denn morgen eigentlich machen?“, fragte nun Peter. „Rufen wir morgen früh einfach Pit an und sagen ihm, er soll direkt nach Rocky Beach kommen, wenn wir ankommen?“
„Das hätte ich jetzt vorgeschlagen“, antwortete Justus. „Ich habe auch Inspektor Cotta schon informiert, dass wir morgen mit ihm sprechen wollen. Er hat uns angeboten, dass wir ihn so um 15 Uhr treffen können.“
„Das klingt doch machbar“, sagte Bob und gähnte. „Müssen wir sonst noch etwas besprechen?“
„Ich denke nicht.“ Justus gähnte jetzt auch. „Und sonst haben wir ja morgen auch noch die Autofahrt, um zur Not alles noch einmal durchzukauen.“
„Ich denke, wir müssen das eh jetzt erstmal ne Nacht lang verarbeiten“, sagte Bob. „Das war alles ganz schön viel.“
„Ich frage mich echt, wie ihr das macht. Sind eure Fälle immer so?“, fragte Trevor. Auch er klang müde.
„Ganz so groß sind und todesgefährlich sind sie nicht immer“, erklärte Peter. „Aber schon so die Richtung. Aber wie wir das machen, ist ganz einfach: Justus rationalisiert alles. Bob verarbeitet die Dinge, indem er sie in sein Tagebuch schreibt und die Fälle archiviert. Und ich lasse mich regelmäßig von Bob beruhigen.“ Er grinste Bob breit an und er sah so schön dabei aus, dass Bobs Bauch einen Salto machte.
„Eine schlüssige Zusammenfassung der Tatsachen“, lobte Justus.
Bob lachte. Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand und schwieg. Noch immer spürte er Peter überall an seiner Seite. Er war warm. Und am liebsten hätte er sich so richtig seitlich fallen lassen. Aber auch die anderen schienen sehr erschöpft zu sein. Es war ja auch schon spät. Die Konversation schien nicht mehr so wirklich zu fließen.
„Kommt, wir gehen mal Zähne putzen“, sagte Peter schließlich und löste sich von Bob. Gemeinsam trotteten sie aus Trevors Zimmer ins Bad.
Schließlich waren Bob und Peter zu zweit im Gästezimmer und zogen sich ihre Schlafsachen an. Als Peter fertig war, drehte er sich zu Bob um.
Bob spürte Peters Blick auf ihm liegen. Da lag definitiv ein Knistern in der Luft. Selbst die Müdigkeit des Abends konnte nicht unterdrücken, was schon seit dem Nachmittag zwischen ihnen im Raum stand.
Nervosität machte sich in Bobs Bauch breit. Ihm war klar, dass sie jetzt endlich mal reden mussten.
„Bob, ich bin verwirrt.“ Peter schaute ihn fest an, wich mit seinem Augenkontakt keinen Zentimeter ab.
Bob nickte. Das konnte er verstehen. An Peters Stelle wäre er auch verwirrt gewesen.
Peter holte Luft und fuhr fort. „Erst dachte ich ewig lang, ich hab eh keine Chance bei dir. Dann outest du dich und ich fange an, mir echte Hoffnungen zu machen und zu überlegen, ob du mich vielleicht magst oder nicht. Irgendwann denke ich: ‚Okay, vielleicht mag er mich, irgendwas ist da.‘ Aber dann tust du plötzlich so, als wäre es komplett furchtbar mit mir zusammen zu sein. Und dann stelle ich dich zur Rede und du sagst, du denkst, ich könnte nicht auf dich stehen, und ich denke mir, okay, vielleicht mag er mich doch? Dann küsse ich dich und du reagierst überhaupt nicht drauf und rennst weg. Und dann denke ich, ich hab alles kaputt gemacht und du hasst mich jetzt. Und gestern kommst du von der Recherche wieder und alles ist wieder so, als wäre nichts gewesen. Und dann heute fängst du wieder an, mit mir zu flirten und suchst meine Nähe. Ich bin wirklich verwirrt. Versteh mich nicht falsch: Ich finde das alles total schön, aber ich weiß nicht, ob ich das kann, wenn du nicht weißt, was du willst.“
Peter hatte kaum geatmet und stand jetzt etwas atemlos vor ihm. Bob schaute Peter mit großen Augen an. Ihm war klar, dass sein Verhalten verwirrend gewesen sein musste, aber dass es so verwirrend bei Peter angekommen war, hatte er irgendwie auch nicht so recht geahnt.
„Oh, Peter…“ Bob legte den Kopf schief und betrachtete seinen Freund, wie er unsicher vor ihm stand. „Komm mal her“, sagte er dann und schloss Peter in seine Arme ein. Er drückte ihn fest an sich und sog die Berührung und Peters Geruch ein.
Dann löste er sich vorsichtig und blickte Peter in die Augen. Er nahm Peters Hände fest in seinen eigenen. Peter schluckte. Aber er brach seinen Blickkontakt nicht.
„Peter, ich kann dir versprechen, dass ich ganz genau weiß, was ich will. Ich weiß, es wirkt nicht so, aber ich bin es.“
„Okay“, sagte Peter, immer noch unsicher.
„Ich dachte nur die ganze Zeit, du willst mich nicht. Ich hab mir so lange eingeredet, dass du mich nicht willst, damit ich mir nicht selbst wehtue, sodass ich am Ende gar nicht mehr sehen konnte, was ich eigentlich ganz offensichtlich hätte bemerken können.“
Peter starrte ihn einfach an.
„Peter ich mag dich. So sehr.“
Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Und was war das dann die letzten Tage?“
„Naja, du hast gesagt, dass es dir leidtut und dass du das nicht wolltest, oder ich hab das zumindest so verstanden. Ich dachte, du bereust es, mich geküsst zu haben. Ich war total überrumpelt und überfordert.“
Peter lachte und schüttelte den Kopf. Liebevoll zog er Bob wieder in die Umarmung zurück und hielt ihn ganz fest. „Ich dachte nur, dass du nicht geküsst werden wolltest. Ich wollte dich nicht so überfallen.“
Bob lachte in Peters Schulter. „Ja, das hab ich dann irgendwann auch begriffen. Aber wenn man sich so lange einredet ‚Peter ist straight, Peter ist straight, Peter ist straight‘, dann kommt man da nur sehr schwer wieder raus.“
Peter drückte ihn jetzt noch etwas fester an sich und vergrub seine Nase in Bobs Haaren. „Bob“, flüsterte er lachend, „ich bin nicht straight. So gar nicht. Und ich mag dich. So sehr, dass es schon fast wehtut. Okay?“
„Okay“, grinste Bob in Peters Shirt.
Ihm wurde bewusst, dass sie gerade wieder nur Schlafsachen anhatten. Wie damals an dem Abend, als er sich geoutet hatte. Damals hatte er das irgendwie fast ein bisschen beängstigend gefunden, Peter in nur Schlafsachen zu umarmen. Das war irgendwie so intim. Aber das jetzt war anders. Es durfte intim sein. Das war alles okay. Es war okay, weil Peter ihn wirklich mochte. Er griff um Peter herum und vergrub seine Finger im Stoff seines Schlafshirts.
Dieser Moment, das jetzt gerade: Das war Angekommen-Sein. Zu-Hause-Sein. Es war perfekt. Und irgendwie stiegen ihm jetzt die Tränen in die Augen. Das ganze Luftanhalten, die Unsicherheit, alles fiel von ihm ab. So chaotisch und überfordernd der aktuelle Fall auch war, in dem sie momentan steckten, war das hier jetzt alles egal. Alles drumherum war unwichtig. Hier war Bobs Sicherheit.
Bob schniefte.
„Bob, weinst du?“, flüsterte Peter.
Bob musste über sich selber lachen. „Ein bisschen vielleicht.“
Peter lockerte die Umarmung und nahm Bobs Gesicht in seine Hände. „Ich hoffe, das sind Freudentränen?“
Bob lächelte und nickte. „Ich bin grad einfach nur sehr glücklich. Du weißt ja gar nicht, wie lang ich das schon mit mir herumtrage.“ Er nahm seine Brille ab und legte sie auf die Kommode, um sich mit dem Handrücken die Augen zu trocknen.
Peter lachte. „Ich auch, Bob. Ich auch.“
Jetzt musste Bob auch wieder lachen.
„Du bist so süß“, flüsterte Peter und strich ihm mit den Fingern durch die Haare. Jeder Strich löste Bauchkribbeln aus. Bob schloss kurz die Augen und genoss die Berührung. Dann öffnete er sie wieder, rückte ein Stückchen näher an Peter und ließ ihre Nasen leicht zusammenstupsen.
„Dieses Mal läufst du mir aber nicht wieder weg, oder?“, flüsterte Peter. Er hatte Lachfältchen an seinen Augen.
„Auf gar keinen Fall“, murmelte Bob grinsend und schloss die Lücke zwischen ihren Lippen.
Es war so anders als beim letzten Mal. Letzten Samstag war es so stürmisch und überstürzt gewesen. Jetzt hatten sie alle Zeit der Welt. Und die Zeit nahmen sie sich auch. Sie küssten sich sanft und behutsam, so als bestünde die Gefahr, auch nur eine Millisekunde dessen zu verpassen, was sie da gerade taten. In aller Ruhe spürte Bob nach, wie Peter mit dem Daumen an seiner Wange entlangstrich und mit der anderen Hand auf seinem Rücken in sein Shirt griff. Er konnte das Gefühl von Peters Lippen auf seinen wahrnehmen, wie sie in seinem ganzen Körper Euphorie auslösten. Es war perfekt. Vorsichtig vertiefte er den Kuss. Peter grinste kurz, dann öffnete er die Lippen und ließ es zu.
Bob zerfloss darin, Peter zu küssen. Alles um ihn herum zerfiel in Schatten und Farben. Er griff an Peters Seiten, um sich Halt zu geben. Dessen Körperwärme brannte unter seinen Händen. Es war berauschend. Er tastete sich zu Peters Haut vor. Peter reagierte mit einem überraschten Aufatmen darauf. Ein Geräusch, das Bob überall im Körper spürte.
Grinsend lösten sie sich einen Moment und betrachteten einander.
„Komm, wir gehen ins Bett“, schlug Peter mit einem schelmischen Grinsen vor.
Bob nickte. Antworten konnte er nicht, er war einfach überwältigt und sprachlos. Sanft legte er seine Hand auf den Oberkörper seines Freundes und schob ihn rückwärts auf das Bett zu. Peter ließ sich auf die Matratze sinken, Bob folgte ihm, indem er sich auf seinen Schoß setze. Wieder und wieder küsste er ihn. Langsam ließ er seine Küsse herunter zu Peters Hals wandern. Er vergrub seine Hände in den roten Haaren. Er wollte nie wieder damit aufhören.
„Ich hab das Gefühl, ich bin gerade der glücklichste Mensch auf der Welt“, flüsterte Peter in sein Ohr.
Bob grinste. „Ich auch.“
Notes:
salkdldskfdsfjaöskl ich sterbe ich liebe die beiden so sehr
Chapter 25: Kapitel 25: Die Übergabe
Summary:
Süße Dinge und ein Auftritt von Inspektor Cotta :)
Notes:
Willkommen zurück :) Ich hoffe, es war okay, dass ich eine kleine Tigerauge-Sommerpause gemacht hab. Ab jetzt geht es wieder ein bisschen fixer weiter :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob wachte mit seiner Nase in Peters Haaren auf. Peters Kopf lag auf seinem linken Arm, der rechte war um Peters Oberkörper geschlungen. Bob grinste und zog Peter an sich. Er atmete ein. Alles war perfekt. Vorsichtig presste er seine Lippen gegen Peters Stirn.
„Hmpf“, machte Peter.
Bob grinste. „Morgen.“
Peter schaute zu ihm hoch. „Hey.“
Bob strich ihm durch die Haare. „Hast du gut geschlafen?“
Peter lächelte. „So gut wie noch nie.“
Bob schmunzelte. Er ließ sich ein kleines Stück nach unten rutschen und küsste ihn. Erst seicht, dann ein bisschen leidenschaftlicher. Er fuhr mit seinen Händen an Peters T-Shirt entlang. Peter erwiderte den Kuss willig, griff in Bobs Haare, verschränkte ihre Beine miteinander. Es dauerte nicht lange bis sich Hitze in Bobs unterem Bauch breitmachte. Er atmete scharf ein und stoppte sich. Oh, wow, das ging grad viel zu schnell. Er keuchte ein bisschen. „Weißt du eigentlich, was du mit mir machst?“
Peter lächelte verschmitzt. „Ich hab ne grobe Idee, ja.“
Bob ging wieder dazu über, Peter durch die Haare zu streichen und ihn anzusehen. Das war sehr viel sicherer – er wollte Peter wirklich nicht mit seinem Enthusiasmus zu überfordern.
Peter schaute ihn nun etwas unsicher an. „Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, dass wir gestern nichts mehr gemacht haben? Also mehr als Küssen, meine ich…“
Bob lachte. „Peter.“ Er nahm seine Hand in seine und spielte sanft mit ihren Fingern. „Wir haben alle Zeit der Welt.“
Peter schien noch nicht überzeugt.
„Außerdem sind wir hier zu Gast in einem fremden Bett“, fuhr Bob fort. „Ich denke, es wäre mir sehr unangenehm gewesen, wenn Tony das hätte aufräumen müssen und da irgendwelche Flecken von uns dringewesen wären.“
Jetzt lachte Peter auch. „Na gut, wenn du es so sagst…“ Er zögerte kurz. „Naja, aber trotzdem. Ich hab das Gefühl, du bist es gewohnt, mit viel erfahreneren Leuten was zu haben. Ich hab halt wirklich keine Erfahrung mit Hook-Ups. Oder generell mit Männern.“
Bob sah Peter eindringlich an. „Pete! Darüber musst du dir nun wirklich keine Sorgen machen. Du bist ja nicht irgendein Hook-Up für mich. Mir ist das völlig egal, welche Erfahrung du mitbringst. Ich mag dich und wir können machen, was wir wollen, wann wir wollen, so langsam oder so schnell, wie wir wollen. Ich mag dich schon so lange und das wird sich nicht ändern, nur weil wir nicht an Tag Eins miteinander schlafen, okay?“
Peter lächelte vorsichtig. „Okay.“
Bob rutschte wieder etwas näher und legte sanft seine Lippen auf Peters. Peters Hand landete sofort in seinem Rücken und zog ihn noch etwas näher. Bob grinste kurz und vertiefte den Kuss. Dann löste er sich und betrachtete Peter, wie er ihm gegenüber dalag. Ein bisschen rot im Gesicht und unglaublich zufrieden. „Weißt du eigentlich, wie unfassbar schön du bist?“, flüsterte Bob und strich Peter durch die Haare.
Der wurde noch ein bisschen roter. Dann zog er Bob zurück an sich und küsste er ihn wieder. Dabei ließ er seine Hand von Bobs Nacken nach unten wandern, über sein T-Shirt zu seiner Hüfte, spielte etwas mit dem Saum seines Shirts, dann schob er sie langsam darunter und fasste mit der gesamten Handfläche an Bobs nackten Rücken. Bob atmete scharf ein. Sofort verschwamm alles um ihn.
Peter löste sich und schaute Bob an. „Ist das okay?“
Bob versuchte, sich zu sammeln. „Natürlich.“ Er gab Peter noch einen kurzen Kuss und löste sich wieder. „Aber ich denke, wenn wir dabei bleiben wollen, dass wir in diesem Bett nichts starten wollen, musst du sowas lassen. Sonst kann ich gleich nicht mehr geradeausdenken.“
Peter grinste schelmisch. Dann drehte er sie beide ruckartig um, sodass Bob auf dem Rücken lag und er selbst über ihm war, rechts und links von Bobs Kopf auf den Händen abgestützt, ein Bein zwischen seinen. Bob blieb kurz der Atem weg. Mit weit geöffneten Augen und offenstehendem Mund schaute er Peter an. Peter beugte sich zu ihm herunter, als wollte er ihn küssen, stoppte sich dann aber wieder und grinste. „Und sowas?“ Spielerisch drückte er Bobs Hüfte ein bisschen in die Matratze. „Muss ich sowas auch lassen?“
Bob schnappte nach Luft und schloss die Augen.
Peter lachte dreckig und rollte sich wieder auf die Seite.
Als Bob sich wieder gefangen hatte, griff er nach einem Kissen und warf es Peter ins Gesicht. „Du scheiß Arschloch!“, lachte er.
Peter kicherte und warf das Kissen zurück.
„Erst so schüchtern tun und dann sowas abziehen.“
Peter rückte wieder nah an ihn heran, bis er mit seinem Gesicht direkt vor seinem war. Dann grinste er. „Ich mag, wie du auf mich reagierst“, flüsterte er.
Bob schürzte die Lippen. „Ist das so?“
Statt etwas zu sagen, hielt Peter inne. Er hob seinen Zeigefinger zwischen ihre Gesichter. „Warte kurz, hörst du das?“, fragte er wahnsinnig leise.
Bob schwieg. Dann hörte er es auch. Draußen vor ihrer Zimmertür passierte etwas.
„Just, nein.“
„Warum denn nicht?“
„Just!“
„Denkst du, sie sind nackt?“
Trevor lachte. „Keine Ahnung, aber bist du dir sicher genug, dass du es drauf anlegen willst?“
„Aber wie sollen wir ihnen sonst mitteilen, dass es Frühstück gibt?“
„Du könntest klopfen.“
Unzufriedenes Grummeln.
„Meine Güte, jetzt kommt halt rein“, rief Peter.
Die Tür öffnete sich. Bob und Peter setzten sich im Bett auf, gegen das Kopfende des Bettes – dicht nebeneinander, sodass sich ihre Beine und Arme weiterhin berührten. Bob nahm Peters Hand.
„Siehst du, Trev, sie sind bekleidet. Keinerlei Skandalöses.“
Trevor verdrehte die Augen. „Ich wollte euch nur ein bisschen Privatsphäre geben.“
„Dafür sind wir auch dankbar“, sagte Bob.
Peter grinste. Bob dachte darüber nach, wie sie wohl reagiert hätten, wäre Justus eine Minute früher einfach ungefragt hereinstolziert. Vermutlich viel Gestammel und rote Gesichter. Zum Glück konnte Justus nicht unter die Bettdecke schauen…
„Und ich finde es sehr gut, dass du Justus ein bisschen erziehst, Trevor“, sagte Peter nun. „Ich denke, es gibt Dinge, die muss er wirklich nicht sehen.“
Justus zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe das Gefühl, in nächster Zeit werden auch Dinge in eurem Zimmer passieren, die ich gar nicht sehen will.“
„Ach, ne kleine Portion Voyeurismus hat noch keinem geschadet, Just. Vielleicht lernst du ja was“, erklärte Trevor und betrachtete seine Fingernägel.
Bob legte seine Stirn in Falten. „Zum Glück kenne ich mittlerweile deinen Humor und weiß, dass du das nicht ernst meinst.“
„Verklemmt seid ihr. Alle miteinander.“ Trevor stemmte eine Hand in die Hüfte und zeigte mit der anderen in die Runde. Bob lachte. „Auf jeden Fall haben die Frühaufsteher den Schlafmützen Frühstück gemacht. Ihr müsst euch also nur noch hinsetzen.“ Trevor drehte sich auf dem Fußballen um und stolzierte davon.
Justus verschränkte die Arme. „Findet ihr, ich bin verklemmt?“
Bob zog spielerisch die Mundwinkel nach unten und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, wir reden ja über sowas nie.“
„Vielleicht musst du mal mit Trevor über deine Vorlieben reden“, schlug Peter vor. „Dann kannst du seine Sicht von dir berichtigen.“ Er zwinkerte dem Ersten zu.
„Das halte ich für eine großartige Idee“, stimmte Bob ihm zu und grinste auch.
Justus grummelte. „Na, schön, dass ihr euch da so einig seid. Aber ich freue mich natürlich, dass ihr endlich euer Missverständnis beseitigt habt, das konnte man sich ja nicht mehr mit ansehen.“
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„Also, Jungs, wo drückt der Schuh?“
Cotta lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete die versammelte Truppe vor seinem Schreibtisch. Es war sicherlich ein interessantes Bild. Die drei Fragezeichen mit Trevor und Pit Kennedy. Der Journalist trug heute eine Schlaghose mit Schlangenmuster und hatte orangenen Lidschatten aufgetragen. Trevor hatte eine weite Jeans-Latzhose an und darunter ein schwarzes Maschen-Shirt. Seine Fingernägel waren gelb. Die drei Fragezeichen sahen aus wie immer.
Justus legte einen kleinen USB-Stick auf Cottas Schreibtisch. „Es geht um den Fall, über den wir vor ein paar Wochen schon einmal mit Ihnen geredet haben, zu dem Sie keine Informationen hatten, Inspektor. Wir haben es hier mit einer eigenartigen Sekte, oder Untergrundorganisation, zu tun, die in Calabasas operiert. Hier auf dem USB-Stick sind alle Indizien, die wir bisher über Steuerhinterziehungen, Versicherungsbetrüge und eventuelle Geldwäsche haben. Außerdem gibt es eine vermisste Person namens Annalise Blumenthal, die vor wenigen Monaten aus der Gruppe ausgestiegen ist und mit Mister Kennedy hier, der freiberuflicher Journalist ist, die kriminellen Machenschaften der Gruppe aufdecken wollte. Für die würden wir gern eine Vermisstenanzeige aufgeben – sie ist seit Mittwoch verschwunden. Außerdem haben wir Grund zur Annahme, dass auch Mitglieder der Gruppe im Calabasas Police Departement sind, weshalb wir um äußerste Diskretion bitten.“
Cotta öffnete seinen Mund, setzte an, etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder.
Trevor legte seine Hand auf Justus‘ Arm. „Just, du hast den Mordverdacht vergessen.“
„Ach ja, natürlich. Wir vermuten, dass eine gewisse Lilian Fields vor fast 20 Jahren von der gleichen Gruppe ermordet wurde. Oder Todschlag. Das lässt sich schwer auseinanderhalten in dem Fall.“
Cotta machte große Augen und fasste sich an die Stirn. „Na wenn’s weiter nichts ist…“ Ein bisschen unschlüssig schaute er zwischen ihnen allen hin und her. „Und wer bist du?“, fragte er nun Trevor.
„Oh, ich bin nur der Mitbewohner“, sagte Trevor nonchalant. „Ich hab die drei gefahren.“
Bob lachte. „Aber seine Mutter ist auch eine Aussteigerin aus der Gruppe, die sich seit fast 20 Jahren versteckt hält. Das ist vielleicht nicht ganz irrelevant.“
Trevor verdrehte die Augen. „Ja gut, wenn du es so sagst…“
Cotta veränderte seine Position in seinem Sessel und seufzte. „Okay, das heißt, wir machen eine Vermisstenanzeige, eröffnen einen Mordfall, einen Betrugsfall und einen Geldwäschefall?“
„Bei der Geldwäsche sind wir uns noch nicht zu hundert Prozent sicher“, erklärte Justus.
Cotta lachte. „Ach gut. Das macht es natürlich erheblich leichter.“ Mit seiner Maus holte er seinen PC aus dem Standby und klickte ein paar Sachen. Dann schaute er wieder ernst zu ihnen. „Jungs, wie seid ihr da nun schon wieder reingeraten?“
„Unfassbares Glück“, sagte Peter mit einem vor Sarkasmus triefendem Unterton. Bob grinste.
„Nun gut. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass ich die Dinge, mit denen ihr zu mir kommt, definitiv ernst nehmen muss. Und das mache ich jetzt auch. Aber das sind keine leichten Anschuldigungen, die ihr da habt. Ich hoffe, das ist euch klar.“
Alle Anwesenden nickten ernst.
„In Ordnung. Ich werde euch jetzt in Verhörräume schicken. Vielleicht euch vier Jungs gemeinsam und Mister Kennedy einzeln und dann nehmen wir alle eure Aussagen auf. Und ich werde mir im Anschluss all euer Material anschauen und dann halten wir noch einmal Rücksprache.“
Wieder nickten sie alle.
„Aber vermutlich sollten wir zuerst die Vermisstenanzeige machen. Das scheint ja jetzt erst einmal das Dringendste zu sein.“
„Das mache ich“, sagte Pit mit einem Nicken.
Cotta griff nach seinem Telefonhörer und rief Goodween herein, der nach einer kurzen Anweisung mit Pit verschwand.
Dann saßen die vier Jungs mit Cotta allein da. Er lächelte. „Und ich dachte schon, ich bin euch los, jetzt wo ihr in LA wohnt.“
Justus grinste zurück. „Keine Chance, Inspektor.“
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Zwei Stunden später verließen sie das Polizeipräsidium. Sie verabschiedeten sich von Pit und machten sich auch auf den Weg. Justus wollte gern noch bei Titus und Matilda vorbeischauen und Peter wollte noch ein paar Sportsachen von zu Hause holen. Bobs Eltern waren weg, deshalb beschloss er kurzerhand, einfach mit zu Peter zu gehen. Justus und Trevor luden sie dort ab und fuhren weiter.
Es stellte sich heraus, dass Peters Eltern auch unterwegs waren. Das Haus war still, als sie es betraten. Bob folgte Peter die Treppe hinauf in sein Zimmer. Es sah leer aus.
Bob zog seine Schuhe aus, warf sich auf das Bett und sah Peter dabei zu, wie er eine Sporttasche holte, die auf dem Schrank lag, und sie zu befüllen begann.
„Irgendwie ist das voll die Last, die mir von den Schultern abfällt“, sagte Peter nun. „Bei diesem Fall ist es echt besser, dass wir ihn abgegeben haben.“
„Hm“, machte Bob. „Aber irgendwie hab ich auch Sorge, dass die Leute mitbekommen, dass wir zur Polizei gegangen sind, und dann fliegt uns das Ganze doch noch um die Ohren.“
„Ja, den Gedanken hatte ich auch schon. Wir sollten uns auf jeden Fall ein bisschen bedeckt halten.“ Peter verzog das Gesicht.
„Vor allem hoffe ich, dass dich Ben nicht irgendwo auf dem Campus wiedererkennt.“
Peter zuckte mit den Schultern. „Das Tigerauge weiß eh mittlerweile, wer wir sind und wo wir studieren, oder? Ich glaube, das würde auch nicht groß was ändern, wenn der Typ mich da sehen würde.“
„Keine Ahnung“, sagte Bob. „Kann sein.“
Peter betrachtete Bob eine Weile. Er setzte an, etwas zu sagen, und stoppte sich wieder. „Das mit Ben… Hat dir das was bedeutet?“
Bob setzte sich auf und schüttelte den Kopf. „Das war einfach Ablenkung. Ich hab versucht, mal einen Abend nicht über meinen Liebeskummer nachzudenken – wofür mich das Universum dann natürlich gleich gestraft hat.“
„Okay.“ Peter lächelte. „Guck, ich zeig dir mal was.“ Er machte seine Schranktür etwas weiter auf, sodass Bob die Innenseite sehen konnte. Daran klebte ein pink-lila-blauer Sticker.
„Das ist die bi-Flagge, oder?“
Peter nickte. „Hat mir Jeffrey zum Geburtstag geschenkt.“
Bob schürzte die Lippen. „Das ist ja schon ne Weile her.“
„Jeffrey weiß es auch schon ne Weile.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Und auch witzig, dass sie im Schrank hängt. Ein interessanter Symbolismus“, sagte Bob jetzt mit verschmitztem Lächeln.
Peter lachte. „Ja, ich dachte, das passt ganz gut. Ich hatte immer Angst, es euch zu sagen, weil ich dachte, dann fällt bestimmt auch auf, wie gern ich dich mag.“
Jetzt musste Bob ebenfalls lachen. „So ähnlich lief das in meinem Kopf auch ab.“
„Jeffrey war übrigens schon unendlich genervt, von meinem ganzen Bob-Gerede. Seit Wochen liegt er mir in den Ohren, dass ich endlich mit dir reden soll. Ich hab ihm heute Mittag während der Autofahrt geschrieben, was gestern passiert ist, und er hat zurückgeschrieben – ich zitiere: ‚Na endlich, ihr zwei Vollidioten, jetzt kann ich in Frieden sterben.‘ – alles in Großbuchstaben und ungefähr zehn Heul-Emojis dahinter.“
Bob grinste. Irgendwie schön. „Ich bin froh, dass du jemanden hattest, mit dem du darüber reden konntest.“
„Ich hatte manchmal den Eindruck, dass du irgendwie eifersüchtig auf ihn warst.“
Bob überlegte. „Hm, keine Ahnung. Vielleicht. Aber ich glaube, vor allem war ich eifersüchtig darauf, dass er halt out war und so offen mit allem, und ich mich das nie getraut hab.“
„Ja, das kann ich auch verstehen“, sagte Peter nachdenklich und warf eine weitere Hose in seine Tasche.
„Mochtest du ihn denn je?“
Peter schüttelte den Kopf. „Nein, nie. Und er hat ja auch eh schon ewig einen Freund, das stand irgendwie nie zur Debatte.“
„Warst du denn eifersüchtig? Das mit Ben hat dich gewurmt, oder?“
Peter zuckte mit den Schultern. „Jetzt wo ich weiß, dass du mich magst, wurmt es mich nicht mehr. Ich bin nicht die Sorte von eifersüchtig, die in einer Beziehung misstrauisch ist. Nur in der Zeit, in der ich dachte, du magst mich nicht, war ich eifersüchtig, weil ich halt gern an Bens Stelle gewesen wäre. Aber dass du vor mir andere Partner hattest, stört mich nicht.“
Er stockte kurz. „Also ich mein, ich rede jetzt hier so, als wäre unsere Beziehung schon in trockenen Tüchern. Ich mein, ach keine Ahnung, halt bevor du was mit mir hattest.“
Bob schürzte wieder die Lippen und sah Peter amüsiert an. „Also nachdem wir uns jetzt gegenseitig ausführlich gestanden haben, dass wir uns schon seit Ewigkeiten mögen und unsere Freunde mit unserem Liebeskummer genervt haben, fände ich es sehr verwunderlich, wenn wir jetzt nicht in einer Beziehung wären.“
Peter wurde rot. „Naja… Ich wollte nicht einfach etwas annehmen, worüber wir noch nicht geredet haben.“
Bob stand auf, stellte sich vor Peter und nahm seine Hände in seine. „Gut, dann bin ich dafür, dass wir das jetzt klären.“
Peter schluckte. „Okay.“
„Lieber Peter, willst du mein Freund sein? Ja, Nein, oder Vielleicht?“
Peter warf den Kopf zurück und lachte. „Du bist ein Idiot.“
Bob lachte auch. „Das ist richtig. Aber möchtest du, dass der Idiot dein Freund ist? Ja, Nein, oder Vielleicht?“
Peter verdrehte die Augen. „Ja, ich möchte, dass der Idiot mein Freund ist.“
Bob grinste breit. Dann nahm er Peters Gesicht in die Hände und küsste ihn. Peter schob mit seinem Fuß die Sporttasche zur Seite, die am Boden lag, und rückte näher an Bob heran. Er legte ihm seine Hände um den Rücken und zog ihn näher an sich. Bob stellte sich auf seine Zehenspitzen und vertiefte den Kuss. Er fuhr mit den Händen in Peters Haare, ließ sich von ihm in die Schranktür drücken. Ob er jetzt wohl gerade den bi-Sticker am Hinterkopf hatte? Wie ein kleines queeres Sandwich, sein schwuler Grübelkopf eingebaut zwischen einem bisexuellen Peter und dessen bisexuell markierter Schranktür. Er musste grinsen.
