Chapter Text
Das Herz von Kalos war gänzlich von der Dunkelheit verschluckt worden.
Dort, wo einst der Prismaturm nicht nur die Nächte, sondern auch jeden einzelnen Tag mit seiner reinen Präsenz erhellte, überschwemmten nun Berge aus Trümmern den Zentral-Plaza. Diese Bruchsteine boten den perfekten Nährboden für einen unscheinbaren Samen der Zerstörung, aus dem etwas heranwuchs, das sich dem pechschwarzen Himmel gierig entgegen streckte. Eine gigantische Blume, ebenso hoch wie der alte Wächter, von dem nur noch kümmerliche Reste übrig waren. Sie überragte alles, verhalf den ohnehin düsteren Schatten zu noch mehr Dichte.
Als sich ihre Blüte, getragen von einem blutroten Stamm, langsam öffnete, verschmolz ihre schwarze Gestalt harmonisch mit der ewigen Nacht, die über Illumina City hereingebrochen war. Eine unheilvolle Energie strömte unbemerkt aus der Blume heraus und legte sich wie eine tonnenschwere Decke über die Stadt, zwang alles und jeden, sich vor ihrer neuen Herrscherin zu verneigen.
Rasant breitete die Blume unter der Erde ihre Wurzeln aus, brach an verschiedenen Stellen der Stadt hervor und umklammerte besitzergreifend alles, was sie zu fassen bekam. Bald wirkte es so, als hätten blutige Adern ein Netz gebildet, mit dem sie Illumina City unter ihrer Kontrolle hielten – und durch das sie ihre Macht demonstrierten, indem sie mühelos das eine oder andere Gebäude mit ihrem festen Griff zerdrücken. Rote Wurzeln des Bösen, voller Machthunger.
In Illumina City war das pure Chaos ausgebrochen.
Panische Schreie erfüllten die Straßen, von Menschen und Pokémon gleichermaßen, doch ihre neue Herrscherin blieb davon ungerührt. Stattdessen begann ihre Blüte irgendwann auf einmal unheilverkündend zu glühen und hob sich dadurch deutlich aus der Schwärze hervor. Magentafarbenes Licht erstickte auch das letzte, schwache Leuchten der Sterne, welche als ferne Zeugen die furchtbare Katastrophe beobachteten, die über Kalos hereingebrochen war.
Wenige verzweifelte Seelen versuchten zu verhindern, was auch immer als nächstes kommen mochte. In Zusammenarbeit mit ihren treuen Pokémon attackierten einige Menschen den Stamm und die Wurzeln der Blume, leider zeigten diese Bemühungen keinerlei Wirkung. Zu groß war die düstere Macht, der sie sich mit all ihrer Kraft und dem Glauben an sich selbst versuchten entgegenzustellen.
Unaufhaltsam sammelte ihre Gegnerin in ihrer Blüte mehr und mehr von diesem Licht an … und feuerte es schließlich in einem gebündelten Strahl in den Himmel ab.
Es war dieser Moment, in dem jedem die Ähnlichkeit zu einer anderen, schrecklichen Waffe bewusst werden musste. Tatsächlich besaßen die Blüten dieselbe Form. Die Form der Ultimativen Waffe. Nur bestand diese Blume aus Dunkelheit, nicht aus Kristall – sein prismatisches Farbenspiel hatte noch etwas Schönes an sich, während diesmal nur Bosheit die Atmosphäre beherrschte. Einzig die gewaltsame Energie hatten sie gemein, die Ultimative Waffe und diese Blume.
Nach einiger Zeit regneten abertausende Funken des Lichtstrahls unaufhaltsam auf die Stadt hinab, wie Meteoriten. Bildeten auf obskure Weise ein faszinierendes Feuerwerk. Sobald sie aufschlugen, bliebe nichts mehr übrig. Nichts außer Dunkelheit und Leere, in der die Blume als einzige Existenz blühen könnte. Alles gehörte dann ihr allein. Alles. Auf ewig.
Hilflos starrte der Großteil der Bewohner von Kalos in den Himmel, sahen ihr grausames Schicksal mit jeder Sekunde näherkommen. Nur die rebellischen Seelen unter ihnen planten bis zum letzten Atemzug nicht aufzugeben, worüber die Blume sich nur müde amüsieren konnte. Sofern sie überhaupt über so etwas wie Emotionen verfügte, aber das spielte keine Rolle. Das Ende war nahe.
Illumina City war bereits erloschen und würde als nächstes auf ewig zum Schweigen gebracht werden. Zurück bliebe nur die in Ewigkeit Blühende.
Als die ersten Funken die Stadt erreichten und beim Aufschlag eine Explosion nach der anderen für ein gleißendes Licht sorgte, war dieses Schicksal endgültig besiegelt – und das Leben, welches seit Jahrtausenden Kalos in Schönheit erblühen ließ, wurde diesmal restlos ausgelöscht.