„Was?“, fragte Peter zwischen Küssen.
„Nix“, sagte Bob, „ich kann einfach immer noch nicht fassen, dass das gerade alles echt ist.“
Peter löste sich und betrachtete ihn. Dann küsste er ihm auf die Wangen. Erst auf die rechte, dann die linke und zum Schluss auf die Nase und die Stirn. „Alles echt.“ Er grinste ihn an. Er war so wahnsinnig schön.
„Aber eine Frage habe ich noch.“
„Ja?“
„Du hast eben gesagt, wir haben unsere Freunde mit unserem Liebeskummer genervt. Ich hab Jeffrey genervt, wen hast du genervt?“
„Trevor und Justus.“ Bob lächelte. „Aber Trevor weiß das natürlich erst, seit ich ihn kenne. Das ist ja noch nicht so lang. Und Justus weiß es auch erst seit einer Woche – also offiziell. Ich vermute, dass er das schon länger geahnt hat. Aber sie hatten beide noch nicht allzu viel Zeit, so richtig genervt zu sein. Aber ich denke, hätten Trevor und Justus mir nicht so ordentlich den Kopf gewaschen, hätte ich noch ewig gebraucht, bis ich geschnallt hätte, dass du mich magst.“
„Und davor hast du es die ganze Zeit nur alles in dich reingefressen?“
Bob zuckte mit den Schultern.
„Ach, Bobbele…“ Peter zog ihn wieder an sich und wickelte ihn in eine feste Umarmung ein. „Ich bin froh, dass es jetzt endlich raus ist.“
Bob grinste in Peters T-Shirt. „Ich auch.“
Es war kurz ruhig, während sie in der Umarmung verharrten und ihre Nähe zueinander genossen. Schließlich durchbrach Peter wieder die Stille: „Weißt du, was mir gerade einfällt?“
„Hm?“
Peter löste sich und stolzierte zur anderen Seite des Zimmers. Er nahm fünf Bücher aus dem Bücherregal und hielt sie Bob als Stapel hin. „Hier. Bis die Serie rauskommt, im Dezember, musst du die gelesen haben. Danach kommen noch weitere Reihen, aber die hier sind als erstes dran.“
Bob sah sich den Stapel an und grinste. „Sehr gut, dann kann ich jetzt endlich eine echte queere Person sein.“
Peter lachte und legte die Bücher mit zu seinen Sachen in die Sporttasche. „Das bist du ja schon. Aber das ist trotzdem Pflichtlektüre.“
„Trevor hat seine Bücher auch mitgenommen nach LA, damit Justus sie lesen kann.“
„Gut so.“ Peter zog den Reißverschluss der Tasche zu. „Okay, aber können wir kurz darüber reden, dass Justus auch gesagt hat, er ist queer? Wusstest du das?“
Bob nickte. „Ja, aber auch erst seit Donnerstag.“
Peter grinste. „Dann können wir ihn ja tatsächlich mit Trevor verkuppeln.“
Bob schürzte die Lippen. „Ich glaube, dafür brauchen die uns nicht. Das schaffen die schon allein.“
Notes:
Bestimmt sind sie den Fall jetzt wirklich los und es fliegt ihnen sicherlich nicht alles um die Ohren ;)
Chapter 26: Kapitel 26: Der Gang der Dinge
Summary:
Gastauftritt Mr und Mrs Shaw, Nachbesprechung mit Inspektor Cotta, Sie sind alle cute :)
Notes:
Was bisher geschah: Ganz viele süße Peter/Bob-Dinge, Die ??? haben den Fall an Cotta abgegeben, Annalise Blumenthal ist verschwunden.
Oh je, dieses Kapitel ist so lang geworden, dass ich beschlossen habe, es zweizuteilen. Eigentlich wären hier noch 3 Szenen mit reingekommen, aber ich habe einfach zu enthusiastisch geschrieben. Die anderen Szenen kommen jetzt ins nächste Kapitel, das kommt hoffentlich in ein paar Tagen. Viel Spaß :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob und Peter hatten es sich gerade auf dem Bett gemütlich gemacht, als sie die Haustür von unten hörten. Bob lag gegen die Wand gedrückt auf der Seite, eng an seinen Freund geschmiegt – das Bett war wirklich sehr schmal, nicht so geräumig, wie das von Bob bei seinen Eltern.
Leise Stimmen tönten durch das Haus. „Das sind wohl deine Eltern“, sagte Bob sanft.
„Hm… Willst du mit runtergehen und Hallo sagen?“
Als Antwort kletterte Bob umständlich über ihn herüber, stellte sich neben das Bett und bot ihm seine Hand, um ihn nach oben zu ziehen. Peter grinste, nahm sie und ließ sich aus seiner Position hieven. Er strahlte auf Bob herunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann nahm er Bobs Hand und führte ihn Richtung Tür.
„Ehm, Peter?“
Peter drehte sich um. „Hm?“
„Willst du es deinen Eltern sagen?“ Bob schaute auf ihre verbundenen Hände nach unten. Dann suchte er wieder Peters Blick.
Peter lächelte. „Dass ich bi bin, wissen sie eh. Dass ich ausgerechnet dich mag, werden sie vermutlich auch nicht besonders überraschend finden.“
Bob lachte und errötete. Ein bisschen beneidete er ihn ja, dass er sich schon getraut hatte, sich bei seinen Eltern zu outen, aber eigentlich war er gerade vor allem wahnsinnig glücklich. Alles zu seiner Zeit. Bald würde er es auch tun. Beherzt drückte er noch einmal Peters Hand, bevor er sie losließ und ihm durch die Tür zur Treppe folgte.
„Hi, ich bin‘s!“, rief Peter seinen Eltern entgegen.
„Huch? Das ist aber eine schöne Überraschung!“ Seine Eltern erschienen prompt am unteren Ende der Treppe. „Oh, hallo Bob!“, begrüßte Mrs Shaw auch ihn.
Peter umarmte seine Eltern, Bob gab beiden freudig die Hand.
„Was macht ihr denn hier?“
„Wir waren bei Inspektor Cotta für einen Fall und Justus wollte noch kurz bei seiner Tante und seinem Onkel vorbeischauen, da dachte ich, ich hole mal noch ein paar mehr Sportsachen – dann muss ich nicht alle paar Tage waschen“, erklärte Peter.
„Wie schön!“, strahlte Mrs Shaw sie an. „Wollt ihr einen Tee?“
„Klar!“, sagte Peter. Er schaute zu Bob und legte ihm sanft seine Hand in den Rücken. „Du auch?“ Bob lief ein bisschen rot an, als er die zärtliche Geste an seinem Rücken wahrnahm. Er hatte sofort wieder Schmetterlinge im Bauch. „Ja gern“, sagte er und lächelte.
Sie setzten sich an die Küchentheke, während Mr Shaw den Tee zubereitete und Mrs Shaw die Küchenschränke nach Keksen durchwühlte. Sie wurde schnell fündig und schüttete eine kleine Tüte Teegebäck in eine hübsche Schale um, die sie dann zu ihnen herüberschob. Dann setzte sie sich ihnen gegenüber auf einen Barhocker.
Sie schaute mit geschürzten Lippen zwischen ihnen hin und her, betrachtete Peters Arm, dessen Hand unter der Küchentheke definitiv auf Bobs Oberschenkel lag und nicht auf seinem eigenen. „Und wie lange geht das schon?“
Bob sah hinüber zu Peter. Der lächelte ein bisschen beschämt. „Offiziell seit heute.“ Er zuckte mit den Schultern.
Jetzt drehte sich Mr Shaw zu ihnen um. „Seit heute erst? Ich dachte, das geht schon seit Ewigkeiten.“ Mit offenem Mund starrte er sie an.
Peter starrte zurück. „Hä?“
Mrs Shaw lachte. „Du redest sehr viel von Bob, mein Schatz. Und Bob schaut dich sehr oft verträumt an.“
Peter lachte. „Das war ja einfach.“
Bob kratzte sich am Kopf und grinste. Das war wirklich einfach. Irgendwie so unproblematisch.
Peters Mutter zuckte mit den Schultern und nahm sich einen Keks.
„Ich hoffe, meine Eltern reagieren auch so entspannt“, sagte Bob leise.
Mrs Shaw betrachtete ihn. „Ach bestimmt.“ Sie legte ihre Hand auf seine. „Deine Eltern sind doch wahnsinnig lieb, oder?“
„Ja, schon. Aber sie haben definitiv keine Ahnung bisher. Mein Vater wollte mich vor zwei Wochen noch mit dem Mädel bei der Wohnheimsanmeldung verkuppeln.“
Amüsiert zog Mr Shaw die Mundwinkel nach unten. „Und Mädels sind nicht so dein Ding?“
Bob lachte. „Zum befreundet sein gern, aber nein, mehr nicht.“
„Dann muss er wohl mal einen kleinen Aufweckruf bekommen. Aber ich schätze deine Eltern eigentlich sehr weltoffen ein, oder liege ich da falsch?“
Bob zuckte mit den Schultern.
„Naja, von unserer Seite habt ihr auf jeden Fall nichts zu befürchten. Wir freuen uns sehr und haben dich sehr gern, Bob.“
Bob lächelte. „Vielen Dank, das bedeutet mir wirklich viel.“
Der Wasserkocher machte einen Klicklaut und Mr Shaw trug ihn zu ihnen auf die Küchentheke. „So, Jungs, dann erzählt doch mal. Wie waren eure ersten zwei Wochen? – Also abgesehen davon, dass ihr euch endlich mal eure Gefühle gestanden habt…“
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Es war schon dunkel, als sie schließlich wieder von Justus und Trevor abgeholt wurden. Auf der Rückbank stand eine Dose mit Kirschkuchen.
„Und, wie wars?“, fragte Peter sofort an Trevor gerichtet. Bob schmunzelte. Subtil war Peter wirklich nicht.
„So angenehm!“, antwortete Trevor mit seiner Hand auf der Brust. „Die beiden sind ja mal so goldig.“
„Das würdest du anders sehen, wenn sie dich in deiner Kindheit regelmäßig als Möbelschlepper missbraucht hätten“, warf Bob grinsend ein.
„Dafür wurdet ihr aber auch regelmäßig mit Kirschkuchen und Limo entlohnt“, sagte Justus.
„Auch wieder wahr“, gab Peter zu. Dann zog er die Augenbrauen hoch. „Und? Wie fanden die beiden Trevor?“
„Ich wüsste nicht, was sie an ihm auszusetzen haben können – ich verstehe deine Frage nicht, Zweiter.“
„Stimmt, du hast recht“, feixte Peter, „Trevor ist der Traum von einem Schwiegersohn.“
Bob sah, wie Trevor hinter dem Steuer die Augen verdrehte. „Nur weil ihr jetzt eure eigenen Beziehungsprobleme geklärt habt, heißt das nicht, dass ihr die Erlaubnis habt, für andere Leute Amor zu spielen.“
Bob lachte. Trevor hatte definitiv einen Punkt. Eigentlich konnten sie wirklich nichts sagen. Zumal es vielleicht auch nicht sinnvoll war, Justus damit zu stressen, wenn der Zeit brauchte, eine emotionale Bindung aufzubauen. Aber das wusste Peter ja nicht. Vielleicht würde Justus es ihm ja bald auch erzählen.
Das Klingeln von Justus Handy ertönte.
„Das ist Inspektor Cotta.“
„Mach doch auf laut, über die Fernsprechanlage“, schlug Trevor vor.
„Nein, nein, Trevor!“, unterbrach ihn Peter fast. „Das heißt ‚Schalt den Verstärker ein‘.“
Bob lachte. „Ja genau, Trevor, das musst du lernen. Schalt den Verstärker ein.“
„Was zur Hölle ist ein Verstärker?“
Justus verdrehte die Augen, während er sein Handy mit dem Bluetooth des Autoradios verband. „Hör nicht auf sie, du darfst das nennen, wie du willst.“
„Ach, wie gnädig, danke schön“, sagte Trevor lachend mit ironischem Unterton.
„Das ist ein Verstärker!“, rief Peter wieder.
„Ruhe jetzt, dahinten, ich würde gern den Anruf annehmen. – Hallo? Justus Jonas von den Drei Detektiven?“
Bob lachte. Es war so albern, dass Justus sich immer noch so meldete, wenn Cotta doch genau wusste, wen er anrief.
„Hallo Justus, Cotta hier.“
„Guten Abend, Inspektor. Sie haben uns alle vier an der Strippe, wir sitzen gerade im Auto.“
„Alles klar, in Ordnung. Also…“ Ein bisschen Geraschel ertönte. „…Ich habe jetzt glaub ich mittlerweile einen groben Überblick. Ich habe einer Person aus einer Fachabteilung eure Dokumente vorgelegt, die ihr bei diesem Professor gesammelt habt, und die hat mir bestätigt, dass das alles sehr verdächtig aussieht. Dort wird also ein Fall aufgemacht.“
„Ausgezeichnet!“, warf Justus ein.
„Allerdings muss ich euch warnen, Jungs: Solche Fälle brauchen ewig. Das kann sich Monate ziehen, das wisst ihr ja sicherlich. Also, wenn diese Leute tatsächlich aktiv gefährlich sind, müssen wir tatsächlich darauf hoffen, dass sie sich durch etwas anderes schuldig machen, damit ihr sie loswerdet.“
„Was uns zu dem Vermisstenfall und den Mordverdacht bringt…“, sagte Justus.
„Genau“, bestätigte Cotta. „Der Vermisstenfall geht jetzt natürlich seinen Weg. Im Rahmen dessen habe ich schon Antonia Young kontaktiert, deren Nummer ihr mir ja freundlicherweise bereitstellen konntet. Wie wir das mit ihrem fast 20 Jahre alten Vermisstenfall machen, müssen wir uns nochmal überlegen – wir wollen ja die Gruppe nicht auf sie aufmerksam machen. Generell bewegen wir uns mit Zeugenaussagen von ihr auf einem schmalen Grat. Eventuell muss man dort mal in die Richtung Zeugenschutz überlegen, sofern sie tatsächlich nützliche Informationen für uns bereitstellen kann. Aber das ist auch noch Zukunftsmusik. Ich werde ihren Vermisstenfall vorerst einmal nicht schließen, damit sie weiterhin versteckt bleiben kann. Allerdings halte ich es auch für ein Risiko, dass es mehrere Mitglieder dieser Gruppe gibt, die ihren Aufenthaltsort kennen. Naja. Was Annalise Blumenthal angeht, ist die Missing-Persons-Abteilung in LA zuständig, in der ich beratend tätig sein werde. Ich werde morgen die Aussage von Mrs Young aufnehmen. Außerdem sind wir auf der Suche nach weiteren Bekanntschaften von Ms Blumenthal.“
„Hat Pit Kennedy Ihnen denn hilfreiche Informationen zur Verfügung stellen können?“
„Allerdings. Er hat eure Verdächte bestätigt und hat auch einiges Hilfreiches über Annalise Blumenthal sagen können. Er ist der Ansicht, dass Ms Blumenthal vermutlich eine Ahnung hat, was genau mit Liliane Fields passiert ist. Das heißt, sollten wir sie wiederfinden, könnten wir Licht in einige Dinge bringen. Mal abgesehen davon, dass uns natürlich das Wohlergehen der Frau am Herzen liegt, könnte sie eine Kronzeugin in eurem nicht ganz existenten Mordfall sein.“
„Nicht ganz existent?“, hakte Peter jetzt nach.
„Naja, Jungs, das ist alles nicht so einfach. Ich habe mit dem zuständigen Parkranger eures Sees telefoniert und er hat mir mehrere Orte genannt, an denen Stiefmütterchen wachsen und das schon seit Jahren. Die sind da zwar nicht heimisch, aber er hat nie Grund gesehen, sich darüber groß Gedanken zu machen. Er hatte vermutet, irgendjemand habe da einfach Samen ausgeschüttet, weil er Lust darauf hatte, und da das kein wucherndes Unkraut ist, hat er keinen Anlass gesehen, die Blumeninseln zu beseitigen. Ist ja auch unerheblich. Was allerdings wichtig ist, ist, dass es ziemlich viele dieser Inseln in der Gegend da gibt. Und das ist ein Naturschutzgebiet im öffentlichen Besitz des Bundesstaates California. Ich kann da nicht einfach auf gut Glück eine Grabeaktion anfordern – das geht nicht. Sofern Ms Blumenthal uns nicht genauere Informationen geben kann, sind wir hier in einer klassischen No-Body-No-Crime-Situation.“
„Ich muss gestehen, Inspektor, dass ich davon ausgehe, dass diese Gruppe mehr als eine Leiche im metaphorischen Keller hat. Was ist, wenn unter all diesen Inseln potenzielle Opfer dieser Gruppe liegen und nicht nur unter einer?“ Justus hatte ganz nüchtern gesprochen. Eine solche Vermutung hatte er vorher sicherlich auch noch nicht aussprechen müssen. Bob rutschte das Herz in die Hose. Dachte Justus das wirklich? War diese Gruppe wirklich so schlimm, dass sie mehrere Leute umgebracht hatte? Er griff nach Peters Hand neben ihm. Sein Freund sah mit zusammengepressten Lippen zu ihm herüber. Puh.
„Das wäre auf jeden Fall verheerend“, sagte Cotta, „davon wollen wir vielleicht lieber im absoluten Notfall ausgehen. Aber selbst wenn dem so wäre, kann ich nicht einfach ohne stichhaltige Beweise den Nationalpark umgraben. Ich schlage vor, wir warten jetzt erst einmal ab, ob Ms Blumenthal wieder auftaucht. Oder vielleicht tauchen ja auch bei den anderen Ermittlungen weitere Beweise auf. Wir müssen jetzt erst einmal unsere Arbeit machen und dann sehen wir weiter, in Ordnung?“
„Hmpf“, machte Justus. „Das gefällt mir nicht besonders gut.“
„Das kann ich mir vorstellen. Aber das macht es nicht weniger wahr. Wenn die Leute wirklich so gefährlich sind, wie du vermutest, ist das umso mehr ein Grund, dass ihr eure Finger aus der Sache herauslasst.“
„Danke, Inspektor“, sagte Bob und drückte Peters Hand. „Wir werden das jetzt erstmal ruhen lassen.“
„Gut! Und wenn doch noch etwas aufkommt, oder ihr irgendwie involviert werdet, meldet ihr euch, in Ordnung? Das ist jetzt eine polizeiliche Ermittlung. Ihr wisst nicht, was die Teams hier gerade für eine Taktik haben – da wäre es wirklich sehr unratsam, unangekündigt dazwischenzufunken.“
„In Ordnung, Inspektor“, seufzte Justus. Er schien wirklich sehr unzufrieden. Einen Fall, den er nicht zu Ende ermitteln konnte: Das musste er sicherlich erstmal verarbeiten.
„Und ich werde mich auch meinerseits melden“, versprach der Inspektor nun. „Bevor ihr mir hier die Bude einrennt, halte ich euch lieber auf dem Laufenden. Aber ihr könnt erstmal von ein oder zwei Tagen Funkstille ausgehen. Wir müssen uns ja auch erstmal in den Fall einarbeiten. Außer der Vermisstenfall, der muss jetzt natürlich schnell vorangehen, das ist etwas anderes. Naja, ich wünsche euch eine gute Heimfahrt. Wir hören voneinander, ja?“
„Vielen Dank! Auf Wiederhören, Cotta!“
Justus legte auf.
„Mehrere Stiefmütterchen-Inseln?“, fragte Peter sogleich.
Bob strich ihm mit dem Daumen über die Hand. „Vielleicht heißt es gar nicht das, was wir denken. Wir kennen die religiöse Komponente der Gruppe doch viel zu schlecht. Vielleicht werden die auch noch für andere Dinge gepflanzt? Oder sie haben Haustiere begraben?“
„Gut möglich, Dritter“, lobte ihn Justus. „Ich werde mal versuchen, mehr über die Kräfte von Blumen herauszufinden, an die Leute im Internet so glauben.“
Bob schmunzelte. Vielleicht ganz gut. So wäre Justus beschäftigt, ohne dass er der Polizei in die Quere kommen würde.
„Außerdem möchte ich heute Abend noch Mr Wedlington anrufen und ihn auf den neusten Stand bringen“, fuhr Justus fort. „Wir sollten vorher besprechen, was wir ihm sagen und was nicht.“
„Puh, das ist ganz schön schwierig zu entscheiden, oder?“, murmelte Peter.
„Was wir ihm auf jeden Fall sagen können, ist, dass wir Hinweise auf kriminelle Aktivitäten gefunden haben, die wir an die Polizei weitergegeben haben.“
„Richtig, Bob, das werde ich ihm auf jeden Fall sagen“, sagte Justus. „Und dass eine weitere Person verschwunden ist, werde ich auch sagen. Aber vielleicht sagen wir ihm erstmal nicht, um wen es sich handelt, dann kommt er der Polizei nicht in die Quere.“
„Wichtig ist nur, dass ihr meine Mom da rauslasst“, warf Trevor ein. Er sprach sehr zögerlich. „Wenn er anfängt nach ihr zu suchen, wird das glaub ich ganz schön chaotisch.“
Justus legte seinem Nebensitzer eine Hand auf den Oberschenkel. „Natürlich, Trev, auf die Idee würde ich niemals kommen.“
Trevor lächelte gepresst. Justus nahm seine Hand wieder zu sich. Bob schaute herüber zu Peter, der ihn bereits verschmitzt angrinste.
„Sonst noch irgendwas, Kollegen?“, fragte Justus nach hinten.
„Vielleicht weiß er ja was über Lily und den Autounfall“, sagte Peter. „Vielleicht kannst du ihn dazu fragen, ohne dass du Tony da mit reinbringst?“
„Gute Idee, Zweiter“, lobte Justus. „Ich denke, die Polizei wird Mr Wedlington ohnehin irgendwann dazu befragen, aber das wird sicherlich noch eine Weile dauern. Wenn ich schon vorher etwas herauskriegen kann, das ich dann an die Polizei übermitteln kann, umso besser.“
„Was ist eigentlich mit Professor Fields?“, wollte Bob jetzt wissen. „Wollen wir mit dem auch noch irgendwann reden? Schließlich haben wir gerade Kopien seiner Recherchearbeit an die Polizei weitergegeben, ohne ihm Bescheid zu sagen.“
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, murmelte Justus.
„Aber ihn wird die Polizei doch sicherlich als erstes kontaktieren, oder?“, sagte Peter. „Wenn die Dokumente doch alle von ihm kommen?“
„Da bin ich mir nicht sicher, Pete“, erklärte Bob und verschränkte seine Finger mit seinen. „Das sind alles öffentlich zugängliche Dokumente. Mit denen ist Professor Fields ja nicht assoziiert. Aber wer weiß…“
„Naja, sie werden auf jeden Fall mit ihm sprechen, falls der Fall von Liliane Fields wieder aufgerollt werden sollte. Wie lang das dauert, ist aber nicht absehbar. Ich werde mal darüber nachdenken.“ Justus begann, seine Unterlippe zu kneten. Er schien sich wieder in Gedanken zu verlieren.
„Vielleicht sollten wir jetzt alle erstmal eine Nacht über die ganze Sache schlafen“, schlug Bob vor. „Die Polizei hat den Fall jetzt und wir sind nur noch Beratende in der Geschichte. Das nimmt uns den Druck raus und wir überlegen uns gut, ob wir überhaupt noch etwas machen wollen. Vor allem, sollten wir nichts machen, ohne Cotta vorher Bescheid zu geben. Deshalb: Keine überstürzten Aktionen. Wir denken einfach mal über alles nach und reden morgen, okay?“
„Okay!“, stimmten Justus und Peter ihm zu.
Gut.
Das war geklärt.
Bob, versuchte, sich zu entspannen. Irgendwie ließ ihn das alles immer noch nicht so ganz los. Vor allem, dass Annalise mittlerweile seit Tagen weg war. Hatten sie noch eine Chance, sie zu finden? Irgendwie fühlte es sich ein bisschen falsch an, nichts zu machen, und einfach nur zuzusehen. Er lehnte seinen Kopf gegen die Autotür und schloss die Augen. Seine Hand war immer noch in Peters, das erdete ihn. Das würde schon alles irgendwie werden.
Notes:
Hello :) Lasst mir gern mal einen Kommentar da! Seid ihr alle noch da? Irgendwie hat nach dem letzten Kapitel kaum wer was gesagt und dann hab ich kurz Angst bekommen, dass ich angefangen habe, euch zu langweilen... Naja, aber auch kein Druck, ich will euch nicht zum Kommentieren zwingen, aber ich würde mich voll freuen, wenn ich was von euch höre! Liebe Grüße <3
Chapter 27: Kapitel 27: Die Bettsituation
Summary:
Die zweite Hälfte des viel zu langen Kapitels. Es gibt ein unliebsames Zusammentreffen, ein kleines bisschen Spice zwischen sehr viel Fluff, und ein unerwartetes Ende
Was bisher geschah: Zusammentreffen mit Peters Eltern, Rückreise aus Rocky Beach mit Telefonat mit Cotta und Lagebesprechung.
Notes:
Leute, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft ich an diesem Kapitel noch herumgedoktert habe. Ich hoffe wirklich sehr, dass es nicht cringe ist, ich habe mein Allerbestes gegeben, subtil und fluffy zu sein.
Und natürlich habe ich gemerkt, dass ich mit 30 Kapiteln nicht hinkommen werde. Es war ohnehin waghalsig, das zu vermuten. Ich muss mir das nochmal genau durch den Kopf gehen lassen, wie viele es am Ende werden. Vielleicht 32 oder 33? Wir werden sehen. Ich lasse es jetzt erstmal so, bis ich schlauer bin...Schicke euch liebe Grüße
Chris
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Sie parkten das Auto ganz am Rand des großen Studiparkplatzes der UCLA. Es war wahnsinnig voll, so spät am Abend. Wahrscheinlich waren die Leute, die außerhalb wohnten, zu irgendwelchen Partys auf dem Campus gekommen. Bob gähnte, während Trevor das Auto verriegelte. Das Wochenende war einfach wahnsinnig anstrengend gewesen – und es war ja noch nicht einmal Sonntag. Er musste dringend ins Bett.
Neben ihm erschien Peter und nahm seine Hand. „Bist du auch so fertig wie ich?“
„M-hm.“
Er spürte, wie Peter mit dem Daumen an seiner Hand entlangstrich, und musste grinsen, als sich sofort ein Glücksgefühl in seinem Bauch breitmachte. Schweigend schlenderten sie hinter Trevor und Justus in Richtung Wohnheim hinterher. Auch die beiden schwiegen – sie waren vermutlich genauso müde und wollten jetzt nicht mehr in hochtrabenden wissenschaftlichen Diskussionen schwelgen.
Fast am Ende des Parkplatzes blieb Trevor stehen und zeigte in den Himmel. „Schaut mal, wie der Mond da hinten über den Dächern aufgeht.“
Sie blieben stehen. Es sah tatsächlich sehr schön aus. Der Mond war sehr groß am klaren, dunklen Himmel. Man sah fast keine Sterne hier mitten in der Stadt, aber der Himmel war trotzdem eindrücklich und irgendwie ruhig. Bob spürte, wie Peter seinen Arm um ihn legte und ihn zu sich heranzog. Intuitiv schauten sie einander an, sodass sich ihre Nasen fast berührten. Bob lächelte. Er war einfach unendlich zufrieden.
„Ehm, Leute?“, sagte Trevor nun leise hinter ihnen. „Da ist Ben.“
Ruckartig drehten sich Bob und Peter wieder in Richtung Parkplatz. Und da stand er tatsächlich, mitten zwischen den Autos, und starrte sie an. Über eine Woche hatten sie es geschafft, ihm nicht über den Weg zu laufen, und jetzt stand er da, vielleicht 20 Meter von den vier Jungen entfernt. Er trug wieder einen schwarzen Hoodie und eine schwarze Jeans.
Eingefroren standen sie alle da, überfordert mit der Situation. Es war etwas skurril. Der Gesichtsausdruck ihres Beobachters war beinahe unlesbar. Vor allem schien es Verwirrung zu sein, aber vielleicht auch ein Entsetzen oder Wut? Sie selbst sahen vermutlich alle aus, wie Rehe im Scheinwerferlicht.
Eine Sekunde verstrich, dann zwei. Bob wagte es kaum zu atmen.
Schließlich drehte sich Ben schlagartig um und rannte ein paar wenige Meter zu einem Truck. Er riss die Tür auf, setzte sich hinein und fuhr los. Innerhalb von wenigen Sekunden war er weg.
Es hätte keinen Zweck gehabt, ihn verfolgen zu wollen. Ihre Autos standen alle zu weit weg. Bis sie dort gewesen wären, wäre er längst über alle Berge gewesen. Und das war er jetzt auch.
„Scheiße“, durchbrach Peter schließlich die Stille.
„Das ist nun wirklich äußerst ungünstig“, sagte Justus.
Bob presste die Lippen zusammen. Jetzt wusste Ben auf jeden Fall, dass der Kerl, mit dem er einen One-Night-Stand hatte, auch Teil des Detektivtrios war. Wenn er es nicht eh schon wusste. Und er wusste auch, dass Peter und er zusammen waren. Vielleicht würde er sogar denken, dass Bob sich mit Absicht an ihn herangemacht hatte, um ihn auszuspionieren. Und außerdem wusste er, dass Trevor irgendetwas mit ihnen zu tun haben musste – was auch nicht gut war.
Im Idealfall könnte er vielleicht noch vermuten, dass das alles ein riesiger Zufall war. Dass weiterhin nur Peter ein Detektiv war und die anderen zufällig seine Freunde. Aber Ben war sicherlich nicht dumm, er würde die Fäden schon verknüpfen können.
„Naja, wir hatten ja eh schon vermutet, dass das Tigerauge bald von uns weiß oder es möglicherwiese eh schon tut“, sagte Bob jetzt zögerlich. „Oder?“
Justus zuckte mit den Schultern. „Durchaus. Allerdings ist es vermutlich nicht zu unseren Gunsten, dass Ben jetzt dort hinfährt und berichtet, uns gemeinsam gesehen zu haben.“
„Aber letztlich haben wir ja gerade nichts Verdächtiges gemacht, oder?“, fragte Trevor. „Was soll er ihm schon sagen? ‚Die sind zu viert über einen Parkplatz gelaufen und haben den Mond angeschaut?‘ Das ist jetzt nicht gerade weltbewegend.“
„Ich fürchte, wir können es nur abwarten“, erklärte Justus.
„Hoffen wir einfach, dass die Polizei den Fall schneller löst, als das Tigerauge braucht, um uns auf die Pelle zu rücken“, sagte Peter leise.
Bob zog ihn etwas dichter an sich, um ihm Halt zu geben. „Das wird schon. Was sollen sie machen? Hier auf den Campus kommen und uns bedrohen? Damit machen sie die Polizei ja noch viel mehr auf sich aufmerksam. Das wäre wirklich dumm.“
„Auch wieder wahr“, sagte Peter leise. „Wir halten einfach unsere Füße still und hoffen, dass die nicht auf dumme Ideen kommen.“
„Genau.“
„Kommt, wir gehen rein, Leute, ich will ins Bett“, verkündete Trevor schließlich. „Wir können jetzt eh nichts daran ändern.“
Er hatte recht. Man konnte eh nichts daran ändern.
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Sie redeten nicht mehr viel miteinander, während sie sich fürs Bett fertigmachten. Die Erschöpfung saß ihnen allen in den Knochen. Morgen würden sie vielleicht endlich mal wieder ausschlafen können.
Bob kroch in sein Bett und legte seine Brille auf dem Nachttisch ab. Peter stand etwas unschlüssig in der Mitte des Raumes.
„Suchst du was, Pete?“
Peter kratzte sich am Kopf. Er schaute auf sein Bett, dann wieder zu Bob. Dann schien er eine Entscheidung gefällt zu haben. Er lief auf Bobs Bett zu. „Rutsch mal.“
Bob gehorchte. Brav hob er seine Bettdecke ein bisschen an, sodass Peter mit darunterschlüpfen konnte.
„Hi.“, grinste Bob seinem Freund entgegen, der jetzt mit seiner Nase nur wenige Zentimeter vor ihm lag.
„Hi.“, antwortete Peter und küsste ihn.
Bob lachte. „Willst du lieber hier schlafen?“
Peter lächelte verschmitzt. „Du hast dir einen Freund ausgesucht, der sehr nähebedürftig ist. Damit musst du jetzt klarkommen.“
„Damit komme ich definitiv klar“, sagte Bob grinsend und ließ dabei seine Finger an Peters Arm herunterwandern. Peter erwiderte die Berührung, indem er seine Hände mit Bobs T-Shirt spielen ließ. Bob konnte sein Glück immer noch kaum fassen. So lange hatte er versucht, sich vorzustellen, wie es wohl sein würde, Peter so nah zu sein, und jetzt durfte er es endlich hautnah erleben. Er durfte Peter ganz neu kennenlernen, durfte herausfinden, wie Peter auf welche Berührung reagierte, wie sich seine Atmung veränderte, und wie er Bobs Zärtlichkeiten erwiderte. Diese Person, die er eigentlich schon in und auswendig kannte, hatte noch so viele Facetten, die ihm unbekannt waren und die er nun erkunden durfte.
„Gut“, flüsterte Peter, „weil so schnell wirst du mich jetzt auch nicht mehr los.“
„Gut so“, antwortete Bob, auch flüsternd, und legte seine Lippen wieder sanft auf Peters. Er schloss die Augen und genoss den Kuss. Er hörte, wie Peter durch die Nase einatmete, und spürte, wie er sich in die Berührung lehnte. Ihre Körper waren plötzlich noch näher aneinander, als sie es zu Beginn gewesen waren, und es dauerte nicht lang, bis der Kuss leidenschaftlicher wurde. Die Müdigkeit, die Bob vorher so erschlagen hatte, war nun wieder vergessen – alle Nervenenden waren wach. Auf einmal war Peters Hand unter seinem Shirt, strich seinen Rücken entlang, ihre Beine waren eng miteinander verwoben. Vorsichtig tastete Bob sich auch zu Peters Haut vor, was diesem sofort einen stockenden Laut entlockte.
„Ist das okay?“, fragte Bob leise gegen Peters Lippen.
Peter antwortete nicht und küsste ihn noch vehementer zurück.
Bob zwang sich, seine Konzentration zu sammeln, und löste sich. „Pete!“
Peter sah ihn verdutzt an.
„Ich will nur sicherstellen, dass du nichts überstürzt“, sagte Bob.
Peter lächelte sanft. „Tu ich nicht.“ Er küsste ihm auf die Stirn. „Ich vertraue dir. Und ich will dir nahe sein.“
„Okay.“
„Also, ich bin schon ein bisschen nervös“, gab er jetzt leise zu.
Bob strich ihm durch die Haare und betrachtete ihn. „Du entscheidest, für was du bereit bist und was nicht, okay?“
„Okay.“
Peter ließ seine Finger an Bobs Körper entlangwandern. Überall hinterließ er eine kleine Spur von Gänsehaut. Er strich über seine Arme und über seinen Oberkörper. Bob schloss die Augen und atmete aus. Dann bewegte Peter seine Hand weiter nach unten, spielte mit dem Stoff von Bobs Boxershorts. Bob biss sich auf die Unterlippe, um zu verhindern, Geräusche zu machen.
„Also, für ganz alles bin ich noch nicht bereit, denke ich“, flüsterte Peter schließlich. „Aber wir können ja mit kleinen Schritten anfangen.“
„M-hm“, machte Bob geistesabwesend. Er musste sich wirklich zusammenreißen, ihm noch richtig zuzuhören. Peters Berührungen hatten ihn schon in irgendeine Parallelwelt katapultiert. Er öffnete die Augen wieder, um sich zu erden.
Peter grinste. „Ich zieh dir jetzt dein T-Shirt aus, okay?“
Bob erwiderte das Grinsen. „Okay.“
--------------
Als Bob aufwachte, war er allein im Bett. Es konnte noch nicht besonders spät sein. Das Licht der Morgensonne warf helle Formen an die Wand über Peters leerem Bett. Er setzte seine Brille auf und schaute auf sein Handy: Halb acht.
Während er versuchte, sich zu orientieren, wurde er mit den Erinnerungen daran überflutet, was Peter und er gestern noch getan hatten. Sofort wurde er etwas rot im Gesicht. Hätte ihm jemand vor drei Wochen erzählt, wie sein Leben gerade aussehen würde, hätte er der Person ins Gesicht gelacht. Aber Peter war jetzt sein Freund. Und sie hatten sich ein Bett geteilt. Und… naja, Bob war einfach glücklich.
Er hörte, wie sich jemand der Tür näherte. Sie öffnete sich und Peter trat ins Zimmer.
„Hey.“
„Hey, du bist ja wach.“
Bob drehte sich auf die Seite und sah ihn an. „Wo warst du?“
Peter legte sich wieder zu ihm. Sein Oberkörper und seine Beine waren ein bisschen kalt – aber er hatte auch immer noch kein Shirt an.
„Nur auf dem Klo. Ich bin aus dem Bett gefallen.“ Er lachte.
„Wann? Gerade eben?“
Peter zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich bin auf jeden Fall auf dem Boden aufgewacht.“
Bob lachte. „Peterchen.“ Er strich ihm durch die Haare. „Vielleicht musst du doch in deinem eigenen Bett schlafen.“
Vehement schüttelte dieser den Kopf. „Nein, das kommt gar nicht in Frage. Eher stelle ich noch das Zimmer um.“
Bob schürzte die Lippen. „Meinst du, das geht?“
Etwas ruckartig setzte sich Peter wieder im Bett auf und sah sich um. „Bestimmt. Die Möbel sind ja nicht am Boden festgeschraubt.“ Woher hatte Peter nur auf einmal so viel Energie am Morgen?
Unschlüssig setzte Bob sich auch auf und betrachtete das Zimmer. Peter stand auf. „Guck mal, wir können unsere Schreibtische nebeneinander da hinstellen, wo mein Bett ist, und dann können wir dein Bett so in den Raum drehen und mein Bett an deins stellen.“
Bob überlegte. „Ja, das ergibt tatsächlich Sinn.“
„Komm, das machen wir jetzt.“
„Jetzt?“
„Ja, na klar.“
Bob rieb sich die Augen. Peter war so begeistert und motiviert, aber er war echt noch müde. Etwas widerwillig stand er aber auf. Peters enthusiastischem Grinsen konnte er einfach nichts abschlagen.
Sie stellten zuerst Bobs Schreibtisch vor den Schrank, damit Platz für die Betten war. Dann drehten sie Bobs Bett und stellten Peters Bett dazu. Es passte genauso, wie Peter es vorgeschlagen hatte. Zum Schluss stellten sie Bobs Schreibtisch zu Peters vor das Fenster. Das Zimmer sah so tatsächlich viel schöner aus. Ohne die Verschwörungswand wäre es sogar fast ideal gewesen.
„Guck mal, da ist noch eine Lücke zwischen den Betten“, stellte Peter fest.
Bob grinste. „Das müssen wir natürlich sofort ändern.“
Sie packten Peters Bett vorne und hinten an und rückten es so dicht an Bobs, wie es ging.
„Was um alles in der Welt macht ihr da?“ Trevor stand etwas verwirrt dreinblickend in der Tür. Vermutlich hatten sie sein Klopfen über das Möbelrücken nicht gehört.
Bob schaute zwischen ihnen dreien hin und her. Es war sicherlich ein skurriles Bild. Zwei Leute, die morgens um halb acht nur in Boxershorts ihr Zimmer umbauten.
„Umdekorieren.“ Peter zuckte mit den Schultern.
„Peter ist aus dem Bett gefallen“, erklärte Bob.
Trevor sah sich im Zimmer um, ließ seinen Blick kurz zu dem kleinen Haufen benutzter Taschentücher neben dem Bett wandern und schaute dann mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem unterdrückten Grinsen wieder zurück zu Bob. „Natürlich ist er das.“
Bob zuckte mit den Schultern.
„Hier herrscht auf jeden Fall eine sehr interessante Energie.“ Trevor gestikulierte ein bisschen mit der Handfläche zwischen ihnen hin und her.
„Also, falls wir dich geweckt haben, tut es uns natürlich leid.“ Bob presste die Lippen aufeinander. Irgendwie hatte er gar nicht bedacht, dass man um die Uhrzeit vielleicht nicht unbedingt Möbel verschieben sollte. Naja, jetzt waren sie ja eh fertig.
„Habt ihr nicht, keine Sorge“, sagte Trevor. „Ich bin hier weil…“ Er zögerte kurz. „Naja, weil Just verschwunden ist und ich fürchte, dass irgendwas nicht stimmt.“
Peters Augen weiteten sich. „Wie verschwunden?“
„Naja. Wir sind gestern beide zeitgleich ins Bett und ich bin dann eingeschlafen und als ich heute Morgen um halb 7 aufgewacht bin, war er verschwunden.“ Er sah etwas unsicher aus, während er redete. „Ich habe ihn überall gesucht. Ich war schon beim Lehrstuhl, in der Bibliothek und in der Mensa. Und als ich eben zurückkam, habe ich diesen Zettel auf dem Wohnzimmertisch gesehen.“
Er hielt ihnen einen kleinen Notizzettel entgegen. Darauf stand: Habe einen Hinweis erhalten. Bin beim Maisfeld mit Mr W. Cotta weiß Bescheid. – JJ
„Wirklich eigenartig“, sagte Bob.
„Ich habe ihm auch schon ein paar Nachrichten geschrieben“, fügte Trevor hinzu. „Sie sind alle angekommen und gelesen, aber er antwortet nicht.“
Peter stützte sein Gesicht in seinen Händen ab. „Oh man, Justus…“
„Und unter dem Wohnzimmertisch liegen zwei schusssichere Westen. Die waren da gestern noch nicht, oder?“
„Nein.“ Bob schüttelte den Kopf. „Die waren in Justus Auto.“
„Großartig.“ Peter seufzte.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Trevor.
„Wir rufen Cotta an“, sagte Bob.
Notes:
Wie immer freue ich mich sehr über Kommentare! <3
Chapter 28: Kapitel 28: Die Suche
Summary:
Was bisher geschah: Die vier Jungs sind aus Rocky Beach zurückgekehrt und gleich erstmal Ben auf dem Parkplatz begegnet. Am nächsten Morgen ist Justus verschwunden.
Notes:
Ahh Leute, diese Woche war die absolute Hölle auf der Arbeit, ich weiß gar nicht, wie ich es geschafft habe, dieses Kapitel zu schreiben. Aber irgendwie habe ich es gebraucht, so als Ablenkung. Schreiben ist ja echt manchmal ein Coping Mechanismus. So, ich hoffe, es gefällt euch, viel Spaß :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Ja, Justus hat mich tatsächlich angerufen“, bestätigte Cotta. Bob und Peter hatten sich angezogen und den Inspektor in Trevors Beisein angerufen. Er war sofort drangegangen. „Ich hab ihm auch gesagt, dass ich das alles für keine gute Idee halte, aber das hat euren ersten Detektiv ja noch nie abgehalten. Dass er euch nicht mitnehmen würde, war mir allerdings nicht klargewesen.“
„Naja, wenn er heute Morgen erst los ist, kann er ja nicht weit gekommen sein bisher, oder?“, warf Peter ein.
„Heute Morgen?“, schallte es wieder aus dem Handy. „Nein, er hat mich schon gestern Abend spät angerufen. „Wenn er bis jetzt nicht wieder aufgetaucht ist, kann das kein gutes Zeichen sein.“
Den drei Jungs fielen die Kinnladen nach unten. Justus hatte sich gestern Abend schon rausgeschlichen?
„Er muss gewartet haben, bis ich eingeschlafen war und ist dann nochmal raus“, sagte Trevor leise.
„Was hat er Ihnen denn überhaupt gesagt, Cotta?“, wollte Bob nun wissen. „Was wollte er denn bei dem Maisfeld?“
Cotta räusperte sich. „Er sagte, er habe mit eurem Klienten telefoniert. Dieser habe erzählt, er wisse, dass die Tigerauge-Leute aufgrund ihrer Religion Verstorbene nicht weit von der Stelle, an der sie gestorben sind, wegtragen dürfen. Deshalb würden sie immer in der Nähe des Todesortes begraben werden. Irgendwas mit Seelen und Natur oder so. Ich habe es nicht alles verstanden. Naja. Da Justus nicht wusste, wo die Unfallstelle, von der Mrs Young berichtet hatte, war, wollte er nachsehen, ob in der Nähe des Maisfeldes, in dem damals diese Schießerei stattgefunden hat, auch irgendwo Stiefmütterchen zu finden seien. Genaugenommen wollte er, dass ich das tue. Ich habe gesagt, ich könne morgen irgendwann Goodween schicken, wenn der Schicht hat. Ich selber habe gestern bis spät in die Nacht gearbeitet und wusste, dass ich das nicht auch noch schaffen konnte – wegen der Taskforce für die Vermisste, ihr wisst ja. Dann wurde er ungeduldig, sagte, er würde es einfach selbst machen, und legte auf. Der Rest ist Geschichte.“
„Ach scheiße“, sagte Peter.
„Du sagst es“, bestätigte Cotta. „Nun… Da wir jetzt den nächsten Vermissten haben, werde ich auf jeden Fall auch gleich alle Hebel in Bewegung setzen und nach ihm suchen lassen. Immerhin hat er euren Klienten dabei und ist nicht völlig alleine.“
„Wir werden ihn natürlich auch mit suchen gehen, das ist keine Frage.“ Peter hatte sehr bestimmt geklungen. Eine Sache, auf die man sich immer verlassen konnte: Peter hatte zwar Angst, aber wenn es um seine Freunde ging, war er der loyalste Mensch, den man irgendwo finden konnte. Bob griff nach seiner Hand und drückte sie.
„Ich würde euch ja davon abhalten, aber ich kenne euch lang genug. Ihr würdet eh nicht darauf hören.“
„Vermutlich nicht“, bestätigte Bob.
„Gut, dann seid wenigstens vorsichtig. Ich hab gehört, ihr habt Schutzwesten?“
„Ja.“ Bob nickte.
„Dann benutzt die. Und um Gottes Willen, passt auf euch auf.“
Sie sagten noch ein paar verabschiedende Worte und legten auf. Eine Weile sagte niemand etwas. Die Schwere der Situation lag spürbar im Raum.
„Wisst ihr denn überhaupt, wo dieses Maisfeld ist“, fragte Trevor schließlich.
Bob nickte. „Auf unserer großen Verschwörungsmindmap ist eine Karte. Da ist es eingezeichnet.“
Trevor blickte ihn ausdruckslos an. „Eure Verschwörungsmindmap.“ Er fuchtelte kurz mit der Hand in er Luft. „Du sagst das so, als wäre das ein Wort, aber ich kann dir versichern, das ist kein Wort.“
Bob zog die Mundwinkel amüsiert nach oben. „Möchtest du, dass ich dir die morphologische Bedeutung von Komposita erkläre, oder möchtest du sie einfach sehen?“
„Sie hängt in unserem Zimmer“, erklärte Peter hilfsbereit.
Trevor schaute immer noch ausdruckslos zwischen ihnen hin und her. Dann lief er an ihnen vorbei ins Zimmer und schaute sich um. Als er schließlich wieder mit dem Gesicht zu ihnen stand, entdeckte er schließlich, wovon Bob und Peter gesprochen hatten. „What. The. Fuck.“ Mit großen Augen stand er da und starrte auf die Wand.
Bob und Peter folgten ihm ins Zimmer. Bob betrachtete das große Papierchaos. In der Mitte eine fast 20 Jahre jüngere Tony.
„Hat das hier die ganze Zeit gehangen? Das Bild von meiner Mom?“
Bob presste die Lippen zusammen und zog die Augenbrauen nach oben. „Jap.“
„Das ist mir ja ne Spur zu wild.“
„Verständlich“, sagte Peter.
Bob widmete sich der Karte, die irgendwo zwischen den Gesichtern und Notizen hing. Darauf war Calabasas und seine Umgebung zu sehen. Einer der eingezeichneten Punkte führte mit einer Schnur zu einem Zeitungsartikel mit dem Titel „Schusswechsel im Maisfeld“. Der Zeitungsartikel hatte ihnen schon damals nicht viel geholfen. Es standen wirklich keine irgendwie relevanten Informationen darin. Aber den Ort dazu hatte Mr Wedlington für sie markiert. Er war etwas südwestlich von Calabasas gelegen. Bob zückte sein Handy und öffnete Maps. Er zoomte in die Karte hinein und suchte sie nach einem möglichen Feld ab. Es gab an der Stelle keins. Aber die Straßenführung drumherum war immer noch dieselbe. Er machte einen Punkt in die Karte, wo der Punkt von Mr Wedlington auf der Papierkarte war.
„Gefunden?“, fragte Peter.
„Ich denke schon.“ Bob griff nach seinem Schlüssel und Portemonnaie. Peter tat es ihm gleich.
Trevor sah sie besorgt an. „Das liegt mir ja alles etwas schwer im Magen.“
Bob hielt kurz inne und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Es ist auch beschissen, das wissen wir. Aber jetzt konzentrieren wir uns erstmal darauf, Just wiederzufinden. Nicht zu viel über die Eventualitäten nachdenken, sonst wird man verrückt. Wir sind bis jetzt immer heil aus allem wieder rausgekommen.“
„Von dem was mir Just erzählt hat, bin ich überrascht, dass ihr nicht alle furchtbar traumatisiert seid.“
Peter lachte etwas gepresst, während er sich seine Schuhe anzog. „Ja, ich auch.“
Bob zuckte mit den Schultern. Dann lief er ins Wohnzimmer und schnappte sich die beiden Westen. Eine warf er Peter zu, die andere zog er sich über den Kopf. Dann zog er einen Hoodie darüber. Peter tat es ihm gleich.
„Ein ganz normaler Sonntagmorgen…“ Trevor schaute wieder die Verschwörungswand an.
„Für uns gar nicht so ungewöhnlich“, sagte Peter. „Irgendwann gewöhnt man sich dran. Zumindest so teilweise. Und wenn du auf Justus stehst, dann ist das auf jeden Fall der Package Deal. Willkommen in unserer Welt.“
Trevor zog die Augenbrauen hoch. „Wer hat denn behauptet, ich würde auf Justus stehen?“
Peter legte den Kopf schief und sah Trevor mit geschürzten Lippen an.
Trevor verdrehte die Augen. „Müsst ihr nicht irgendwie jemanden retten oder so? Kommt, macht, dass ihr wegkommt.“
„Ja, deinen zukünftigen Freund retten wir.“ Peter grinste. „Deinen Angebeteten. Dein Dark Academia Herzbl–“
Trevor machte einen Satz nach vorne und hielt Peter mit seiner Hand den Mund zu. Er war knallrot im Gesicht. „Vielen Dank, ich denke, ich habe verstanden, was du mir sagen willst.“
„Hmmmhm“, machte Peter.
Bob lachte. „Komm, Pete, wir sollten mal los.“
-------------------------------
Während der Fahrt merkte Bob, dass ihn der Ablauf der ganzen Sache wurmte. Er hatte seit gestern schon ein ungutes Gefühl beim Gedanken, die Füße still zu halten. Peter bestätigte ihm das Gleiche. „Ich wollte so gern glauben, dass wir diesen Fall einfach abgeben können. Aber das ist eh nicht möglich. Das klappt nie“, hatte er gesagt, als er den MG vom Uniparkplatz lenkte. „Ich hatte die ganze Zeit ein schlechtes Gefühl dabei.“ Warum waren sie alle drei der Meinung gewesen, man hätte doch weiterermitteln müssen, aber Justus war komplett allein verschwunden? Er hätte doch wenigstens fragen können, ob sie mitwollten. Vielleicht hatte Justus gedacht, sie beide würden eh zu Hause bleiben wollen. Das würde auf jeden Fall eins der ersten Dinge sein, die Bob Justus fragen würde, sobald sie ihn fanden.
Der Punkt in Bobs Karte war leicht zu finden. Er lag recht nah an einer Landstraße. Allerdings war dort, wo vor einigen Jahren noch ein Feld gewesen sein musste, mittlerweile eine eher schlammige Ebene mit ein paar jungen Bäumen und viel hohem Gestrüpp. Sie parkten das Auto etwas abseits von der Straße unter einem Baum, unter dem der Boden etwas fester aussah, und stiegen aus, um den letzten Teil der Strecke zu gehen. Auf dem Boden waren mehrere Reifenspuren und Bob fragte sich, ob eine davon zu Justus Auto passen würde.
Als sie ihren Weg ins Gestrüpp starteten, war der Boden noch einigermaßen fest, aber das blieb leider nicht lange so. Bob sank ständig mit den Füßen ein bisschen ein. Zum Glück hatte er Schuhe an, die ihm nicht so wichtig waren. Bei Peter sah das anders aus. Er ging noch ein paar Meter weiter, aber schließlich bleib er stehen und schien einen Entschluss gefasst zu haben.
„Bob, so wird das nichts. Ich werde die Schuhe hier irgendwann im Schlamm verlieren.“
„Hm“, machte Bob.
„Ich habe im MG noch Wanderschuhe, ich gehe kurz zurück, ja?“
„In Ordnung. Ich gehe nach da vorne, um die Hecke da, okay?“
„Okay.“
Peter lief zurück und Bob machte sich allein weiter auf den Weg durch das Gestrüpp. Es war eine trostlose Gegend und er fragte sich, wann die Leute wohl beschlossen hatten, die Landwirtschaft hier aufzugeben und so ein unansehnliches Stück Land aus diesem Gelände werden zu lassen.
Er ging an der Hecke vorbei und schaute in die Richtung, in der der Punkt auf der Karte sein musste. Und tatsächlich: Zwischen den Zweigen und Blättern sah er etwas Gelbes hervorschimmern. Ob das wohl Stiefmütterchen waren?
Er beschleunigte seinen Gang und hielt auf den gelb gefärbten Boden zu. Er war ein bisschen weiter entfernt, als er den Punkt auf seiner Karte eingeschätzt hatte, aber wenn das tatsächlich Stiefmütterchen waren, dann war klar, dass Justus genau in die Richtung gelaufen sein musste. Je näher Bob dem farbigen Fleck kam, desto mehr wurde ihm bewusst, dass es sich tatsächlich um Blumen handeln musste. Bei dem Gedanken schauerte es ihm. Waren hier tatsächlich Menschen begraben? Und hatte Justus etwa schon ein Loch gegraben? Bob wusste wirklich nicht, ob er das sehen wollen würde.
Er überquerte einen kleinen Waldweg und begab sich in ein bisschen höheres, struppiges Gras zwischen einigen Bäumen. Seine Schritte machten leise Raschelgeräusche. Die Blumen waren jetzt nicht mehr allzu weit weg.
„Ihr macht es einem ja echt einfach, wenn ihr ständig allein durch die Gegend rennt.“
Bob zuckte zusammen.
„Wo sind denn deine Freunde, hm?“
Bens Stimme war kalt. An einen Baum gelehnt stand er da und richtete eine Waffe auf Bob. Er sah so aus, als würde er so etwas ständig machen. Völlig lässig, mit einem halben Grinsen im Gesicht, das nicht bei seinen Augen ankam. Bob war so auf die gelben Blumen fokussiert gewesen, dass er ihn bis jetzt gar nicht gesehen hatte. Er schaute den großen jungen Mann an und versuchte, sich seine Angst vor der Waffe nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
Mit seiner freien Hand zog sein Beobachter nun eine Visitenkarte aus seiner Tasche. „Ich habe bei deinem Kumpel diese lustige Karte hier gefunden.“ Er schnaubte belustigt. „Recherchen und Archiv: Bob Andrews. Da habe ich ja einen richtigen Glücksfang gemacht bei der Party neulich.“
„Frag mal mich. Ich bin auch wahnsinnig begeistert, dass ich bei meinem ersten One-Night-Stand in der Uni gleich erstmal an ein Mitglied einer gemeingefährlichen Sekte geraten bin.“
Ben verzog das Gesicht. „Gemeingefährliche Sekte? So würde ich es ja nicht bezeichnen.“
„Wie würdest du es denn bezeichnen?“
Ben zuckte mit den Schultern. „Ist ja auch egal. Abmarsch jetzt, da vorne steht mein Auto.“
Mit seiner Waffe machte er eine kleine Bewegung nach Westen. Bob leistete Folge. Durch die Äste hindurch sah er den Truck, in den Ben sich gestern Abend überstürzt gesetzt hatte. Innerlich betete er nur, dass Ben Peter nicht auch bemerken würde.
Er hatte Glück. Peter schien etwas länger gebraucht zu haben, sich seine Schuhe zu wechseln. Dann konnte er jetzt gleich vielleicht noch den Truck wegfahren sehen und ihn Cotta mit einer Beschreibung von Ben melden. Eine Fahndung war gerade vielleicht die beste Chance. Justus schien ja wohl auch schon Bens Gefangener zu sein. Da musste Peter nun wirklich nicht auch noch festsitzen.
Am Auto angekommen warf Ben Bob ein Paar Handschellen zu und gebot ihm, sie anzulegen. Dann musste Bob sich auf die Ladefläche des Trucks setzen, wo Ben ihn mit Gurten festschnallte. Dann ging es los. Der Truck holperte über die Waldwege. Keine Straße in Sicht. Ben musste hier zu Hause sein. Er kannte diese Strecke vermutlich wie seine eigene Westentasche. Er würde sicherlich kein Problem haben, größere Straßen zu vermeiden.
Sie fuhren vielleicht zehn Minuten, bis sie an einem Haus mit hölzernem Beschlag hielten. Mit geübtem Geschick band Ben Bob von der Ladefläche los und führte ihn an eine Kellertreppe auf der anderen Seite des Hauses. Er stupste ihn an, bis er von allein die Treppen herunterlief. Dann folgte er dicht hinter ihm, öffnete die Tür und löste seine Handschellen. Geschickt zückte er wieder seine Waffe und bedeutete ihm, über die Türschwelle zu gehen. Bob trat ein paar Schritte zurück, hinein in den spärlich beleuchteten Raum, und sah seinem Entführer ins Gesicht, der ihn herausfordernd und kühl angrinste.
„Eine Frage habe ich noch: Weiß dein Freund, dass du ihn mit mir betrogen hast?“
Bob verengte seine Augen. „Habe ich nicht und du kannst mich mal.“
Bens Gesichtszüge weichten ein bisschen auf. „Ganz frische Beziehung also? Oder seid ihr offen?“
Verwundert blickte Bob ihn an. „Warum interessiert dich das?“
„Ich will nur wissen, ob ich es mit einem Betrüger zu tun habe oder nicht.“
Bob zog die Augenbrauen zusammen. Irgendwie machte das alles keinen Sinn.
„Na, was jetzt?“
Bob verschränkte die Arme. „Wir sind seit gestern zusammen.“
Ben nickte. „Süß.“ Er zog einen Mundwinkel hoch. Dann schlug er die Tür zu.
„Was um alles in der Welt…?“, murmelte Bob.
„Bob!“, kam es von hinter ihm.
Er drehte sich um. An der Wand saßen Justus und Mr Wedlington vor einer Schale mit belegten Broten. Neben ihnen, unverkennbar: Annalise Blumenthal.
Notes:
Und? Was denken wir?
Chapter 29: Kapitel 29: Die Zellengenossen
Summary:
Was bisher geschah: Justus und Mr Wedlington sind verschwunden, Peter und Bob haben sie gesucht. Bob wurde von Ben entführt und landet in einem Keller, wo schon Justus, Mr Wedlington und Annalise Blumenthal festsitzen.
Next up: Ein paar Zusammenhänge klären sich auf, aber manches bleibt auch noch unklar, weil sonst wäre es ja langweilig :) Aber dieses Kapitel enthält sehr viel foreshadowing ;)
Notes:
Puh, Leutis, ganz ehrlich, dieses Kapitel war eine schwere Geburt. Kind flasch herum im Geburtskanal (seitwärts), Nabelschnur um den Hals gewickelt, volles Programm. Irgendwie wollte es nicht fließen. Vielleicht wird das nächste wieder leichter.
Liege auf jeden Fall diese Woche krank im Bett, also vielleicht hab ich Zeit, schneller weiterzuschreiben ;)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Just, geht’s euch gut?“
Der erste Detektiv saß mit großen Augen gegen die Wand gelehnt und starrte in Bobs Richtung. Von Bobs Frage aus den Gedanken gerissen grummelte er ein wenig. „Geht schon.“ Er adjustierte seine Sitzposition. „Echt ungemütlich der Boden hier, aber ich bin ja noch nicht lange hier.“
Unweigerlich schweifte Bobs Blick von Justus über Mr Wedlington zu Annalise Blumenthal herüber. Sie musste da schon etwas länger sitzen. Aber dafür, dass sie seit vermutlich fünf Tagen nicht ihre Klamotten hatte wechseln können, sah sie eigentlich noch recht gepflegt aus. Sie trug eine Bluse und eine Anzughose und ihre Haare waren in einem einigermaßen verzottelten französischen Zopf.
„Da in der Ecke ist ein Badezimmer“, kommentierte sie sein Starren.
Bob presste die Lippen zusammen und wandte seinen Blick von ihr ab.
„Darin gibt es eine funktionale Toilette und ein Waschbecken mit Seife“, ergänzte Justus.
„Na immerhin“, sagte Bob. Was sollte er auch sonst sagen?
Es war irgendwie eine unangenehme Situation. Er fragte sich, wie lange er es wohl hier aushalten würde müssen. Wenn Ms Blumenthal hier schon so lange festsaß, würde Ben wohl auch nicht davor zurückschrecken, sie alle hier noch weiterhin gefangen zu halten.
„Wurde dir auch dein Handy abgenommen?“, fragte Justus jetzt.
Bob nickte.
„Und wo ist Peter?“
„Keine Ahnung“, sagte Bob. „Hoffentlich noch auf freiem Fuß. Er war nochmal zurück zum Auto gelaufen, um sich andere Schuhe anzuziehen. Vielleicht kam er noch rechtzeitig wieder zurück, um zu sehen, wie Ben mich abgeführt hat. Dann hat er vielleicht mittlerweile Cotta Bescheid gesagt, wo sie uns suchen müssen, und können nach Ben und seinem Auto suchen.“
„Gut.“
Sie schwiegen. Bob setzte sich ebenfalls an die Wand, an der auch die anderen Gefangenen saßen. Es war ein finsterer Raum. Nur ein einzelnes vergittertes Kellerfenster gab ihnen Licht. Einen Lichtschalter für die Neonröhren über ihnen gab es nicht. Es war kühl, aber nicht kalt. Und es war still. Völlig still. Bob hatte so viele Fragen, aber er war sich nicht sicher, ob er sie jetzt schon alle stellen sollte. Sicherlich hatte Ms Blumenthal Justus und Mr Wedlington schon einmal die ganze Geschichte erzählt. Bestimmt wollte sie das jetzt nicht nochmal alles wiederholen.
„Was mich nicht loslässt, ist dieses wirklich eigentümliche Gespräch“, durchbrach Justus schließlich die Stille wieder.
„Welches Gespräch?“, fragte Bob.
„Na das gerade eben. Als Ben unbedingt wissen wollte, ob du Peter betrogen hast. Ist das nicht sonderbar?“
„Hm“, machte Bob. Es war tatsächlich sonderbar gewesen. Die ganze Situation war sonderbar gewesen. Alles an dieser Situation war skurril. Was hatte Ben mit ihnen vor? Wollte er sie hier versauern lassen? Anscheinend brachte er ja seinen Gefangenen regelmäßig Essen – den belegten Broten nach zu urteilen, die hier standen. Wenn sie hier eine Gefahr für seine komische Sippe waren, warum räumte er sie nicht gleich ganz aus dem Weg?
„Er brauchte einen Grund, dich zu hassen“, sagte jetzt Annalise Blumenthal leise.
„Wie meinen Sie das?“
„Ben ist eigentlich so nicht. Zumindest nicht so, wie ich ihn kenne. Ich denke, ihm wurde irgendwas über uns erzählt, weshalb er es für gerechtfertigt hält, uns für das Tigerauge gefangen zu nehmen.“
„…und jetzt bilden sich vielleicht für ihn langsam Löcher in dem Bild, das er von uns hat“, murmelte Justus. „Vielleicht weil er einen Bezug zu dir hat. Deshalb hakt er nach. Er will überprüfen, ob du wirklich so schlimm bist, wie ihm gesagt wurde, weil er eigentlich sonst nichts Grifffestes gegen dich in der Hand hat.“
„Gut möglich“, sinnierte Bob. „Wir haben uns ja auch gut unterhalten letzte Woche – wenn auch nur kurz. Ich hatte zu dem Zeitpunkt das Gefühl, wir würden uns eigentlich gut verstehen.“
„Das könnte ein guter Punkt sein, der uns möglicherweise nützlich werden könnte. Wenn er eigentlich nur schlechte Menschen bestrafen will, dann macht ihn das verwundbar. Vielleicht ist er nicht nur ein blinder Nachfolger, sondern jemand, der auch hinterfragt, was er da tut.“
Bob lachte etwas gequält. „Ich weiß ja nicht. Der Ben, dem ich da gerade im Wald begegnet bin, war ein völlig anderer Mensch. Das war eine ganz andere Seite. Total kalt und berechnend. Und geübt war er auch. Die Waffe in seiner Hand wirkte viel zu gewohnt und entspannt.“
Ms Blumenthal presste die Lippen zusammen und schnaubte durch die Nase. „Rick hat ihm das Schießen beigebracht. Das war so ein richtiges Ding. Er ist so etwas wie sein Patenonkel oder so. Ein drittes Elternteil. Die beiden waren schon zusammen auf Schießständen, da konnte Ben gerade mal über den Tresen gucken.“
„Das ist auch ein Teil der US-Amerikanischen Kultur, der mir noch nie so ganz eingeleuchtet hat“, sagte Bob.
„Die vom Tigerauge haben fast alle Waffen“, erklärte Ms Blumenthal. „Ich habe auch schon als Jugendliche gelernt, damit umzugehen. Ich würde meinen kleinen Finger darauf verwetten, dass ich auch jetzt noch die Mitte der Zielscheibe treffen würde, selbst wenn du mich nachts um drei aus dem Bett zerrst und auf den Schießstand stellst. Das ist alles Teil des Programms, wenn du zum Tigerauge gehörst.“
„Deshalb sollte man bei diesen Leuten immer eine schusssichere Weste tragen“, warf nun Mr Wedlington wieder ein.
Bob nickte leise. Vermutlich hatte der Kerl wirklich den richtigen Riecher gehabt mit seiner Übervorsicht. Er war froh, dass er seine Weste anhatte und dass Ben sie vermutlich nicht bemerkt hatte eben gerade. Etwas umständlich ruckelte er sie zurecht.
„Okay, Erster, aber was denkst du denn, was uns das bringt, dass Ben vielleicht unter der harten Fassade ein netterer Mensch ist? Er hat ja immer noch vier Leute entführt.“
„Je nachdem, mit welchen Mitteln ihn das Tigerauge dazu gebracht hat, könnte er unter Jugendstrafrecht noch glimpflich davonkommen – vor allem, wenn er so eine intensive Gehirnwäsche erhalten hat, wie ich es vermute. Ich frage mich, ob jemand anders bei ihm die Fäden zieht.“
„So wie ich ihn kenne, würde ich das vermuten“, bestätigte Ms Blumenthal. „Ben ist eigentlich ein herzenslieber Kerl, der einfach das Pech hatte, in dieser Hölle hier groß zu werden. Das Tigerauge hat ihn irgendwie in der Hand, denke ich.“
„Hm“, machte Justus.
Bob wusste nicht so recht, was er über das alles denken sollte. Ben hatte immerhin mittlerweile vier Leute in Gefangenschaft. Ganz so unschuldig konnte er definitiv nicht sein. Aber gleichzeitig stellte sich natürlich die Frage, zu was man alles fähig wurde, wenn man in einer Sekte wie dieser hier großwurde. Wenn das Hantieren mit Waffen einem quasi in die Wiege gelegt wurde, schreckte man vielleicht nicht ganz so schnell davor zurück, eine zu benutzen. Wer wusste schon, was diese Leute ihm von klein auf eingeredet hatten? Wenn das hier seine ganze Welt war, war es vermutlich ein harter Kampf, sich davon abzulösen – vor allem, wenn man noch aufs College ging und finanziell von seinen Eltern abhängig war.
Bob dachte wieder an die Stiefmütterchen. Zum Glück waren die vermuteten Morde – die Sache im Maisfeld und die Sache mit Lilly – alle schon so lange her. Dass Ben etwas mit ihnen zu tun gehabt hatte, war wirklich unwahrscheinlich. Vielleicht würde er noch glimpflich davonkommen, wenn er doch nicht so schlimm war, wie es gerade schien. Aber er studierte Jura, oder? Wenn er sich nun so strafbar gemacht hatte, würde das sicherlich nicht gut für seine Karriere sein. Wie idiotisch war dieser Kerl auch? Da musste er doch selbst mal drüber nachgedacht haben, oder nicht?
Aber es gab auch einfach noch so viele Dinge, die Bob nicht wusste. Und langsam brannten ihm echt einige Fragen unter den Nägeln.
„Sag mal Justus, hast du eigentlich irgendwas gefunden, bevor ihr von Ben entführt wurdet? Wie weit bist du gekommen?“
„Nicht wirklich weit.“
„Hm“, machte Bob. „Und warum bist du einfach ohne uns los? Das verstehe ich nicht. Peter und ich hatten genauso sehr das Gefühl, dass wir das Ganze noch nicht abhaken konnten. Du hättest uns einfach nur fragen müssen.“
Justus zog die Augenbrauen nach oben. „Naja, ich habe mit Mr Wedlington telefoniert und er hat mir erklärt, dass Tony irgendwann mal zu einer Beerdigung musste, die etwas weiter weg stattfand.“
„Sie ist nach Alabama geflogen“, warf der ältere Mann ein. „Mit der ganzen Sippe. Und das war irgendeine Person, die eigentlich von hier kam und dort nur auf Geschäftsreise war. Und dann habe ich sie dazu ausgefragt und sie hat mir erklärt, dass man die Seelen nicht dort wegreißen darf, wo sie entschieden haben, in die Natur zurückzukehren.“
Annalise Blumenthal nickte. „Das ist tatsächlich Teil des Tigerauge-Glaubens.“
„Dementsprechend habe ich die Vermutung angestellt, dass wir in der Nähe der damaligen Unfallstelle, an der Liliane Fields vermutlich verstorben ist, irgendwo ein Grab mit Stiefmütterchen finden könnten“, erklärte Justus nun weiter. „Aber ich wusste nicht, wo das ist. Das Maisfeld allerdings war in Mr Wedlingtons Notizen vermerkt. Ergo…“
„Jaja, ich hab’s verstanden. Vermutlich hast du damit ja auch recht behalten. Ich habe die Stiefmütterchen dort auch gesehen. Aber warum hast du Peter und mich nicht mitgenommen?“
Justus machte einen gequälten Gesichtsausdruck. „Naja, ich stand schon vor eurer Tür und war auch schon kurz davor zu klopfen, aber…“, druckste er.
Verwirrt legte Bob seinen Kopf schief. „Aber?“
„Naja, ich stand da und dann habe ich Geräusche gehört und ich dachte, naja…“
„Ehm…“, fing Bob an und überlegte. Und dann verstand er es. „Oh.“
Justus zuckte mit den Schultern.
Bob lachte und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Es war wirklich bescheuert. „Justus, ganz ehrlich, dann hättest du vielleicht einfach eine halbe Stunde warten müssen?“
Justus hob verteidigend seine Hände. „Woher soll ich denn wissen, wie lange ihr dafür braucht?“ Immerhin lachte er jetzt auch.
Bob ließ seinen Kopf gegen die Wand fallen und sah, immer noch lachend, den knallroten ersten Detektiv an. Es war irgendwie süß, wie er sie nicht hatte stören wollen. Aber als Resultat dessen war er entführt worden. Das war nun wirklich auch nicht die beste Lösung.
Bob versuchte, sich wieder zu fassen. „Okay, also und dann hast du Mr Wedlington angerufen und bist mit ihm los?“
„Ja. Ich habe ihn bei sich zu Hause abgeholt und dann sind wir zu dem Maisfeld gefahren – das es übrigens nicht mehr gibt.“ Justus schien froh zu sein, wieder über den Fall reden zu können. Das Ganze schien ihm sehr unangenehm gewesen zu sein.
„Ja, das mussten wir auch feststellen. Nur noch Matsch und Gestrüpp.“
„Genau. Und von dort sind wir dann landeinwärts gelaufen. Ich hatte gerade zwischen den Sträuchern etwas Gelbes hervorschimmern sehen, da tauchte plötzlich Ben auf. Aber ich würde mal vermuten, dass er uns von vornherein verfolgt hat. Oder unsere Autos mit Peilsendern ausgestattet hat. Wie hätte er sonst ahnen können, wo er uns finden würde?“
Bob nickte. „Oder sie haben unser Zimmer verwanzt und wussten deshalb, wo du hinwolltest.“
„Auch möglich. Rick hat doch Kontakt zu irgendjemandem in der Wohnheimsverwaltung. Erinnerst du dich?“
Ja, das hatte Tony gesagt. Das stimmte. Auch wenn es vermutlich besser war, in Mr Wedlingtons Gegenwart nicht davon zu sprechen, dass sie Kontakt zu Tony hatten. Er wusste schließlich noch nicht, dass sie noch lebte und in Nevada ihren gemeinsamen Sohn großgezogen hatte.
Bob nickte wieder. „Aber bisher gehen wir doch eigentlich davon aus, dass Rick eher auf unserer Seite ist, oder? Also zumindest in dem Rahmen, wie er kann, wenn er immer noch an das Tigerauge glaubt.“
„Das denkt ihr doch nicht wirklich, oder?“ Annalise Blumenthal hatte ihre Worte sehr nüchtern und trocken ausgespuckt.
Bob sah herüber zu der zierlichen Frau. Sie hatte einen finsteren Blick im Gesicht.
„Ist er etwa doch das Tigerauge?“, fragte Bob.
Ms Blumenthal lachte. „Nein, natürlich nicht. Aber ich denke manchmal er wäre es gerne. Der Typ ist unberechenbar und niemand, um den man sich gern aufhält.“
Bob schluckte. Es machte ja irgendwie Sinn. Schon ganz zu Beginn, als er Justus gezwungen hatte, mit der schusssicheren Weste in den See zu springen, war eigentlich schon klar gewesen, dass dieser Kerl kein angenehmer Zeitgenosse sein konnte.
„Können Sie uns denn sagen, wer dann tatsächlich das Tigerauge ist?“
Sie lächelte gepresst. „Du kannst mich auch gerne duzen, wenn du willst. Ihr seid ja jetzt meine Zellengenossen, da müssen wir wirklich nicht so förmlich sein, oder? Ich bin Annalise.“
Bob nickte.
„Ich habe es Justus und Arwin hier schon erzählt. Das Tigerauge ist Kaitlyn Gilberts.“
Bob überlegte. Eigentlich ergab es Sinn, wenn er so darüber nachdachte. Am Freitag hatte Tony „die Gilberts“ gesagt. Er hatte vermutet, sie würde die beiden meinen. Aber sie meinte nur Kaitlyn. Es war die ganze Zeit Kaitlyn gewesen. Nur hatten sie sie nie observiert oder überhaupt auch nur interagiert – was ja auch schlau war, so viele Waffen wie die Frau hatte. Aber waren sie die ganze Zeit wirklich so sehr im Dunkeln getappt?
„Wir dachten immer, es wäre Fred Gilberts, ihr Mann.“
Annalise lachte. „Fred ist ne Flachpfeiffe. Ich denke, der könnte nicht mal ausrechnen, wie viel Geld er beim Bäcker zurückbekommt, geschweige denn eine Sekte leiten.“
„Aber so viele Grundstücke und Briefkastenfirmen in Calabasas laufen auf seinen Namen“, erwiderte Bob.
„Das hat sie clever gelöst, oder? Alles, was irgendwie mit krummen Geschäften zu tun hat, lässt sie über ihn laufen. Damit ist sie schön aus dem Schneider. Das einzige Haus, was ihr tatsächlich offiziell gehört, ist das, in dem wir gerade sitzen. Das benutzt sie eigentlich nur als Gästehaus.“
Bob verengte seine Augen. „Was, ernsthaft? Aber dann ist es doch total unvorsichtig, uns hier sitzen zu lassen. Wenn uns jemand hier findet, war ihre ganze Geheimniskrämerei umsonst.“
Annalise zuckte mit den Schultern.
„Und wie kommt es, dass du jetzt hier sitzt? Du bist doch schon vor Monaten aus der Sekte ausgetreten, oder nicht? Warum haben sie dich ausgerechnet jetzt entführt?“ Die Frage hatte Bob schon die ganze Zeit unter den Nägeln gebrannt.
„Irgendwie muss das Tigerauge herausgefunden haben, dass ich an die Presse gehen wollte. Ich habe erst einen Drohbrief bekommen – vom Tigerauge persönlich – und dann zwei Tage später stand Ben plötzlich in meinem Wohnzimmer und hat mich gefesselt und mitgenommen.“
Bob überlegte. Vom Tigerauge persönlich… Das hatten sie doch schonmal gehört, oder?
„Es ist alles so idiotisch.“ Frustriert lehnte Annalise ihren Kopf gegen die Wand. „Endlich war ich aus dem Laden raus, hab seit Jahren mal wieder eine ernsthafte Beziehung und dann muss ich mich doch wieder in die Scheiße reiten. Ich hätte es einfach darauf beruhen lassen sollen, statt zu versuchen, die Heldin zu spielen und den Laden aufzulösen.“ Sie schaute die drei Männer an und überlegte kurz. Dann sprach sie etwas ruhiger weiter. „Ich hab nur einfach so viele Leute im Kopf, für die ich das machen wollte. So Leute wie Ben. Ich habe immer gedacht, der Junge hat so viel Potenzial. Er könnte so viel großartigere Dinge erreichen im Leben, als in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten. Wie soll er jemals seinen eigenen Weg gehen, wenn die Gilberts jeden seiner Schritte überwacht? Es ist so frustrierend. Er war immer klug und hatte das Herz am rechten Fleck. Er könnte so viel mehr aus sich machen. Stattdessen stellt er sein ganzes Leben bereit für eine riesige Maskerade.“
„Wie kommt es denn, dass du für dich erkannt hast, dass es alles Maskerade ist?“, fragte Bob leise.
„Meine Freundin“, sagte Annalise mit einem vorsichtigen Lächeln. „Ich habe sie vor einem Jahr kennengelernt und es hat sofort gefunkt. Es hat natürlich nicht lang gedauert, bis sie gemerkt hat, in was für einer eigenartigen Lebenssituation ich da stecke. Irgendwann war sie bei mir und Kaitlyn ist zufällig vorbeigekommen. Sie ist total ausgerastet, sagte irgendwas davon, dass meine Freundin die falsche Energie hat, und wollte, dass ich sie wegschicke. Ich habe mich geweigert. Ich hatte das Ganze schon einmal durch gemacht. Ich wollte nicht noch einmal die Chance auf eine glückliche Beziehung für diese Schreckschraube aufgeben. Es kam zum Streit, ich habe meine Sachen gepackt und bin gegangen. Seitdem versuche ich mit viel Therapie und Reflexion irgendwie zu entknoten, was ich mir da mein Leben lang angetan habe.“
„Wow“, sagte Bob. „Ganz schön stark, dass du den Schritt gegangen bist.“
Annalise zuckte mit den Schultern. „Naja, ich hätte am liebsten dafür gesorgt, dass ich nicht die Einzige bin, die schnallt, was abgeht. Ich hätte gern anderen auch noch die Chance gegeben, zu merken, dass das Tigerauge nicht alles ist im Leben. Ich hätte gern was verändert. Deshalb bin ich ja mit Pit in Kontakt getreten.“
„Naja“, lenkte Justus ein, „der Stein ist jetzt im Rollen. Die Polizei weiß Bescheid über den ganzen Betrug und alles andere wird vermutlich auch demnächst rauskommen. Ich weiß nicht, ob Kaitlyn Gilberts ins Gefängnis kommt, oder ob Leute aufhören, an ihre Macht zu glauben, aber es wird sich definitiv einiges verändern hier.“
„Hoffen wir’s“, seufzte Annalise.
Notes:
Und? Habt ihr schon raus, was tatsächlich hinter den Kulissen passiert ist?
Chapter 30: Kapitel 30: Die tickende Zeitbombe
Summary:
Es wird spannend. Die Gefangenen finden einige Sachen heraus. CW: (past) Schießereien und Mord (nichts Explizites)
Was bisher geschah: Justus, Bob, Annalise und Mr Wedlington sitzen in einem Keller fest, in den sie von Ben gesteckt wurden.
Notes:
Hallo liebe Grüße :) Hoffe, es geht euch gut. Ich bin komplett übermüdet und unter Strom, aber das ist ja nichts Neues ¯\_(ツ)_/¯ Wird schon wieder :)
Was mega schön für mich war, ist, wie viel Liebe ihr bei meinem letzten Kapitel in den Kommentaren hinterlassen habt. Und auch bei meiner neuen Fic. Das war sehr süß und hat mir meine letzte Woche voll viel besser gemacht, also danke <333
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Für eine Weile war es still. Das Haus, in dessen Keller sie saßen, war vermutlich tatsächlich unbewohnt – so wie Annalise es berichtet hatte. Sie waren mitten im Wald und man hörte nichts außer ein paar Vogelgeräuschen, die man durch das geschlossene Fenster nur hörte, wenn niemand etwas sagte.
Bob versuchte, es sich auf einer der Decken etwas gemütlicher zu machen, gab aber schnell auf. Die Decke war zu dünn und der Boden zu hart. Er hoffte einfach, dass Peter sie hier bald rausholte. Vielleicht sollte Bob mal vorschlagen, dass sich die drei Fragezeichen alle Mikrochips einsetzen ließen, um sich besser orten zu können. Das hätte ihnen schon in so manchem Fall geholfen. Aber Peter war ja nicht auf den Kopf gefallen. Zusammen mit Inspektor Cotta würde er sie sicherlich bald finden.
Peter. Sein Freund. Beim Gedanken an ihn überschlug sich alles in Bobs Innerem. Das war alles noch so frisch. Es gab so viele Dinge, die sie noch nicht gemacht hatten und gesagt hatten. Sie waren noch nicht einmal auf einem richtigen Date gewesen – wenn man das Pancake-Frühstück mal rausrechnete. Bob hatte ihm noch nicht gesagt, dass er ihn liebte. Und jetzt saß er hier in diesem Loch fest und fragte sich, wann er ihn überhaupt das nächste Mal sehen würde. Er schluckte den Gedanken wieder runter. Melancholie war jetzt nicht hilfreich.
Er wandte sich wieder seinen Mitgefangenen zu und ließ sich in deren Gespräch fallen. Er lernte einiges über Annalise und ihre Freundin und Annalises Vergangenheit mit dem Tigerauge. Darüber, wie schwierig es war, auszubrechen, wenn die eigenen Finanzen so sehr mit der Sekte verknüpft waren und wenn alles, was man tat, spirituell ausgelegt und verdreht wurde. Bob konnte sich nur vorstellen, unter wie viel Druck sie wohl gestanden haben musste.
Irgendwann geschah wieder was. Sie hörten, wie ein Fahrzeug vor dem Haus Halt machte. Es näherten sich Schritte und Ben kam mit einer großen, vollen Einkaufstüte herein. Er stellte die Tüte neben der Tür ab und sah in die Runde. Es schien alles nach seiner Zufriedenheit zu sein, also griff er wieder nach der Türklinke und begann, sich abzuwenden. Bob fragte sich, ob er etwas hätte sagen sollen. Schließlich war das ihre einzige Möglichkeit, irgendetwas zu tun, während sie hier festsaßen. Vielleicht könnten sie irgendwelche Informationen aus ihm herausbekommen.
Letztlich war es Justus, der ihn stoppte. „Ben, warte kurz.“
Ben stockte und sah den ersten Detektiv an.
„Was hat Kaitlyn Gilberts dir über uns gesagt?“
„Kaitlyn Gilberts?“
„Naja, ich nehme an, sie war es, die dich beauftragt hat, uns gefangen zu nehmen. Ich wüsste gern, mit welcher Begründung dies geschehen ist. Was denkt sie wer wir sind? Oder was will sie damit bezwecken?“
Ben zog seine Augenbrauen zusammen. Bob war sich nicht sicher, ob es Irritation oder Wut war. Es verging eine Sekunde, dann veränderte sich der Gesichtsausdruck ihres Entführers wieder. „Ihr denkt doch nicht wirklich, dass ich mich von euch in ein Gespräch verwickeln lasse, oder?“ Dann zog er die Tür zu und war verschwunden.
„Ich weiß ja nicht, wie es euch geht“, grummelte Justus leise, „aber ich fand das Ganze ausgesprochen aufschlussreich.“
„Aufschlussreich?“, sagte Bob. „Er hat doch rein gar nichts preisgegeben.“
„Irrtum, Kollege! Hast du nicht gesehen, wie sehr ihn die Frage verwirrt hat? Ich habe schon die ganze Zeit die Vermutung gehegt, dass Ben gar nicht vom Tigerauge beauftragt wurde, sondern von jemand anderem. Ich glaube schon länger, dass das Tigerauge sich absolut überhaupt nicht für uns interessiert. Dass wir annehmen, das Tigerauge sei Bens Auftraggeber, hat ihn sichtlich verunsichert. Damit war mein Test ausgesprochen erfolgreich.“
„Aber wir sitzen in Kaitlyns Keller“, warf Annalise jetzt ein. „Wer hätte denn Interesse daran, uns zu entführen und es aussehen zu lassen, als wäre es Kaitlyn gewesen?“
Es war kurz still. Justus hob einen Finger.
„Was ist, Erster?“, flüsterte Bob.
Justus stand auf und ging zu dem vergitterten Kellerfenster. „Ben ist immer noch hier auf dem Grundstück. Sein Auto ist noch nicht losgefahren“, flüsterte er. Dann kippte er das Fenster.
Draußen hörte man eine leise Stimme. Ben.
„Er telefoniert“, flüsterte Justus jetzt.
Bob sprang auf und stellte sich neben Justus ans Fenster. Dann hörte er zu.
„Du hast gesagt, Kaitlyn hätte sie angeheuert, um dich unschuldig hinter Gitter zu bringen.“ – „Doch, das hast du.“ – „Wenn das alles nicht stimmt, warum sollte ich sie dann in Kaitlyns Keller setzen, hm? Was soll das?“ – „Stimmt überhaupt irgendwas von dem, was du mir erzählt hast?“
Kurze Stille.
Dann redete er wieder ein bisschen lauter. „Das klingt wie eine dumme Ausrede, man.“ – „Und was ist dann mit Annalise? Was hat die verbrochen?“ – „Wenn du mich schon dazu überredest, so einen Mist zu machen, will ich wenigstens eine Erklärung.“ – „Ja, okay, ich komme zu dir, aber dann erklärst du mir auch alles, okay? Keine Ausreden!“ – „Ja, bis gleich.“
Wieder Stille.
In ihrem Keller sagte niemand ein Wort, bis sie das Auto von der Einfahrt fahren hörten.
„Seine Fassade bröckelt. Wenn wir Glück haben, dauert es nicht mehr lang, bis sein Kartenhaus ganz einstürzt“, raunte Justus schließlich.
„Ja, aber jetzt fährt er zu ihm. Das könnte ziemlich gefährlich werden. Der Typ ist eine tickende Zeitbombe“, sagte Annalise. Sie schien verstanden zu haben, wen Justus meinte.
„Ja, die Befürchtung hege ich auch“, murmelte der erste Detektiv wieder.
Bob schaute zwischen den beiden hin und her. Aber auch Mr Wedlington schien verwirrt zu sein.
„Wer?“, fragte er außer Atem, „Wer ist eine tickende Zeitbombe?“
„Na, das würde ich aber auch gern wissen“, sagte Bob.
„Bob“, quengelte Justus, „wer hat schon von Anfang an gedacht, dass wir ihm irgendwann gefährlich werden könnten und hat deshalb immer wieder versucht, uns mit allen Mitteln dazwischenzufunken – sogar damit, wie wir wohnen? Wer hat Mr Wedlington die Drohungen geschickt, während das Tigerauge selbst eigentlich gar nichts damit zu tun hatte? Wer ist schon von Anfang an unberechenbar und möchte, laut der Aussage von Annalise hier, eigentlich am liebsten selbst das Tigerauge sein? Und wer hat eine besondere Verbindung zu Ben und deshalb die Chance, ihn für seine Zwecke zu manipulieren?“
Bob hing der Mund offen. „Du meinst Rick.“
Justus nickte.
Langsam dämmerte es Bob. „Na klar, Rick hat Mr Wedlington die Drohungen geschickt. Auf einer stand auch ‚vom Tigerauge persönlich‘ – genau wie in der, die Annalise bekommen hat.“
„Genau“, bestätigte Justus, „und Rick ist sowas wie ein Patenonkel für Ben, der ihm schon von klein auf den Umgang mit Waffen beigebracht hat. Er hatte genug Zeit, ihn so zu manipulieren, wie er es wollte. Er hat ihn beauftragt, Mr Wedlington zu beschatten, als wir damals in seinem Haus waren, und er hat ihn auch angestiftet, uns zu entführen und es Kaitlyn anzuhängen.“
„Und er hat ihm eingeredet Kaitlyn würde ihn unschuldig ins Gefängnis bringen wollen“, ergänzte Annalise. „Das hat er doch gerade gesagt, oder? Vielleicht hat er ihm gesagt, er muss uns hier nur eine Weile festhalten, während er die vermeintlichen falschen Beweise beseitigen kann oder so. Wenn Ben denkt, das Kaitlyn uns angeheuert hat, ist das ja eine logische Schlussfolgerung, oder?“
Der erste Detektiv nickte. „Aber was er eigentlich wollte, ist, dass wir polizeilich gesucht werden und schließlich in Kaitlyns Haus gefunden werden, damit sie verhaftet wird und er ihren Platz einnehmen kann.“
„Die Frage ist nur, ob Ben das Ganze jetzt durchschaut, oder ob er sich weiter von Rick einlullen lässt“, sagte Annalise.
Bob griff sich an den Kopf. Unter Umständen konnte das ja ganz schön brenzlig für Ben werden. „Wie gefährlich ist denn Rick? Denkst du er würde Ben etwas antun?“
Annalise schürzte die Lippen. „Er schreckt vor wenig zurück. Die Schießerei in dem Maisfeld, von dem ihr vorhin geredet habt – das war er. Da hinten liegt tatsächlich jemand unter den Stiefmütterchen. Der war auch Teil der Gruppe. Niemand weiß genau, was passiert ist. Wir kennen nur Ricks Version. Er sagt, der Andere habe zuerst auf ihn geschossen. Er sei irgendwie ausgerastet. Aber wenn ich ehrlich bin, denke ich eher, dass er vielleicht gedroht hat, irgendwen auffliegen zu lassen und dann hat Rick ihn beseitigt.“
„Das klärt auf jeden Fall einen unserer Vermisstenfälle“, sagte Bob trocken.
„Mit Liliane Fields hatte er aber nichts zu tun, oder?“, wollte Justus wissen.
Annalise schüttelte den Kopf. „Soweit ich weiß, waren das ein paar von Kaitlyns Handlangern, die sie damals verfolgt haben. Lilly wusste zu viel und als sie dann da vor den Baum gefahren war, haben sie die Gelegenheit genutzt und sie aus dem Weg geschafft. Sie hatten zu sehr Angst, dass wenn die Polizei den Unfall untersucht hätte, sie Sachen gefunden hätten, die für das Tigerauge ein Problem hätte werden können.“
„Es soll auch noch eine weitere Frau vor Tony und Lilly gegeben haben, die verschwunden ist“, sagte Justus.
„Ja, das war so zwei Jahre vor dem Unfall. Niemand weiß, was mit ihr passiert ist. Ich habe die Hoffnung, dass sie einfach abgehauen ist. Aber wer weiß.“
Bob blies etwas Luft zwischen den Lippen hindurch. Das war heftig. Sehr, sehr heftig.
„Was ist mit Tony?“, fragte Mr Wedlington jetzt leise.
Ja, Tony. Die hatten sie bisher vermieden zu thematisieren. Was sagte man ihm auch über sie? Sie wollte ja nicht, dass er von ihr wusste. Die drei Wissenden im Raum sahen sich untereinander an. Schließlich ergriff Annalise das Wort. „Sie war damals dabei, bei dem Unfall mit Lilly. Sie ist weggerannt, in den Wald. Dann war sie noch ein paar Tage hier und dort bei unterschiedlichen Leuten und schließlich ist sie getürmt. Ihr war klar, dass ihr ein ähnliches Schicksal wie Lilly gedroht hätte, wenn sie geblieben wäre. Sie wollte weit weg und von niemandem gefunden werden. Mehr kann ich dir nicht sagen.“
Mr Wedlington presste seine Lippen zusammen und starrte gegen die Wand. „Also lebt sie noch?“
„Sie lebt noch.“
Die vier schwiegen. Bob war irgendwie froh, dass Annalise es ausgesprochen hatte. Irgendwie war es grausam, ihn weiter im Dunkeln tappen zu lassen. Man konnte nur hoffen, dass er nicht versuchen würde, sie zu finden, solang sie es nicht wollte.
Bob sah, wie sich die Augen des Mannes mit stillen Tränen füllten. Vielleicht reichte ihm das Wissen, das er jetzt hatte, ja. Dass sie noch lebte. Sie lebte noch und war irgendwo anders in Sicherheit. Vielleicht beruhigte das nun erstmal seine schlimmsten Befürchtungen.
Es war wieder eine Weile lang still. Mr Wedlington stellte zwischendrin ein paar Fragen – ob die drei Fragezeichen von Tony gewusst hatten und seit wann. Sie erzählten ihm ein paar kleine Details, ließen aber das Treffen in Nevada und Trevor aus. Er musste noch nicht wissen, wo sie wohnte. Und die Sache mit Trevor war etwas, was Tony ihm selbst erzählen musste. Das war hier der falsche Zeitpunkt und sie waren die falschen Personen.
Irgendwann nickten Justus und Mr Wedlington ein. Sie hatten wohl eine sehr kurze Nacht gehabt – verständlicherweise. Bob unterhielt sich weiter leise mit Annalise. Sie fragten sich, wie Rick sie wohl gefunden hatte. Rick arbeitete zwar in LA, aber hatte er sie in so einer großen Stadt einfach mal zufällig getroffen und hat sie dann verfolgt? Oder hatte er bei einem Besuch bei Tony umhergeschnüffelt und so herausgefunden, wo sie wohnte? Und irgendwie musste er ja auch herausgefunden haben, dass sie an die Presse gehen wollte. Warum hätte er sie sonst entführen wollen? Dieser Teil des Puzzles fügte sich noch nicht so recht zusammen.
Schließlich wurde die idyllische Waldstille wieder von Motorengeräuschen durchbrochen. Ein Auto fuhr vor und parkte direkt vor ihrem Kellerfenster. Bob weckte die beiden Schlafenden auf, die sich müde ihre Augen rieben. Schritte näherten sich. Diesmal klang es anders, als es bei Ben geklungen hatte. Die Schritte waren plumper und schneller und auch das Auto hatte anders geklungen.
Mit einem lauten Knall öffnete sich die Tür.
Wie Rehe im Scheinwerferlicht starrten die Gefangenen ihrem Besucher entgegen.
Rick.
Sein Ausdruck düster und wild.
In seinen Händen: ein auf sie gerichtetes Jagdgewehr.
Notes:
Nächstes Kapitel: Der Showdown
Hui jetzt wird es ernst.
Lasst mir gern Kommentare da :)
Chapter 31: Kapitel 31: Der Showdown
Summary:
Spannung (CW: Schusswaffen)
Was bisher geschah: Justus, Bob, Mr Wedlington und Annalise Blumenthal wurden von Ben entführt und sitzen jetzt im Keller von Kaitlyn Gilberts in Gefangenschaft. Sie haben schon herausgefunden, dass vermutlich nicht das Tigerauge selbst das alles veranlasst hat, sondern Rick Brewis, der Bruder von Tony, der gerne selbst das Tigerauge wäre. Ben war gerade da und hat Lebensmittel gebracht und die Gefangenen haben ihn belauscht, wie er mit Rick telefoniert hat und mit ihm ausgemacht hat, dass er gleich zu ihm kommt. Kurze Zeit später steht Rick plötzlich mit einem Gewehr in der Tür. Da sind wir jetzt :)
Notes:
Hello, da bin ich wieder. Dieses Mal mit ganz viel Spannung. Das Kapitel wurde korrekturgelesen von meiner Freundin und von @Milopoli, weil es schon ziemlich tricky war, das so zu schreiben, dass genau das rüberkommt, was ich wollte. Ich hoffe es gefällt euch :)
Liebe Grüße aus dem Zug
Chris
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Rick Brewis wirkte unwirsch und hektisch. Dunkle Augenringe gruben tiefe Furchen in sein schmutzbeflecktes Gesicht. Seine riesige Waffe hielt er unstet auf die vier Gefangenen gerichtet, die ihn wortlos mit großen Augen anstarrten. Aufgewühlt sah er sich in dem spärlich beleuchteten Kellerraum um, als würde er etwas suchen.
„Was habt ihr mit ihm gemacht?“ Seine Stimme klang tief und rau wie die eines Kettenrauchers.
Niemand wagte es, etwas zu sagen.
„Na los, redet schon, ihr eingebildeten Pseudodetektive!“
Justus zog die Augenbrauen hoch, als wollte er protestieren. Bob warf ihm einen warnenden Blick zu. Es würde jetzt sicherlich nicht helfen, wenn Justus ihm erklärte, dass sie ein durchaus erfolgreiches Detektivbüro betrieben, das jahrelang das Rocky Beach Police Department unterstützt hatte.
Justus kontrollierte seine Gesichtszüge wieder, dann setzte er an zu reden. „Sie haben Benjamin verloren.“ Es war einfach ein Statement. Keine Erklärung. Sie wussten ja selbst nicht, wo Ben sein sollte. Aber die Tatsache, dass Rick nun hier war, sprach für sich: Ben war nicht bei ihm aufgetaucht.
Wütend starrte ihr Entführer den ersten Detektiv an und richtete nun seine Waffe auf ihn. „Was habt ihr mit ihm gemacht?“
„Überhaupt nichts!“, warf Bob schnell ein. Vielleicht konnte er Rick dazu bringen, die Waffe nicht mehr auf Justus zu richten. Nun war er allerdings selbst in der Schusslinie. „Er war hier und hat Lebensmittel gebracht und dann war er wieder weg.“ Zögerlich deutete er auf die Plastiktüte, die immer noch neben der Tür zu Ricks Füßen stand.
Rick sah hinunter auf die Tüte und sah wieder hoch. „Aber irgendwas habt ihr ihm doch gesagt. Irgendeinen Floh habt ihr ihm ins Ohr gesetzt.“ Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Sein Blick wanderte fahrig umher.
„Ich habe ihn lediglich gefragt, was Kaitlyn Gilberts ihm über uns gesagt habe“, erklärte Justus nun wieder ruhig. „Ich ging davon aus, dass sie ihn beauftragt hat, uns hier einzusperren – schließlich befinden wir uns hier in ihrem Keller, oder nicht?“
Rick schaute noch ein bisschen grimmiger drein. Dass Justus log – er hatte ja sehr wohl geahnt, dass das Tigerauge selbst mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte – konnte Rick ja nicht wissen, und so wie das Ganze gerade klang, war der Hergang der Tatsachen logisch. Da konnte er nicht viel diskutieren. Er hatte sich Bens Verschwinden selbst zuzuschreiben.
Er ließ die Waffe ein wenig sinken und schien zu überlegen. Dann verzog er das Gesicht. „Der alten Gilberts wäre im Leben nicht aufgefallen, dass ihr in unseren Angelegenheiten herumschnüffelt.“ Er lachte dreckig. „Die Frau ist alt und unvorsichtig geworden, das ist völlig unsinnig.“
Bob hob die Augenbrauen. Damit hatten sie dann wohl ein Geständnis. Rick stand hinter allem. Justus hatte recht gehabt. Aber warum erzählte er ihnen das? Das war doch nachlässig. Je mehr er ihnen erzählte, desto mehr wussten sie am Ende. Außer er hatte vor, sie alle aus dem Weg zu räumen. Und sein Zustand sah durchaus so aus, als wäre ihm das zuzutrauen.
Annalise schien den gleichen Gedanken zu haben. „Rick, was hast du denn vor? Willst du uns jetzt alle umlegen, hm? Damit kommst du doch niemals durch.“
Alles in Bob zog sich zusammen. Er wusste wirklich nicht, ob es so klug war, diesen unwirschen Mann, der dazu noch eine Waffe auf sie richtete, zu provozieren. Aber vielleicht lag er ja falsch. Annalise kannte ihn besser als er. Er begegnete ihm ja gerade zum ersten Mal.
Rick legte ein gehässiges Grinsen auf. „Die Erde verlangt es.“
Annalise lachte bitter. „Und woher willst du das wissen?“, spuckte sie zurück.
„Ich bin auserwählt!“, schrie er sie an. Er fuhr jetzt völlig aus der Haut. „Die Erde hat mich auserwählt, das Tigerauge zu sein, ich kann es spüren! Und ihr?“ Er lachte wieder. Mit wahnhaftem Blick betrachtete er sie alle. „Ihr seid Stolpersteine auf meinem Weg. Dunkle Anfechtungen, geschickt von schwarzen Energien. Wenn ihr weg seid, ist das Gleichgewicht der Natur wieder hergestellt.“
„Das Gleichgewicht der Natur? Das einzige, was du wiederherstellen willst, ist doch dein Ego und deine Macht. Um nichts anderes geht es hier.“ Annalise war jetzt aufgestanden und fing an, ihm langsam aber bestimmt mit erhobenen Händen entgegenzulaufen. Bob wagte es kaum zu atmen, so dick war die Luft. Und langsam begann er, sich zu fragen, ob dieser Showdown hier wohl mit Toten enden würde.
„Setz dich wieder hin oder ich schieße dir die Rübe schneller weg, als du ‚meine neue Freundin‘ sagen kannst“, brüllte er zurück.
Annalise machte große Augen und setzte sich wieder. Rick war wie ein in die Ecke gedrängtes Tier – jeder Zeit angriffsbereit.
Er atmete einmal tief ein und aus. Dann redete er etwas ruhiger, aber immer noch recht wild, weiter: „Es war alles perfekt. Alles hat genau so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt hatte. Kaitlyn wird immer schwächer und unvorsichtiger und ich habe mir mühselig immer mehr Einfluss hier erarbeitet. Es wäre so viel hier besser, wenn alle erkennen würden, dass ich das wahre Tigerauge bin. Die Gilberts würde nicht mehr allen das Geld aus der Tasche ziehen, Tony könnte endlich zurückkommen… aber dann – dann laufe ich völlig nichtsahnend durch LA und sehe, wie diese Verräterin hier sich mit diesem Paradiesvogel von Sekten-Journalisten trifft. Und dann kommt ihr Nichtsnutze noch dazu und schnüffelt umher.“
Herablassend ließ er seinen Blick über Bob und Justus schweifen und blieb dann bei Mr Wedlington hängen. Er richtete seine Waffe auf den Mann. Seine Augen öffneten sich immer mehr und Bob fragte sich, welche Sorte von Wahn der Kerl wohl gerade durchlebte. Er schwitzte und wirkte völlig unberechenbar. Bobs Herz schlug ihm bis zum Hals.
„Und du. Du konntest nicht einfach mal Fünfe gerade sein lassen? Nach all den Jahren suchst du Tony immer noch?“ Er lachte. „Dass du als Erstes sterben musst, ist ja wohl klar. Ich werde nicht zulassen, dass du auch nur eine weitere Sekunde mit meiner Schwester verbringst, du ungläubiger, unfähiger Nichtsnutz. Und da du hier schön in Kaitlyns Keller liegen wirst, ist das alles nicht mein Problem, sondern ihres. Clever, oder?“ Triumphal lächelte er in die Runde. Es hatte etwas Ominöses.
Dann überschlugen sich die Ereignisse.
Hinter Rick erschien eine Gestalt, die ihm ruckartig mit einem Spaten einen auf den Hinterkopf verpasste. Das Gewehr löste einen wahnsinnig lauten Schuss aus, der Mr Wedlington in die Brust traf. Der wurde rückwärts gegen die Wand gepfeffert, vor der er saß. Mit einem gequälten, kehligen Laut glitt er ungelenk zur Seite und hielt sich den Brustkorb. Zeitgleich sank Rick Brewis vorwärts auf der Türschwelle zu Boden und blieb regungslos auf dem kalten Beton liegen. An seiner Stelle trat eine ältere Frau in Erscheinung, die mit festem Blick und erhobenem Spaten in die Runde schaute: Kaitlyn Gilberts. Das Tigerauge.
Bob blieb die Luft weg. Mit rasendem Herz und klingelnden Ohren sah er zu, wie das Tigerauge sich bückte und dem regungslosen Mann das Gewehr aus den Armen nahm. Sie hielt ihm kurz ihre Hand unter die Nase, um zu überprüfen, ob er noch atmete, dann richtete sie sich schnell wieder auf, lud das Gewehr erneut und richtete es wiederum auf die Gruppe von Gefangenen. Ihr Blick war klar und bestimmt. Und im Umgang mit dem Gewehr wusste sie definitiv, was sie tat. Im Gegensatz zu Rick vorher hielt sie es ruhig und sicher.
Sie sah Justus an. „Guck nach ihm.“ Sie zeigte auf Mr Wedlington. „Verreckt der jetzt?“ Ihr Ton war abfällig. Ihre Stimme tief und rauchig. Mit einer Hand strich sie sich beiläufig eine graue Strähne aus dem Gesicht.
Schweigend drehte sich Justus dem schwer atmenden Mr Wedlington zu und untersuchte ihn. Er knöpfte sein Hemd auf. „Er trägt eine Weste.“
Mr Wedlington lachte gequält. „Sag ich doch, die könnte nützlich werden.“
„Okay, dann setz dich wieder hin, Dicker.“ Sie holte kurz Luft. „Also was zur Hölle ist jetzt hier los?“
Niemand sagte etwas.
„Wer zur Hölle seid ihr?“, raunte sie. Sie schaute sich um und schien Annalise wiederzuerkennen. „Und wo um alles in der Welt hat Rick dich denn aufgegabelt?“
Bobs erster Gedanke, nun da er wusste, dass es Mr Wedlington gut ging, war, dass die Frau für ihr Alter gar nicht so gebrechlich und senil wirkte, wie Rick sie beschrieben hatte – auch wenn es ja durchaus Sinn ergab, dass Rick nicht die verlässlichste Quelle war. Sein zweiter Gedanke war, dass er fürchtete, dass ihre Lage nicht wirklich besser geworden war. Rick hatte sie umbringen wollen und sicherlich wollte Kaitlyn das nun auch, wenn sie herausfand, mit wem sie es zu tun hatte. Ihre Chancen, hier lebend rauszukommen, waren nicht wirklich gestiegen.
„Na los! Redet endlich!“, brüllte sie nun.
„Mich hat er in LA gefunden“, erklärte Annalise einigermaßen ruhig. "Und Arwin hat er hinten im Wald gefunden. Die beiden Jungs sind Studenten." Von Ben sagte sie nichts. War vielleicht besser so.
„Wir wurden von Mr Wedlington angeheuert, Tony wiederzufinden“, sagte Justus.
Kaitlyn Gilberts zog die Augenbrauen hoch. Sie schaute Mr Wedlington ins Gesicht und schien ihn schließlich doch wiederzuerkennen. 20 Jahre hatten ihn sicherlich verändert. „Hm“, machte sie.
Bob wartete ab. Man konnte an den Gesichtszügen der alten Frau erkennen, wie fieberhaft sie nachdachte. Vermutlich hatte sie mit Annalise noch ein Hühnchen zu rupfen. Sie war schließlich weggelaufen und hatte die Sekte hinter sich lassen wollen. Für das Tigerauge sicherlich ein Schlag ins Gesicht. Aber wenn sie sie hierbehielt und Bob, Justus und Mr Wedlington laufen ließ, würden die natürlich zur Polizei gehen. Das hieß, entweder musste sie sie alle laufen lassen, oder keinen.
„Ich bringe euch jetzt erstmal hier weg“, sagte sie schließlich. „Aufstehen, na los.“ Sie ließ ihren Blick zurück zu Mr Wedlington wandern. „Kannst du laufen?“
Mr Wedlington nickte. Sie schnaubte und machte eine eilige Geste mit dem Gewehr.
Zögerlich leisteten die vier Gefangenen ihr Folge. Bob spürte beim Aufstehen, dass er lange gesessen hatte. Sein Rücken tat ihm weh und seine Beine fühlten sich seltsam an.
Das Tigerauge ging rückwärts die Treppe hinauf, die Waffe stets auf die Entführten gerichtet. Sie mussten über den ohnmächtigen Körper von Rick Brewis steigen, als sie über die Türschwelle traten. Bob dachte noch darüber nach, ob man ihn nicht noch in die stabile Seitenlage bringen sollte, aber das hätte Kaitlyn Gilberts sicherlich nicht zugelassen. Vielleicht kam ja bald jemand, der ihm half.
Bob blinzelte, als er ans Tageslicht trat. Draußen war es ein bisschen wärmer als es im Keller gewesen war. Es fühlte sich angenehm an, aber die unsichere Stimmung ließ es nicht zu, dass er sich darüber hätte freuen können. Sie standen jetzt auf dem großen Kiesparkplatz des Gästehauses, von dem aus mehrere Trampelpfade und eine Straße an unterschiedlichen Stellen in den Wald abgingen.
Mit dem Gewehr zeigte die alte Frau auf die Straße, die am anderen Ende des Parkplatzes in den Wald führte. „Da geht's lang“, sagte sie gepresst. Bob setzte sich in Bewegung und begann, den großen Parkplatz zu überqueren. Egal, wo sie jetzt hingingen – niemand würde sie dort finden. Die Frau machte so etwas bestimmt nicht zum ersten Mal.
Trübselig schlurfte er über den Kies, als er plötzlich ein schwaches blaues Licht zwischen den Bäumen sah. Er horchte auf. Da waren Motorengeräusche. Bob blieb stehen und sah dem Licht nach.
„Scheiße!“, hörte er Kaitlyn Gilberts hinter sich murmeln.
Er drehte sich um. Das Tigerauge schien zu überlegen. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, legte sich das Gewehr mit dem Gurt um den Körper und floh über einen der Trampelpfade in den Wald. Es ging alles wahnsinnig schnell.
Mit offenem Mund sahen die Gefangenen ihr hinterher.
Es vergingen nur wenige Sekunden, bis die ersten Streifenwagen die Auffahrt aus dem Wald heraus herauffuhren. Mehrere Beamte sprangen bis auf die Zähne bewaffnet aus ihren Autos.
„Kaitlyn Gilberts ist in den Wald geflüchtet und ist mit einem Gewehr bewaffnet“, rief Justus der vordersten Polizistin entgegen. „Und Rick Brewis liegt bewusstlos dort im Kellereingang.“
Die Polizistin rief ihrer Mannschaft Befehle zu und ließ sie ausschwärmen. Weitere Autos folgten, aus denen weniger schwer ausgerüstete Polizeibeamte hervortraten, die entweder hinterherliefen oder begannen, die Lage vor Ort zu sichern. Unter ihnen sah Bob schließlich Inspektor Cotta aus dem Auto steigen. Dessen gestresstes Gesicht entspannte sich voller Erleichterung, als er die kleine Gruppe von Befreiten entdeckte.
Bob grinste und joggte mit Justus auf ihn zu.
„Seid ihr verletzt?“, rief der Inspektor.
„Mr Wedlington wurde angeschossen, aber er hatte eine Weste an. Er könnte sich allerdings eine Prellung der Rippen zugezogen haben. Und Rick Brewis ist bewusstlos und hat einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf gekriegt“, antwortete Justus außer Atem.
Cotta griff an sein Funkgerät und sprach hinein. „Wir brauchen zwei Krankenwagen.“
Prompt kam eine Bestätigung aus dem Gerät.
„Aber ihr seid okay?“, wandte er sich wieder Bob und Justus zu.
Bob nickte und lächelte. Die Anspannung fing langsam an, von seinen Schultern zu fallen.
„Gut. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die ganze Geschichte. Aber das kann vielleicht auch bis auf dem Revier warten. Jetzt ist erstmal das Wichtigste, dass–“
Den Rest des Satzes hörte Bob nicht mehr. Er hatte den rothaarigen Jungen entdeckt, der gerade aus einem der hintersten Autos auf ihn zulief.
"Peter!", rief er ihm entgegen.
Er konnte sich gerade noch fragen, wie Peter so schnell hier auftauchen konnte, da hatte sein Freund ihn auch schon in seine Arme eingeschlossen.
Bob vergrub sein Gesicht in dessen Kapuzenpulli und atmete durch. Er sog Peters Geruch ein, hörte Peters erleichtertes Lachen. Er war in Sicherheit.
Notes:
Puh, geschafft :)
Was denkt ihr? :)
Chapter 32: Kapitel 32: Die Entschuldigung
Summary:
Eigentlich nichts Weltbewegendes. Was halt nach so einem Showdown alles wieder sortiert werden muss...
Was bisher geschah: Uiuiui, ganz viel. Rick wurde vom Tigerauge überwältigt, dann wollte das Tigerauge die Entführten woanders hinbringen und dann kam zum Glück die Polizei. Und jetzt ist Kaitlyn im Wald, Mr Wedlingtin angeschossen aber okay, Rick bewusstlos auf dem Boden und Bob zurück in Peters Armen :)
Notes:
Hallo, hi, ich lebe noch :)
Ich bin einfach nur soooo gestresst, dass ich gerade ewig für meine Kapitel brauche. Und mit diesem bin ich nicht mal besonders zufrieden, weil so wenig passiert. Aber manchmal brauch man ja auch ein Kapitel, in dem sich die Handlung wieder runterkühlen kann. Bin aber trotzdem gespannt, was ihr sagt.Achso und teilweise korrekturgelesen von Milopoli :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob war gar nicht klar gewesen, wie kalt es in dem Keller gewesen war, aber jetzt, wo er in Peters Armen eingehüllt hier stand, fühlte es sich an, als hätte er sich in eine warme Badewanne gelegt. Peters Körperwärme taute seine kalten Gliedmaßen auf und die ganze Spannung fiel von ihm ab. Die Angst, von Rick oder Kaitlyn erschossen zu werden. Der kurze Schockmoment, als Mr Wedlington von der Wucht des Schusses gegen die Wand geknallt war. Die Sorge, vom Tigerauge genauso beseitigt zu werden wie Liliane Fields. All das fiel jetzt von Bobs Schultern. Mit dem sanften Druck von Peters Armen, mit der Art, wie er Bob mit seinen Fingern über den Rücken strich und damit, wie er ihm liebevoll Küsse an die Seite seines Kopfes drückte, konnte Bob nach und nach seinen Überlebensmodus wieder ausschalten.
Sie waren schon so oft in solchen Situationen gewesen, aber das Adrenalin war jedes Mal das Gleiche. So oft waren sie nur um Haaresbreite davongekommen, aber dieses Mal war es wirklich knapp gewesen. Umso besser, dass es jetzt vorbei war.
Er erinnerte sich daran, wie er vorhin noch gedacht hatte, dass er Peter noch nicht gesagt hatte, dass er ihn liebte. Vielleicht war das ein bisschen dramatisch gewesen, so im Nachhinein betrachtet. Aber irgendwie musste er jetzt grinsen bei dem Gedanken, dass er das jetzt bald tun konnte. Vielleicht war das jetzt gerade nicht der richtige Moment, aber vielleicht heute Abend. Heute Abend könnte er es machen. Wenn sie allein waren. Irgendwie musste das alles langsam mal raus.
„Ich bin so froh, dass es dir gut geht“, murmelte Peter jetzt in seine Haare und lachte – offensichtlich auch erleichtert. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“
Bob drückte sich noch etwas enger an den Körper seines Freundes. Er wusste auch wirklich nicht, was er sagen sollte. Aber vielleicht redete seine Körpersprache ja für ihn. Er war so wahnsinnig froh, dass Peter hier war.
„Zweiter! Wie hast du es denn so schnell hierher geschafft?“
Bob löste sich ein wenig aus der Umarmung und rückte seine verrutschte Brille zurecht. Seinen Arm ließ er um Peter geschlungen, wandte sich dabei aber Justus zu, der jetzt grinsend neben ihnen stand.
„Ja, da staunst du, was Erster?“, antwortete Peter ihm lachend.
„Ich nehme an, du hast gesehen, wie Bob entführt wurde und hast dann Cotta informiert.“
Peter nickte. „Richtig. Ich hab Cotta direkt aus dem Auto angerufen und ihm alles erzählt. Der war natürlich völlig außer sich und hat gesagt, ich soll sofort zum LAPD kommen. Er bräuchte es nicht, dass das dritte Fragezeichen auch noch in Gefangenschaft gerät.“ Er machte eine kurze Atempause und zog die Augenbrauen zusammen. Dann redete er weiter. „Also bin ich brav dahin gefahren und habe dort ausführlich meine Zeugenaussage gemacht. Es wurden natürlich sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt und Ben und sein Wagen wurden zur Fahndung ausgeschrieben. Die ganze Taskforce war in Aufruhr – das hättet ihr sehen müssen.“ Er fuchtelte ein bisschen mit den Händen, während er sprach. Süß, dachte Bob und grinste.
„Eine halbe Ewigkeit später“, fuhr Peter fort, „wollte Cotta mich dann gerade wieder zur Tür bringen – natürlich nicht, ohne dass er mich dreimal hat versprechen lassen, dass ich nicht auf eigene Faust in Calabasas rumrenne – da spaziert plötzlich Ben direkt am Haupteingang zur Tür herein.“
Bob zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Das erklärt natürlich einiges.“
„Der war nämlich plötzlich verschwunden, weshalb Rick dann hierher gekommen ist und uns alle mit seinem Gewehr bedroht hat“, erklärte Justus.
„Von dem, was Ben laut Cotta alles ausgepackt hat, ergibt das sogar Sinn. Also wisst ihr vermutlich schon, dass Kaitlyn das Tigerauge ist, aber dass in diesem Fall Rick der Übeltäter ist?“
Bob und Justus nickten.
„Und Ben hat einfach alle Karten auf den Tisch gelegt?“, wollte Bob wissen.
„Ich denke schon. Also, er wird immer noch verhört. Und er hat auch echt viel zu erzählen. Er hatte wohl schon länger den Eindruck, dass mit Rick was nicht stimmt, sagt Cotta, aber wollte aber seinen Patenonkel nicht hintergehen. Und auch mit dem Tigerauge scheint er fertig zu sein. Er erzählt gerade alles, was er weiß. Wenn er Glück hat, kommt er so mit einer gehörigen Strafmilderung aus der ganzen Sache raus.“
Justus zog anerkennend die Mundwinkel nach unten. „Gut so. Ich würde ihm eigentlich wünschen, dass er für das Umfeld, in dem er aufgewachsen ist, nicht mit einer Gefängnisstrafe bezahlen muss.“
„Naja, er hat ja schon einiges verbockt“, sagte Peter. „Schließlich hat er vier Leute entführt und mit einer Waffe bedroht.“
„Klar“, stimmte Bob ihm zu, „aber ihm wurde auch sehr das Gehirn gewaschen und Rick hat ihn ordentlich manipuliert. Wenn er tatsächlich eigentlich ein guter Kerl ist, wie Annalise sagt, wünsche ich ihm auch, dass er da einigermaßen glimpflich wieder rauskommt.“
„Ja, vielleicht“, sagte Peter. „Aber auf jeden Fall bin ich wahnsinnig froh, dass ihr beide unversehrt seid. Ihr wart da unten im Keller, oder?“ Er zog Bob noch etwas näher zu sich heran und zeigte auf den Kellereingang.
Bob lächelte, während Justus Peter die ganze Geschichte erzählte. Von den Stiefmütterchen im Wald über die Details, die Annalise ihnen im Keller erzählt hatte, bis hin zum großen Showdown der letzten halben Stunde. Vielleicht war es nicht angemessen, bei so einer Geschichte zu lächeln, aber Bob war einfach froh, dass es vorbei war. Und vor allem, dass er Peter wieder im Arm hatte. Das machte alles so viel besser. Er war einfach unendlich erleichtert.
Als Justus seine Ausführungen beendet hatte, fuhren endlich die beiden Krankenwagen vor, die Inspektor Cotta angefordert hatte. Rick war mittlerweile wieder aufgewacht und wurde in Handschellen medizinisch versorgt. Auch Mr Wedlington wurde eingehend untersucht. Beide wurden schließlich in einen Krankenwagen gesetzt und in Begleitung der Polizei weggefahren.
Kurze Zeit später erschienen auch zwei Polizistinnen mit Kaitlyn Gilberts in Handschellen auf dem Waldweg. Sie verfrachteten sie auf den Rücksitz eines gepanzerten Streifenwagens und fuhren davon. Zu guter Letzt blieben nur noch wenige Polizistinnen und Polizisten und die Spurensicherung übrig.
Nach einer Weile wandte sich Cotta den drei Fragezeichen zu. „Ist es für euch in Ordnung, wenn ihr gleich mit aufs Revier des LAPD kommt? Ich denke, ihr werdet froh sein, wenn ihr eure Aussagen hinter euch gebracht habt und nicht morgen nochmal wiederkommen müsst, oder?“
Die drei nickten. Bob war zwar ziemlich erledigt, aber er hatte noch genug Kraft. Vielleicht lag es daran, dass er Peter wieder bei sich hatte. Vermutlich.
Sie setzten sich zu Cotta ins Auto und ließen das Ferienhaus der Gilberts hinter sich. Mit Peters Hand in seiner ließ Bob seinen Blick über das vorbeiziehende Calabasas streifen. Diese eigenartige Stadt mit ihrer eigenartigen Natursekte. Eigentlich sah die Stadt ganz normal aus. So wie jede andere Kleinstadt auch. Er fragte sich, wie viele Leute, die hier wohnten, wohl darüber Bescheid wussten, was hier seit Jahrzehnten im Hintergrund vor sich gegangen war. Vielleicht war es besser, wenn sie es nicht wussten.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie fertig waren mit ihren Aussagen. Das war der Teil des Detektivlebens, von dem man meistens im Nachhinein nicht so viel hörte und der auch nicht in Bobs Protokollen auftauchte: Wie unfassbar lange es dauerte, den Papierkram bei der Polizei zu erledigen. Wie oft sie schon mit Cotta in irgendwelchen Verhörräumen vor einem Aufnahmegerät gesessen hatten – Bob hätte es nicht zählen können, wenn er gewollt hätte. Und so war es auch dieses Mal. Es zog sich einfach unendlich in die Länge. Am Ende hatte Bob schon gespürt, wie die Müdigkeit an seinen Armen und Beinen zerrte. Seine Konzentration schweifte immer wieder ab. Aber jetzt hatten sie es endlich geschafft. Cotta hatte ihnen Take-out bestellt, mit dem sie nun an einem Tisch in irgendeinem offenen Vorraum der Taskforce saßen – das war auch bitter nötig gewesen: Mittlerweile war es schon Spätnachmittags und sie alle hatten den ganzen Tag nichts Richtiges gegessen.
„Was meint ihr, wie viele tatsächliche Leichen das Tigerauge im Keller hat?“ Bob hatte recht lapidar gesprochen, aber eigentlich war es eine Frage, die ihm wie ein Stein im Magen lag.
„Hm?“, machte Justus.
„Naja, Cotta hat doch eben gesagt, dass die Taskforce jetzt tatsächlich anfängt, unter den Stiefmüttercheninseln zu graben. Wie viele fremdverschuldete Tote gibt es da wohl?“
„Ich weiß gar nicht, ob ich es so genau wissen will“, antwortete Peter kauend. „Also eigentlich schon, aber gleichzeitig auch irgendwie nicht. Versteht ihr, was ich meine?“
Justus und Bob nickten.
„Zumindest sind wir nicht diejenigen, die die Leute ausgraben“, sagte Justus.
Bob lachte bitter. „Wie damals, als wir diesen Kerl in der Tiefkühltruhe gefunden haben?“
„Ich weiß gar nicht, was ich an dem Fall schlimmer fand – den Leichenfund oder das Krokodilgehege“, warf Peter ein.
„Definitiv du im Krokodilgehege“, antwortete Bob. „Ich dachte in dem Moment schon, ich müsste mich jetzt endgültig von dir verabschieden.“
Peter legte ihm seine Hand auf den Oberschenkel. Bob lächelte ihn gepresst an. Das war wirklich sehr beängstigend gewesen und die Erinnerung daran drehte ihm den Magen um.
„Wobei einen tatsächlichen Toten zu finden auch nichts für schwache Nerven war“, murmelte Justus in sein Pizzastück.
„Wie dem auch sei“, sagte Bob, „ich hoffe, Ben und Annalise packen ausführlich genug aus, dass die ganzen Menschen, die noch nach Vermissten suchen – wie Professor Fields – endlich einen Haken hinter die ganze Sache setzen können.“
„Ich kann natürlich nichts versprechen, aber ich habe auf jeden Fall alles gesagt, was ich weiß“, ertönte es da hinter ihnen.
Die drei Fragezeichen zuckten zusammen drehten sich um. Hinter ihnen stand Inspektor Cotta mit Ben. Sie mussten gerade erst in den Raum gekommen sein. Ben sah etwas bedröppelt aus in seinen Handschellen, schien sich aber wacker zu halten. Cotta hatte Augenringe und seine Kleidung war schmutzig.
„Benjamin wollte kurz mit euch sprechen“, erklärte der Inspektor. „Ich hoffe, es geht in Ordnung, dass ich es ihm erlaubt habe.“
Die drei Jungs schauten erwartungsvoll von ihrem Tisch zu Benjamin Riesling auf und nickten ihm zu.
Ben trat etwas auf der Stelle und schaute auf seine Füße. Dann sammelte er sich und richtete seinen Blick auf die Detektive. „Ich wollte mich nur bei euch entschuldigen. Vermutlich sind Worte nicht viel wert nach so einer Aktion, aber ich wollte es zumindest mal gesagt haben.“ Er kratzte sich unsicher am Kopf. „Aber naja, ich dachte, ich mache das Richtige – womit ich offensichtlich falsch lag.“ Er wandte sich Justus zu. „Und deine Frage hat letztlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Also danke. Ich hab schon eine Weile lang überlegt, ob mit der Art, wie ich aufgewachsen bin, etwas nicht stimmt, aber es hat einfach sehr lange gedauert, bis ich das überhaupt wahrhaben konnte.“ Er räusperte sich. „Naja, das war’s auch schon.“ Er lächelte ein bisschen unsicher.
„Ja, also ich weiß nicht, ob ich dir verzeihen kann, dass du Bob und Justus entführt hast, aber es ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Peter trocken und tupfte sich mit einer Serviette den Mund ab.
„Danke, dass du die Polizei informiert hast“, sagte Justus etwas versöhnlicher. „Wärst du nicht zur Vernunft gekommen, hätte uns das Tigerauge vermutlich noch sonst wo eingebuchtet oder beseitigt.“
„Ohne mich wärt ihr aber auch gar nicht erst in der Situation gewesen.“
„Rick hätte auch wen anderes gefunden, der das für ihn macht“, lenkte Bob ein. „Was deine Aktion natürlich nicht weniger schlimm macht. Aber immerhin sind wir alle glimpflich davongekommen.“
Ben lächelte gepresst. „Ich bin froh, dass euch nichts Schlimmeres passiert ist.“ Er wandte sich Bob zu. „Und ihr beide seid echt ein sehr schönes Paar.“
Peter schaute ihn ein wenig irritiert an, lächelte dann aber doch ein bisschen versöhnlich. „Danke.“
Cotta zog die Augenbrauen zusammen. „Wer ist ein Paar?“
Justus grinste. „Raten Sie mal, Inspektor.“
Bob stützte seinen Kopf auf seinen Fingerspitzen ab und schmunzelte.
Mit offenem Mund schaute Cotta in die Runde.
„Bob und ich“, erklärte ihm Peter und zuckte mit den Schultern.
Anerkennend zog der Inspektor seine Mundwinkel nach unten. Dann lachte er und schüttelte den Kopf. „Ihr seid auch immer wieder für eine Überraschung gut.“
Bob grinste.
„Ich soll einen Benjamin Riesling abholen.“ In der Tür stand eine kleine schwarzhaarige Polizistin.
„Na dann“, sagte Ben.
Er verabschiedete sich und ließ sie mit Cotta in dem Vorraum zurück.
„Ihr werdet übrigens auch gleich abgeholt, Jungs“, erklärte der Inspektor. „Ich habe mir die Freiheit genommen, eure ehemaligen Erziehungsberechtigten zu informieren – auch wenn ihr jetzt erwachsen seid. Nach der ganzen Entführungsgeschichte und den Schüssen und allem, was geschehen ist, wollte ich einfach nicht, dass ihr für euch allein in euer Wohnheim zurückfahrt und so weitermacht, als wäre nichts passiert. Ihr solltet euch ordentlich erholen.“ Bedächtig fuhr er sich mit seinen Fingern durch den Bart. „Auf jeden Fall sind dein Onkel und deine Tante gleich da, Justus. Und Bob, deine Mutter ist auch auf dem Weg. Peter, deine Eltern habe ich noch nicht informiert, da du ja nicht in dem Keller warst, aber wenn du möchtest, kann ich das auch noch tun.“
Peter grinste. „Nein, nein, das ist schon okay so. Ich gehe gern einfach mit zu Bob.“
„Das glaube ich gern“, sagte Cotta schmunzelnd. Dann setzte er sich zu ihnen an den Tisch. „Dann erzählt doch mal! Was habe ich in der Peter-und-Bob-Liebessaga verpasst?“
„Liebessaga?“, fragte Peter verwundert.
Cotta lachte. „Naja, das wird ja nicht von heute auf morgen passiert sein. Da will ich jetzt schon ein paar Details hören. Außerdem ist mir auch schon aufgefallen, wie sehr ihr euch immer anschmachtet, also ganz an mir vorübergegangen ist das Ganze auch nicht.“
Bob machte große Augen. „Wissen Sie was, Inspektor? Sie sind auch immer wieder für eine Überraschung gut.“
„Jungs, ich bin Inspektor. Fälle lösen ist nicht nur euer Tagewerk, sondern auch meins. Und ihr seid wirklich nicht so subtil, wie ihr denkt.“
„Ja, das haben meine Eltern auch schon gesagt“, gab Peter zu.
Bob lachte. „Haben es einfach alle gemerkt, nur wir nicht?“
„Für alle kann ich nicht sprechen, aber auf jeden Fall einige“, sagte Justus und lachte auch.
Notes:
Ob wohl aufregende und süße Dinge passieren werden, wenn Peter und Bob bei Bobs Eltern sind? ;)
Chapter 33: Kapitel 33: Das Coming-Out
Summary:
Gastauftritt Mrs and Mr Andrews :)
Was bisher geschah: Sie wurden aus ihrer Gefangenschaft befreit und haben bei der Polizei ihre Zeugenaussagen abgegeben. Jetzt wurden Peter und Bob von Bobs Mom abgeholt, damit sie sich in Rocky Beach erholen können.
Notes:
Eigentlich war dieses Kapitel seit Tagen fast fertig, aber es hat mir nicht gefallen, deshalb musste ich nochmal ganz viel dran rumdoktern. Nichts Neues also. Jetzt bin ich einigermaßen zufrieden ;) Ich hoffe, es gefällt euch <3
Viel Spaß
Chris :)Korrekturgelesen von Milopoli 🫶🏼
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
„Entführt!“, sagte Mrs Andrews, sobald sie losgefahren waren. „Schon wieder! Wie oft wollt ihr eigentlich noch entführt werden, bevor ihr euch endlich nicht mehr in solche Situationen begebt?“
„Mom–“
„Und ja, ich bin wirklich froh, dass euch nichts Schlimmeres passiert ist, das bin ich wirklich, aber so langsam–“
„Mom, wir sind Detektive. Dazu haben wir uns entschieden. Ich verstehe, dass das für eine Mutter beängstigend ist, aber wir sind jetzt mittlerweile auch volljährig. Uns ist es das Risiko wert, wenn wir dafür Verbrecher hinter Gitter bringen.“ Bob fragte sich, wie oft er dieses Gespräch schon geführt hatte. Endlos oft. Es verlief immer gleich.
Mrs Andrews verdrehte die Augen. „Meine Güte, ich kann ja eh nichts sagen, was euch davon abhalten würde, oder?“
Bob zuckte mit den Schultern.
„Das ist ein Part des Mutterseins, auf das einen niemand vorbereitet. Was ist, wenn dein Kind ein erfolgreiches Detektivbüro betreibt?“ Sie lachte. „Aber ich bin froh, dass den Rest jetzt wenigstens die Polizei macht, dann könnt ihr euch ordentlich erholen. Peter, soll ich dich bei deinen Eltern abladen?“
Bob sah in den Seitenspiegel, wo sich sein Blick mit Peters traf, der auf der Rückbank saß. Irgendwie hatte Bob sich nicht getraut, sich mit Peter nach hinten zu setzen. Das war ihm irgendwie zu auffällig vorgekommen.
„Mom, eigentlich würde Peter mit bei mir übernachten, wenn ihr nichts dagegen habt.“
Bobs Mutter zog die Augenbrauen zusammen. „Seid ihr nicht ein bisschen alt für Pyjamapartys?“ Sie überlegte kurz. „Aber naja, es ergibt ja auch Sinn, wenn man gerade entführt wurde, dass man dann nicht allein schlafen will. Also meinetwegen ist das okay. Ihr könnt euch ja die Luftmatratze aus dem Keller holen.“
„Nein, Mom, das passt schon, mein Bett ist doch groß.“
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Ihr seid zwei mittlerweile erwachsene Männer – wie du eben nochmal ausführlich betont hast. Ihr wollt tatsächlich miteinander in deinem 1,40-Bett schlafen?“
Wieder trafen sich Bobs und Peters Blick im Spiegel. Oh je. Bob musste sich zusammenreißen, nicht zu lachen. Wenn seine Mutter wüsste, wie sehr sie mit dem miteinander schlafen Recht hatte…
„Mrs Andrews, das haben wir schon oft so gemacht. Wenn wir zu dritt irgendwo übernachten, teilen wir uns ständig Betten miteinander“, half Peter ihm aus.
Bobs Mutter zuckte mit den Schultern. „Mir soll’s recht sein.“
„Aber vielleicht wäre es trotzdem lieb, wenn Sie mich kurz zu Hause absetzen, dann kann ich noch ein paar Anziehsachen holen und danach einfach zu Fuß rüberkommen.“
———
„Mensch, wer hätte gedacht, dass wir dich so schnell schon wiedersehen?“ Bobs Vater kam ihm lachend entgegen und schloss ihn in seine Arme ein.
Na gut, wenigstens war er nicht auch in Alarmstimmung wegen der Entführung. Aber vielleicht tat er auch nur so locker und eigentlich bewegte es ihn genauso sehr wie seine Mom.
„Hi, Dad“, sagte Bob.
Er löste sich aus der Umarmung und rückte seine Brille zurecht. Er war wirklich froh, dass er heute Morgen nicht seine Kontaktlinsen reingemacht hatte. Dann hätte er allein deshalb schon nochmal ins Wohnheim fahren müssen.
Ein bisschen betreten sah er sich in dem so vertrauten Esszimmer um. Es fühlte sich komisch an, hier zu sein und sich so zu Hause zu fühlen, aber gleichzeitig zu wissen, dass er hier nicht mehr wohnte. Es sah alles noch genauso aus wie vor ein paar Wochen. Nichts schien sich verändert zu haben, aber das Gefühl war ein anderes.
„Ich weiß, ihr habt schon gegessen, aber wir hätten noch Nachtisch übrig von heute Mittag, falls ihr was wollt?“, riss ihn Mrs Andrews aus seinen Gedanken.
„Ihr?“, fragte Mr Andrews.
„Peter kommt gleich auch noch.“ Bob spürte, wie es ihn aufgeregt machte, Peter zu erwähnen – so als ob seine Eltern ihm möglicherweise ansehen könnten, dass sich etwas in seiner Beziehung zu ihm verändert hatte. Das gleiche Gefühl hatte ihn vorhin im Auto schon beschlichen.
„Ach so. Übernachtet er hier?“ Mr Andrews lächelte.
Bob nickte.
„Schön, endlich mal wieder ein volles Haus! Soll ich euch die Luftmatratze aus dem Keller holen?“
„Sie wollen keine“, sagte Mrs Andrews und zuckte mit den Schultern.
Bobs Vater sah ihn etwas verwundert an. „Sicher?“
Bob nickte und hoffte, dass sein Vater nicht bemerkte, wie er rot anlief. Er versuchte, den Augenkontakt zu vermeiden.
Mr Andrews zuckte mit den Schultern und setzte sich an den Küchentisch. Er zog einen weiteren Stuhl unter dem Tisch hervor und zeigte darauf. „Na dann, erzähl’ doch mal! Wie wurdet ihr diesmal entführt?“
Lachend und dankbar über den Themenwechsel setzte sich Bob mit an den Tisch. „Seid ihr sicher, dass ihr das überhaupt hören wollt?“
Mrs Andrews lächelte und setzte sich mit ihrer Kaffeetasse dazu. „Ich finde es natürlich besorgniserregend, dass mein Sohn so etwas erleben muss. Aber wir wissen auch, dass du mit jemandem darüber reden können musst, wenn du aus der Sache mental einigermaßen unbeschadet rauskommen willst. Natürlich habt ihr drei euch auch untereinander. Aber wir sind deine Eltern und mit uns solltest du auch reden können. Und außerdem wollen wir ja auch so einfach wissen, was so in deinem Leben passiert – das Gute und das Schlechte.“
Bob lächelte und begann zu erzählen. An sich hatte er gar nicht so sehr Lust darauf gehabt, alles nochmal durchzukauen, aber gleichzeitig tat es auch gut. So sehr Bobs Mutter auch immer skeptisch über die ganze Detektivsache gewesen war, hatte sie doch immer ein offenes Ohr für ihn. Er vertraute seinen Eltern. Er vertraute ihnen wirklich. Dann könnte er ihnen doch vielleicht auch gleich alles erzählen, oder? War nach so einer Entführung ein guter Zeitpunkt für ein Coming-Out? Hm.
„Wo bleibt eigentlich Peter?“, fragte Mr Andrews jetzt, als hätte er Bobs Gedanken riechen können.
„Ach, bestimmt haben seine Eltern auch so einige Fragen“, sagte Mrs Andrews schmunzelnd in ihre Tasse.
„Vielleicht“, antwortete Bob und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Mrs Andrews machte Anstalten aufzustehen. „Naja, dann will ich mich mal nützlich machen und euch eine zweite Bettdecke beziehen. Bist du dir sicher, dass ihr die Luftmatratze nicht braucht?“
Bob atmete laut aus und stützte seinen Kopf in seinen Händen ab. Langsam wurde es echt albern.
„Mom, setz dich mal wieder hin, bitte.“
Sie schaute etwas irritiert, leistete dann aber Folge. Sie setzte sich aufrecht in ihren Stuhl und sah ihren Sohn erwartungsvoll an. Bob sah zu ihr auf und presste die Lippen zusammen. Sein Herz schlug ihm bis in den Hals, aber er hatte sich jetzt entschieden. Er wollte es loswerden. Jetzt war der Zeitpunkt.
„Wir brauchen keine Luftmatratze, Mom.“ Er atmete tief aus und wieder ein. „Peter und ich sind zusammen. Das wäre also nicht das erste Mal, dass wir zu zweit in einem Bett schlafen.“
Es vergingen ein paar Sekunden, in denen Bobs Eltern ihn einfach anstarrten, ohne sich zu bewegen. Man konnte ihnen praktisch ansehen, wie sich die kleinen Räder in ihren Köpfen bewegten und versuchten, das Gesagte zusammenzupuzzeln.
„Ich bin schwul“, fügte Bob hinzu. Der Satz stand trocken in der Mitte des Raumes. Bobs Herz hämmerte noch immer wie wild.
Nach einer weiteren Sekunde brach die versteinerte Miene von Mr Andrews endlich. „Da hattest du aber ein gutes Pokerface, als du ins Wohnheim eingezogen bist und dir gesagt wurde, dass du mit Peter zusammenwohnen kannst.“ Er lachte. „Du hast so gewirkt, als wärst du gar nicht so begeistert von der Idee.“
Ein wenig gepresst lächelte Bob. „Ja, da waren wir auch noch nicht zusammen. Ich dachte da eigentlich, er würde mich niemals auch mögen. Und dann dachte ich, das wird das härteste Jahr meines Lebens, wenn er die ganze Zeit direkt vor meiner Nase rumspringt.“
Er atmete noch einmal tief ein und aus. Es half nicht. Er hatte immer noch das Gefühl, er würde die Luft anhalten. So als müsste er auf der Hut sein. Er sah seine Mutter an. Langsam weichte sich ihr Gesichtsausdruck auch auf. Sie griff nach seiner Hand. „Tut mir leid, Robert, ich bin einfach total überrascht. – Du hattest doch früher ständig Freundinnen.“
Er zuckte mit den Schultern. „Hab‘s halt immer wieder versucht.“ Er sah auf die Tischplatte, als könnte er darin etwas finden, das ihm half. Die Holzmaserung sah interessant aus, aber Beruhigung konnte sie nicht geben. Sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an.
„Oh, Robert.“ Sie stand auf und lief um den Tisch. Dann beugte sie sich zu ihm herunter und schloss ihn von hinten in ihre Arme ein. „Hattest du das Gefühl, dass du uns das nicht sagen kannst?“
„Keine Ahnung“, sagte Bob leise und jetzt konnte er seine Tränen nicht mehr aufhalten. „Hab mich halt nicht getraut.“
„Wir haben es dir ja auch nicht ganz einfach gemacht, wenn wir einfach immer angenommen haben, dass du Mädchen magst“, sagte Mr Andrews jetzt. „Das geht dann vielleicht auch auf unsere Kappe.“
„Also ist es nicht schlimm für euch?“
Mrs Andrews lachte neben seinem Gesicht. „Was soll denn daran schlimm sein? Daran gibt es nichts schlimm zu finden. Du bist halt du. Wir lieben dich so, wie du bist. Schon immer. Und das wird sich auch nicht ändern. Und außerdem: Peter? Peter ist doch einer der liebsten Menschen, die es gibt. Wie könnten wir denn etwas gegen eine Beziehung mit Peter haben?“
Jetzt musste Bob auch lachen. „Ja, ich finde ihn auch ganz in Ordnung.“
Mr Andrews zog belustigt die Mundwinkel nach unten. „Ich denke, du findest ihn vermutlich etwas besser als ‚ganz in Ordnung‘, oder?“
Bob lächelte und wischte sich die Tränen aus dem Augenwinkel. „Ja, schon.“ So langsam fiel die Spannung endlich von ihm ab. Sein Herzschlag beruhigte sich und irgendwie konnte er wieder besser atmen – auch wenn jetzt seine Nase verstopft war.
„Jetzt verstehe ich auf jeden Fall auch, warum ihr die Sache mit der Luftmatratze so amüsant fandet. Die Blicke im Spiegel… Jetzt ergibt das auch alles einen Sinn!“ Bobs Mom gab ihm noch einen Kuss auf den Kopf, dann löste sich von ihm und machte ein paar Schritte auf die Küchenzeile zu. „Na dann haben wir ja richtig was zu feiern heute, oder? Mag Peter Zimtschnecken? Wir haben noch ein paar übrig von heute Mittag.“
„Ich denke schon“, sagte Bob, überfordert mit der Frage und dem plötzlichen Themenwechsel.
„Bestimmt“, mutmaßte Bobs Vater, „wer mag denn keine Zimtschnecken?“
In dem Moment klingelte es an der Tür.
„Ich gehe schon.“ Etwas hektisch stand Bob auf und lief zur Tür. Auf dem Weg wischte er sich die Nase an seinem Arm ab.
„Hey!“, strahlte ihm Peter entgegen.
„Hey“, sagte Bob und musste auch sofort grinsen, als er in Peters schönes Gesicht sah.
Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Hast du geweint?“ Er nahm sein Gesicht in die Hände und sah ihn eindringlich an.
„Hab mich gerade geoutet“, sagte Bob und lachte betreten.
Peters Augen weiteten sich. „Echt? – Und, wie ist es gelaufen?“, flüsterte er.
„Gut“, sagte Bob und lächelte. „Also, sie waren ein paar Sekunden wie versteinert – vermutlich, weil sie echt nicht damit gerechnet haben – aber dann haben sie ganz lieb reagiert eigentlich. Und sie mögen dich sehr, glaube ich.“
Peter zog ihn an sich und hüllte ihn in eine stürmische Umarmung ein. „Ich bin ganz stolz auf dich!“, flüsterte er in seine Haare. Bob wurde ein bisschen von Peters Überschwänglichkeit hin- und hergeschaukelt, aber irgendwie war das schön. Und Peters Freude machte ihm nochmal mehr deutlich, wie erleichtert er eigentlich selbst war. Eigentlich hätten seine Eltern ja kaum besser reagieren können.
„Ich bin auch stolz auf mich“, sagte Bob und grinste in Peters Kapuzenpulli. Er meinte es ernst. Er war wirklich so froh, dass es endlich raus war.
Er legte den Kopf in den Nacken und sah zu Peter hinauf. Sein Freund strahlte ihn an und fuhr mit seinen Händen durch seine Haare.
„Ich freu mich so, dass du hier bist“, flüsterte Bob und küsste ihn. Peter legte seine Hand in Bobs Nacken und küsste ihn zurück. Zweimal, dreimal, viermal. Bob hatte so viele Schmetterlinge im Bauch, er hätte platzen können. Wie beschrieb man so ein Gefühl? Er hatte keine Ahnung.
„Komm, wir gehen mal rein“, murmelte Bob schließlich und grinste.
„Na gut“, sagte Peter und gab ihm einen letzten Kuss auf die Wange.
Bob nahm die Hand seines Freundes und führte ihn zur Küche herein, wo Bobs Mutter gerade dabei war, den Tisch zu decken.
„Hi, Peter!“
„Hi, Mrs Andrews“, sagte Peter ein wenig betreten.
Sie legte den Kopf schief. „Vielleicht sind wir langsam über das Siezen hinaus, oder? Nenn mich doch Poppy! John ist gerade im Keller und holt die Zimtschnecken hoch, die hatte ich da unten kalt gestellt. Magst du Zimtschnecken?“
Peter grinste. “Ja, sehr!”
“Perfekt! Dann setzt euch doch schonmal.”
———
„Na, das lief doch eigentlich ganz gut, oder?“, sagte Peter, als er schließlich neben Bob ins Bett kroch.
Bob gähnte und nickte. „Ich weiß gar nicht, warum ich mich so verrückt gemacht habe.“
Peter rückte ganz nah an Bob heran, sodass sich ihre Nasen fast berührten, und nahm Bobs Hände in seine. „Naja, Coming-Out ist fast immer beängstigend. Davor hat doch fast jeder Angst, oder? Man weiß ja oft einfach nicht, was einen erwartet.“
„Wie war es denn bei dir?“, fragte Bob leise.
„Bei meinen Eltern? Recht entspannt. Ein bisschen nervös war ich zwar schon, aber die Beiden haben so viele queere Freunde und haben immer sichergestellt, dass ich weiß, dass es okay wäre. Deshalb wusste ich eigentlich von vornherein, dass es kein großes Ding sein würde. Bei euch dagegen habe ich total Schiss gehabt. Zumindest so lange, bis du dich geoutet hast. Dann wusste ich zumindest bei dir, dass du kein Problem damit haben würdest. Und dann war Justus ja auch völlig entspannt mit dir – das hat es auch nochmal anders gemacht.“ Er überlegte kurz. „Aber eigentlich hätte ich auch so wissen müssen, dass ihr einfach herzensgute Menschen seid, bei denen sowas nichts ändern würde.“
Bob grinste. „Oder alles.“
„Ja, so im Nachhinein hat sich da ganz schön viel verändert.“ Peter erwiderte das Grinsen und drückte seine Lippen dann sanft auf Bobs. „Aber manchmal ist Veränderung ja auch gut.“
Peter rückte jetzt noch ein Stück näher an Bob heran, sodass er ihn in den Arm nehmen konnte. Er legte seine Arme um ihn und begann, langsam mit seinen Fingern über den Rücken, die Arme und durch die Haare zu streichen. Bob ließ sich in die Berührungen fallen. Jetzt, hier, so wie es war, hätte er für immer bleiben können. Es war perfekt.
„Wie geht’s dir denn jetzt? Also mit der Entführung und so?“, fragte Peter schließlich.
Bob dachte nach. Er merkte, dass er echt müde war. Aber abgesehen davon war er eigentlich vor allem glücklich. Die Beziehung mit Peter, das gut gelaufene Coming-Out – irgendwie gab es so viel Positives, dass das Negative ihn gar nicht so sehr runterzog. „Eigentlich ganz gut“, sagte er deshalb. „Ich bin froh, dass du hier bist, und alles andere ist mir gar nicht so wichtig.“
„Verdrängen ist aber auch nicht gut.“
„Das stimmt. Aber vielleicht muss ich auch erstmal ‘ne Nacht drüber schlafen. Ich bin total müde.“
Peter lachte. „Ja, Schlaf klingt nach einer echt guten Idee.“
„Hm“, machte Bob. Er spürte schon, wie er langsam abdriftete, während Peter ihm einen Kuss auf die Stirn drückte.
Sein letzter Gedanke war, dass er Peter immer noch nicht gesagt hatte, dass er ihn liebte.
Aber morgen war ja auch noch ein Tag.
Notes:
Ich hoffe, dir geht's gut und du hast einen schönen Tag :) Schicke dir Liebe :)
Chapter 34: Kapitel 34: Der Tag danach
Summary:
Sehr niedliche Dinge und Frieden
Notes:
Hiii
Sorry, dass ich momentan so wenig update, ich arbeite leider viel zu viel. Heute mache ich mal nichts, deshalb kommt jetzt endlich mal ein neues Kapitel. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Geschichte dieses Jahr noch fertigzustellen. Mal sehen, ob ich es schaffe. Die zwei Kapitel könnte ich eigentlich noch schaffen in den nächsten 3 Wochen, aber mal sehen, wie sehr mich die Arbeit so stresst.
Viel Spaß mit dem neuen Kapitel :) Heute mal wieder sehr PuB-lastig :)
Gegengelesen von @Milopoli :)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Bob fragte sich, ob er sich wohl jemals daran gewöhnen würde, wie schön es war, neben Peter aufzuwachen. Morgens die Augen aufzumachen und den roten Haarschopf nur wenige Zentimeter von sich entfernt zu sehen, glänzend erleuchtet vom Morgenlicht, das durch die Vorhänge ins Zimmer drang – es war genau das, was sich Bob in seinen kühnsten Tagträumen ausgemalt hatte. Die Sorte von Tagträumen, die einen traurig machten, weil man dachte, sie würden niemals in Erfüllung gehen. Aber jetzt lag er hier. Mit Peter. Er konnte einfach an ihn heranrücken, seine Arme um ihn legen, seinen Geruch einatmen. Hilfe, Bob war einfach so verliebt. War er schon immer so schnulzig gewesen?
Peter atmete tief ein und drehte sich in Bobs Armen um, sodass sein Gesicht genau vor Bobs war. Müde blinzelte er ihm entgegen und lächelte. „Morgen.“ Er gähnte und sah dabei unheimlich niedlich aus.
Bob lächelte zurück. „Morgen.“ Mit seinen Fingern spielte er mit dem Ärmel von Peters T-Shirt.
Jetzt streckte auch Peter seine Hand nach Bob aus und zog ihn noch näher zu sich. Bob spürte dessen Wärme sofort auf der ganzen Länge seines Körpers. Es war berauschend. „Weißt du, das ist das schönste Gefühl der Welt, neben dir aufzuwachen“, flüsterte er und küsste ihn.
Bob legte seine Hand an Peters Wange, strich an seiner Haut entlang. Es war ein sanfter Kuss – langsam und gelassen. Sie hatten schließlich alle Zeit der Welt. Keine Ermittlungen mehr, keine Unsicherheiten.
Aber irgendwann fing es an, in Bobs unterem Bauch zu kribbeln. Er tastete sich vor, legte seine Hand an Peters Bauch unter seinem Shirt.
Peter reagierte sofort, atmete scharf ein, hatte seine Hände in Bobs Haaren, vertiefte den Kuss, verwob ihre Beine miteinander. Dann löste er sich ein bisschen und lachte. „Mir gefällt das auch ganz gut.“
„Was?“, fragte Bob geistesabwesend. Hatten sie über irgendwas geredet?
„Ich mag es auch, neben dir aufzuwachen“, hauchte Peter und lachte.
„Ach so.“ Stimmt. Das hatte Bob ja gesagt.
„Ja“, sagte Peter und küsste ihn wieder.
Es war eine alberne Konversation, aber Bob konnte nicht richtig denken. Er war ohnehin noch nicht richtig wach und jetzt fing Peter an, seinen Hals zu küssen. Sein Hirn hatte keine Chance. Bob schloss die Augen und genoss. Peters Hände griffen in das Shirt in seinem Rücken, rissen förmlich daran, bis Bob es sich über den Kopf ziehen ließ. Kurze Zeit später hatte Peter seins auch verloren. Bob hatte noch kurz den Gedanken, ob er Peter nicht zuerst fragen sollte, was er machen wollte oder wofür er bereit war. Aber da stützte sich Peter auch schon mit einer Hand auf der Matratze ab und ließ seine Küsse nach und nach immer weiter an Bobs Körper nach unten wandern und der Gedanke war wieder futsch.
Ja – ne. Denken war heute Morgen noch nicht drin.
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„Ich mag, wie sehr man dich mit Berührungen außer Gefecht setzen kann“, sagte Peter grinsend, während er sanft Kreise auf Bobs Rücken zeichnete.
Bob lächelte. Er mochte die Ruhe, die sie gerade miteinander hatten. Er liebte diesen Moment, wenn das ganze Verlangen und die Dringlichkeit sich gelöst hatten und sie einfach nur sein konnten. Wenn sein Kopf einfach mal Ruhe gab.
„Ich glaube, das hat aber auch schon spezifisch etwas mit deinen Berührungen zu tun.“
Peter lachte. „Kaum zu glauben, dass ich wirklich dachte, du würdest nicht auf mich stehen.“
Bob grinste verschmitzt. „Also falls du bis jetzt nicht überzeugt warst, war die letzte halbe Stunde wahrscheinlich Beweis genug, oder?“
„Ja, ich denke, ich habe den ein oder anderen Hinweis bekommen, dass ich dir eventuell gefallen könnte.“
„Aber auch nur eventuell.“
Peter verdrehte die Augen.
„Wie lang magst du mich eigentlich schon?“, fragte Peter schließlich.
„Lang“, erwiderte Bob trocken, „sehr, sehr lang.“ Er überlegte kurz. „Erinnerst du dich noch an Evan? Mit dem ich damals in der High-School mal mehr Zeit verbracht habe?“
„Der aus dem Theater-Club, aus dem Jahrgang über uns?“
Bob nickte. „Mit dem war ich damals zwei Wochen zusammen. Dann hat er gemerkt, wie ich dich ansehe und hat wieder Schluss gemacht. Ich hab natürlich alles abgestritten, aber er hatte eindeutig Recht.“
Peters Augen weiteten sich. „Wild! Ich habe mich immer gefragt, woran eure Freundschaft damals gescheitert ist. Du wolltest nie darüber reden.“
Bob lachte trocken. „Eine ganz normale Jungsfreundschaft inklusive Rumknutschen in der Requisitenkammer – wer kennt sie nicht?“
„Ernsthaft?“ Peter lachte. „Da riecht es doch total muffig!“
Bob zuckte mit den Schultern. „Und deshalb ist man da definitiv allein.“
Peter prustete. „Ja, so kann man es natürlich auch sehen.“ Er überlegte kurz. „Aber wie lang ist das jetzt her? Zwei Jahre?“
„So anderthalb vielleicht?“
„Und so lange magst du mich schon?“
Bob zog die Mundwinkel nach unten. „Ne, vielleicht eher so drei. Also seit es mir bewusst ist. Davor bestimmt auch schon.“
„Krass“, sagte Peter und strich Bob eine Locke aus dem Gesicht.
„Wie war es denn bei dir?“
„Hm“, machte Peter, „vielleicht ein dreiviertel Jahr oder so? Ich musste halt erstmal über Kelly hinwegkommen. Aber als mir bewusst geworden ist, dass ich dich nicht nur als einen guten Freund sehe, habe ich dann auch rückblickend gemerkt, dass ich das eigentlich schon länger so fühle. Aber ich könnte es jetzt nicht an einem bestimmten Punkt festmachen.“
„Hm“, machte Bob wieder. Peter malte noch immer mit seinem Finger langsame Kreise auf Bobs Rücken, die überall eine kleine Spur von Gänsehaut hinterließen. Es war angenehm und löste tiefe Geborgenheit aus. Bob wollte, das Peter nie damit aufhörte.
„Sag mal“, fuhr Bob fort, „der Tag, an dem du mich geküsst hast, hattest du das da die ganze Zeit schon vor, oder war das spontan?“
Peter lachte. „So ne Mischung. Also bis zu deinem Outing wäre mir nicht mal im Traum eingefallen, dass du mich auch mögen könntest. Aber ab dem Zeitpunkt, als ich wusste, dass du schwul bist, habe ich mir jeden Tag ununterbrochen den Kopf zerbrochen und alles, was du getan und gesagt hast, auf die Goldwaage gelegt.“
„Klingt anstrengend.“
„War es auch. Jeffrey musste sich echt viel anhören. Ich hab immer mal wieder überlegt, ob ich nicht irgendwie was versuchen sollte, oder was sagen, was bei dir eine Reaktion auslösen könnte, die mir Klarheit verschaffen würde. Und als du dann gesagt hast, du denkst, ich würde dich niemals mögen – keine Ahnung – da hab ich gedacht, vielleicht magst du mich doch.“
Bob grinste. „Mochte ich ja auch.“
„Du hattest auf jeden Fall eine sehr ungewöhnliche Art, es zu zeigen. Ich dachte, ich hab jetzt eine jahrelange Freundschaft zerstört und du hasst mich.“
Bob presste die Lippen zusammen. „Ja, da ist meine Panik wohl mit mir durchgegangen. Ich konnte das irgendwie gar nicht einordnen.“
Peter lächelte. „Ich bin froh, dass du es dann doch noch irgendwann eingeordnet gekriegt hast.“
Bob lächelte zurück. „Dafür kannst du dich bei Justus bedanken.“
Peter lachte. „Ernsthaft?“
„Ja, er hat mich irgendwann gefragt, was eigentlich los ist, und dann hab ich ihm alles erzählt. Dann hat er mich gefragt, was ich denke, warum du mich geküsst hast, und ich hab gesagt, dass ich es nicht weiß. Vielleicht wolltest du dich ausprobieren oder hattest Mitleid mit mir.“
Bob lachte, als er Peters entgeisterten Gesichtsausdruck sah.
„Das hast du gedacht?“
Bob zuckte mit den Schultern. „Ich konnte es mir halt nicht erklären, wenn ich mir gleichzeitig keine Hoffnungen machen wollte.“
„Und wie hat Justus reagiert?“
„Er hat mir nen Vogel gezeigt. Also nicht wirklich. Aber er hat mich halt kritisch hinterfragt. Wie Justus das halt so macht.“
Peter nickte wissend. „Kann ich mir vorstellen.“ Er räusperte sich. „Das erscheint mir keine sinnige Schlussfolgerung darzustellen.“
Bob lachte. „Wow. 1-A-Justus-Impression.”
Peter grinste. “Ich hab auch meine verborgenen Talente.“
Es war kurz still. Dann nahm Bob Peters Hand und blickte ihn ernst an. „Es tut mir leid, dass ich dich so lange hingehalten habe.“
Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Naja, ich hab ja auch nichts gesagt. Wir haben einfach generell schlecht miteinander kommuniziert.“
„Mag sein“, sagte Bob.
„Mir tut es leid, dass der erste Kuss so ein Überfall war.“ Peter presste die Lippen zusammen. „Irgendwie ist mir in dem Moment jede Zurückhaltung flöten gegangen.“
„Ja, du warst sehr stürmisch“, sagte Bob und lachte wieder. „Aber jetzt, wo ich weiß, wie es gemeint war, finde ich das sehr anziehend. In dem Moment war ich halt einfach überfordert. Aber so generell mag ich es, wenn du ein bisschen stürmisch bist.“
„Ist das so?“, fragte Peter und lachte auch.
Bob drehte sich wieder auf die Seite, sodass sein ganzer Körper Peter zugewandt war, und sah ihm in die Augen. „Du darfst mich so oft du willst mit Küssen überfallen.“
„Du bist ja kitschig.“ Peters Augen funkelten amüsiert.
„Vielleicht.“ Vorsichtig lehnte er sich nach vorne und küsste ihn. „Ich hab das Gefühl, du machst mich momentan zu einem sehr kitschigen Menschen.“
„Woran könnte das wohl liegen?“
Bob zuckte die Schultern und zog einen Mundwinkel hoch. „Vermutlich daran, dass ich dich liebe.“
Peter fiel die Kinnlade herunter.
„Und du musst das auch nicht zurücksagen. Aber ich hatte irgendwie, als wir da in dem Keller saßen, diesen Gedanken, dass ich dir noch nicht gesagt habe, dass ich dich liebe, und das hat mich irgendwie so gefuchst. Dieser Gedanke, dass, wenn uns was passiert, du das nie von mir gehört haben würdest. Deshalb musste ich das jetzt einfach mal aus–“
„Ich liebe dich auch“, fiel Peter ihm ins Wort.
Bob schloss den Mund.
Peter grinste in ihn an. „Ich liebe dich so sehr. Du hast ja keine Vorstellung.“
Bob wusste jetzt gar nicht mehr, was er sagen sollte. Sein Herz hämmerte einfach wahnsinnig schnell und alles in ihm schrie vor Glück. Anstatt ihm zu antworten, zog er ihn einfach zurück in einen Kuss.
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„Also wollt ihr auch jetzt gleich mit nach LA kommen?“, schallte es aus Peters Handy.
„Wir haben ja heute schon genug Vorlesungen verpasst, oder?“, sagte Bob.
„Wie ihr wollt“, antwortete Justus.
„Die Frage ist nur, wie wir zurückkommen“, merkte Peter an, der sich jetzt wieder neben Bob ins Bett kuschelte. Er war gerade unter der Dusche gewesen und roch jetzt frisch nach Bobs Duschgel. „Mein Auto steht noch in LA vor dem Polizeipräsidium. Bobs Käfer ist auf dem Uniparkplatz. Wo ist denn dein Auto, Just?“
„Das wurde von der Polizei in Rick Brewis’ Hinterhof gefunden und befindet sich im Gewahrsam der Spurensicherung.“
„Unpraktisch“, sagte Bob.
„Naja, um ehrlich zu sein, habe ich mich bereits um eine Mitfahrgelegenheit für uns gekümmert“, sagte Justus feierlich und man konnte hören, dass er grinste.
„Aha?“, rief Peter. „Fährt uns etwa Titus mit dem Transporter, wie in alten Zeiten?“
„Das hatten wir aber lange nicht mehr“, warf Bob ein.
„Ihr zieht logische Schlussfolgerungen“, lobte sie Justus. „Fast so, als könntet ihr Detektive sein.“
Bob und Peter verdrehten zeitgleich die Augen und lachten.
„Also, wir wären so in einer Stunde bei euch?“
„Klingt gut“, sagte Bob.
„Bis später, Kollegen.“
„Bis später“, sagten auch Bob und Peter und legten auf.
„Dass der Transporter überhaupt noch fährt nach all den Jahren, ist echt ein Wunder.“
Bob lachte. „Vielleicht bleiben wir ja auf halber Strecke auf dem Highway liegen.“
Als sie eine Stunde später Hand in Hand aus Bobs Haustür traten, staunten sie nicht schlecht. Da stand keineswegs der Transporter des Gebrauchtwagencenters T. Jonas, sondern Trevors Auto mitsamt Trevor selbst am Steuer. Bob fiel die Kinnlade herunter.
„Ich dachte, dein Onkel fährt uns, Just“, sagte Peter lachend, während er Bob die Autotür aufhielt.
„Das habe ich nie gesagt, Zweiter. Ich habe lediglich festgestellt, dass ihr beide logische Schlussfolgerungen zieht. Mit keiner Silbe behauptete ich, ihr hättet damit richtig gelegen.“
Peter reichte mit seiner Hand nach vorne und schnipste Justus grinsend an den Hinterkopf.
„Schön, dich zu sehen, Trevor“, sagte Bob.
„Ihr beiden habt euch gegenseitig als emotional support, Justus hat mich, das ist nur fair“, flötete Trevor, während er den Wagen souverän auf die Straße lenkte.
„Ah ja, um Fairness geht es hier also, alles klar.“ Peter lachte.
„Dafür, wie geistesverloren du mich gestern früh angerufen hast, gestehst du mir sehr wenig Fürsorge für meine Mitbewohner zu, mein Lieber.“
„So schlimm war ich gar nicht“, murmelte Peter.
Trevor lachte laut. „Girl, ich bitte dich. Das war full panic mode. Und dafür musst du dich auch nicht rechtfertigen, das war eine komplett gestörte Situation. Völlig verständlich, dass du aufgelöst warst. Aber ich darf mich ja wohl auch um meinen Mitbewohner sorgen. Zumal Justus die ganze Nacht in dem Keller gehockt hat.“
„So schlimm war das nicht“, warf Justus ein. „Wir waren schon etliche Male in Gefangenschaft.“
Trevor fasste sich mit der Hand an den oberen Nasenrücken und seufzte. „Das macht es nicht besser.“
Justus zuckte mit den Schultern.
„Seit wann bist du denn in Rocky Beach gewesen, Trevor?“, wollte Bob jetzt wissen.
„Seit gestern Abend“, antwortete Justus für ihn.
Bob grinste. Trevor hatte also auch einen ganzen Tag an Vorlesungen für Justus sausen lassen. Süß.
„Ach deshalb hast du uns gestern Abend keine Lagebesprechung mehr reingedrückt“, witzelte Peter.
„Das hätte ich auch so nicht“, schmollte Justus.
„Hättest du wohl, Just“, sagte Trevor jetzt wieder lachend. Er suchte Bobs Blick im Spiegel. „Ich habe ihm das Handy abgenommen.“
Bob zog einen Mundwinkel hoch. Die Szene konnte er sich bildlich vorstellen. Er sah zu Peter herüber und ihre Blicke trafen sich. Bob würde ihn auf jeden Fall nochmal auf das Telefonat ansprechen müssen, dass er mit Trevor geführt hatte. Peter musste ja außer sich gewesen sein. Und Bob hatte nicht da sein können, um ihn zu beruhigen. Er war sich zwar sicher, dass Trevor ihn bestimmt gut hatte auffangen können, aber das war eben nicht das gleiche. Bob hatte Peter schon immer am besten beruhigen können.
Er griff nach Peters Hand und drückte sie. Vielleicht hatte Trevor ja recht. Vielleicht unterschätzten sie die emotionalen Auswirkungen ihres Detektivlebens wirklich zu sehr. Wer wusste schon, wie oft sie noch ein so verdammtes Glück haben würden.
Notes:
Würde mich sehr freuen, von euch in den Kommentaren zu hören :)
Chapter 35: Kapitel 35: Der Auftraggeber
Summary:
Der Fall schließt sich und Justus redet über Gefühle :)
Notes:
Hilfe Leute, das ist das vorletzte Kapitel, ich werd schon ganz traurig :( Und es hat sooo lange gedauert, das zu schreiben, weil ich es voll schwierig fand, die ganzen offenen Enden gescheit zu verknüpfen. Also sorry, dass ihr schon wieder so lange warten musstet. Das nächste/letzte dauert hoffentlich nicht ganz so lang. Eigentlich wollte ich die Geschichte dieses Jahr noch zu Ende bringen, aber das Ziel verpasse ich jetzt wohl um ein paar Tage...
Ich schicke euch ganz viel Liebe!
Korrekturgelesen von @Milopoli (bedankt euch bei Mi, denn ohne die Korrektur würde dieses Kapitel signifikant öfter die Wörter tatsächlich, natürlich und allerdings enthalten, mein Brain ist kaputt :D)
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Als die drei Fragezeichen in Mr Wedlingtons Straße einbogen, staunten sie nicht schlecht. Es waren ein paar Tage vergangen seit dem Wochenende und sie wollten ihren Auftraggeber ein letztes Mal besuchen und mit ihm alles besprechen, was die Polizei seitdem herausgefunden hatte. Als sie nun dort ankamen, stand vor der Einfahrt des Mannes ein großer Kipplaster, auf den mehrere Menschen den Sperrmüll warfen, der um das Haus verteilt war. Es sah schon viel sauberer und ordentlicher aus. Peter parkte den MG mit etwas Abstand. Die Jungs stiegen aus, und betrachteten das Geschehen mit offenen Mündern. Das Haus wirkte total anders. Es sah gleich viel einladender aus.
„Na? Da staunt ihr nicht schlecht, was?“ Mr Wedlington lief ihnen vom Haus aus entgegen. „Heute Nachmittag kommt auch noch eine Firma, die die Fassade streichen wird.“ Er grinste breit. „Jetzt, wo ich hier endlich nicht mehr ermitteln muss, werde ich alles dafür tun, so schnell wie möglich aus dieser Gegend wegziehen zu können. Mein Weg zur Arbeit ist ohnehin viel zu weit.“ Stolz stützte er seine Hände in seine Hüften und betrachtete den Fortschritt der Arbeitenden.
„Aha, wo arbeiten Sie denn?“, fragte Peter.
Bob war irgendwie froh, dass jemand endlich mal diese Frage aussprach. Niemand von ihnen wusste, was Mr Wedlington beruflich machte, und irgendwie war es auch schwierig, ihn sich überhaupt in irgendeinem Beruf vorzustellen.
„Im Süden von LA“, sagte der ältere Mann, „ich leite ein internationales Druckereimuseum. Das ist hochinteressant. Ja, das kann ich euch nur empfehlen.“ Er sah ermutigend in die Runde.
„Klingt toll.“ Peter nickte ihm anerkennend zu, aber in seinem Blick sah Bob, dass er versuchte, seine Skepsis zu überdecken. Ein Druckereimuseum entsprach sicherlich nicht seiner Vorstellung von einem aufregenden Nachmittag. Bob unterdrückte ein Grinsen.
„Außerordentlich spannend“, sagte Justus und begann, ihn dazu auszufragen. War ja klar, dass Justus das wieder cool fand.
Während der erste Detektiv mit ihrem Auftraggeber redete, versuchte Bob sich vorzustellen, wie Mr Wedlington einen Haufen Senioren über Johannes Gutenberg aufklärte. Irgendwie passte es. Er nahm Peters Hand und folgte den anderen ins Innere des Hauses. Es sah noch immer wahnsinnig beeindruckend aus. Sein Museum musste sehr viel erfolgreicher sein, als man das vielleicht erwartete. Oder vielleicht hatte er reich geerbt. Die kleine Gruppe zog ihre Schuhe im Flur aus, bevor sie über den teuren Teppich des Wohnzimmers hin zu den Sofas gingen. Auf dem Tisch standen bereits dampfender Tee und ein kleiner Gugelhupf-Kuchen.
Erneut wurde Bob bewusst, wie sehr sie sich in Mr Wedlington getäuscht hatten. Klar, er bildete seine Sätze irgendwie auf eine chaotische Art und Weise. Er wirkte immer etwas hektisch und nicht besonders gesammelt – vor allem, wenn er aufgeregt war. Aber irgendwie hatten sie sich davon täuschen lassen, wie sein Grundstück aussah, und so seine wirre Sprache als Zeichen für einen nicht ganz zurechnungsfähigen Charakter interpretiert. Aber das war ganz und gar nicht der Fall. Er war sicherlich nicht der beste Ermittler gewesen und sein Dokumentenchaos bewies nicht gerade Organisationstalent, aber das hieß ja noch lange nicht, dass man ihn nicht ernst nehmen durfte. Bob fragte sich, wie es sich wohl für den Mann angefühlt hatte, dass ihm so lange niemand wirklich geglaubt hatte. Ja, Tony war nicht entführt worden, aber dennoch ist er einer gemeingefährlichen Sekte auf der Spur gewesen und niemand hatte ihn dabei für voll genommen. Eigentlich war es überraschend, dass der alte Mann noch immer so guten Mutes wirkte. Manch anderer wäre in all den Jahren vielleicht verbittert geworden.
Etwas ungeschickt entschuldigte sich Mr Wedlington jetzt bei den Detektiven und verschwand in die Küche. Wenige Sekunden später kam er mit einer großen Kanne zurück. „Ich habe noch warmen Kakao gemacht“, verkündete er. „Ich wusste nicht, was ihr lieber mögt.“
„Sehr gut!“, strahlte Peter. Bob schmunzelte. Peter war einfach süß.
Mr Wedlington setzte sich in den großen Ohrensessel und stöhnte etwas dabei. „Ach ja, man wird ja auch nicht jünger.“ Er lachte. „Nein, ich mache Späße. Meine geprellten Rippen tun noch etwas weh beim Hinsetzen. Aber das sollte sich in ein paar Tagen erledigt haben.“
Die drei Fragezeichen nickten verständnisvoll.
„Es ist ja letztlich niemand zu physischem Schaden gekommen, das ist sehr gut, ja.“ Er kratzte sich am Hinterkopf. „Ich habe gehört, Rick hat nur eine leichte Gehirnerschütterung?“
„So hat es uns die Polizei mitgeteilt“, bestätigte Justus. Bob fragte sich, woher Mr Wedlington die Information hatte, aber vielleicht hatte der einfach seine Quellen.
„Ja-ja“, fuhr der ältere Mann gedankenverloren fort. „Die Polizei hat jetzt eine Heidenarbeit hier in der Stadt. Man kann kaum noch durch Calabasas fahren, ohne dass man mindestens einem Streifenwagen begegnet. Es gibt ständig neue Verhaftungen und Hausdurchsuchungen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie hier die Gerüchteküche brodelt. Das ist unfassbar, ist das alles.“
Peter nickte. „Naja, bei so viel Steuerhinterziehung, dubiosen Geld- und Immobiliengeschäften und Versicherungsbetrug, wie es in Professor Fields‘ Unterlagen zu finden war, werden jetzt wohl einige mit dem Gesetz aneinandergeraten. Das war ja lange überfällig.“
„Das stimmt“, bestätigte Bob, „und außerdem haben die Zeugenaussagen von Ben, Annalise und Tony auch noch einiges zutage gefördert.“
„Ja, wortwörtlich“, sagte Peter mit hochgezogenen Augenbrauen.
Mr Wedlington sah etwas betroffen in die Runde. „Also hat das Tigerauge wirklich Menschenleben auf dem Gewissen?“
„Ganz offiziell ist das noch nicht“, erwiderte Justus ruhig. „Laut Inspector Cotta hat es auch einige illegale Bestattungen gegeben, sodass bei vielen Menschen erst einmal geklärt werden muss, ob sie durch natürliche Umstände verstorben sind oder nicht.“
„So staatskritisch wie diese Gruppe ist, wundert mich das nicht“, antwortete ihr Auftraggeber. „Die haben sich sicherlich nicht an Beerdigungsregularien gehalten.“
„Allerdings wurde der Mann, den Rick auf dem Gewissen hat, tatsächlich in der Nähe des damaligen Maisfeldes gefunden und dafür muss er sich auf jeden Fall verantworten“, sagte Bob.
„Und Liliane Fields wurde auch gefunden“, erklärte Peter. „Es muss aber erst noch festgestellt werden, ob sie durch die Umstände des Autounfalls oder durch weitere Fremdeinwirkung gestorben ist. Aber selbst, wenn Kaitlyn Gilberts damit nichts zu tun hatte, muss sie sich immer noch für eure Gefangennahme verantworten.“
Mr Wedlington presste die Lippen zusammen.
„Ich habe außerdem gestern etwas länger mit Professor Fields gesprochen“, hakte sich Justus wieder ein. „Er wirkte eigentlich ganz gefasst. Er hatte schon lange damit gerechnet, dass seine Tochter nicht mehr am Leben ist, aber es schwarz auf weiß zu bekommen wird sicher auch nicht einfach gewesen sein. Aber vielleicht kann er nun endlich damit abschließen.“
„Ja, das ist wirklich erschütternd alles“, sagte Mr Wedlington und sah nachdenklich aus dem Fenster. Dann fasste er sich schnell wieder und sah in die Runde. „Ich habe gehört, ihr seid Tony bereits begegnet?“
Bob lächelte. „Sind wir. Verrückterweise hat sie aber uns gefunden und nicht wir sie.“
Der ältere Mann grinste. „Ja, sie war schon immer für eine Überraschung gut. Sie hat mich gestern angerufen, wisst ihr das?“
Die drei Fragezeichen schüttelten die Köpfe.
„Sie hat mir erzählt, dass wir einen gemeinsamen Sohn haben. Ist das nicht verrückt? Aber den kennt ihr ja schon, habe ich gehört. Ich finde das alles äußerst aufregend. Sie hat ihn tatsächlich Levi genannt, wie wir damals geplant hatten – allerdings nur mit Zweitnamen.“
„Trevor heißt mit Zweitnamen Levi? Das wusste ich ja gar nicht“, sagte Peter.
„Ich schon“, erklärte Justus und grinste stolz. Bob und Peter warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
„Naja, auf jeden Fall“, unterbrach Mr Wedlington sie wieder, „werde ich mein Bestes tun, den armen Jungen nicht zu überfordern. Selbstredend würde ich ihn gern kennenlernen, aber ich werde ihm natürlich freistellen ob und wann er das möchte. Er wusste ja all die Jahre gar nichts von mir.“
„Das klingt sehr sinnvoll“, lobte ihn Justus.
„Aber Tony und ich werden uns nächste Woche treffen. Ich bin sehr gespannt, ja.“
Bob fragte sich, wie es wohl wäre, bei diesem Treffen Mäuschen zu spielen. Die beiden hatten sich sicher viel zu erzählen.
„Aber ich muss auch sagen“, fuhr Mr Wedlington fort, „dass es sehr unbefriedigend ist, dass noch nicht alles geklärt ist. Zum Beispiel gibt es noch eine weitere vermisste Person, die niemand gefunden hat, und ich habe mich ja immer gefragt, was es mit dem Einbruch in dem Museum auf sich hatte, bei dem damals das Amulett gefunden wurde.“
Bob räusperte sich. „Die vermisste Person ist leider immer noch nicht aufgetaucht, aber zu dem Einbruch im Museum hat sich Ben Riesling bekannt. Er wurde für seine Initiierung dazu gezwungen, dort Dokumente mit Fälschungen auszutauschen. Dabei ging es um Grundstücksgrenzen für Kaitlyns Imperium.“
Mr Wedlington zog anerkennend die Mundwinkel nach unten. „Von diesen kriminellen Initiierungsriten habe ich schon einmal gehört.“
„Sie schweißen die Gruppenzugehörigkeit stark zusammen, weil die Sekte so etwas gegen jeden in der Hand hat“, erklärte Justus. „Ben war damals noch minderjährig. So etwas kann sehr prägend sein.“
„Wir können echt nur hoffen, dass sie den Laden jetzt endlich auflösen und nicht einfach das nächste Tigerauge gekürt wird“, sagte Peter.
„Ja, hoffen wir’s“, sagte Bob.
„Auf jeden Fall, Jungs“, schaltete sich ihr Auftraggeber jetzt wieder ein, „möchte ich euch zum Abschied als Dankeschön etwas schenken. Ich weiß, ihr wollt nicht bezahlt werden, aber vielleicht möchtet ihr die schusssicheren Westen behalten? Als Zeichen meiner Dankbarkeit? Ich bin mir sicher, ihr werdet sie auch in Zukunft noch gut gebrauchen können.“
Bob lachte. „Ich denke, wir hätten sie auch in der Vergangenheit schon gut gebrauchen können.“
Peter lachte auch. „Ja, in der Tat, vielen Dank, Mr Wedlington.“
„Vielen Dank“, sagte auch Justus.
-------------------------
Auf der Rückfahrt ließ Bob Justus vorne sitzen. Irgendwie hatte es sich beim Einsteigen richtig angefühlt, dem Ersten den Vortritt zu lassen. Bob und Peter hatten gestern Abend erst darüber geredet, dass sie Sorge hatten, dass Justus sich ausgeschlossen fühlen könnte. Sie hatten sich gegenseitig versprochen, gemeinsam darauf zu achten.
Bob sah aus dem Fenster, als sie die hässliche Straße verließen, in der Mr Wedlington wohnte. In den nächsten Tagen würde er den Fall Tigerauge fertig protokollieren und alles ins Archiv der drei Fragezeichen einlagern. Endlich. Wie unfassbar lang sie an diesen Recherchen gesessen hatten – War das je vorher vorgekommen? Und am Ende hatte sich der Fall dann eher durch verrückte Zufälle und Chaos gelöst als durch tatsächliche Detektivarbeit. Wie viel des gelösten Falls war denn letztlich eigentlich ihr Verdienst? Aber vielleicht war das auch egal. Gelöst war gelöst. Und Bob war eh mit seinen Gedanken bei Peter gewesen.
„Sag mal, Justus“, riss Peters Stimme ihn schließlich aus seinen Grübeleien. „Ich habe den Eindruck, seit Trevor dich zu Hause besucht hat, hängt ihr noch viel mehr aufeinander als vorher.“
Bob grinste. War ja klar, dass Peter seine Neugierde mittlerweile nicht mehr bändigen wollte. Er hatte ja jetzt lange genug geschwiegen. Bob hatte sich schon gefragt, wann Peter endlich mit der Frage rausplatzen würde.
Justus wand sich in seinem Sitz und räusperte sich. „Nun ja, Kollegen. Ihr verbringt auch sehr viel Zeit miteinander. Da finde ich es nur natürlich, dass ich meinerseits ein wenig Zeit mit meinem eigenen Mitbewohner verbringe.“
Peter legte eine Hand an den Mund und blies ein Furzgeräusch. „Bla-bla, Justus. Jetzt leg mal die Karten auf den Tisch.“
„Komm, Peter, dräng ihn nicht. Er muss da nicht drüber reden, wenn er nicht möchte“, schaltete Bob sich ruhig ein.
Justus drehte sich kurz nach hinten und lächelte Bob zu. „Das ist sehr nobel, dass du für mich einstehst, Dritter, aber vielleicht sollte ich Peter auch darüber in Kenntnis setzen, was ich dir bereits mitgeteilt habe.“
„Wie, Bob weiß mehr als ich?“, rief Peter entsetzt.
Bob lachte. „Nicht viel, Peterchen, keine Sorge.“
„Bob weiß, dass ich demisexuell bin“, erklärte Justus ruhig. „Ich habe ihm gesagt, dass ich etwas länger brauche, um herauszufinden, ob ich mich zu einer Person hingezogen fühle oder nicht.“
Peter schwieg kurz und schien zu überlegen. „Spannend“, sagte er schließlich. „Bedeutet das auch, dass es dich unter Druck setzt, wenn ich da so nachhake, wie ich es momentan mit Trevor mache? Falls ja, dann tut mir das leid.“ Er legte Justus kurz eine Hand aufs Knie und nahm sie dann recht schnell wieder zurück ans Lenkrad.
Justus lächelte ihm zu. „Nein, du darfst auf jeden Fall fragen. Es heißt nur eventuell, dass ich dir nicht immer eine Antwort geben kann, die dich zufriedenstellt.“
Peter nickte verständnisvoll, während er gerade souverän die Spur wechselte. „Aber besteht die Chance, dass du Gefühle für Trevor entwickeln könntest? Also, ich meine, weil du gesagt hast, dass du queer bist, hab ich irgendwie angenommen, dass du Männer magst, aber das war ja vielleicht etwas voreilig von mir. Demisexuelle Menschen gehören ja auch zur Community, wenn sie hetero sind.“
Wieder lächelte Justus. „Keine Sorge, du hast das schon richtig vermutet. Ich denke, ich würde das Label pansexuell für mich in Anspruch nehmen wollen.“
Peter grinste breit. „Sehr gut.“ Er räusperte sich. „Und danke, dass du mir das sagst.“
„Aber jetzt interessiert mich trotzdem, wie du aktuell zu Trevor stehst, wenn ich das fragen darf“, schaltete sich jetzt wieder Bob ein. Justus hatte ja schließlich erlaubt, dass sie Fragen stellten. Und die Frage brannte ihm schon sehr unter den Nägeln – so harmonisch dieser Coming-Out-Moment gerade auch war.
Justus seufzte. „Ich muss gestehen, je länger ich Zeit mit ihm verbringe, desto mehr merke ich, was für ein attraktiver Mensch er ist. Er ist wahnsinnig klug und dabei nicht überheblich. Und er besitzt auch eine emotionale Intelligenz, die mir gelegentlich fehlt, sodass ich viel von ihm lerne. Es macht mir Spaß, ihm zuzuhören.“
Es war kurz still im Auto, dann redete Justus weiter. „Außerdem verurteilt er mich nicht für meine altkluge Art, für die ich so oft belächelt werde, selbst wenn ich manchmal Informationen teile, die kontextuell nicht sachdienlich sind. Ganz im Gegenteil: Ich habe sogar den Eindruck, dass er gerade diese Seite an mir schätzt. Er hört mir gerne zu. Ich muss mich nicht verstellen, um von ihm angenommen zu werden.“
Wieder war es still. Nur das Motorengeräusch und das Rollen des Autos auf der Straße waren zu hören. „Das klingt schon nach ziemlich vielen Gefühlen“, sagte Bob anerkennend.
„Das würde ich aber auch sagen“, stimmte Peter zu.
„Mir ist das durchaus bewusst“, sagte Justus. „Ich denke, ich bin tatsächlich schon ein bisschen in ihn verliebt.“
Bob fiel die Kinnlade nach unten, Peter machte ein nicht näher definierbares Quietschgeräusch und schlug mit seiner Hand ein paar Mal auf das Lenkrad.
Justus wartete, bis sich Peter wieder abreagiert hatte, dann redete er weiter: „Als Trev Sonntag und Montag mit in Rocky Beach war, hat er auch einige vorsichtige Andeutungen gemacht, dass er auch Interesse an mir haben könnte. Zumindest habe ich ihn so verstanden. Er weiß, dass ich bei solchen Dingen Zeit brauche, deshalb nehme ich an, er wollte mich nicht unter Druck setzen. Aber vielleicht irre ich mich auch. Ich bin ja bekanntlich nicht der Beste in Sachen Gefühle. Denkt ihr, er mag mich?“
Peter lachte. „Justus. Natürlich mag Trevor dich, das kann jeder aus ner Meile Entfernung sehen.“
„Ist das so?“, fragte der erste Detektiv skeptisch.
„Ja, das ist so“, bestätigte jetzt auch Bob von hinten.
„Hm“, machte Justus. „Woran merkt man das?“
Peter grinste. „Daran, wie er dich ansieht und wie er von dir redet und wie dabei seine Augen funkeln. Und daran, wie er sich windet, wenn man ihn damit aufzieht.“
„Ihr zieht ihn mit mir auf?“
„Vor allem Peter“, erklärte Bob lachend. „Aber ich kann trotzdem bestätigen, dass ich seine Reaktionen darauf für sehr aufschlussreich halte.“
„Aber warum sollte jemand, der so liebevoll und empathisch und attraktiv ist, wie er, jemanden wie mich wollen?“
„HÄ?“, rief Peter.
„Bitte was?“, lachte Bob laut. „Justus, du spinnst ja wohl! Was soll denn bitte an dir nicht zu lieben sein?“
„Naja, nicht jeder mag meine Art. Und dem Schönheitsideal entspreche ich jetzt auch nicht.“
„Justus, ich hau dich gleich“, motzte Peter.
Bob stöhnte. „Just, ich kann verstehen, dass du so denkst. Die Leute in der Highschool waren wirklich nicht immer nett zu dir, aber ich denke nicht, dass die der Maßstab dafür sein sollten, wie du deinen Wert siehst. Weil – die hatten eindeutig unrecht. Erstens bist du extrem schlau, zweitens hast du ein gutes Herz, das bereit ist, jedem zu helfen, der Hilfe braucht, und drittens bist du ein echt schöner Mensch. Nur weil dein Body-Maß-Index nicht in die Schablone des Footballteams gepasst hat, heißt das noch lange nicht, dass dich das unattraktiv macht.“
„Hmpf“, grummelte Justus.
„Außerdem, Just“, schloss Peter sich an und legte seine Hand auf Justus Arm ab, „hat jemanden attraktiv zu finden ja auch damit zu tun, wie die emotionale Verbindung zwischen zwei Menschen ist – wie du ja von uns wahrscheinlich am allerbesten weißt. Und ich hätte selbst mit Tomaten auf den Augen gesehen, dass ihr beide schon nach wenigen Tagen eine wahnsinnig enge emotionale und intellektuelle Verbindung miteinander hattet. Das ist wirklich kaum zu übersehen, wie gern ihr euch habt.“
„Hm“, machte Justus wieder, „da hast du mich jetzt wohl mit meinen eigenen Waffen geschlagen.“
Peter grinste triumphal. „Vielleicht musst du mal mit ihm reden.“
„Vielleicht.“
„Aber nimm dir die Zeit, die du brauchst“, warf Bob ein. „Trevor ist ein geduldiger Mensch, also setz dich nicht unter Druck.“
Justus lächelte. „Danke, Leute.“ Er räusperte sich. Dann fügte er leise hinzu: „Ich bin echt nicht gut in solchen Gesprächen.“
Bob lachte auf. „Wir auch nicht. Aber guck, wir haben es auch irgendwann geschafft.“
„Genau“, stimmte Peter lachend zu, „wenn du denkst, du bist da nicht gut drin, dann guck dir uns an. Besser als wir beide kommuniziert ihr zwei allemal – auch wenn wir jetzt langsam etwas besser darin werden.“
„Das lasse ich mal unkommentiert so stehen“, sagte Justus und lachte mit.
Notes:
Liebe für Justus <3
Chapter 36: Kapitel 36: Der Abschlusslacher
Summary:
Ein paar süße Dinge zum Abschluss
Notes:
Ahhh Hilfe, das ist jetzt echt das letzte Kapitel, ich heule 😭
Es tut mir echt so leid, dass das letzte Kapitel so wahnsinnig lang gedauert hat... Ich hatte den Stress meines Lebens, es war ganz schlimm. Habe meine Abschlussarbeit abgegeben, hatte eine sehr große Prüfung und bei mir auf der Arbeit ist ein viel zu junger Mensch gestorben, es war alles ganz furchtbar 😖
Ich will mich auf jeden Fall ganz ganz doll bei euch allen bedanken, dass ihr so sehr mitgefiebert habt und mir immer so wahnsinnig tolle Kommentare hinterlassen habt. Ohne euch wäre diese Geschichte vielleicht irgendwann im Sande verlaufen... Es hat mich echt sehr gepusht zu wissen, dass so viele Menschen so investiert in diese Story sind! Ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass meine erste deutsche Geschichte hier auf der Plattform gleich so viel Zulauf bekommt, das bedeutet mir mega viel!!! Und vor allem ist das Tigerauge ja jetzt schon fast ein Jahr alt. Dass ihr so lange bei der Stange geblieben seid...? Ist irgendwie ne krasse Vorstellung für mich. Ich schicke euch ganz viel Liebe 🫶🏻🫶🏻🫶🏻
Dickes Shoutout auch an die cuten Tiktok-Leute, die sich in den Kommentaren über meine FFs unterhalten? Als ich das gesehen habe, habe ich fast geweint, ich hab das gar nicht verdient. (man muss dazu sagen, es war auch am Tag vor meiner Abgabe der Abschlussarbeit, als ich das gesehen habe, da hätte mich evtl viel zum Weinen bringen können, aber trotzdem: Ihr seid die süßesten und mich hat das sehr geflasht, dass Leute hinter meinem Rücken schöne Dinge über mich und meine Geschichten sagen 😭
So und jetzt höre ich auf zu labern und wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel. Es ist mal wieder korrekturgelesen von @Milopoli (Für Milopolis Geschichten kann ich auch nur Werbung machen, würde ich sehr empfehlen)
Hab euch lieb und bis bald.
Eure Chris
(See the end of the chapter for more notes.)
Chapter Text
Als Bob am Freitagnachmittag von seiner Vorlesung zurückkehrte und sein Wohnheimszimmer betrat, roch es nach Kirschkuchen. Er sog den Geruch ein und lächelte. Justus stand an der Küchenzeile und war gerade dabei, den Kuchen fachmännisch aus seiner Form zu befreien.
Bob nahm seinen Rucksack ab und stellte ihn vor der Küchentheke ab.
„Nicht schlecht, Chef. Sag bloß, du hast deiner zukünftigen Schwiegermutter einen Kuchen gebacken?“
Justus verdrehte die Augen. „Irrtum, Dritter! Ich habe der Kronzeugin unseres Falls einen Kuchen gebacken. Schließlich hätten wir ihn ohne sie nie gelöst.“
„Wenn du das sagst, Erster…“ Bob verzog belustigt das Gesicht und betrachtete ihn. „Und für die Kronzeugin unseres Falls hast du dir auch ein Hemd angezogen?“
„Nein, das hat er angezogen, weil ich gesagt habe, dass er es anziehen soll“, rief Trevor aus dem Sessel, der ihnen mit dem Rücken zugewandt war. Bob hatte gar nicht gesehen, dass er hier saß. „Es steht ihm nämlich sehr gut. Ich nehme zu dieser Zeit keine Kritik entgegen, vielen Dank.“ Trevors Gesicht tauchte über der Sessellehne auf. Offenbar hatte er sich jetzt im Sessel umgedreht und sich auf die Sitzfläche gekniet. Er stützte seine Ellenbogen auf der Lehne ab und drapierte sein Gesicht kunstvoll auf seinen Händen.
Bob grinste Trevor an. „Ich hatte nicht vor, es zu kritisieren. Es sieht tatsächlich sehr gut aus. Hast du gut gemacht.“
„Siehst du?“, sagte Trevor stolz und machte eine Handgeste in Justus‘ Richtung. Justus lief ein wenig rot an und sah auf den Boden.
Bob betrachtete Trevor. „Wie war denn dein Treffen gestern Abend?“
„Ganz gut, denke ich. Er ist nett.“ Trevor zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns ja gerade erst kennengelernt. Er hat vor allem viele interessierte Fragen gestellt. Was ich so mache und oberflächliche Dinge, die man halt so fragt, wenn man als lang verschollener Vater nicht mit der Tür ins Haus fallen will.“ Er betrachtete seine Fingernägel.
„Das klingt doch nach ‘nem guten Anfang.“
„Ja, ich denke auch. Wir treffen uns nächste Woche nochmal. Er zeigt Justus und mir das Druckereimuseum.“
Bob lachte.
„Ja, er hat mich eingeladen“, erklärte Trevor und hob herausfordernd die Augenbrauen, „und dann habe ich gesagt, dass mein, ähm… Mitbewohner, den er ja kennt, da sicher auch großes Interesse dran haben würde, und jetzt kriegen wir beide eine Führung.“ Er grinste triumphal.
„Ihr beide seid solche Nerds.“ Am liebsten hätte Bob noch hinzugefügt, dass das sicher ein toller Ort für ein Nerddate wäre, aber er verkniff es sich.
„Sagt der Mann, der eine alte Schreibmaschine auf seinem Regal stehen hat, für die Vibes“, neckte ihn Trevor.
„Das ist nicht nerdig, das ist retro“, erklärte Bob.
Justus lachte. „Red dir das ruhig ein, Dritter.“
„Naja, anyways“, sagte Trevor und erhob sich katzenartig aus dem Sessel, „wo ist denn dein Boy? Wollen wir nicht langsam mal los?“
Bob zuckte mit den Schultern. „Ich gucke mal.“ Er hob seinen Rucksack wieder auf und schlenderte damit zu seiner Zimmertür.
Peter saß am Schreibtisch und grinste Bob über die Schulter zu. „Hey!“
Bob zog die Tür hinter sich zu. „Hey“, erwiderte er und grinste auch. Er stellte sich hinter ihn, beugte sich herunter und küsste ihn. Eigentlich hatte er ihm nur einen kurzen Begrüßungskuss geben wollen, aber Peter legte eine Hand in seinen Nacken und vertiefte den Kuss. Bob grinste und ließ es zu.
„Hab‘ dich vermisst“, flüsterte Peter gegen seine Lippen.
„Ich war nur ein paar Stunden weg.“
„Egal.“
Mit einer Handbewegung drehte Bob den Schreibtischstuhl, in dem Peter saß, um und setzte sich dann vorwärts auf seinen Schoß. Peter grinste und legte seine Arme um ihn. Bob strich mit seinen Händen durch die roten Haare und betrachtete das wunderschöne Gesicht, das nur eine Handbreit von seinem entfernt war. „Wie war dein Tag bisher?“
„Gut“, sagte Peter. „War joggen heute Morgen und dann in einer Vorlesung und jetzt habe ich ein bisschen an meinem Essay für nächste Woche gearbeitet. Und gepackt habe ich auch. Hast du schon alles fertig?“
„Eigentlich bin ich hierhergekommen, um dich das Gleiche zu fragen.“
Peter grinste. „Hat ja gut geklappt.“
Bob streckte ihm die Zunge heraus. „Mich hat halt jemand abgelenkt.“
„Wer könnte das nur gewesen sein?“
„Keine Ahnung, weiß ich auch nicht.“ Er lachte. „Naja, aber um deine Frage zu beantworten: Ich habe gestern schon alles fertiggepackt. Also meinetwegen können wir los.“
Peter nickte. „Meinetwegen auch.“
„Gut.“
„Allerdings müsstest du zuerst aufstehen, sonst komme ich nicht hoch“, merkte Peter an.
„Schwächling“, sagte Bob und grinste.
„Na warte“, erwiderte Peter. Dann griff er mit seinen Händen um Bobs Oberschenkel und hievte sich mitsamt Bob, der wie ein Klammeräffchen an ihm hängen blieb, umständlich in den Stand.
Bob lachte. „Okay, ich nehme alles zurück.“ Mit seinen Beinen hielt er sich um Peters Oberkörper geschlungen fest und verschränkte seine Arme hinter dessen Kopf.
Peter grinste breit. „Sowas kann ich ja nicht auf mir sitzen lassen.“
Bob grinste zurück. „Nein, das kannst du nicht, stimmt. Das hätte ich wissen müssen.“ Er adjustierte seine Position so, dass er Peter wieder küssen konnte. Es war ein alberner Kuss. Sie mussten kichern und sie schnauften beide von der körperlichen Anstrengung, aber es war genau das, was Bob gerade brauchte.
Peter zu küssen war, wie plötzlich an eine Ladestation angeschlossen zu sein, ohne vorher gewusst zu haben, dass man eine brauchte. Plötzlich fühlte sich alles unverhofft leichter an. Unkomplizierter.
Es klopfte an der Tür. „Kollegen, seid ihr soweit?“
Bob und Peter zuckten zusammen und lachten. „Ich denke, wir wollen los.“
„Dafür müsstest du mich runterlassen“, kicherte Bob.
„Dafür müsstest du deinen Klammergriff lösen.“ Peter sah ihn herausfordernd an. „Ich kann dich natürlich auch so zum Auto tragen. Nur dann muss Justus unsere Taschen tragen.“
„Da würde er sich sicher freuen“, sagte Bob grinsend. Dann ließ er los und stellte seine Füße wieder auf dem Boden ab. Seine Hände ließ er hinter Peters Kopf verschränkt, um ihm noch einen letzten Kuss zu geben. „Das ersparen wir ihm heute mal, oder?“
Peter lachte. „Ausnahmsweise.“
----------------------
Bei Tony hatte sich nicht viel verändert. Das Haus sah noch immer gleich aus – es war ja auch nicht viel Zeit vergangen. Allerdings wirkte Tony anders. Sie wirkte entspannter und leichter. Kein Wunder. Dadurch, dass das Tigerauge und mittlerweile auch der Großteil von deren Handlangern und Drahtziehern inhaftiert waren, musste Tony sich signifikant weniger Sorgen machen. Und jetzt, wo ihr Besuch nicht mehr geschäftlicher Natur war, war die Stimmung eindeutig angenehmer. Es war zwar eigentlich Trevor gewesen, der darauf bestanden hatte, dass die drei Fragezeichen noch einmal unter besseren Umständen nach Boulder City kamen, aber letztlich hatte sich herausgestellt, dass Tony wohl auch einen gehörigen Anteil an dem Vorschlag gehabt hatte. Das wurde vor allem darin deutlich, wie aufwändig sie die vier Jungen bekochte.
„Wisst ihr, Jungs, als mir Rick das erste Mal von euch erzählt hat, habe ich ehrlich gedacht, ihr könntet eine riesige Gefahr für mich darstellen“, sagte sie schließlich, als sie beim Nachtisch angekommen waren. „Ich bin froh, dass ich falsch lag.“ Sie lächelte in die Runde und strich sich eine ihrer langen Braids aus dem Gesicht.
„Eine durchaus berechtigte Sorge“, pflichtete Justus ihr bei. „Du kanntest uns schließlich noch nicht und befandst dich in einer durchaus prekären Lage.“
„Hm“, machte Tony. „Ich denke, wenn man so lange auf der Hut ist, wie ich es war, gewöhnt man sich irgendwann an diesen Zustand. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich mich jemals nicht mehr würde verstecken müssen. Irgendwann hat man sowas einfach akzeptiert. Und dass mich am Ende die drei Mitbewohner meines Sohnes aus meinem selbstgebauten Zeugenschutzprogramm befreien, war wirklich das Letzte, das ich erwartet hatte.“ Sie lachte.
Trevor grinste. „Und ich hätte nicht erwartet, dass die drei Typen, mit denen ich zusammenwohne, so schnell meine besten Freunde werden. Vor allem, weil sie sich schon kannten und ich der einzige Fremde in diesem Zimmer war.“
„Naja, das hat vor allem auch damit zu tun, dass du einfach ein toller Mensch bist, mit dem man gern befreundet ist“, warf Bob ein. Eigentlich hätte er noch sagen können, dass es auch daran lag, dass er sich Justus angelacht hatte und Justus eben Peter und Bob im Gepäck hatte, aber vielleicht verschwieg er das lieber. Und so ganz stimmte es ja auch nicht. Sie waren schließlich alle mit Trevor befreundet. Nicht nur wegen Justus.
Trevor legte eine Hand aufs Herz und sah gerührt in die Runde. „Ihr seid so süß, Leute, ich hab euch lieb.“
„Da sind wir auf jeden Fall an talentierte Leute geraten“, sagte Tony lachend. „Sie können gute Freunde sein und gleichzeitig Schwerverbrecher hinter Gitter bringen.“
„Das sollten wir auf unsere Visitenkarte schreiben“, warf Peter ein. „Die drei Fragezeichen: Gute Freunde, die Schwerverbrecher hinter Gitter bringen.“
„Ist dein Onkel ein Schwerverbrecher? Wir finden es heraus – Die drei Fragezeichen“, sagte Trevor sarkastisch und gestikulierte dabei ein Schild in die Luft. Dann machte er große Augen und sah in die Runde. „Zu früh?“
Tony zog die Mundwinkel nach unten. „Kaum zu fassen, dass ich all die Jahre nicht verstanden habe, wie er wirklich drauf ist.“
„Bei Menschen, die einem nahestehen, ist so etwas mit Ermessen eine Herausforderung“, pflichtete Justus ihr nun wieder bei.
„Außerdem können manche Menschen so etwas gut verstecken“, fügte Trevor hinzu. „Schaut euch Ben an. So ein richtiger Sunnyboy und dann passiert sowas.“
„Bei Ben habe ich aber auch das Gefühl, dass er eigentlich das Herz am rechten Fleck hat“, murmelte Peter. „Ihm wurde halt von klein auf vom Tigerauge das Gehirn durchgespült.“
Tony zuckte mit den Schultern. „Das sagt Annalise auch. Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann. Aber sie hat jetzt einen befreundeten Anwalt gefunden, der sich für ihn einsetzen wird – auch wenn das sicher noch ziemlich schwierig wird. Wenn er Glück hat, wird nur das Jugendstrafrecht angewendet. Und möglicherweise lässt sich auch eine Strafmilderung herausschlagen, weil er geholfen hat, so viele andere Straftaten aufzudecken.“
„Es ist halt leider nicht so ganz ohne, was er sich da selbst an Straftaten angehäuft hat“, sagte Peter. „Sein Basketballstipendium wird er wohl nicht behalten können – falls er überhaupt weiterstudieren darf.“
„Und seine Eltern haben natürlich auch nicht gut darauf reagiert, dass er der Polizei so viel erzählt hat“, erklärte Tony weiter. „Die werden ihn also bestimmt nicht unterstützen. Annalise hat schon angekündigt, dass sie ihn aufnimmt, wenn’s hart auf hart kommt.“
„Und das, nachdem er sie entführt hat? Das ist echt stark“, sagte Bob. „Sie muss wohl echt an ihn glauben.“
Tony kratzte sich nachdenklich am Kinn und ließ ihren Blick abschweifen. „Ich habe den Eindruck, Annalise hat sich immer ein bisschen in ihm wiedererkannt. Sie redet oft über ihn. Sie ist, genau wie er, in den Strukturen der Gruppe aufgewachsen. Da so auszubrechen ist hart.“
Bob fragte sich, wie sehr dieses Gefühl von Annalise auch damit zusammenhing, dass sie beide queer waren. Als queerer Mensch in solchen Strukturen aufzuwachsen hatte sicherlich nochmal andere Implikationen als bei allen anderen. Vielleicht sah sie sich deshalb so sehr in Ben.
„Wie war es denn bei Rick und dir? Waren eure Eltern auch Teil der Gruppe?“, wollte Peter jetzt wissen.
Tony seufzte. „Wir wurden adoptiert, als wir noch jung waren. Rick war elf, ich war neun. Unsere Mutter war schon vor Jahren gestorben und unser Vater kam damals in Haft. Wir sind dann in einer Pflegefamilie gelandet, die Teil der Tigerauge-Gruppe war. Unsere Pflegeeltern, die uns dann später adoptiert haben, waren sehr gut mit Kaitlyn und Fred befreundet. Deren Haus war wie unser zweites Zuhause. Wir haben mit ihren Kindern gespielt, wir hatten unsere Riten und Feste dort… Die Situation mit unseren biologischen Eltern war nie besonders stabil gewesen. Und als wir dann in Calabasas ankamen, war es erstmal wie Himmel auf Erden. Dass Rick da nie rauswollte, kann ich gut verstehen. Aber für mich gab es einfach zu viel, mit dem ich nicht leben konnte. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich gemerkt, was da eigentlich alles abging.“
Sie schwiegen kurz und ließen die Worte sacken.
„Und jetzt kann dieses blöde Versteckspiel endlich ein Ende haben.“ Sie lächelte wieder. „Ich kann euch gar nicht sagen, wie dankbar ich euch bin. Ich habe das Gefühl, ich kann endlich wieder atmen. Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber so langsam kommt es in meinem Kopf an.“
Bob lächelte. Der ganze Stress hatte sich wirklich gelohnt. Sie hatten die Machenschaften der Tigerauge-Gruppe tatsächlich aufdecken können. Zwischendrin hatte es total ausweglos ausgesehen, aber letzten Endes hatten sie auch diesen Fall lösen können. Seltsam, wie das immer so funktionierte.
„Nun.“ Tony klatschte in die Hände. „Genug der Sentimentalitäten. Was habt ihr Schönes vor dieses Wochenende?“
„Ehm“, machte Bob, überrascht von dem schnellen Themenwechsel.
„Morgen schauen Bob und ich uns den Hoover Dam an“, kam ihm Peter zur Hilfe. „Und Justus kriegt eine persönliche Stadtführung von Trevor. Übermorgen wissen wir noch nicht.“
„Das klingt schön!“, sagte Tony.
Bob grinste und wechselte einen Blick mit Peter. Tatsächlich hätten sie beide auch Interesse an der persönlichen Stadtführung gehabt. Dass sie darauf verzichtet hatten, war auf Justus‘ Mist gewachsen, der sich für Trevor eine Überraschung überlegt hatte. Der wusste natürlich nichts davon und hatte sich über ihre Absage gewundert. Bob und Peter hatten dann schön scheinheilig betont, dass sie dringend ein Date zu zweit brauchten. Aber vielleicht brauchten sie das ja auch. Seit dem Pancake-Date, von dem Bob gar nicht gewusst hatte, dass es ein Date sein sollte, hatten sie nämlich tatsächlich noch kein richtiges Date gehabt. Also vielleicht wurde es jetzt wirklich mal Zeit.
---------------
Der Damm war tatsächlich sehr beeindruckend. Es gab eine riesige Brücke über eine gigantische Kluft und eine massive Staumauer, die bilderbuchartig von Bergen und dem Stausee umrahmt wurden. Das Wetter spielte auch mit. Es war wunderschön sonnig, aber nicht zu heiß und es wehte ein leichter Wind. Sie liefen eine Weile umher, erkundeten das Umland und machten Fotos (größtenteils kitschige Pärchenselfies). Aber vor allem redeten sie einfach. Stundenlang.
Es war zwar schon immer einfach gewesen, mit Peter zu reden – das wusste Bob – aber irgendwie hatte sich nochmal etwas verändert, seit sie zusammen waren. Es war irgendwie leichter geworden. Alles hatte eine neue Leichtigkeit für Bob bekommen. Den Trampelpfad neben dem See entlangzulaufen, mit Peter an der Hand. Zuzusehen, wie Peter versuchte, flache Steine über das Wasser flitschen zu lassen. Auf einem großen Stein zu sitzen und über die großen Dinge zu reden – wie sehr Peter Angst um ihn und Justus gehabt hatte, als sie entführt worden waren. Wie es für Bob gewesen war, als Peter von Ben im Wald niedergeschlagen worden war. Und auch darüber, wie Justus sich vor ein paar Tagen bei ihnen dafür entschuldigt hatte, dass er sich so waghalsig in den Fall gestürzt hatte. Er hatte Angst gehabt, dass Bob und Peter auf dem College mit den drei Fragezeichen aufhören wollen und dass das Tigerauge deshalb ihr letzter Fall sein könnte. Sie hatten Justus in den Arm genommen und ihm versichert, dass sie so schnell nicht aufhören würden. Das war doch klar – schließlich waren sie die drei Fragezeichen.
Die Art und Weise, wie er jetzt mit Peter reden konnte, fühlte sich für Bob an, wie ein Puzzlestück, das ihm die ganze Zeit gefehlt hatte. Verwundbar sein zu können. Die Tatsache, dass endlich alles auf dem Tisch war. Bob konnte es gar nicht so richtig greifen. Aber eins war sicher: Er war unfassbar verliebt.
Als sie am Ende des Tages in dem Diner ankamen, in dem sie sich mit Trevor und Justus verabredet hatten, waren die anderen beiden schon da. Es brauchte wirklich keinen Körpersprache-Experten, um zu sehen, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte. Erstens saßen sie sehr viel näher aneinander als sonst. Und zweitens merkte man ihnen an, wie sie versuchten, sich das Grinsen zu unterdrücken.
„Ich nehme an, eure kleine Stadtführung war erfolgreich?“, sagte Peter grinsend, während er in die freie Bank rückte.
„Das würde ich ja wohl auch mal vermuten“, bestätigte Bob lachend und rückte neben ihn.
Trevor verdrehte die Augen. „Das habt ihr gut verheimlicht! Ich dachte schon, ihr hättet tatsächlich kein Interesse an meinen Tourguide-Qualitäten.“
„Nope“, rief Peter. „Wir wollten euch nur den Weg freimachen.“
Trevor sah ein wenig verlegen auf den Tisch. „Ihr seid süß, Leute.“
„Aber“, warf Peter ein, „dafür wollen wir jetzt auch Details wissen, bitte. Eine sehr Justus-artige Justus-Eigenschaft ist es nämlich, dass er immer alles für sich behält, damit er am Ende den größtmöglichen dramatischen Effekt erzielen kann. Und so wollte er uns natürlich partout nicht sagen, was er mit dir vorhat.“
„Und wir sind Detektive“, pflichtete Bob ihm bei. „Da ist Neugierde leider eine Berufskrankheit.“
„Ist ja gut, Kollegen“, sagte Justus lachend, „wir werden euch alles erzählen.“ Er wandte sich zu Trevor. „Möchtest du oder soll ich?“
Bob grinste. Justus, der freiwillig das Zepter aus der Hand gab. Spannend. Trevor brachte wohl ganz neue Seiten in ihrem Ersten heraus.
Trevor legte seine Hände flach auf den Tisch und zog die Augenbrauen hoch. „Also. Wir waren in der Stadt und ich habe Justus alles gezeigt. Und dann sind wir irgendwann in meinen Lieblingsbuchladen gegangen. Davon hatte ich Justus in LA schon ein paar Mal erzählt. Da gibt es eine dazugehörige Buchbinderei mit einer alten Dame, die kaputte Bücher mit neuen Covern einschlägt. Die sind alles Unikate und total schön. Ich habe schon ein paar von ihren Büchern gekauft.“
„Ein paar ist gut“, warf Justus ein, „du hast elf in unserem Zimmer und hier in deinem alten Kinderzimmer stehen auch nochmal 18.“ Bob grinste bei dem Gedanken, dass Justus die genaue Zahl wusste.
„Ja, möglicherweise bin ich süchtig“, erklärte Trevor und sah dabei an die Decke. „Egal, das ist es mir wert.“ Er nahm sich sein Getränk und nippte dramatisch an seinem Strohhalm. „Wer braucht Therapie, wenn man auch an Büchern riechen kann?“
Bob zog belustigt die Augenbrauen zusammen und lachte.
„Das ist ein Scherz, obviously, jeder sollte mal in Therapie gehen, das ist sehr gesund.“ Trevor sah bestimmt in die Runde. „Vor allem, wenn man schon etliche Male entführt wurde.“ Bei den Wörtern „etliche Male“ malte er Anführungszeichen mit seinen Fingern in die Luft.
„Tolle Idee“, sagte Peter sarkastisch, „besonders Bob hat damit großartige Erfahrung gemacht.“
Es war kurz still.
„Erkläre ich dir später“, sagte Justus und nahm Trevors Hand.
Ein bisschen unsicher sah Trevor in die Runde.
Bob lachte. „Wir haben nichts gegen Therapie. Nur gegen eine bestimmte Therapeutin, die wir nicht mögen. Ist egal, Trevor, erzähl einfach weiter.“
Trevor verschränkte seine Finger mit denen von Justus und erzählte weiter. Bob und Peter tauschten einen Blick aus.
„Auf jeden Fall hatte Justus bei der Frau ein Buch bestellt und ich hatte keine Ahnung davon. Eins meiner absoluten Lieblingsbücher.“
„Ich habe eine alte Ausgabe im Gebrauchtwarencenter gefunden, die echt abgenutzt war. Perfekt, um es mit einem neuen Cover auszustatten. Ich habe es ihr vor einigen Tagen per Post geschickt.“
„Und es hat eine persönliche Widmung.“ Trevor grinste.
„Justus, hast du etwa eine Liebesbotschaft in ein Buch geschrieben?“ Bob lachte. „Ich wusste gar nicht, dass du so ein Romantiker bist.“
Justus verdrehte die Augen. „Vielleicht kennt ihr mich einfach zu schlecht.“
„Na, und? Was steht drin?“, wollte Peter wissen.
„Das ist geheim!“, sagte Justus.
Peter fiel die Kinnlade nach unten. Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust.
„Naja“, sagte Bob mit amüsiertem Blick, „zumindest wissen wir, dass es gut genug war, um euren Beziehungsstatus zu verändern, oder?“ Er ließ seinen Blick wieder auf die verschränkten Hände der beiden auf dem Tisch wandern.
„Kollegen, das nenne ich Effizienz“, erklärte Justus und zuckte grinsend mit den Schultern.
Trevor verzog amüsiert das Gesicht. „Ich nenne es offene Kommunikation.“
„Ich nenne das: Ihr kennt euch nicht schon seit der Kindheit und musstet Angst haben, eine jahrelange Freundschaft mit euren Gefühlen zu zerstören“, sagte Peter.
„Ich nenne das: Signifikant weniger internalisierte Homophobie“, erklärte Bob.
„Ist ja auch eigentlich egal, wie wir es nennen“, sagte Trevor mit einem Lächeln. „Ihr habt es geschafft, wir haben es geschafft, jetzt können wir wie eine kleine Kommune in unserem Wohnheimszimmer leben und unseren Pflanzen Namen geben.“
Peter lachte. „Solange wir uns keine Amulette umhängen und eine kleine Sekte daraus machen, bin ich dabei.“
„Ich würde mich in nächster Zeit von Amuletten jeglicher Art fernhalten“, sagte Bob und lachte mit.
Trevor verzog das Gesicht. „Die Dinger sind eh ein Fashion-Verbrechen, so etwas kommt mir nicht ins Haus.“
„Wenn das nur das einzige ihrer Verbrechen gewesen wäre“, sagte Justus und jetzt lachten sie alle vier.
Notes:
Sooo das wars :))))
Lasst mir gern etwas Liebe in den Kommentaren da, wenn euch die Geschichte gefallen hat, würde voll gern von euch hören!
Wir sehen uns bestimmt bald mit einer neuen Geschichte wieder ;)

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Leniii (Guest) on Chapter 3 Tue 21 Feb 2023 08:06PM UTC
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reallifepeter (Guest) on Chapter 3 Sat 02 Sep 2023 03:58PM UTC
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Lessi (Guest) on Chapter 3 Fri 26 Jan 2024 06:14AM UTC
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sunshineinyourmind (Guest) on Chapter 3 Sun 17 Mar 2024 09:51AM UTC
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becauseicareaboutyoualex on Chapter 3 Tue 25 Mar 2025 02:39PM UTC
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MusicJam (kafkafant) on Chapter 4 Tue 28 Feb 2023 07:34AM UTC
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flower_flora on Chapter 4 Fri 17 Mar 2023 05:56PM UTC
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Lessi (Guest) on Chapter 4 Fri 26 Jan 2024 06:18AM UTC
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Annelie (Guest) on Chapter 4 Mon 05 Feb 2024 06:14PM UTC
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